Beate Raudies

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Last Statements

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der weltweiten Finanzkrise 2007 diskutiert man in der EU und insbesondere in Deutschland über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Meine Partei diskutierte schon vorher darüber, da hieß es noch Spekulationssteuer. So ganz neu ist die Idee für uns also nicht.
Diese Finanztransaktionssteuer soll zu einer fairen Besteuerung des Finanzsektors führen, welcher weder der Umsatzsteuer noch einer besonderen Rechtsverkehrssteuer unterliegt. Lieber Kollege Harms, besteuert werden sollen alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen, also nicht nur die spekulativen Geschäfte. Da stimmte gerade die Eingangsvoraussetzung nicht.
Durch diese Steuer sollen Finanzinstitute an den Kosten der Bankenkrise beteiligt werden - so die Ursprungsidee -, und außerdem wollte man das Volumen der kurzweiligen Transaktionen reduzieren. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war ein großer Befürworter dieser Idee.
Das hört sich alles doch erst einmal toll an. Fast alle könnten dazu Beifall klatschen. Wer sollte etwas dagegen einzuwenden haben? - Und doch - es ist schon in den ersten beiden Beiträgen deutlich geworden - sind Sinn, Zweck und Ausgestaltung dieser Steuer nach wie vor ebenso umstritten wie die Einführung. Für eine europaweite Finanztransaktionssteuer gibt es auf europäischer Ebene derzeit keine Mehrheit.
Immerhin: Mindestens zehn Befürworter-Staaten wollen eine solche Abgabe im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit als Vorreiter einführen. Frankreich hat als erster Staat in Europa bereits zum 1. August 2012 eine Finanztransaktionssteuer eingeführt. Beim Kauf zahlreicher französischer Aktien ist seitdem eine Abgabe von jetzt 0,3 % fällig. Dem Beispiel Frankreichs folgend, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz Anfang Februar 2019 gemeinsam mit dem französischen Minister Bruno Le Maire den anderen europäischen Finanz
ministern einen Kompromissvorschlag für genau so eine Aktiensteuer gemacht. Eine harmonisierte Besteuerung von Aktienerwerben - das wäre immerhin der Einstieg in eine umfassende Besteuerung von Finanztransaktionen und ein erster wichtiger Schritt hin zur angemessenen und gerechten Einbindung des Finanzsektors in die Finanzierung des Staatshaushalts. Wer diesen ersten Schritt nicht unternimmt, kann dem Ziel einer Steuer mit breiter Bemessungsgrundlage nicht näherkommen.
Aber auch dieser deutsch-französische Vorschlag war bislang nicht konsensfähig. Immerhin hat es im Zuge der Verhandlungen über den mittelfristigen Finanzrahmen der EU Vereinbarungen zum Thema Eigenmittel gegeben. In diesem Zusammenhang wird auch wieder über die Finanztransaktionssteuer diskutiert.
Die mittlerweile vorliegende Eigenmittel-Roadmap sieht vor, dass sich die EU-Kommission bemühen wird, auf der Grundlage von Folgenabschätzungen für die Einführung neuer Eigenmittel bis Juni 2024 einen Vorschlag vorzulegen, der auch eine Finanztransaktionssteuer umfassen könnte. Verhandelt wird über die Einführung als neues Eigenmittel zum 1. Januar 2026.
Wir begrüßen diese Entwicklung auf gesamteuropäischer Ebene natürlich. Ich bin sicher, dass sich die Bundesregierung, insbesondere Bundesfinanzminister Olaf Scholz, konstruktiv und zielführend in die Verhandlungen einbringen wird, um einen Abschluss der Verhandlungen auf europäischer Ebene noch vor dem Termin 2024 zu erreichen.
Der Kollege Plambeck hat es gesagt: Nach dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist die Einführung einer nationalen Finanztransaktionssteuer im Moment nur im europäischen Kontext vorgesehen. Ich will aber nicht verhehlen: Das alles dauert mir zu lange.
Insofern ist es kein Wunder, dass Rufe nach weiteren nationalen Lösungen laut werden, so wie jetzt mit diesem Antrag vom SSW. Aber hilft uns das wirklich weiter?
Ist es zielführend, wenn jedes Land eigene Besteuerungsgrundlagen und möglichst eigene Befreiungstatbestände festlegt? Natürlich würde ein Teil der Geschäfte woandershin verlegt. Wer sollte erfassen und kontrollieren, ob der Wohnsitz des Käufers im Inland ist? Das setzt ein umfassendes Kontroll- und Mitteilungssystem voraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang sei mir der Hinweis erlaubt, dass es bei einer Verkehrssteuer schwierig ist, mit persönlichen Freibeträgen zu arbeiten. Das ist dem Wesen der Verkehrssteuer eigentlich nicht eigen. Da scheint mit der Vorschlag von Olaf Scholz aus diesem Frühjahr, über die Erhöhung des Sparerfreibetrags nachzudenken, doch zielführender, denn die Kleinanleger, für die wir hier jetzt alle reden, erwerben Aktien für die Vermögensbildung, halten sie dementsprechend lange und erzielen auch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die hätten also etwas von einem höheren Sparerfreibetrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die europaweite Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage bleibt für uns, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, eine Kernforderung.
Es wird höchste Zeit - ich kann jetzt nicht aufhören, aber meine Redezeit ist gleich um -, dass wir die Blockade auf europäischer Ebene überwinden. Darüber, wie wir das machen, können wir gern im Finanzausschuss diskutieren. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine meiner ersten Erinnerungen ist das Titelbild des „Stern“ vom Anfang der 70er-Jahre mit Fotos von vielen, vielen Frauen. Auf diesem Titel stand: „Wir haben abgetrieben!“. Ich war sechs oder sieben, ich wusste gar nicht, was das war, aber ich habe begriffen, dass es etwas Besonderes war, dass diese Frauen auf diesem Bild, die ich aus dem Fernsehen von der „Tagesschau“ oder aus dem Sport kannte, sich da hinstellten - auf einem Schwarz-Weiß-Fahndungsfoto, so war es damals angelegt - und dieses Bekenntnis abgaben. Das war der Auftakt zur großen Reformdebatte über den § 218.
Liebe Kollegin Touré, seien Sie mir nicht böse: Da waren die Grünen noch nicht dabei, weil es die damals noch nicht gab. Aber es waren viele Frauen im Bundestag - und damals auch ganz, ganz viele aus
der FDP, liebe Anita Klahn -, die das mit auf den Weg gebracht
und einen Riesenschritt vorangebracht haben. Dann kam das Bundesverfassungsgericht und hat uns in die Situation gebracht, in der wir heute sind: Wir haben ein Schwangerschaftskonfliktgesetz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, in Ihrem Antrag stellen Sie fest: Das gilt in Schleswig-Holstein - na doll! Dann stellen Sie fest, dass die Beratungsangebote gemäß den gesetzlichen Vorgaben finanziert werden. Na toll! Das ist ja wohl selbstverständlich, will ich dazu sagen, alles andere wäre ja ein Skandal.
Jetzt bitten Sie die Landesregierung, Gespräche zu führen, wie man eine verbesserte Information und Übersicht sicherstellen kann. Ein erster Schritt wäre schon einmal ein Bekenntnis dieses Hauses zur Abschaffung des § 219 a gewesen. Das hat Jamaika nicht hinbekommen. Auf Bundesebene hat die CDU im Bundestag eben auch einen Beschluss dazu verhindert. Das muss hier einmal so gesagt werden.
- Das weiß jeder, aber ich sage es trotzdem gern noch einmal, weil es mir wichtig ist, dass noch einmal alle das hören. Das ist uns zu wenig.
Sehr gerne, klar.
- Sehr geehrte Kollegin Klahn, ich habe mich auf Ihren Antragstext bezogen, in dem Sie die Regierung bitten, Gespräche zu führen, wie eine verbesserte Information und Übersicht über Angebote zum Schwangerschaftsabbruch hergestellt werden kann. Darauf habe ich gesagt, ein erster Schritt dazu hätte ein klares Bekenntnis dieses Hauses zur Abschaffung des § 219 a sein können.
- Das steht bei uns auch nicht drin.
Darum geht es heute auch gar nicht. Das ist ein netter Ablenkungsversuch.
Uns geht es um etwas ganz anderes.
Uns geht es darum, dass das Land sich seiner Verantwortung stellt, die nämlich auch im Schwangerschaftskonfliktgesetz festgelegt worden ist. Ich zitiere gern einmal Frau Professor Mangold aus der Anhörung des Petitionsausschusses - Zitat mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -:
„Das Land Schleswig-Holstein muss nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben ein umfassendes Konzept erstellen, um ein ausreichendes Angebot an Abbrucheinrichtungen auch in der Fläche des Landes sicherzustellen.“
Nichts anderes fordern wir mit unserem Antrag.
Das Land soll Verantwortung übernehmen und nicht als Zuschauer am Rand stehen und darauf warten, dass vielleicht irgendwo eine engagierte Oberbürgermeisterin den Karren aus dem Dreck zieht.
Schade, dass wir nicht einmal im Ausschuss in eine Diskussion gehen.
Ich habe noch 13 Sekunden, aber da erlaube ich mir ein Zitat aus dem Weltbevölkerungsbericht der UNO mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin:
„Sexuelle und reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte sind universelle Menschenrechte. Sie sind integraler Bestandteil der unteilbaren Menschenrechte.“
Punkt. Ende. Aus.
Auch ich bitte noch einmal um Überweisung in den Ausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Mich treibt im Augenblick vieles um: die Angst um die Gesundheit meiner Familie und meiner Freunde, die Sorgen der Gewerbetreibenden und der Selbstständigen, aber auch die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Existenzangst und die Furcht vor einer Rezession, die Sorge vor den wirtschaftlichen und vielleicht auch gesellschaftlichen Verwerfungen, die die gerade beschlossenen Kontaktbeschränkungen mit sich bringen könnten. Warum also reden wir jetzt über Geld? - Wir reden über Geld, weil Geld zwar nicht alle Probleme löst, aber uns dabei hilft, Menschen zu unterstützen und ihre Ängste wenigstens zu mindern.
Meine Damen und Herren, der Entwurf der Landesregierung für den 4. Nachtragshaushalt sieht vor, Notkredite bis zu einer Höhe von weiteren 4,5 Milliarden € aufzunehmen, um unter anderem die Steuerausfälle der kommenden vier Jahre zumindest teilweise auszugleichen und die Investitionsfähigkeit des Landes bis 2030 zu sichern. Die Planungen gehen damit weit über die aktuelle Legislaturperi
ode hinaus. Sie erleichtern der Landesregierung in den nächsten Jahren die Arbeit, egal von welchen Fraktionen sie bis 2030 getragen wird.
Eine Opposition muss sich gut überlegen, ob sie so weitreichenden Maßnahmen zustimmt, und Sie können sich sicher sein, das haben wir getan. Wir sind als Opposition bereit, Jamaika die Hand zu reichen, denn jetzt steht die Bewältigung der Krise im Vordergrund. Wir stehen zu unserer Verantwortung für Schleswig-Holstein.
Aber für uns war auch klar: Wir gehen mit eigenen Vorschlägen in die Gespräche, denn angesichts der gewaltigen Kreditaufnahme kann es nicht nur darum gehen, kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen. Schleswig-Holstein muss nach unserer Auffassung von dem Finanzpaket langfristig und nachhaltig profitieren, und diesem Anspruch wurde der Vorschlag der Landesregierung nach unserer Auffassung nicht gerecht.
In den Verhandlungen standen für uns deshalb drei Kriterien im Fokus:
Erstens. Unser Anspruch, dass Schleswig-Holstein durch dieses Programm einen Schritt in eine solidarische Zukunft macht.
Zweitens. Wir wollten für nachhaltiges Wachstum sorgen und dabei die Erkenntnisse aus der aktuellen Krise unmittelbar einbeziehen.
Drittens. Wir nehmen - wie schon seit mehreren Monaten - diejenigen in den Blick, die es besonders schwer hatten oder noch haben.
Wir freuen uns, dass es gelungen ist, sich hier auf wichtige Punkte zu einigen: Durch die Aufstockung der bislang vorgesehenen Hilfen für die Kommunen stehen in den kommenden drei Jahren insgesamt 120 Millionen € für ein schlagkräftiges Schulbauprogramm bereit, denn da gibt es noch viel Nachholbedarf.
Das IMPULS-Schulbauprogramm der Landesregierung war mehrfach überzeichnet, und damals haben wir noch nicht einmal an pandemiebedingte Umbaumaßnahmen gedacht. Wir stellen noch einmal 14 Millionen € zur Verfügung, damit jedes Kind, das es braucht, einen Laptop oder ein Tablet für den Unterricht bekommt. Schade, dass die Koalitionsfraktionen sich immer noch nicht dazu durchringen
konnten, die Kommunen vom Eigenanteil beim Digitalpakt zu befreien,
aber, Herr Ministerpräsident, wir helfen Ihnen gern, so Ihr Versprechen zu halten, allen Schülerinnen und Schülern in Schleswig-Holstein bis 2022 ein Gerät zur Verfügung zu stellen. Ihre Koalition hatte leider nicht daran gedacht, aber der Bund und wir unterstützen da gern.
Damit die Innenstädte in unserem Land auch nach der Krise noch attraktive, lebendige Zentren sind, legen wir einen Entwicklungsfonds in Höhe von 10 Millionen € auf. Ab 2021 sollen aus diesem Fonds Fördermittel fließen für Innenstädte und Ortszentren zur Umsetzung des Programms „Neue Perspektive Wohnen“. Ziel ist es, neue Konzepte und Ideen zu entwickeln für Wohnen und Arbeiten im Zentrum, kinder- und familienfreundlich und barrierefrei. Darum wird auch der Fonds für Barrierefreiheit um weitere 5 Millionen € aufgestockt.
Wir konnten uns mit der Regierung über zusätzliche Investitionen in die soziale Infrastruktur verständigen: Die Krankenhäuser haben nach den Verhandlungen insgesamt 128 Millionen € mehr zur Verfügung. Damit sichern wir die Gesundheitsversorgung in der Fläche, coronabedingte Umbauten und auch die Kofinanzierung der Bundesprogramme.
Im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus sowie des studentischen Wohnens werden ab 2021 insgesamt 60 Millionen € in vier Tranchen zu je 15 Millionen € für nicht rückzahlbare Zuschüsse bereitgestellt. Die werden dafür sorgen, dass der Wohnungsbau in Schleswig-Holstein ordentlich in Schwung kommt. Rund 10 Millionen €, darüber haben wir gestern bereits lang und breit diskutiert, stellen wir für den Ausbau von solitären Kurzzeitpflegeplätzen zur Verfügung.
Last but not least war es uns wichtig, Nachbesserungen am bestehenden Landesnothilfeprogramm durchzusetzen. Innerhalb des Mittelstandsicherungsfonds werden 15 Millionen € zugunsten branchenübergreifender Stabilisierungsmaßnahmen umgeschichtet. Zudem werden 5 Millionen € aus dem Darlehensprogramm in den MBG-Härtefallfonds Mittelstand umgeschichtet. Damit können dann zusätzliche Beteiligungen zur Stabilisierung der schleswig-holsteinischen Wirtschaft erworben werden.
Ferner werden die Stornokosten für alle Klassenfahrten übernommen, die bis zum 13. März 2020 gebucht wurden, und das Unterstützungsprogramm
für die Schaustellerbetriebe wird bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Im Rahmen der bereits aufgelegten Corona-Nothilfe haben wir rund 42 Millionen € für neue Maßnahmen umgeschichtet. Meiner Fraktion waren dabei besonders wichtig: 15 Millionen € zur Errichtung eines Fonds für Digitalisierungsmaßnahmen im Bereich der sozialen Infrastruktur, der Kultur und des Sports.
Was nützen die schönen Breitbandanschlüsse, wenn am Anschluss kein Gerät hängt! Und 1,5 Millionen € für die Aufstockung des Programms zur Förderung der dualen Ausbildung, also zur Übernahme von Auszubildenden aus Betrieben, die der Coronapandemie nicht standhalten.
Jetzt liegt also ein gemeinsamer Vorschlag auf dem Tisch, der dafür sorgt, dass unsere Kommunen deutlich besser dastehen als nach dem ersten Vorschlag. Wir haben nicht alles erreicht, was wir uns gewünscht hätten, aber das Ergebnis wird für viele Menschen im Land einen echten Unterschied machen. Dieser gemeinsame Antrag ist auch ein Paradebeispiel dafür, dass wir als Parlament an der Gestaltung der Krisenbewältigung in unserem Land selbstbewusst mitwirken. Darauf können wir alle ein bisschen stolz sein.
Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung, damit unser Land und die Menschen, die hier leben, die Krise gut überstehen. Mit einer Zweidrittelmehrheit einen solchen Haushalt zu beschließen, das gab es in der Geschichte unseres Landes in dieser Form noch nie. Gut, dass unsere Verfassung dieses Verfahren so vorsieht, denn es nimmt uns alle in die Pflicht, Regierung und Opposition. Das ist auch im Ländervergleich etwas ganz Besonderes.
Ein Ziel, auf das wir uns bei den Gesprächen über den Nachtragshaushalt verständigt haben, ist, den unvermeidbaren Einsparpfad durch die pandemiebedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben abzufedern. Nach der letzten Steuerschätzung fehlen dem Land in den nächsten Jahren Einnahmen in Millionenhöhe. Dafür erteilen wir der Landesregierung jetzt eine Kreditermächtigung.
Dass wir in diesem Jahr auf einen Schlag eine derart große Summe einplanen, liegt an der Logik der Schuldenbremse. In diesem Jahr dürfen wir vorsorgen, im kommenden Jahr dürften wir es vielleicht auch noch, wenn ich die Pressemitteilung des Stabilitätsrats richtig interpretiere - seit gestern wissen
wir, dass wir das vielleicht dürfen -, aber ab 2022 wohl nicht mehr. Natürlich wissen wir heute noch nicht, ob wir die gesamte Summe tatsächlich benötigen oder ob sie vielleicht zu gering ist. Über die Konstruktion der Schuldenbremse wird zu sprechen sein, wenn die Krise bewältigt ist.
Für uns ist aber auch klar: Gegen die enormen Einnahmeausfälle - 2021 fehlen laut Steuerschätzung vom September mehr als 750 Millionen €, dazu hat Herr Koch gestern viel gesagt - kann man nicht ansparen, schon gar nicht von heute auf morgen. Forderungen nach Einstellungsstopps oder Haushaltssperre erteilen wir eine klare Absage.
Wir müssen die Wirtschaft stützen, Investitionen finanzieren und besonders Betroffenen Unterstützung geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 5,5 Milliarden € sind eine enorm große Summe, die uns noch lange begleiten wird. Die Verschuldung des Landes erhöht sich signifikant. Die Menschen in SchleswigHolstein müssen diese Schulden über 40 Jahre zurückzahlen. Die Tilgung wird unsere künftigen Haushalte belasten und unsere Möglichkeiten einschränken. Über Zinsen reden wir im Moment zum Glück nicht, aber auch das wird sich innerhalb der nächsten 40 Jahre vermutlich ändern.
Unseren mit großer Sorgfalt erarbeiteten Schuldentilgungsplan können wir - ich bitte um Nachsicht für die rüde Formulierung - in die Tonne treten. Dennoch, in der ausführlichen Anhörung zum Schuldentilgungsplan haben wir alle viel gelernt. Irgendwie haben wir jetzt auch einen neuen Plan, zumindest für die Kreditaufnahme, die wir heute beschließen.
Wir werden künftig alle gut daran tun, bei jeder Ausgabe sorgfältig zu prüfen, ob sie wirklich erforderlich ist. Der erste Blick in den Haushaltsentwurf 2021 lässt zumindest den Eindruck zu, dass die Landesregierung dieses Prinzip bei der Aufstellung beachtet hat. Viele Titel wurden überrollt, es findet sich neben den auch mithilfe der Notkredite finanzierten Projekten nur wenig Neues.
Bis zur Beschlussfassung im Februar 2021 werden sich diese Zahlen sicher noch mehrfach ändern, und zwar nicht nur durch unsere Entscheidungen, sondern auch durch die Entwicklung der Pandemie. So erfordern die vorgestern beschlossenen Maßnahmen sicherlich neue finanzielle Mittel, zumal wir immer
noch Nachsteuerungsbedarf sehen, etwa in der Kultur- und Veranstaltungsbranche. Wenn es zusätzliche Mittel braucht für eine Kofinanzierung der neuen Bundesprogramme oder gegebenenfalls landeseigene Ergänzungen, werden sie unsere Unterstützung finden.
Ich persönlich bin nach wie vor dafür, im besonders notleidenden Kultur- und Veranstaltungsbereich, vor allem bei Solokünstlerinnen und Solokünstlern, mit Direktzahlungen zu helfen; sie brauchen das dringend.
- Ich freue mich, dass so viele diese persönliche Einschätzung teilen.
Damit hier kein falscher Eindruck aufkommt: Eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft wird sein - das macht die Krise deutlich -, die dauerhafte Stärkung der Solidargemeinschaften und der sozialen Systeme zu erreichen. Hier nenne ich an erster Stelle die Bürgerversicherung. Schade, dass sich die Koalition immer noch nicht dazu durchringen kann, in Schleswig-Holstein wenigstens eine pauschale Beihilfe für unsere Beamtinnen und Beamten einzuführen. Aber auch die Idee, die Künstlersozialkasse so weiterzuentwickeln, dass sie künftig Kurzarbeitergeld zahlen kann, finde ich prüfenswert.
Wir begrüßen ausdrücklich die beschlossene Entschädigungsregelung für von den temporären Schließungen betroffene Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen. Für sie wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren - in Höhe von 75 % des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für größere Unternehmen in gestaffelter Weise. 10 Milliarden € sieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür vor. Das ist eine Menge Geld.
Wenn man den sozialen Netzwerken glauben darf, gibt es Überlegungen, von der Monatsbemessungsgrundlage möglicherweise woanders hin zu gucken. Dazu hat es gestern offensichtlich Kommunikation über Twitter gegeben. Wir werden sehen; ich warte sehr zügig auf die Gesetze.
Nicht verstehen kann ich allerdings die Bedenken von Gewerbetreibenden und Selbstständigen, die Angst haben, Hilfen zu beantragen, weil sie Kontrollen und Rückforderungen fürchten. Dazu möchte ich sagen: Wir nehmen hohe Kredite auf, wir verschulden uns auf viele Jahrzehnte, um Wirtschafts
betrieben zu helfen. Das ist gut, und das muss auch sein. Das ist auch eine Frage der Solidarität. Das tun wir aber auch, damit diese Unternehmen irgendwann wieder Gewinn erwirtschaften und mit ihren Steuern zur Finanzierung des Staates und damit zur Rückzahlung der Schulden beitragen.
Für die Rückzahlung nutzen wir aber auch die Steuern derjenigen, die das Land in der Pandemie am Laufen halten. Ihnen allen sind wir es schuldig, dass wir mit dem Geld sorgsam umgehen. Wir kontrollieren sicher nicht hinter jedem Cent hinterher, aber Missbrauch oder gar Betrug dürfen und werden wir nicht dulden.
Sonst reichen die gewaltigen Summen nämlich nicht für alle, die es brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Coronapandemie erleben wir in diesem Land eine Situation, die noch niemand von uns erlebt hat. Gefragt ist nicht nur die Solidarität in unserer Gesellschaft, sondern auch ein starker und handlungsfähiger Staat. Jetzt ist parlamentarisches Handeln gefragt über die Grenzen aller demokratischen Fraktionen hinweg.
Für uns, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, stehen dabei die Interessen der Menschen im Land im Mittelpunkt. Sie dürfen nicht unter den fiskalischen Auswirkungen einer Krise leiden, für die sie selbst nichts können.
Wir haben immer gesagt, dass wir alles Notwendige dafür tun werden, um die Krise gemeinsam zu bewältigen. Besondere Zeiten bedürfen besonderer Herangehensweisen. Deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt zustimmen und die Zweidrittelmehrheit im Hause sicherstellen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Krämer, ich finde Ihre Begeisterung immer ganz großartig, aber ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, Sie glaubten, wir hätten uns in der letzten Legislaturperiode keine Gedanken gemacht. Ich finde es immer ein bisschen schwierig, wenn man mit einem solchen Impetus an die Politik herangeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, ich möchte aus dem Bericht des Innenministers Drucksache 19/565 zitieren, in dem ich um einen Bericht über die Fortschreibung der Reform des kommunalen Finanzausgleichs gebeten habe. Ich möchte einen Passus zitieren, in dem es
um das geht, was Sie mit Ihrem FAG erreichen wollten. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich:
„Für den kommunalen Schulbau und kommunalen Straßenbau sowie die Bezuschussung eigener digitaler Endgeräte für Schülerinnen und Schüler soll … eine ausreichende Finanzierung der Kommunen erreicht werden.“
Fakt ist erstens: Die Finanzierung von Schulbau und digitalen Endgeräten machen wir auf vielen anderen Wegen, aber bestimmt nicht über das FAG. Also sage ich: Ziel nicht erreicht. - Das könnten Sie dann auch konstatieren. Wir haben eben beim Nachtragshaushalt ganz viel über diese Themen geredet.
Fakt zwei: keine ausreichende Kompensation der Straßenausbaubeiträge für die Gemeinden bisher im alten Verfahren und - wie ich finde - auch nicht im neuen Verfahren. Liebe Kollegin Krämer, Sie können offenbar nicht einmal die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter in Quickborn davon überzeugen, dass es ausreichend Kompensation für wegfallende Straßenausbaubeiträge gibt.
Auch wenn der Kollege Plambeck vorhin gesagt hat, die Kommunen hätten keine weiteren Forderungen, stelle ich fest: In der Anhörung am 30. September 2020 haben die kommunalen Landesverbände sehr deutlich gemacht, dass sie keine ausreichende Kompensation für den Verzicht auf die Erhebung der Straßenausbaubeiträge sehen. Das Geld reicht nicht. Jamaika bricht erneut ein Wahlversprechen.
Deswegen konstatiere ich: Sie haben das Geld umverteilt. Neues Geld tun Sie bedingt dazu. 34 Millionen € Bundesmittel haben Sie einfach einmal mit eingerechnet. Das hat der Kollege Dolgner schon gesagt. Deswegen von uns gern ein Vorschlag zur Verbesserung: 20 Millionen €, damit Kommunen auf Straßenausbaubeiträge verzichten können
und wirklich einen finanziellen Ausgleich bekommen.
Wir haben aufgrund der großen Versprechungen, die Sie machen, gedacht, von Ihnen kommt noch etwas. Wir haben für unseren Gesetzesvorschlag dasselbe Verfahren gewählt, wie Sie es von uns vor ein paar Jahren zur Reform des FAG schon einmal gesehen haben: Die, die auf eine Erhebung der Stra
ßenausbaubeiträge verzichten, können ihren Einnahmeausfall beim Innenministerium geltend machen und abrechnen. - Ich finde, dass wäre ein Sahnetüpfelchen für Ihr FAG. Stimmen Sie zu! Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, es in die Systematik einzufügen. Das würde Ihren Gesetzentwurf ein bisschen schöner machen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ist es Ihnen vielleicht auch schon einmal so gegangen? Bei einem Restaurantbesuch finden Sie ein qualitativ hochwertig bestücktes Büfett vor, im Lokal sehen Sie viele leere Stühle und Tische und viel Personal, Ihre Rechnung ist trotzdem unangemessen niedrig. Kennen Sie so ein Restaurant? Es könnte sein, dass dort Geld gewaschen wird, denn dies ist eine der gängigen Methoden. Wie man Geldwäsche definiert, hat der Kollege Plambeck schon perfekt zitiert. Genau das steht auch in meinem Manuskript.
Um Geldwäsche zu verhindern, haben sich Bund und Länder im Juni 2017 auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, mit dem die europäische Geldwäscherichtlinie umgesetzt werden soll. Damit will der Gesetzgeber auch verhindern, dass Unternehmen für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung missbraucht werden. In Deutschland werden jährlich Milliarden an Schwarzgeld gewaschen, denn Bargeld hinterlässt nun einmal keine Spuren. Zu einem Gesamtkonzept im Kampf gegen Geldwäsche, Kriminalität und Terrorismus gehören deshalb auch Regelungen zur Kontrolle des Bargeldverkehrs.
Zur Verhinderung der Geldwäsche müssen Unternehmen in bestimmten Branchen deshalb Informationen über die Identität ihrer Vertragspartner einholen. Sie müssen ihre Geschäftsbeziehung auf Auffälligkeiten überwachen und interne Sicherungsmaßnahmen treffen, um Anhaltspunkte für Geldwäsche zu erkennen. Das kontrolliert nun die Geldwäscheaufsicht im Finanzministerium, die dafür seit 2017 zuständig ist.
Ein neues Thema ist Geldwäsche eigentlich nicht. Als Steuerprüferin musste ich mich schon vor 20 Jahren mit dem Thema auseinandersetzen und melden, wenn ich merkwürdige Geschäftsvorfälle sah. Aber gut, dass jetzt auch noch andere hingucken.
Das Personal für die Geldwäscheaufsicht wurde im Finanzministerium verdoppelt. Nach sieben VorOrt-Prüfungen in 2018 konnte die Zahl in 2019 auf 69 erhöht werden. Auch die Zahl der schriftlichen Prüfungen hat sich deutlich erhöht. Das ist gut. Es darf nämlich nicht sein, dass mit Betrug Kasse gemacht wird. Alle, die ihre Betriebe ehrlich führen und korrekt abrechnen, haben Nachteile gegenüber jenen, die die Umsätze entweder kleinrechnen, um Steuern zu sparen, oder Umsätze künstlich hochrechnen, um Geld zu waschen. Jedes Jahr entgehen dem Staat, also uns Bürgerinnen und Bürgern, da
durch Milliardenbeträge. Das dürfen wir nicht zulassen.
Entschuldigung, wenn ich es immer wieder sage: Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. - Wir müssen sehr streng dagegenhalten.
Liebe Frau Finanzministerin Heinold, ein paar Angaben fehlen mir in Ihrem Bericht doch noch. Wie viele Betriebe in Schleswig-Holstein fallen denn überhaupt unter die Regelung des Geldwäschegesetzes? Nur wenn ich die Anzahl kenne, kann ich beurteilen, ob die Arbeit der Behörde effektiv ist. Ich habe die Zahl in dem Bericht nicht gefunden.
In der statistischen Übersicht über die Prüfung Entschuldigung, da kommt jetzt meine Betriebsprüfungserfahrung durch - fehlt das Ergebnis. Wie viele Prüfungen erfolgten ohne Beanstandungen? Diese Zahl ist mindestens genauso wichtig wie die Zahl der Verstöße. Wenn Verstöße festgestellt wurden: Wie viele wurden mit Sanktionen belegt?
Für das Jahr 2019 liefert zumindest die Internetseite des Ministeriums Hinweise: Ganze sieben Maßnahmen hat die Geldwäschestelle veranlasst. - Na gut.
Die absoluten Zahlen - das wird daraus deutlich helfen nur bedingt, wenn die Bezugsgrößen fehlen. Die Quoten rechne ich mir zur Not noch allein aus mithilfe des Taschenrechners und Herrn Dr. Dolgners.
Positiv finde ich den risikoorientierten Prüfungsansatz und die Schwerpunktsetzung, aber weniger zielführend ist, diese in einer öffentlichen Landtagsdrucksache anzukündigen.
Wenig sagt der Bericht zu den ministeriellen Aufgaben. So vermisse ich Ausführungen zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden, etwa mit der Steuer- und der Zollverwaltung, aber auch mit der Staatsanwaltschaft. Wie sind denn die Erfahrungen mit der FIU? Ein Verweis auf einen NDR-Fernsehbeitrag ist hilfreich, aber allein nicht ausreichend. Da brauchen wir noch etwas mehr Butter bei die Fische.
Frau Ministerin, ich habe mich auch über die Formulierung im Teil „H“ geärgert, das ist der Teil „Ausblick“. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich:
„Die Anstrengungen müssen deshalb darauf gerichtet sein, bestehende Schlupflöcher, die Geldwäsche ermöglichen, zu schließen. Dies erfordert … gesetzgeberische Maßnahmen
und wird in der Umsetzung auch die mit dem Vollzug des Geldwäschegesetzes betrauten Behörden vor … Herausforderungen stellen.“
Frau Ministerin, da frage ich mich dann doch: Welche Schlupflöcher sind es denn? Welche gesetzgeberischen Maßnahmen braucht es nach Auffassung Ihres Hauses? Und vor welchen Herausforderungen beim Gesetzesvollzug stehen wir? Wenn wir das nämlich nicht wissen, können wir es nicht ändern.
Hinweise bekommen wir dann hoffentlich im Finanzausschuss, denn ich kann Ihnen versichern: Zumindest die SPD-Fraktion hat kein Problem damit, gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn es denn nötig ist. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Ich werde Sie ein bisschen enttäuschen und die Bitte nicht ganz erfüllen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Finanzministerin, ich bedanke mich sehr für Ihren Bericht zur Umsetzung der Grundsteuerreform und auch für die zusätzliche Redezeit. Das kommt mir sehr zupass. Ich will ausdrücklich auch auf den letzten Teil Ihrer Rede eingehen und sagen, wenn es Ihnen ein Trost ist: Solche Briefe bekomme ich auch, und ich empfinde es genauso wie Sie. Das hat eine Form angenommen, die nicht mehr akzeptabel ist und die zudem auch inhaltlich nicht korrekt ist. Das will ich ausdrücklich sagen, und ich teile Ihre Einschätzung und Ihre Kritik daran ausdrücklich.
Jetzt fange ich mit dem an, was ich zum Bericht zu sagen habe. Der Inhalt des Berichts lässt mich doch einigermaßen ernüchtert zurück. Das kann natürlich an mir liegen. Ich hatte aber schon erwartet, dass knapp 18 Monate vor dem ersten Hauptfeststellungszeitpunkt - die Frau Ministerin hat es gesagt doch etwas mehr Klarheit herrschen würde. Ich mache es mir einmal einfach und zitiere die Prüfungsbemerkungen des Landesrechnungshofs, die diesen Aspekt des Berichts sehr gut zusammenfassen. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich aus der Pressemitteilung des Landesrechnungshofes vom 21. August dieses Jahres:
„Die Finanzämter des Landes sind auf diese umfassende Neubewertung weder technisch noch personell vorbereitet: Bereits jetzt schieben die Bewertungsstellen einen Berg von 56.000 unerledigten Fällen vor sich her. Grund dafür ist die Tatsache, dass dort nur 131 Vollzeitkräfte tätig sind. Deutlich zu wenig, wie die hohen Arbeitsrückstände zeigen.
Das Finanzministerium hat diesen Zustand zu lange hingenommen. Jetzt ist es in der Pflicht, bis zu 114 zusätzliche Kräfte zu akquirieren, um die Neubewertungen vornehmen zu können. Das Finanzministerium muss deshalb dringend ein Konzept vorlegen, wie
es den zusätzlichen Personalbedarf decken will.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir werden über diesen Bericht in der nächsten Woche noch ausführlich in der Arbeitsgruppe Haushaltsprüfung sprechen, Frau Ministerin. Da braucht es jetzt sehr schnell sehr klare Antworten, sonst fahren Sie nämlich die Umsetzung der Reform in Schleswig-Holstein an die Wand
- und zwar egal, für welches Modell sich Jamaika entscheidet.
Damit will ich den Punkt aufnehmen, in dem sich meine Rede wesentlich von der unterscheidet, die ich vor einem Monat gehalten hätte. Es ist ja ein Trauerspiel, was wir hier gerade erleben, wobei die Rede der Ministerin mich etwas zuversichtlicher zurückgelassen hat.
Ich war eigentlich sehr glücklich, als wir mitten in der Coronakrise heimlich, still und leise, mitten am Gründonnerstag, die Pressemitteilung erhielten, dass Jamaika sich gegen die Länderklausel entschieden habe und keinen Sonderweg bei der Reform der Grundsteuer gehen wolle, sondern das Bundesmodell umsetze.
Ich habe mich sehr gefreut und gesagt: Gut so, prima, dass es entschieden ist. Es war höchste Zeit, dass die von der Coronakrise gebeutelten Kommunen bei der Grundsteuer Klarheit bekommen. Wir haben hier schon mehrfach darüber geredet, was es mit der Kröte Länderöffnungsklausel auf sich hat. Frau Finanzministerin, Sie haben selber gesagt, diese Kröte mussten wir schlucken.
Deswegen finde ich die Kritik am Bund nicht ganz gerechtfertigt. Die Länder haben auf dieser Klausel bestanden, das war ihre Bedingung für die Zustimmung im Bundesrat. Sie haben selbst gesagt, das sei die Kröte gewesen, die man habe schlucken müssen, damit es überhaupt weiter eine Grundsteuer gibt. Die Verantwortung nun beim Bundesgesetzgeber abzuladen, ist vielleicht etwas kurz gesprungen.
Ich und meine Fraktion finden: Es wäre gut, wenn die Villa in Kampen nicht die gleiche Bemessungsgrundlage hätte wie das Mietshaus in Kiel-Gaarden. Frau Finanzministerin, Sie haben es selbst einmal so wunderbar formuliert: In der Regel sind diejenigen leistungsfähiger, die sich in guter Lage ein Häuschen gebaut haben, als diejenigen, die in einfacher Lage eine Wohnung mieten. - Das ist für niemanden ein Geheimnis, für uns Sozialdemokratin
nen und Sozialdemokraten heißt es immer: Starke Schultern sollen mehr tragen als schwache.
Deswegen, liebe Frau Heinold und liebe GrünenFraktion: Lassen Sie sich nicht in dieser Haltung beirren! Bleiben Sie stur! Bleiben Sie bitte, bitte stur!
- Ja, ich weiß auch nicht, was der Kollege meint. Das sind wahrscheinlich die Nachwirkungen des fehlenden Nachtschlafs.
Vor einem Monat hatten wir das Thema auf der Tagesordnung. Wir haben es dann geschoben, und schwuppdiwupp! - lasen wir dann die Pressemitteilung der Kollegin Krämer und ein paar Tage später die der CDU, die der staunenden Öffentlichkeit verkündeten, dass die Entscheidung, die die Finanzministerin im Namen der Landesregierung verkündet hatte, nicht mehr gilt. - Was soll das denn? Haben Sie sich vorher nicht beraten, oder lassen Sie Ihre Finanzministerin jetzt im Regen stehen beziehungsweise stellen Sie sie einfach in den Regen? Und dann tragen Sie diesen Streit auch noch über Pressemitteilungen in der Öffentlichkeit aus?
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Jamaika-Koalition: „Good Vibrations“ sind etwas anderes. Das ist ein peinliches Schauspiel, das Sie uns hier vorführen.
Die Grundsteuer ist und bleibt die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen, wir wiederholen es regelmäßig und immer wieder. Gerade in der Pandemie hat sich die Grundsteuer als krisenfest erwiesen. Mehr als 470 Millionen € fließen unseren Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein aus ihr zu, Geld, das dringend für die Zahlung der kommunalen Leistungen und in der Infrastruktur gebraucht wird, für Kitas, für Schulen, für Schwimmbäder, für Feuerwehr, Sport und Straßen. Deswegen, meine Damen und Herren von den Jamaika-Fraktionen, fordere ich Sie auf, jetzt endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Das, finde ich, sind Sie den Kommunen im Land schuldig.
Ich habe es eben schon gesagt, und ich mache es jetzt gern noch einmal deutlich: Ich mache keinen Hehl daraus, dass für die SPD-Fraktion eine Umset
zung des Bundesmodells die gewünschte Option ist - genauso wie für unsere Kommunen.
Den bürokratischen Aufwand, der jetzt sicherlich gleich in den Reden wieder als großes Hindernis angeführt wird, werden wir bei jedem Modell haben. Die Frau Finanzministerin hat es gesagt; denn schließlich werden alle Grundstücke in diesem Land neu bewertet. Jede Akte wird aus dem Schrank gezogen und wird in die Hand genommen. Das muss man machen, egal, wie viele Parameter man hereinrechnet oder nicht.
Ich wünsche mir jedoch ganz besonders, dass wir bei der Neugestaltung der Grundsteuerreform eine Sache umsetzen, die mich als Kommunalpolitikerin immer extrem gestört hat. Wenn ich einen neuen Wert für die Grundsteuer feststelle, ist es wichtig, dass die Kommune diesen auch möglichst zeitnah bekommt und nicht erst mit vier Jahren Verspätung. Da hat es nicht immer die entsprechende Priorität in den Finanzämtern gegeben, weil es ja „nur“ Gemeindesteuern waren. Wenn wir es im Zuge dieser Umstellung hinbekommen, die Messbeträge zügig an die Kommunen zu übermitteln, dann sind wir auf jeden Fall einen großen Schritt weiter.
Aber, und das ist mein letzter Satz, egal für welches Modell Sie sich hoffentlich irgendwann einmal entscheiden, es wird Zeit, dass wir in Schleswig-Holstein mit der Arbeit jetzt langsam anfangen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Kollegin Krämer, Sie haben gesagt, der Bürger, die Bürgerin würde dieses neue Modell nicht verstehen. Sind Sie der Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger die Grundstücksbewertung, wie sie heute nach Bewertungsgesetz erfolgt, verstehen? Das wäre quasi der Umkehrschluss aus Ihrer Aussage.
Okay, Herr Präsident, dann werde ich jetzt nichts zum Bewertungsgesetz ausführen,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 2012 in den Landtag gewählt wurde, stand es nicht gut um die Finanzen des Landes. Schleswig-Holstein war Haushaltskonsolidierungsland. Wir erhielten Konsolidierungshilfen und standen unter der Aufsicht des Stabilitätsrates. Wir kämpften mit dem Stellenabbaupfad, einem Investitionsstau und Kürzungsplänen - keine guten Voraussetzungen für Politik, die gestalten und verändern will. Trotzdem haben wir es in der Küstenkoalition angepackt, die Ärmel hochgekrempelt und gearbeitet. Und wir wurden belohnt: Sparsames Wirtschaften und eine gute Konjunkturentwicklung brachten Haushaltsüberschüsse, die wir für zusätzliche Investitionen nutzen konnten. Wie stolz waren wir, als zu Beginn des Jahres 2017 die Schuldenuhr rückwärtslief!
Dass das nicht so bleibt, war absehbar: Der Verkauf der HSH Nordbank war schon in Vorbereitung. Aber niemals hätte ich mir damals vorstellen können, einmal für eine Kreditaufnahme die Hand heben zu müssen, die durch eine außergewöhnliche Notsituation begründet wird. Und doch haben die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion im März und im Mai dieses Jahres keine Minute gezögert, als zu
Beginn der Coronapandemie schnelles Handeln gefordert war, und den Notkrediten zugestimmt. Herr Nobis, hören Sie gut zu: Die Schuldenbremse haben wir dabei übrigens nicht gerissen, im Gegenteil. Das Grundgesetz und unsere Landesverfassung lassen diese Schuldenaufnahme ausdrücklich zu.
Die Schuldenbremse funktioniert ein bisschen wie ein ABS: Manchmal muss man die Bremse loslassen, wenn man nicht aus der Kurve fliegen will.
Erwartungsgemäß zeigt uns die September-Steuerschätzung, dass wir noch lange Zeit mit den finanziellen Folgen der Coronakrise zu rechnen haben. Es ist davon auszugehen, dass die Einnahmesituation des Landes über mehrere Jahre schwierig wird. Für uns ist klar: Gegen diese enormen Einnahmeausfälle kann man nicht ansparen, und schon gar nicht von heute auf morgen. Wer das Gegenteil behauptet, Herr Nobis, hat keine Ahnung. Sie waren doch bei der Anhörung im Finanzausschuss dabei. Hätten Sie zugehört, wären Sie ein bisschen klüger aus dieser Sitzung hinausgegangen.
Deswegen erteilen wir Forderungen nach Einstellungsstopps oder der Haushaltssperre eine klare Absage. Die Forderung, jetzt die Ausbildung auszusetzen und dann zum Beispiel die nächsten zwei oder drei Jahre keine Polizisten oder Finanzbeamte auszubilden - du liebe Güte, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!
Wir sind uns mit der Regierung und allen verantwortungsbewussten Parlamentarierinnen und Parlamentariern einig: Gegen die Krise anzusparen - das habe ich schon gesagt -, ist das falsche Rezept. Wir müssen die Wirtschaft stützen, Investitionen finanzieren und besonders Betroffenen Unterstützung geben. Deshalb kommt es darauf an, eine Haushaltspolitik zu machen, bei der die Schwerpunkte in der Stützung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Stärkung wichtiger Bereiche wie zum Beispiel der Krankenhäuser und Schulen liegen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung schlägt nun weitere Notkredite in Höhe von 4,5 Milliarden € vor. Das ist eine enorme Summe, die uns noch lange begleiten wird. Die Verschuldung des Landes erhöht sich signifikant. Über
40 Jahre wird die Rückzahlung dieser Schulden unsere Haushalte belasten und unsere Möglichkeiten einschränken. Aber wir sind als Opposition trotzdem bereit, Jamaika die Hand zu reichen, und gehen selbstbewusst und zuversichtlich mit eigenen Vorschlägen in die Gespräche. Denn jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist parlamentarisches Handeln gefragt - über die Grenzen aller demokratischen Fraktionen hinweg.
Keine Zeit haben wir für das, was die AfD gerade wieder einmal versucht: Sie spalten, Sie hetzen die Menschen gegeneinander, Sie bedienen diejenigen, die in der Krise egoistisch denken. Sie schüren Neid und Missgunst, Sie verbreiten Panik. Das brauchen wir nicht, und das wollen wir nicht.
Denn der Egoismus ist die falsche Antwort. Nur solidarisch kommen wir aus dieser Krise. Wir sind dazu bereit. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Andreas Tietze, ich schätze deinen Einsatz für die Marschbahn und alles, was daran hängt. Ich glaube, die Elektrifizierung der Strecke bis Sylt ist irgendwann einmal fällig. Aber, und jetzt dürft ihr alle lachen, wenn ich es sage, ihr wartet alle darauf: Ohne das dritte Gleis wird das alles nichts, denn dann stehen die Züge vor Elmshorn schon auf der Schiene.
Wir bauen auch gern ein viertes Gleis. Herr Buchholz, ich habe es Ihnen gesagt: Ich freue mich, dass Sie jetzt einen Vorschlag gemacht haben, mit dem wir hoffentlich in die Verhandlung gehen, denn ich glaube, dass dieses Infrastrukturprojekt auch für die ÖPNV-Bilanz in Schleswig-Holstein ein Riesengewinn wäre und massenhaft Menschen von der Straße brächte. Kollege Holowaty, mit oder ohne die A 20, denn der Bau der A 20 trägt nichts zur Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs bei.
Also lautet mein Appell: Ich hoffe, dass wir uns sehr bald und auch in dieser Zeit Gedanken darüber machen, wie wir das hinkriegen können, dieses wichtige Infrastrukturprojekt in diesem Bereich voranzubringen. Das wäre ein Riesenfortschritt für die Metropolregion.
Andreas, im Übrigen: Das war Tornesch. Das gehört zum Ring C, dem Gebiet mit drei Ringen, also zu dem Gebiet mit höherem Tarif, von dem der Kollege Habersaat eben erzählt hatte. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr, Frau Heinold, für Ihren ausführlichen Bericht; denn er ermöglicht es dem Parlament, die Planung der Regierung besser nachzuvollziehen, zu beeinflussen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das ist nämlich unsere Aufgabe.
Und, liebe Kollegin Krämer, Haushaltsgesetzgeber in diesem Land ist nach meinem Wissen immer noch das Parlament und nicht die Finanzministerin.
Der Bericht macht aber vor allem eines deutlich, und darin sind wir uns, glaube ich, alle einig: Wir haben noch viel zu tun.
Gut, dass die Küstenkoalition - das ist bereits mehrfach gesagt worden - im Jahre 2014 den Mut hatte, zum ersten Mal eine Bestandsaufnahme des Investitionsbedarfs zu machen und dass mit IMPULS ein Instrument gefunden wurde, um diesen Bedarf langfristig anzugehen. Also, liebe Kollegin Krämer, Ihre Aussage, dass wir dafür Jamaika brauchten, ist ein bisschen übertrieben. Die Grundlage dafür hat die Küstenkoalition gelegt.
IMPULS wurde einst von CDU und FDP belächelt; wie ein Mantra - ich bleibe bei Ihrem schönen Bild - haben Sie sich lustig gemacht über dieses IMPULS-Programm. Sie haben es verspottet; damals war Herr Minister Garg noch Kollege von uns hier. Das macht Investitionen jenseits der Milliardengrenze und diese beispiellose Investitionsquote jetzt überhaupt erst möglich.
Ich versuche auch gar nicht erst, Ihre Erfolgsbilanz zu toppen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen. Allerdings kann ich mir nicht den Hinweis verkneifen, dass Sie zum Beispiel mit der Einbeziehung der Infrastrukturausgaben für die ÖPP-Maßnahmen beim UKSH die Bilanz im Umfang von rund 400 Millionen € ein bisschen schöner gerechnet haben, als man das vielleicht machen könnte.
Gegenüber 2014 wurde der Investitionsbegriff weiter gefasst; das hat Frau Heinold erwähnt. Dadurch ergibt sich auch gegenüber 2017 noch ein um 1,6 Milliarden € gestiegener Bedarf. Hier müssen wir entscheiden: Muss unsere Priorität angesichts der zu erwarteten Haushaltssituation nicht vorrangig auf der Infrastruktur liegen, für die wir als Land zuständig sind? Oder nutzen wir IMPULS auch künftig, um Investitionen im ganzen Land anzustoßen? Ich finde, ja, das tun wir auch weiterhin.
Meine Damen und Herren, die Taskforce, die die Umsetzung von IMPULS begleitet, leistet gute Arbeit. Trotzdem lag die Umsetzungsquote in 2019 nur bei 58 % des veranschlagten Budgets, das heißt, 42 % der veranschlagten Mittel wurden nicht ausgegeben. Das gilt ausdrücklich nicht für den Straßenbau; da war das anders. Aber in allen anderen Bereichen besteht noch eine Menge Luft nach oben. Und wenn ich höre, wie die Kommunalaufsicht mit einigen Städten und Gemeinden ins Gericht geht,
die ihre Kreditermächtigungen nicht ausschöpfen und ihre Investitionen nicht umsetzen, dann müssen wir uns insoweit auch mal an die eigene Nase fassen.
Die Taskforce hat ausführlich aufgelistet, wie es dazu kommt; das können Sie alle nachlesen. Mir ist Folgendes aufgefallen: Wenn es heißt, die Mittel werden von den Zuschussempfängern nicht abgerufen, dann sollten wir doch sehr genau prüfen, ob und inwieweit wir noch Förderbedingungen anpassen können oder müssen.
Jetzt komme ich zu den wichtigen Dingen und zu meiner Aufgabe, nämlich das Haar in der Suppe zu finden. In der Pressemitteilung der Finanzministerin heißt es lapidar - jetzt in der Rede wurde es ein bisschen ausführlicher dargestellt; mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich -:
„Der verbleibende Investitions- und Modernisierungsbedarf wird im aktuellen Bericht auf rund 6,3 Milliarden € beziffert. Davon hat das Land bis einschließlich 2029 bereits 5,8 Milliarden € eingeplant.“
Das heißt, im Investitionsprogramm klafft eine Finanzierungslücke von mehr als 540 Millionen €, also mehr als eine halbe Milliarde €. Woher soll das Geld kommen? Mit den Haushaltsüberschüssen in der gewohnten Höhe können wir in diesem Jahr vermutlich nicht rechnen. Hierauf fehlt noch eine Antwort, Frau Finanzministerin. Diese wäre aber dringend notwendig, denn das Geld fehlt für wichtige Bereiche.
335 Millionen € fehlen für Deichverstärkungsmaßnahmen und Küstenschutz. Vielleicht hatte das Minister Albrecht gestern im Kopf, als er uns hier seine Parabel von Rungholt erzählte. Rund 111 Millionen € für Investitionen an den Hochschulen fehlen ebenso wie fast 73 Millionen € für das UKSH.
Da fallen die 22 Millionen € für die Kunsthalle zu Kiel nahezu gar nicht ins Gewicht, wohl aber die Tatsache, dass Sie den Investitionsbedarf für die Krankenhäuser zu niedrig angesetzt haben. Im schlimmsten Fall fehlen hier auch noch 300 Millionen €.
Und was fehlt noch? - Sie veranschlagen zwar fast 81 Millionen € Investitionsmittel für die Kitas, aber wir alle wissen doch, dass das nicht reichen wird. Gut, dass der Bund aus dem Konjunkturprogramm jetzt fast 33 Millionen € dazu gibt. Ich sage für meine Fraktion ganz deutlich: Diese Mittel müssen zu
sätzlich in den Kita-Ausbau fließen und dürfen nicht als Ersatz für Landesmittel dienen.
Und was ist mit den Investitionen, die der Ausbau von betreuter Grundschule oder Ganztagsschule auslöst? Keinen Cent habe ich dafür im Infrastrukturbericht gefunden.
Was ist mit der digitalen Ausstattung der Schulen, der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler? Das wird doch eine Daueraufgabe, für die wir auch künftig Mittel einplanen müssen. Es nützt uns doch nichts, wenn jetzt alle Kinder Geräte kriegen. In drei oder vier Jahren werden die dann wieder abgängig sein. Wo kommt denn dann das Geld her?
Und zu guter Letzt: Was ist mit weiteren Investitionen in den Klimaschutz, zum Beispiel für das Radwegeprogramm, das Sie jetzt mit großem Aufwand erstellen?
Nein, meine Damen und Herren, der Infrastrukturbericht beschreibt sehr detailliert die Probleme, aber die Lösung bleiben Sie uns noch schuldig. Es bleibt unklar, wie Sie alle Bedarfe decken wollen. Zudem wird sich coronabedingt die Haushaltslage schlechter entwickeln, und damit werden in absehbarer Zukunft weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Ich kann nur hoffen, dass CDU, FDP und Grüne es schaffen werden, sich auf gemeinsame Investitionsziele zu verständigen. Denn gerade jetzt sind die klare Prioritätensetzung und die Entscheidung für oder gegen etwas bei den Zukunftsinvestitionen wichtiger denn je.
Ich beantrage die Überweisung in den Finanzausschuss. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Koch: netter Versuch, aber: verzweifelter Versuch.
Frau Heinold hat selbst in ihrem Bericht darauf hingewiesen, dass die Investitionsbedarfe 2014 anders definiert waren, als sie es jetzt sind. Das habe ich in keiner Weise kritisiert. Wenn Sie es so verstanden haben, sagt es eine Menge über Sie aus.
Dann werfen Sie uns vor, unser Infrastrukturbericht in der letzten Legislatur hätte ein Defizit von 2,1 Milliarden € aufgezeigt. Ja, das stimmt. Und wissen Sie, was wir dann gemacht haben? - Dann hat Frau Heinold IMPULS erfunden. Das war die Antwort. So einfach ist das.
Deswegen - ich bleibe dabei -: falscher Versuch, trauriger Versuch.
- Sie haben es mit Leben erfüllt, weil die Steuerkassen voll sind. Das haben wir alles schon mehrfach besprochen. Also mindestens eine rote Feder am schwarzen Hut. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Krämer hat den Franzosenhof, so heißt das Gewerbegebiet in Elmshorn, als leuchtendes Beispiel für eine gelungene Ansiedlung auf der grünen Wiese genannt. Was sie nicht erzählt hat, weil sie es vielleicht nicht weiß, ist, was alles dahintersteckt, damit das ein erfolgreiches Projekt wurde. Das waren ganz enge Abstimmungen mit der Landesplanung. Die Stadt hat ein Einzelhandelskonzept erstellt. Wir haben genau vorgeschrieben, was in diesem Gewerbegebiet an den Einzelhandelsstandorten überhaupt verkauft werden darf, damit uns die Innenstadt nicht vor die Hunde geht,
denn die Firma Kibek hat einen Innenstadtstandort dafür aufgegeben. Das muss man auch sagen. Wir haben ein ISEK, und wir haben ein sehr erfolgreiches Stadtmarketing, das tolle Aktionen macht. Wir waren die erste Stadt in Schleswig-Holstein, die einen PACT hatte, den wir inzwischen erfolgreich fortführen. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, auf die Eigentümer der Gebäude und der Gewerbeimmobilien zuzugreifen und sie auch einmal an Kosten zu beteiligen.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns dieses Instrument noch weiter angucken und schauen, ob wir es schärfen können.
Ich kann Ihnen sagen: Wir hatten in der Stadt einen jahrelangen Leerstand des Hertie-Hauses. Wissen Sie, wie wir die Eigentümer gekriegt haben? - Wir haben sie mit der PACT-Abgabe an den Verhandlungstisch gekriegt, Herr Knuth, allein kommen die nicht zum Verhandeln. Da kann ich mich hundertmal hinsetzen und tolle Konzepte entwickeln. Wie will ich denn in einen solchen Kaufhaus-Betonklotz Büchereien oder Theater bringen? Das geht nicht von allein, dafür brauche ich Geld, und dafür brau
che ich auch einen Eigentümer, der es zur Verfügung stellt und mitmacht.
Wenn zwischendurch das Haus leer steht, dann geht Ihnen die Stadt kaputt. Wenn das ein Gebäude am Marktplatz in einer mittleren Stadt wie Elmshorn ist, dann ist da Totentanz. Und wenn daneben die Kirche steht, dann ist das kirchlich begleiteter Totentanz.
Ja, sehr gern.
Ein Beispiel ist das Outlet-Center in Neumünster. Ganz ehrlich, das will doch keiner bestreiten: Alle hatten Angst davor, dass das in der Peripherie entsteht. Ganz Neumünster profitiert davon. Ich frage noch einmal: Wo war Ihre Kritik an meiner Aussage?
- Frau Krämer, das ist super, weil ich jetzt auf Ihre Frage antworten kann und gleichzeitig das Problem der zu kurzen Redezeit löse, denn diese Stichworte stehen noch auf meinem Zettel.
Das Problem ist, dass der innerstädtische Standort von Kibek sicherlich nicht gut angebunden war. Trotzdem war es ein Innenstadtstandort. Ich frage jetzt nicht, wer dort schon einmal einen Teppich gekauft hat, ich habe schon ein paar Leute getroffen. Die Leute, die mit dem Auto dort hingefahren sind,
die sind auch in die Innenstadt gegangen, weil sie dicht dran war und weil es eine Verbindung gab. Wir haben im Vorwege dieser Umsiedlung in mehreren Gutachten untersuchen lassen, welche Auswirkungen das tatsächlich hat. Das füllt Aktenbände. Es ist eben mitnichten so, dass eine Ansiedlung auf der grünen Wiese eine tolle Idee ist. Die Stadt Elmshorn hat sich gerichtlich gegen die Ansiedlung des DOC in Neumünster und gegen die Erweiterung von Dodenhof in Kaltenkirchen gewehrt, eben weil wir die Auswirkungen in unserer Innenstadt merken. Das DOC mag für Neumünster toll sein. Da bin ich vielleicht mit der Landtagsvizepräsidentin nicht immer einer Meinung. Für unsere Innenstadt ist das eine Katastrophe, denn es sind die Acht-Arbeitsplätze-Läden, die damit über die Wupper gehen.
Ich habe etwas zum PACT gesagt. Lieber Kollege Knuth und lieber Kollege Dr. Tietze: Wenn es denn immer die Private Equities und die bösen Heuschrecken wären! Es sind ganz oft Erbengemeinschaften, und an die ist genauso schlecht heranzukommen.
Ich will ganz einfach sagen: Wir haben bei uns in der Stadt jetzt ein großes Sanierungsgebiet. Wir haben tatsächlich innerstädtische Flächen und können diese neu gestalten. Diese Möglichkeit haben aber nicht alle. Deswegen ist es schwierig, zu sagen: Ihr müsst einfach nur neu kombinieren. Wenn ich keine Fläche habe, dann kann ich Gewerbe und Wohnungen nicht einfach zusammenlegen.
Ich finde auch, wir müssen daran denken: Das alles hört sich zwar toll an, in der praktischen Umsetzung stehen wir aber manchmal vor einem Problem. Wir hatten ein tolles altes Kino in der Innenstadt. Der Jugendbeirat hat mit ganz viel Unterstützung ein Jugendzentrum eingerichtet. Dort fanden Konzerte, Feten und Partys statt. Das war nach zwei Jahren wieder zu, weil sich die Anwohner in der Königstraße über den Lärm beschwert haben. Das Problem müssen wir auch lösen. Da müssen wir alle noch ein bisschen weiterdenken, als wir es jetzt tun. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jamaika will nun endlich ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen und die Wasserrettung gesetzlich regeln.
Spott und Häme hatte Spitzenkandidat Daniel Günther über die Küstenkoalition ausgekippt, als der Entwurf des Wasserrettungsgesetzes 2017 zurückgezogen wurde. Aber schon in diesem Verfahren war sehr deutlich geworden, dass es ohne eine fundierte Absprache mit allen Hilfsorganisationen keine Lösung geben kann, die alle zufrieden stellt und den Frieden erhält, denn die Bedingungen und die Regelungen für den Einsatz, die Entschädigung, die Ausbildung und die Ausstattung der Hilfsorganisationen sind unterschiedlich. Als Beispiele nenne ich hier die Blaulichtfahrt und den Digitalfunk, aber auch die Freistellungsregelung.
Wir sind uns einig: Das geht so nicht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit der Landtagswahl
sind mehr als drei Jahre vergangen. Offenbar war es doch nicht so einfach eine Regelung zu finden, wie die Autorinnen und Autoren des Koalitionsvertrags es sich gedacht hatten: Fehlanzeige aus dem zuständigen Innenministerium! Also - aller Ehren wert springen die Fraktionen ein. Kurz vor den Sommerferien haben Sie das mit dem Schnellschuss versucht, indem Sie Ihren berühmten § 5 an das Badesicherheitsgesetz anfügen wollten.
Aber im allgemeinen Einvernehmen, so habe ich das empfunden, haben wir im Juni das Thema Wasserrettung vertagt, zumal alle anwesenden Hilfsorganisationen sehr deutlich Gesprächsbereitschaft signalisiert haben.
Ich habe also mit großer Spannung auf die versprochene neue Initiative gewartet. Ich hatte gehofft, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie die Sommerpause nutzen, um vor allem die Ehrenamtlichen wieder zusammenzubringen. Es kann nicht sein, dass wegen Ihres stümperhaften Schnellschusses die Rettungsorganisationen aufeinander losgehen!
Jeder, der damals an der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss teilgenommen hat, musste feststellen, dass das Tischtuch zwischen der DLRG und der Freiwilligen Feuerwehr zerschnitten ist.
- Lars Harms, wenn du das nicht mitbekommen hast, warst du im Mittagsschlaf.