Protocol of the Session on February 22, 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Grote, vielen Dank für diesen sehr besonnenen Bericht. Liebe SSW-Kollegen, auch euch großen Dank da

(Kathrin Wagner-Bockey)

für, dass ihr dieses Thema schon seit Jahren so hartnäckig verfolgt.

Wir Grünen sind in punkto Waffen schon sehr strikt. Schusswaffen in privater Hand sind für uns grundsätzlich ein Übel. Es sollte so wenig wie möglich davon geben. Auch für die Bereiche Jagd und Schießsport gehören die Berechtigung zum Führen, der Besitz und vor allem die sichere Aufbewahrung ordentlich überprüft.

Deutschland ist ein Land, in dem legaler Schusswaffenbesitz nach dem grauenhaften Amoklauf von Winnenden 2009 verschärft worden ist, vor allem im Vergleich zu den USA. Das haben Sie schon erwähnt, Herr Grote. In den USA sterben jährlich 16.000 Menschen durch Schusswaffeneinsatz - in einem Land, das grundsätzlich in Frieden lebt. Ursache ist eindeutig der Umstand, dass man in vielen US-Bundesstaaten leichter eine Schusswaffe kaufen kann als eine Flasche Whiskey.

Meine Damen und Herren, mehr Waffen, mehr Tote. Angesichts dieses Zusammenhangs auch für Deutschland eine Erleichterung und Liberalisierung des Erwerbs und Besitzes von Schusswaffen zu fordern, meine Dame und meine Herren von der AfD, halte ich für gänzlich abwegig.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wer ernsthaft behauptet, ein leichter Zugang zu Schusswaffen erhöhe die individuelle und gesellschaftliche Sicherheit, befindet sich auf dem Holzweg. Das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel der USA zeigt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW - Jörg Nobis [AfD]: Wer fordert das denn?)

Der vorliegende Bericht belegt an zwei Stellen, dass es seitens der Waffenbehörden im Land Defizite bei der Kontrolle gibt. Das wurde schon ausführlich ausgeführt. Das erste Problem - das wurde noch nicht so ventiliert - ist: Seit 2009 sind die Kreise verpflichtet, Nachweise der Waffenbesitzerinnen und -besitzer über die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition abzufragen. Passiert ist wenig. Dabei ist es aus unserer Sicht doch das Mindeste, wenigstens durch Fotos und Typenunterlagen der Schränke die Aufbewahrung der Waffen zu dokumentieren. Man kann von den Waffenbesitzern doch verlangen, dass sie wenigstens das erbringen; aber auch das passiert zu wenig. Gut ist, dass das Innenministerium den kommunalen Verwaltungen

jetzt eine Frist zur Erledigung bis zum 31. März 2018 gesetzt hat.

Das zweite Problem ist das Kontrolldefizit der Waffenaufbewahrung nach Vorschrift - und das ausgerechnet in den Kreisen, in denen es die meisten Waffen pro 1.000 Einwohnern gibt. Plön, Rendsburg-Eckernförde und Steinburg haben die höchste Waffendichte, und da werden kaum verdachtsunabhängige Aufbewahrungskontrollen durchgeführt.

Dass es auch anders geht, zeigt der Kreis Ostholstein. Auch Kiel mit nur 31 Waffen auf 1.000 Kielerinnen und Kieler leistet sich 111 Kontrollen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Gut, dass das Innenministerium jetzt angeordnet hat, die Kontrollzahlen jährlich zu melden, um Druck auf die Kommunen auszuüben.

Der Bericht zeigt ein drittes großes Problem: der sogenannte Kleine Waffenschein. Offenbar haben regelmäßig verbreitete Schauergeschichten über ein angeblich massiv verschlechtertes Sicherheitsniveau in der Bundesrepublik dafür gesorgt, dass sich immer mehr Menschen mit Schreckschuss- und Reizstoffwaffen eindecken. Seit 2015 hat sich die Zahl der Menschen im Land, die sich so versuchen zu wappnen, mehr als verdoppelt.

Ich stimme mit Torsten Jäger von der Gewerkschaft der Polizei überein, dass diese Individualaufrüstung mehr Gefahren als Schutz mit sich bringt. Es kann nicht sein, dass man den Kleinen Waffenschein mal eben über das Internet bei den Behörden beantragen kann. Ich begrüße sehr, dass sich das Innenministerium auf Bundesebene dafür einsetzt, dass eine Beantragung nur mit persönlicher Vorsprache bei der Waffenbehörde möglich ist. Ich halte es für absolut notwendig, dass wir die Möglichkeit der OnlineBeantragung bis dahin aussetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Heiner Rickers [CDU])

Meine Damen und Herren, absolut kein Verständnis habe ich dafür, dass die Kollegin Frau von SaynWittgenstein passend zur Parteilinie über Facebook dazu aufruft, sich noch schnell mit einem Kleinen Waffenschein über Online-Antrag zu versorgen. Die Kommentare darunter - allesamt von Ihnen unwidersprochen und nicht gelöscht - sprechen Bände. Da sagt zum Beispiel ein Heino Kiel:

„Dass Deutsche sehr schwierig an Waffen kommen, ist klar. Denn die Regierung hat Angst, wenn Deutsche Waffen in die Finger bekommen, sodass diese mal aufräumen und abrechnen können mit der Regierung.“

(Burkhard Peters)

In einem weiteren Post sagt derselbe Herr:

„Bewaffnet euch, liebe Deutsche!“

Ich kann nur hoffen, dass die Zuverlässigkeit der dort postenden Waffenbesitzer gründlich überprüft wurde. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Zu seinem ersten Redebeitrag im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat nun der Abgeordnete Jörg Hansen von der FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für den warmen Applaus. Das tut gut; aber wir haben ein ernstes Thema am Wickel. Mit Blick auf die schrecklichen Vorkommnisse in Amerika behandeln wir heute ein Thema, wie es aktueller nicht sein könnte. Ich danke Herrn Minister Grote für die Zahlen, die allerdings auch Fragen aufwerfen.

Zunächst war ich etwas überrascht über die Kleinteiligkeit der Anfrage. Schaut man sich die Zahlen jedoch genau an, kann es im Kern doch nur um folgende Aspekte gehen: Erstens. Wie viele Waffen sind im Umlauf, und wie viele davon sind registriert? Zweitens. Sind die Besitzer geeignet? Drittens. Gehen von diesen Zahlen Gefahren aus?

Für mich war zunächst aufschlussreich, wie viele Waffen im Umlauf sind. Dieses Mengengerüst ist wichtig dafür, ein Gespür für die Situation zu bekommen. Die Anzahl ist für sich gesehen beeindruckend, und das vor dem Hintergrund, dass wir eben keine amerikanischen Verhältnisse haben zum Glück. Der Besitz und das Führen von Waffen sind in Deutschland an strenge Regeln gebunden, und das ist auch gut so. Das stellt nämlich sicher, dass nicht jeder Waffenbesitzer unter Generalverdacht gestellt wird. Das Mengengerüst zeigt aber auch, dass es richtig und wichtig ist, sowohl die Besitzer als auch die Aufbewahrung von Waffen unter Kontrolle zu stellen.

Die Beantragung eines Waffenscheins oder einer Waffenbesitzkarte ist gesetzlich ebenso normiert wie die Aufbewahrung von Waffen. Dies scheint zunächst vom Verfahren her keinen Handlungsbedarf zu begründen. Allerdings sollten wir auch hier genauer hinschauen. So ergeben sich in der Praxis

durchaus Fragen und Probleme. Will etwa eine Privatperson eine Waffe - zum Beispiel ein Erbstück entsorgen, ist es im Regelfall so, dass sie oder er zur Polizeidienstelle kommt und die Waffe dort abgibt. Die Kommune wird die Waffe in Empfang nehmen und anschließend dem Landeskriminalamt zur Entsorgung geben. Das führt in Einzelfällen, zum Beispiel in Lübeck, zwar zu Kapazitätsproblemen, die Zahlen belegen aber, dass das Verfahren grundsätzlich greift.

Zu praktischen Problemen kommt man aber auch bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern. Ich möchte das exemplarisch am Beispiel der sogenannten Reichsbürger verdeutlichen. Reichsbürger sind kein eingetragener Verein, und nicht immer ist offensichtlich, ob jemand unsere staatliche Ordnung ablehnt. Gefährlich wird es aber, wenn sie zu erkennen geben, dass sie erstens die Bundesrepublik Deutschland gar nicht akzeptieren oder nicht anerkennen, zweitens die Polizei oder die Ordnungsbehörden als Teil der Obrigkeit nicht akzeptieren und drittens - das ist der dramatische Punkt - als Besitzer einer Waffe registriert werden. Dieses teuflische Gemisch führte in Süddeutschland zur Tötung eines Polizeibeamten durch einen Reichsbürger.

Wie sensibel die Behörden mittlerweile damit umgehen, zeigt der intensive Austausch von Erkenntnissen zwischen der Ordnungsbehörde beziehungsweise Waffenbehörde und der Polizei. Dieser Austausch ist durch das Landesverwaltungsgesetz sowie durch den Datenschutz abgedeckt. Auch hier geht es nicht um eine Pauschalverurteilung, sondern um eine konkret begründete Gefahr. Kein Mensch möchte eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter eines Ordnungsdienstes bei einer Kontrolle ins offene Messer laufen lassen. Dass wir das verhindern, muss unser Ziel sein, beziehungsweise wir müssen das verhindern.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wir sind also insgesamt besser geworden, obwohl die Kontrolldichte noch Handlungsbedarf erfordert.

All diese Fragen betreffen zunächst den legalen Waffenbesitz. Viel beunruhigender ist jedoch eine andere Frage: Wie hoch ist das Dunkelfeld? Denn das Internet hat auch dunkle Seiten; ich erinnere da nur an den Erwerb einer Waffe bei dem Münchener Anschlag. Wir dürfen diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren, denn Verbrecher werden sich nicht um einen legalen Waffenbesitz bemühen und sich den gesetzlichen Kontrollmechanismen aussetzen, solange die Verfügbarkeit von illegalen Waf

(Burkhard Peters)

fen verhältnismäßig einfach ist. Dazu nutzen Verbrecher mehr und mehr ihre Vernetzung beziehungsweise das Internet.

Ich unterstütze daher auch die Bestrebungen der Sicherheitsbehörden in Deutschland, sich diesem Treiben durch eine bessere bundesweite Vernetzung entgegenzustellen. Mit Blick auf die Situation in den USA können wir jedoch froh über das hier herrschende Waffenrecht sein. Unsere Kontrollmechanismen greifen - auch wenn sie noch intensiviert werden könnten beziehungsweise müssen. Denn: Reichen diese Kontrollmechanismen aus, und sind sie landeseinheitlich wirksam? Diese Themen sollten und müssen wir im Ausschuss ausführlicher diskutieren. Die Begründung liefere ich jetzt: Die Menschen sollen sich nicht nur sicher fühlen, sondern sie müssen auch sicher sein. Ich beantrage Ausschussüberweisung. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Grauenvolle Nachrichten von Amokläufen an US-amerikanischen Schulen, aber auch an deutschen Schulen in zurückliegenden Jahren beherrschen schnell die öffentliche Diskussion um Schusswaffen im Privatbesitz. Ebenso schnell werden nicht nur in den USA Forderungen nach Verschärfungen des Waffenrechts laut, auch bei uns in Deutschland wird diese Diskussion öffentlich geführt. Es ist auch gut und richtig, dass wir diese Diskussion hier führen, denn das gibt uns allen die Möglichkeit, diese Diskussion mit etwas Abstand und der gebotenen Sachlichkeit inhaltlich zu gestalten.

Der Bericht der Landesregierung über den Besitz und die Nutzung von Waffen in Schleswig-Holstein zeigt dabei auf, dass die bloßen Zahlen über Besitzer und die Anzahl der in Privatbesitz befindlichen Schusswaffen zunächst keine Merkmale aufweisen, die eine öffentliche Debatte befeuern könnten. Schleswig-Holstein ist ein Flächenland, ein Agrarland und letztlich auch ein Land, in dem unter Berücksichtigung von Umwelt- und Tierschutzaspekten die Jagdausübung hochprofessionell betrieben wird. Waffenbesitz ist hier normal und auch notwendig.

Drei aus meiner Sicht wesentliche Aspekte möchte ich aber doch herausheben, die sich aus dem Bericht direkt, aber auch aus dem ergeben, was eben nicht aus dem Bericht herauszulesen war.

Erstens - es klang schon an -: Die Informationstiefe der behördlich erfassten Zahlen zum Waffenbesitz ist nach meiner Auffassung zu gering. Das Nationale Waffenregister - NWR - wurde am 1. Januar 2013 in Betrieb genommen, und heute, im Jahr 2018, sind für Schleswig-Holstein noch immer keine Angaben möglich, die eine Aufschlüsselung zwischen Jagdwaffenbesitzern und Sportwaffenbesitzern dezidiert möglich machen. Das ist, gelinde gesagt, enttäuschend. Ebenso die nicht herzustellende Verknüpfung zwischen Informationen aus dem NWR und polizeilichen Erkenntnissen zu Straftaten mit und ohne Verwendung von Waffen sowie eine nicht mögliche Rückkoppelung von Informationen über Straftaten von Waffenbesitzern stellen aus meiner Sicht eklatante Schwachstellen im System dar.

Zweitens. Der Bericht zeigt - auch das klang schon an - gravierende Schwankungen in der Kontrolldichte der Behörden auf. Kreise mit hoher Anzahl von Waffenbesitzern weisen enorm niedrige Kontrollzahlen auf, während in anderen Kreisen und Städten mit geringeren Waffenbesitzerzahlen vergleichsweise viele Kontrollen durchgeführt wurden. Wir sprachen es hier bereits an. Hier muss insgesamt die Kontrolldichte erhöht werden, und sie muss sich vor allem an der Zahl der Waffenbesitzer in den Kreisen orientieren. Kontrollen der Ordnungsbehörden sind wichtige Instrumente. Sie fördern nämlich auch zutage, dass in Schleswig-Holstein die übergroße Mehrheit der Waffenbesitzer verantwortungsbewusst und sicher mit Schusswaffen umzugehen weiß.

Drittens. Der Anstieg von knapp 10.000 bewilligten Kleinen Waffenscheinen in 2015 auf mehr als 20.000 Kleine Waffenscheine in 2017 muss Besorgnis auslösen. Die Verdoppelung der beantragten Kleinen Waffenscheine in Schleswig-Holstein ist zweifelsohne ein Alarmsignal. Es zeigt an, dass in unserer Gesellschaft zunehmend ein Gefühl der Unsicherheit um sich greift.

Befördert wird dies durch mehrere Faktoren, etwa durch den Anstieg bei Körperverletzungsdelikten, die im Vergleich zu 2016 um rund 13 % zugenommen haben. Auch die zu geringe Polizeipräsenz im öffentlichen Raum - Folge des Personalabbaus der Küstenkoalition - trägt zum wachsenden Unsicherheitsgefühl der Bürger bei. Eine offensichtlich

(Jörg Hansen)

überlastete Justiz und unverhältnismäßig milde Urteile in Strafprozessen tun ein Übriges.

Die Verdopplung der Zahl der Kleinen Waffenscheine allein darauf zurückzuführen, dass diese auch online beantragt werden können, geht an der Realität vorbei.

(Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD])