Protocol of the Session on June 15, 2018

Sie sind einfach darüber hinweggegangen. Sie müssen doch auch einmal sehen, dass sich die Stadt Hamburg beteiligt, wo Rot-Grün regiert, dass sich auch das Land Mecklenburg-Vorpommern beteiligt, das von Rot-Schwarz regiert wird. Das sind nun auch alles inhumane Politiker und Menschen, die einer freiheitlichen Gesellschaft widersprechen? Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Dr. Stegner.

(Beifall FDP und CDU)

Abschließend möchte ich Ihnen Folgendes sagen: In Niedersachsen wird das nicht gemacht. Dort gibt es kein Gesetz, wie es der Flüchtlingsrat fordert. Unsere Fraktion unterstützt das dort gegen die SPD. Wir sollten wirklich zu einer ernsthaften Debatte zurückkommen, und Sie sollten sich zunächst den vernünftigen Gesetzentwurf des Ministers angucken, wie es parlamentarische Sitte ist. Auf jeden Fall sollten Sie hier keine Schaufensteranträge stellen und eine Debatte führen, die nur den Falschen hilft.

Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Das ist ein verantwortungsbewusster Weg, nicht aber Ihre Kaspereien. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich kann mich den Vorrednern nur anschließen. Das ist vielleicht bemerkenswert.

Meine Damen und Herren, Abschiebehaft ist wesentlicher Bestandteil einer konsequenten und rechtsstaatlichen Asyl- und Flüchtlingspolitik. Abschiebehaft ist gleichwohl die Ultima Ratio, also das Mittel der Wahl, wenn alle anderen nicht greifen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Genau!)

Selbstverständlich sind bei der Anordnung der Abschiebehaft genau diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die eine solche Freiheitsentziehung von vornherein ausschließen.

In dem Antrag der SPD ist völlig zu Recht eine Gruppe von Personen aufgeführt, die von der Abschiebehaft auszuschließen sind. Aber dann hört es mit der Sinnhaftigkeit aufseiten der SPD auch schon auf; denn das, was gefordert wird, ist in Schleswig-Holstein bundesweit seit Langem geübte Praxis und das wird es auch in Zukunft sein.

Dass Sie mit Ihrem Antrag jetzt eine sich hier anbahnende humanitäre Katastrophe an die Wand malen, ist nichts weiter als billiger Linkspopulismus und Angstmache.

(Beifall AfD)

Tatsächlich vermischen Sie die im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vorgesehenen Ankerzentren beispielsweise pauschal mit Abschiebehaftanstalten. Die SPD malt hier in düsteren Farben ein Bild von geschlossenen Einrichtungen, in denen nach ihrem Duktus die Grenzen zwischen Haft und Unterbringung von Asylsuchenden verschwimmen werden. Damit verunsichern Sie die Öffentlichkeit. Bei den Bürgern in Glückstadt, Neumünster und Boostedt schüren Sie so vollkommen unbegründete Ängste. Abschiebehaft ist nicht gleich Ankerzentrum. Und das wissen Sie auch.

Noch einmal: Abschiebehaft ist Ultima Ratio, und sie kann auch gar nichts anderes sein. Auch ein kommendes Abschiebehaftgesetz muss und wird

(Christopher Vogt)

sich klar an humanitären Aspekten, an Menschenrechten und vor allem auch an der Rechtsstaatlichkeit orientieren.

Für die Abschiebehaft können nur abgelehnte Asylsuchende in Betracht kommen, die sich der freiwilligen Rückkehr entziehen, die sich verbergen und verstecken, die sich den Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung gewaltsam widersetzen und die in unserem Land als Straftäter und Islamisten jeden Anspruch auf die hier zum Glück selbstverständliche Gastfreundschaft unserer Gesellschaft verwirkt haben. Abschiebungen sind Maßnahmen, die zum Erhalt ebendieser Gastfreundschaft zwingend notwendig sind. Alles andere würde dieses Wesen unserer Gesellschaft aufs Spiel setzen.

Dass dies erforderlich ist, zeigen die schrecklichen Taten, die in den letzten Wochen von Menschen begangen wurden, die sich nicht länger in Deutschland hätten aufhalten dürfen. Noch einmal etwas zu den Fakten:

Im Jahr 2017 konnten in Schleswig-Holstein mehr als 700 Abschiebungen trotz vollziehbarer Entscheidung nicht vorgenommen werden. Trotz steigender Zahl an Ausreisepflichtigen hat sich die Zahl der Abschiebungen von 2016 auf 2017 halbiert. Der Verfassungsschutz berichtet von 550 islamischen Extremisten; ein Gutteil davon befindet sich mit einem Aufenthaltsstatus in Deutschland und auch hier in Schleswig-Holstein.

Es gibt also gute Gründe, Abschiebehaft als das zu begreifen, was es ist: ein rechtsstaatliches und ganz offenbar notwendiges Mittel zur konsequenten Umsetzung und Durchsetzung unseres Asylrechts und auch zum Schutz unserer Bevölkerung.

Meine Damen und Herren, in der Gesellschaft besteht mehrheitlich Konsens darüber, dass eine Flüchtlingspolitik wie bisher nicht weiter fortgeführt werden darf. Ihr Antrag richtet sich aber im Kern gegen eine neue Zuordnung der Flüchtlingspolitik, wie sie die Mehrheit der Deutschen will. Ihr Antrag steht sogar gegen die Überzeugung Ihrer eigenen Partei, die sich im Koalitionsvertrag und kürzlich auch durch Frau Nahles zum Beispiel für die Ankerzentren ausgesprochen hat.

Die AfD-Fraktion setzt darauf, dass ein kommendes Abschiebehaftgesetz im Innen- und Rechtsausschuss mit der erforderlichen Ruhe und Intensität und Fachkunde beraten werden kann.

Der populistischen Stimmungsmache aus den Reihen der SPD schließen wir uns nicht an. Wir lehnen den Antrag daher ab. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen, die nichts verbrochen haben oder beispielsweise in U-Haft sollen, gehören in keine Haftanstalt. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein und auch für Menschen gelten, die zu uns geflüchtet sind. Das habe ich immer wieder hier an dieser Stelle gesagt. Das war schon immer die Haltung des SSW, auch als wir damals gemeinsam mit den Grünen und der SPD hier regiert haben. Das war aber auch schon davor unsere Haltung. Das ist eine grundsätzliche Haltung, die nichts mit der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland zu tun hat. Es ist unsere grundsätzliche Haltung, dass wir so etwas nicht wollen.

(Beifall SSW und SPD)

Genau aus einer solchen grundsätzlichen Haltung heraus haben wir damals in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, die Abschiebehaftanstalt in Rendsburg zu schließen, und so ist es ja auch geschehen. Deswegen stimmen wir natürlich vollkommen mit der SPD überein: Abschiebehaft ist keine humane Flüchtlingspolitik, und ich sage ganz deutlich: Auch das ist ein Effekt. Wir konnten ihn gerade eben schon andeutungsweise erleben. Eine solche Anstalt führt immer auch zu - wie soll man es sagen - Begehrlichkeiten auf der falschen Seite. Auch das sollte man sich immer genau vor Augen führen.

Wir sehen an dem Alternativantrag der drei Koalitionäre, dass sie sich auf Bundes- und Europarecht berufen. Das ist auch okay so. Es mag sein, dass es rechtlich möglich ist, Abschiebehaftanstalten einzuführen, das ist klar, aber man ist auch nicht unbedingt dazu gezwungen. Es mag möglich sein, dass man auf Landesebene rechtlich gezwungen wird, von Instrumenten wie zum Beispiel der Abschiebehaft oder dem Gewahrsam Gebrauch zu machen. Wenn Gerichte dies anordnen, dann hat das zu erfolgen. Diese Erfahrung mussten wir als Koalition auch machen. Deswegen gab es die wenigen Plätze des Abschiebegewahrsams am Hamburger Flughafen und in der Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Es gab auch eine länderübergreifende - wie soll man sagen - Vereinbarung, die es in Notfällen durchaus erlaubt hätte, Menschen auch in anderen Abschiebehaftanstalten unterzu

(Claus Schaffer)

bringen, beispielsweise nämlich in solchen Fällen, in denen sich Leute der Ausreise entzogen hätten oder auch wenn Menschen kriminell geworden sind und aus dem Gefängnis direkt in ein Gewahrsam oder eine Abschiebehaftanstalt kommen, um dann entsprechend abgeschoben zu werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir diese Plätze genutzt haben, dann waren das aber ganz extreme Ausnahmefälle. Die Einrichtung einer eigenen Abschiebehaftanstalt hat nun einmal eine völlig andere Qualität und ist eine politische Frage. Ich sage es noch einmal: Menschen, die nichts verbrochen haben und sich auch nicht der Abschiebung entzogen haben, verdienen in unseren Augen keinen Freiheitsentzug, schon gar nicht die besonders schutzbedürftigen Gruppen, über die die Regierungsparteien in den letzten Wochen höchstens verlauten ließen, sie sollten möglichst nicht eingesperrt werden; Kinder, Jugendliche, Schwangere, stillende Frauen.

Der Alternativantrag von CDU, Grünen und FDP, der uns gestern erreichte, besteht am Anfang aus nichts Weiterem als aneinandergereihten Platzfüllern, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass am Ende nur steht, die besonders schützenswerten Gruppen, die ich gerade teilweise genannt habe, sollten grundsätzlich nicht eingesperrt werden. Ausnahmen sind somit zulässig und werden auch hingenommen. Da muss man den Grünen schon sagen: Euch mag diese Entscheidung wirklich schwergefallen sein, das glaube ich. Aber das hilft den Menschen nicht, und ihr tragt jetzt genau diese Verantwortung. Ihr macht es möglich, dass wir so etwas hier haben. Schade, dass wir hier nicht mehr die Einigkeit haben.

(Beifall SSW und SPD)

Meine Damen und Herren, wir erwarten von der jetzigen Landesregierung aber auch, dass sie die humane Flüchtlingspolitik, die in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein gegolten hat, weiterführt, auch im Zusammenhang mit dieser Einrichtung. Dazu gehört für uns aber auch, dass Jamaika alle Register zieht, um die Abschiebungen nach Afghanistan abzuwenden, die durch den Bund drohen. Wir haben keinen Grund, davon auszugehen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan eklatant zum Guten gewendet hat. Stellen Sie sich vor, was sonst möglich wäre: Wir haben hier eine afghanische Familie in Deutschland, die sich vor den Taliban retten konnte. Die Familienmitglieder bringen sich ein, sie verhalten sich gut, und als Dankeschön sollen sie dann am besten noch in Abschiebehaft, bevor sie dahin abgeschoben werden, wo nach wie

vor ihr Leben bedroht ist? - Meine Damen und Herren, das darf gerade nicht sein.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Was vermischt ihr denn in dieser Debatte!)

Deswegen muss auch der Innenminister einen konsequenten Abschiebestopp für Personen, die nicht straffällig geworden sind, nach Afghanistan anordnen, wie es sein Vorgänger getan hat. Die JamaikaKoalition muss - auch nach den letzten Äußerungen unseres Ministerpräsidenten - ihre Pläne für eine neue Abschiebehaftanstalt in Glückstadt begraben. Für Menschen, die zu Haft verurteilt worden sind, und für Gefährder haben wir Gefängnisse und das Abschiebegewahrsam in Fuhlsbüttel. Mehr brauchen wir nicht, um rechtsstaatliche Prinzipien einhalten zu können.

(Beifall SSW und SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zu den Kurzbeiträgen. Zunächst hat sich der Abgeordnete Rossa aus der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Stegner, ich bin ehrlich erschüttert, dass Sie hier ernsthaft dafür Werbung gemacht haben, dass unsere Rechtsordnung und unser Rechtsstaat nicht mehr durchgesetzt werden sollen, denn anders können wir Ihren heutigen Vortrag hier nicht verstehen.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Sie haben auch einen erstaunlichen und erschreckenden Mangel an Rechtskenntnis offenbart, als wir Sie gefragt haben, ob Sie generell das Recht der Inhaftnahme im deutschen Recht ändern wollen, denn das waren Ihre einleitenden Worte, nämlich dass nur noch verurteilte Straftäter in Haft genommen werden. Damit stellen Sie die Zivilprozessordnung und andere Gesetze auf den Kopf. Es tut mir leid, das ist wirklich hochnotpeinlich, eine solche Äußerung zu machen. Das haben Sie gesagt.

(Beifall FDP, CDU, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Stegner, ich finde die Art und Weise, wie Sie das Problem behandeln, wie in unserem Land Ausreisepflichten umgesetzt und durchgesetzt werden sollen, erschreckend und unwürdig. Sie polemisieren, wenn Sie vom Abschiebeknast sprechen, wie Sie es heute getan haben. Es ist deutlich gewor

(Lars Harms)

den, dass wir auch keine riesige Abschiebehafteinrichtung schaffen wollen. Sie tun so, als würde jeder Ausreisepflichtige in Haft genommen werden, damit er seiner Ausreisepflicht nachkommt. Auch das ist schlicht die Unwahrheit und führt nur zu einem, nämlich dass Sie in einer Art und Weise hier eine Thematik eskalieren, die mit sehr viel Sachverstand und sehr viel Zurückhaltung in der Sache behandelt werden sollte.

(Beifall FDP, CDU, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie weisen in Ihrer Begründung des Antrags auf die UN-Kinderrechtskonvention hin und wollen damit nichts anderes erreichen, als den Eindruck zu vermitteln, dass die Regierungskoalition hier gegen Völkerrecht verstößt. Auch das ist infam und dient ausschließlich der Polemisierung dieser Debatte. Sehr geehrter Herr Dr. Stegner, das ist Populismus und nichts anderes.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)