Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beamtinnen und Beamte haben faktisch keine Wahl, wenn sie sich krankenversichern wollen. Bislang ist das System so geregelt, dass eine freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse um ein Vielfaches teurer wäre als eine Absicherung über eine private Krankenversicherung. Dieser Kostenunterschied wirkt faktisch wie ein Verbot der gesetzlichen Krankenkasse und verhindert den Weg in die Solidargemeinschaft. Dabei werden den Beamten Wahlmöglichkeiten vorenthalten. Genau das müssen wir ändern.
Der SSW fordert seit Langem, dass die Landesregierung den Beamten eine entsprechende Wahlmöglichkeit eröffnet, die vor allem in der Familienphase eine durchaus attraktive, weil lohnende Möglichkeit der Absicherung gegen die Folgen von Krankheiten ist. Die Beamtinnen und Beamten sollen selbst entscheiden können; ihnen diese Möglichkeit zu eröffnen, ist, so finden wir, ein Gebot der Gerechtigkeit.
Außerdem setzt die private Versicherung die Beamten enorm unter Druck: Niedrige Zinsen auf dem Kapitalmarkt und wachsende Versorgungskosten führen zu steigenden Versicherungsbeiträgen vor allem im Alter. Da ist ein Ende nicht abzusehen. Auch da kann es zu sozialen Verwerfungen insbesondere für die Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Einkommensklassen kommen, die sich diese Beiträge dann nicht mehr leisten können. Auch das müssen wir im Hinterstübchen behalten.
Hinzu kommen die Beihilfekosten, die auch unserem Landeshaushalt zunehmend zusetzen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Beamtinnen und Beamten die neue Wahlmöglichkeit nutzen werden, sodass die Beihilfekosten langfristig sinken werden. Das ist ein durchaus gewollter und gewünschter Nebeneffekt der neuen Regelung.
Betrachten wir einmal die Beihilfe. Wir geben 282 Millionen € für Beihilfezahlungen aus und müssen dafür 4,5 Millionen € Personalkosten aufwenden. Dieses Personal arbeitet irgendwo. Deswegen kommen noch Miete und Sachkosten hinzu, so
dass wir von Gesamtaufwendungen in Höhe von mindestens 290 Millionen € ausgehen können. Das Ganze für 79.000 Beihilfeempfänger. Auf den Monat gerechnet sind das 305 € monatlich als Arbeitsgeberanteil. Damit wäre ein durchschnittlicher monatlicher Krankenkassenbeitrag von 610 € zu finanzieren - wohlgemerkt im Durchschnitt. Die meisten Menschen zahlen weniger Krankenkassenbeiträge. Wir könnten also auch als Land durchaus profitieren, wenn wir unseren Beschäftigten die halben Krankenkassenbeiträge erstatteten und eben nicht auf das Beihilfesystem angewiesen wären.
Hamburg ist das erste Bundesland, das seinen Beamten einen 50-prozentigen Zuschuss auch für die gesetzliche Krankenkasse anbietet. Es ist aber klar: Das ist ein Angebot. Kein Landesbeamter muss das annehmen. Das bisherige klassische Modell aus Beihilfe und einer ergänzenden Versicherung in der privaten Krankenversicherung als auch die Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung plus pauschale Beihilfe bestehen natürlich weiterhin.
Allerdings gilt die Wahl nur zu Berufsbeginn - zumindest in Hamburg. Ein nachträglicher Umstieg bleibt schwierig und ist meist mit Kosten verbunden. Aber gerade in der langfristigen Perspektive kann sich eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung durchaus lohnen; entsprechende Rechenbeispiele dafür liegen vor.
Die Versicherungsunternehmen sind von dem Hamburger Vorstoß natürlich nicht begeistert. Das überrascht auch niemanden, denn schließlich ist jeder zweite Kunde dieser Gesellschaften ein Beamter oder eine Beamtin. Da droht natürlich schon, ein beträchtliches Einnahmefeld wegzubrechen, wenn andere Bundesländer dem Beispiel Hamburgs folgen. So warnt zum Beispiel die Debeka, eine der Großen in der Branche, auf ihrer Homepage ausdrücklich und mit farbigen Warnzeichen vor dem in Anführungszeichen gesetzten Hamburger Sonderweg.
Die Gewerkschaften loben dagegen die neue Wahlfreiheit, weil sie sagen: Wenn man frei wählen kann, ob man das eine oder andere System haben will, ist das ein Vorteil für die Menschen. Die Menschen können selber darüber entscheiden. Sie kritisieren die quasi automatische Mitgliedschaft der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, die auf diese Weise gerade den Bestand der Versicherungsunternehmen langfristig sichern. Das ist aber nicht unbedingt Ziel einer sozialen Absicherung für Beschäftigte des Landes. Ziel muss sein, ihnen die
Hamburg ist also vorgeprescht. In MecklenburgVorpommern wird entsprechend diskutiert. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es ähnliche Bestrebungen. Ich habe Ähnliches auch von ein paar anderen Bundesländern gehört. Da ist also ordentlich etwas in Bewegung. Das ist auch wichtig zu erwähnen, denn gerade im Beamtenrecht ist eine bundesweite Regelung enorm wichtig, weil Beamte auch einmal die Bundesländer wechseln. Aber ohne dass Länder vorangehen, ohne dass das Land Schleswig-Holstein vorangeht, gibt es keine Veränderung. Im Interesse der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien sollten wir deshalb ein Zeichen setzen und in Zukunft auch eine gesetzliche Krankenversicherung mit 50-prozentigem Zuschuss durch das Land anbieten.
Damit wir darüber in Ruhe diskutieren können, bitte ich darum, unseren Antrag in den Finanzausschuss zu überweisen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren im Plenarsaal und auf der Tribüne! Das Thema Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung für Beamte ist nicht neu. Heute ist es ein SSW-Antrag. Im September 2017 war es ein SPD-Antrag. Damals hieß es nicht Wahlmöglichkeit, sondern Wahlfreiheit. Der Hinweis auf Brandenburg und Thüringen ist für mich noch kein Kriterium. Wir merken immer mehr, dass bestimmte Gesetzesinitiativen in anderen Bundesländern gestellt worden sind und hier übernommen werden.
Auch der aktuelle SPD-Gesetzentwurf für eine Pauschale in der Krankenversicherung für neue Beamte geht in Richtung Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung. Ich möchte die wesentlichen Punkte kurz ansprechen.
Jedes System kann sich für den einzelnen ungünstiger auswirken, kann von dem Einzelnen als ungerecht empfunden werden. Das ist bei jedem System möglich. Das gilt aber auch, wenn es eine neue Form gäbe, von der man nicht weiß, wie sie sich später auswirkt. Eine Unzufriedenheit der Beamten
Im Gegenteil, es ist ein tragender Grundsatz, dass die Fürsorge des Dienstherrn für seine Beamten wir sprechen bei diesem Thema von Beamten - eingehalten wird. Deshalb wundere ich mich ein bisschen, lieber Lars Harms, dass du sagst, das Land profitiere davon. Nur eines davon geht, entweder das Land profitiert, oder die Beamten profitieren. Sollten beide davon profitieren, wäre das eine bemerkenswerte Rechnung. Das hätte ich gern genauer ausgeführt.
Es ist nicht sinnvoll, etwas zu verändern, was sich bewährt hat. Der Glaube an die Bürgerversicherung reicht nicht. Frau Kollegin Raudies, ich habe Ihnen vorhin genau zugehört. Sie haben 2017 hier im Haus gesagt: Nur, weil es immer schon so war, muss es nicht so bleiben. - Genau das haben Sie eben auch wieder gesagt. Das genügt nicht als Begründung.
Interessant ist, dass der DGB die SPD-Initiative stützt, obwohl die Beamten in ihrer großen Mehrheit eine andere Auffassung dazu haben. Ich empfehle, eher auf die zu hören, die direkt betroffen sind. Das scheint mir im Grundsatz der klügere Weg zu sein.
Sie haben von überschaubaren Kosten gesprochen. Wir sind uns einig: Es wird teurer. Sie haben im Pressegespräch gesagt, Kosten könnten Sie nicht beziffern, dazu könnten Sie nichts sagen. Dann frage ich mich: Warum sollen wir in ein teureres System einsteigen? Welchen Grund gibt es aus finanzieller Sicht dafür? Ich vermag ihn im Augenblick nur schwer zu erkennen.
Das Thema Privatversicherung ist angesprochen. Natürlich kann man verschiedene Meinungen haben. Ich finde, im Grundsatz können wir kein Interesse an einer Schwächung der Privatversicherungen haben. Dort Substanz wegzunehmen, halte ich im Grundsatz für falsch. Es ist gut, dass wir verschiedene Wege haben, uns im Krankheitsfall absichern zu können.
Häufig gibt es Entscheidungen, die in jungen Jahren und auch später sehr individuell getroffen werden.
Sie haben auf einen Punkt selbst hingewiesen, und das ist der besonders kritische. Man muss sich am Anfang entscheiden, und man hat nur einmal die Wahlmöglichkeit. Wir brauchen gar nicht lange darüber zu diskutieren. Jede Sache hat immer zwei Seiten. Deswegen muss man dies sehr sorgfältig anschauen.
Gibt es mehr Attraktivität im öffentlichen Dienst? Auch das kann ich nicht erkennen. Die entscheidende Frage der Attraktivität des öffentlichen Dienstes werden wir sicherlich bei anderen Themen zu diskutieren haben. Das ist mit Sicherheit kein Kernthema.
Werden Abrechnungen einfacher? Ich nutze die Debatte. Wenn ich recht informiert bin, gibt es in Schleswig-Holstein noch keine Beihilfe-App. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, auch diese bei uns im Land einzuführen und damit Anträge schnell und zügig statt langsam und umständlich einzureichen. Eine Beihilfe-App wäre vielleicht eine bessere Sache, um schnell etwas zu machen.
Im Jahr 2019 wollen wir darüber sprechen, ob und was gegebenenfalls im öffentlichen Dienst verändert oder verbessert werden muss. Wir wollen also im Jahr 2019 zum Thema öffentlicher Dienst eine größere Runde machen. Von daher sind wir natürlich dafür, dass wir in den Ausschüssen beide Themen besprechen. Eines dürfen Sie aber nicht erwarten, nämlich dass wir damit den stillen Einstieg in die Bürgerversicherung machen. Das können Sie von uns nicht erwarten. Frau Kollegin Raudies, wenn Sie von Sozialgeschichte sprechen, die Sie damit schreiben wollen, so glauben Sie mir: Das ist etwas ganz anderes.
Vielen Dank. - Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Lasse Petersdotter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Ich möchte einmal den Anfangsgedanken von Herrn Kalinka aufgreifen, dass jedes System seine Fehler hat, jedes System ungerecht sein kann. Nichtsdestotrotz muss uns doch daran gelegen sein, dieses Thema zu überprüfen und daraufhin abzuklopfen, welche Probleme es gibt; denn letzten Endes macht es einen guten Ar
beitgeber aus, dass man nach Möglichkeiten sucht, die Probleme der Arbeitnehmerinnen und -nehmer und Beschäftigten zu lösen.
Das ist irgendwo auch ein Gedanke, mit dem wir uns als Koalition sehr früh beschäftigt haben. Ich erinnere an die Regierungserklärung von Daniel Günther, der sagte, wir wollen eine Koalition der Möglichmacher sein. Ich glaube, in diesen Gedanken passt auch diese Debatte sehr gut; denn es geht um Möglichkeiten, auf veränderte Lebensmodelle zu reagieren, die eigenen Strukturen sinnvoll zu ergänzen, zu modernisieren oder auch zu überarbeiten, sowie um Möglichkeiten, die für die Arbeitnehmerinnen und -nehmer beste Absicherung zu schaffen.
Die beste Absicherung ist für viele mit Sicherheit die private Krankenversicherung. Sie haben in Ihrer letzten Rede zu diesem Thema im Jahr 2017 gesagt, Herr Kalinka, dass das Beihilfemodell zur Attraktivität des öffentlichen Dienstes beiträgt. Unbenommen, es ist ein wahnsinnig attraktives Modell, für das sich auch bei einer solchen Änderung sehr viele Menschen weiterhin entscheiden würden; denn vieles spricht dafür. Das ist richtig. Das gilt allerdings leider nicht für alle. Ich möchte in dieser Debatte festhalten, dass es hierbei nicht um eine Diskussion gegen die Beihilfe geht, sondern es geht um die Frage von Wahlmöglichkeiten, um die Möglichkeit, auch einen anderen Weg einzuschlagen. Warum der sinnvoll ist, darauf werde ich gleich noch eingehen.
Wenn Sie damit argumentieren, dass es keinen Unmut bei den Beamtinnen und Beamten gebe und die Leute dort nach Ihrer Auffassung nicht nach diesem System rufen, so mag das sein; denn die Gruppe derer, die davon betroffen sind, ist mit Sicherheit klein, und das Beihilfemodell ist eben auch attraktiv. Wie gesagt, dagegen sage ich auch überhaupt nichts. Aber vielleicht wäre es, gerade wenn wir unterschiedliche Gewerkschaftsauffassungen haben, auch einmal interessant, wenn die Gewerkschaften so etwas wie eine Umfrage unter ihren Mitgliedern machen und einmal abfragen würden: Was habt ihr gegen eine Wahlmöglichkeit, oder seid ihr dafür, diese Wege für andere zu öffnen, wenn ihr selber keinen Schaden zu erwarten habt?
Eine Gruppe von 8 bis 9 % der Beamtinnen und Beamten ist gesetzlich krankenversichert. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Das können komplizierte Krankheitsverläufe sein. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Wir haben einen massiven