Protocol of the Session on January 27, 2012

Tat ein wichtiges Thema. Als ich den Text, den Sie heute vorlegen, allerdings genau las, kam er mir sehr bekannt vor. Es stimmt tatsächlich, der Wortlaut stimmt mit dem Änderungsantrag, den wir am 26. Januar 2011 mit der Drucksache 17/1227 eingereicht haben, überein.

Liebe Freundinnen und Freunde - - Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Heiterkeit)

- Freundinnen und Freunde sind auf der anderen Seite, hat man immer gedacht. Es ist nicht erstaunlich, dass wir uns vom rot-grünen Bremer Gesetz leiten ließen.

(Christopher Vogt [FDP]: Gruselig ist es!)

Das ist in der Tat das einzige Gesetz, das sowohl Tariftreue, Sozialstandards und Mindestlohn sowie ökologische Standards rechtsfest geregelt hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Wer sagt das? - Zu- ruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Herr Kubicki, das wird Sie wundern: Das wurde von einer rot-grünen Regierung veranlasst. Sie sind ja immer der Meinung, dass Rot-Grün keine guten Gesetze machen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)

Das ist ein gutes Gesetz. Herr Kubicki, im Moment liest man jeden Tag in der Zeitung, dass Ihre Umfagewerte mit sehr interessanten Initiativen, die Sie von der Opposition übernehmen, um einen Prozentpunkt steigen. Ich gebe Ihnen einen Tipp: Fordern Sie doch einen Mindestlohn von 8,50 €, dann können Sie einen 2 %-Sprung machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir waren in der Tat sehr überrascht, dass dieser Gesetzentwurf so vorgelegt wurde. Herr Stegner, es wäre tatsächlich klüger gewesen, wenn man dann, wenn man dieses Thema angeht, in diesem Gesetzentwurf die Verbindung zum Mindestlohn gehalten hätte, denn im Bremer Gesetzentwurf stehen die 8,50 € drin.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass in diesem Fall sozialdemokratische und grüne Programmatik gleich sind. Wenn man das Thema auf die Tages

ordnung bringt, dann muss man doch die Stärke haben und sagen: Ja, gerade weil Mindestlohn und Tariftreue zusammengehören und weil man beides nicht trennen kann, muss man eine gemeinsame Oppositionsstrategie fahren. Herr Stegner, laut Verfassung sind Sie Oppositionsführer.

Hier hätte ich mir wirklich gewünscht

(Christopher Vogt [FDP]: Sollen wir kurz herausgehen?)

- Ihr Spitzenkandidat und Sie ziehen ja durch die Lande und postulieren Rot-Grün -, wenn Sie mich oder die Grünen einfach angerufen und gefragt hätten:

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen und demonstrativer Bei- fall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Seid Ihr dabei? Wollen wir dies gemeinsam machen? - Das ist nicht geschehen.

Sie erreichen damit doch nur, statt einer geeinten, starken Oppositionsstrategie für eine geeinte, starke, sozial gerechte Politik in Schleswig-Holstein, dass sich die Kollegen da einen Ast ablachen, dass das nicht gelungen ist.

(Lachen bei der FDP - Zurufe der Abgeord- neten Dr. Christian von Boetticher [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP] - Glocke des Präsidenten)

Das würde ich anders machen. Ich hätte mir gewünscht, dass es anders gemacht worden wäre, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - das ist eine Wahrheit, vor der wir stehen - müssen von ihrer Hände Arbeit leben können. Wir brauchen einen Gesamtgesetzentwurf, der Mindestlohn, Tariftreue und ökologische Standards regelt. Wir brauchen endlich eine Initiative in Schleswig-Holstein, die eine Wirkung in den Arbeitsmarkt hinein hat, dass Wirtschaftsförderung, Mittelstandsgesetz und soziale Gerechtigkeit zusammen mit ökologischer Gerechtigkeit gedacht wird. Es geht darum, die Stärke dieses Gesetzes aus Bremen endlich für Schleswig-Holstein zu nutzen. Deshalb sage ich für meine Fraktion: Wir hätten uns das heute sparen können. Wenn man wirklich eine Förderung des Mittelstands will, muss man auch hier geeint vorgehen und die starken Argumente vortragen. Das haben wir leider heute ein wenig versemmelt. Sie haben recht, dass Sie sich darüber wundern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

(Dr. Andreas Tietze)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Heiterkeit bei der FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Anfang: Ich kann juristische Argumente nicht mehr hören,

(Lachen bei der FDP)

wenn es in Bremen schon Rechtstatsache ist, dass das Gesetz existiert und noch keiner dagegen geklagt hat. Sie die Regierungsfraktionen, verstecken sich immer noch hinter juristischen Scheinargumenten, wenn es um irgendwelche fortschrittlichen Regelungen geht, die SPD meist, wenn es um den Mindestlohn geht, der SSW auch.

Aber das Anliegen, auch die im öffentlichen Personennahverkehr Beschäftigten in die Tariftreueregelung des sogenannten Mittelstandsförderungsgesetzes mit aufzunehmen, ist auf jeden Fall erst einmal richtig.

Im letzten Jahr mussten viele Menschen darunter leiden, dass sich die Nord-Ostsee-Bahn geweigert hat, ihre Lokführerinnen und Lokführer anständig zu bezahlen, und sie zahlen immer noch weniger als andere Bahnunternehmen. Die GDL führte daraufhin zu Recht Streiks durch. Der Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und der Fahrgäste ausgetragen werden.

Ein weiteres Beispiel für Lohndumping sind die privaten Omnibusunternehmen in SchleswigHolstein. Letztes Jahr konnte man der Presse entnehmen, dass Busfahrerinnen und Busfahrer dort bis zu 300 € im Monat weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen bei öffentlichen Unternehmen. Hier gilt dasselbe wie bei der Bahn: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist eine unserer Grundforderungen.

Eine Tariftreueregelung für öffentlich vergebenen Personennahverkehr in Schleswig-Holstein ist das Mindeste, was zu tun ist. Wir würden am liebsten ganz auf Ausschreibungen verzichten, da wir den öffentlichen Personennahverkehr als Daseinsvorsorge betrachten.

Allerdings frage ich mich ebenso wie Herr Tietze: Wenn das Gesetz schon geändert werden soll, warum dann nur ein so kleiner Wurf statt eine

grundsätzliche Überarbeitung des Gesetzes? Warum nicht einen Mindestlohn mit aufnehmen? Warum nicht eine wirksame Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes einfordern? - Diese Fragen bleiben - wie schon bei der letzten Debatte um Tariftreue - offen. SSW und SPD scheuen vor diesen Regelungen in diesen Bereichen des Tariftreuegesetzes zurück.

Ich habe auch noch kein schlüssiges Gegenargument gehört. Die juristische Argumentation - ich habe es vorhin schon gesagt - gegen einen Mindestlohn in diesem Gesetz ist unserer Meinung nach vorgeschoben und entspricht auch nicht der Realität in den Bundesländern und wie zum Beispiel in Bremen. Es ist keine juristische Frage, ob ein Mindestlohn im Gesetz verankert wird, genauso wenig wie eine Tariftreueregelung für den öffentlichen Personennahverkehr. Es ist eine politische Frage.

DIE LINKE wird auf jeden Fall weiterhin für einen Mindestlohn von 10 € im Tariftreuegesetz streiten, und wir werden dies in die Ausschussberatungen auch noch einbringen. Dann werden wir in der zweiten Lesung sehen können, ob sich mittlerweile mehr als zwei SPD-Abgeordnete - wie bei der letzten Abstimmung - dazu durchringen können, einen Mindestlohn zu unterstützen. Tariftreueregelungen durch einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn zu flankieren, widerspricht dem übrigens in keinster Weise. Nichts spricht dagegen, heute in SchleswigHolstein voranzuschreiten und später über eine Bundesratsinitiative in ganz Deutschland einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen einzufordern.

Wir haben schon viel über den Niedriglohnbereich in Schleswig-Holstein gesprochen. Ich sage es aber noch einmal: Schleswig-Holstein ist mittlerweile Spitzenreiter im Niedriglohnbereich. Wir müssen dringend etwas dagegen tun. Deshalb wird DIE LINKE auch weiterhin für 10 € Mindestlohn im Tariftreuegesetz streiten. Wir wollen auch Putzkräften, Pförtnern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kantine - eben allen für das Land Arbeitenden - einen würdigen Lohn auszahlen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Regina Poersch von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vorhin genau wie der Kollege Harms beschrieben, warum ein einzelner Paragraf aus unserer Sicht jetzt ganz schnell geändert werden sollte. Wir haben unsere Kritik am Mittelstandsförderungsgesetz, das nun einmal gilt, deutlich gemacht nicht nur heute. Ich denke, es ist nicht erforderlich, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wieder betonen, dass sie für den Mindestlohn sind. Wir sind dafür, wir schreiben es in unser Regierungsprogramm und in unsere Anträge. Wir haben allein im vergangenen Jahr zwei Anträge dazu gestellt, die hier keine Mehrheit gefunden haben. Das ist okay, aber ich habe beschrieben, worum es uns ganz konkret und aktuell mit diesem § 14 geht.

(Der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Kollege Tietze, Sie stellen sich schon freundlich zu einer Zwischenfrage hin. Wollen wir die erst zulassen?

Frau Kollegin, Sie haben die Möglichkeit, dem Abgeordneten Dr. Tietze die Möglichkeit zu geben, eine Frage zu stellen.

Die Gelegenheit gebe ich ihm.

(Beifall des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Poersch. Können Sie mir erklären, warum Sie sich bei der Abstimmung zu dem Antrag, den Sie wortwörtlich übernommen haben, seinerzeit im Ausschuss, als es um den Mindestlohn ging, enthalten haben und nicht diesem Antrag, den Sie jetzt übernehmen, zugestimmt haben?

(Zuruf von der FDP)

- Wir haben seinerzeit einen eigenen Vorschlag für ein Vergabe- und Tariftreuegesetz gemacht. Ihr Änderungsantrag seinerzeit bezog sich auf den Gesetzentwurf der Landesregierung. Ich habe mir gerade noch einmal die Drucksachennummern herausgesucht. Sie haben Ihren eigenen Antrag, Drucksache 17/1227, zitiert. Der bezog sich auf den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 17/1159.

Wir waren der Meinung, dass unser älterer Gesetzentwurf, nämlich Drucksache 17/889, umfassender und ausreichend sei. Deshalb wollten wir den durchsetzen und nicht am Gesetzentwurf der Regierung herumdoktern.