Protocol of the Session on December 15, 2011

Hier besteht dringender Handlungsbedarf, hier ist Eile geboten. Eine solche Maßnahme würde - nebenbei bemerkt - auch nur einen Bruchteil der 300 Millionen € kosten, die durch einen sechsspurigen Ausbau der A 7 verschleudert würden. DIE LINKE steht für eine sozial-ökologische Verkehrswende.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits seit Jahren fordert der SSW den sechsstreifigen Ausbau der A 7. Gerade vor dem Hintergrund der festen Fehmarnbelt-Querung ist der Ausbau der bestehenden Nord-Süd-Achsen im Land von immenser Bedeutung. Im Gegensatz zu den prognostizierten Verkehrszahlen für die Belt-Querung verzeichnen wir bereits heute auf der A 7 ein steigendes Verkehrsaufkommen. Aus diesem Grund ist die Zielrichtung des vorliegenden Antrags richtig, auch wenn er ein bisschen zu kurz springt. Will man den Landesteil Schleswig nicht von Europa abkoppeln, dann muss die A 7 bis zur dänischen Grenze sechsstreifig ausgebaut werden.

Die Begründung des Antrags ist widersprüchlich. Der Ausbau der A 7 wird als elementarer Beitrag zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur gesehen und als Brücke nach Skandinavien hervorgehoben. Darin stimmen wir überein. Wenn ich aber eine Brücke baue, dann verenge ich sie nicht auf halber Strecke. Dadurch schaffe ich ein Nadelöhr, und das Nadelöhr ist der Landesteil Schleswig. Eine Verbesserung der Anbindung des Landesteils Schleswig an das europäische Fernstraßennetz wird

(Björn Thoroe)

damit nicht erreicht. Für den Wirtschaftsraum Sønderjylland/Schleswig und insbesondere für die dort ansässigen Unternehmen sind die Nord-SüdAchsen von Bedeutung. Die Jylland-Route ist für dänische Unternehmen das Tor zu Europa, und für deutsche Unternehmen ist sie das Tor nach Skandinavien.

Die Verkehrsprognosen sind weiter steigend; auch nach der Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung. Das Dänische Institut für Transportstudien prognostiziert bis 2025 eine Verdopplung des Güterverkehrs auf der Jylland-Route. Für die Region Sønderjylland wird der größte Zuwachs vorhergesagt. Das bedeutet über 50 % mehr Verkehrsaufkommen auf der A 7 über die Grenze hinaus. Aus diesem Grund gibt es auf dänischer Seite Bestrebungen, die E 45 - bei uns die A 7 - nördlich der Grenze auszubauen und - ganz wichtig - eine weitere Autobahnverbindung nach Westen zu schaffen. Daher reicht der Ausbau unserer A 7 bis Bordesholm nicht aus. Der sechsstreifige Ausbau der A 7 muss bis zur Landesgrenze nach Dänemark durchgeführt werden. Alles andere wäre eine verkehrstechnische Unzulänglichkeit.

(Beifall bei beim SSW)

Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit dem Ausbau der A 7 ist auch die Errichtung von Logistikzentren bei uns im Land. Ich hatte erst vor Kurzem die Gelegenheit, mich in Padborg über das dort ansässige Logistikzentrum zu informieren. Dabei wurde deutlich, dass so etwas heute einfach zu einer modernen Verkehrsinfrastruktur gehört. Dort kommen die Waren an und werden in der Fläche verteilt. Entsprechende Einrichtungen gibt es in Schleswig-Holstein leider bisher nicht. Wir hinken hier wieder einmal hinterher.

Das Norddeutsche Logistikzentrum liegt in erster Linie in Hamburg und seinem Hafen. Auch dort hat es in den letzten Jahren immense Zuwächse gegeben, und zwar mit steigender Tendenz. Der Hamburger Hafen und die Elbe haben aber begrenzte Kapazitäten. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Weichen rechtzeitig zu stellen und entsprechend Logistikzentren im Land zu schaffen, bevor es in Hamburg zum Infarkt kommt. Solche Logistikzentren haben auch einen ökologischen Wert. Ich muss nicht mit den größten Lastwagen bis in die kleinste Stadt fahren. Wenn ich solche Zentren aufbaue, dann schaffe ich etwas, was auch der Umwelt dient.

Ganz egal welche Landesregierung in den letzten Jahren am Ruder war, sie haben Ihren verkehrspolitischen Fokus immer wieder auf die Belt-Querung

gelegt und alle anderen für das Land wichtigeren Verkehrsprojekte aus dem Blick verloren. Mit Engelszungen wird immer wieder betont, wie wichtig der sechsspurige Ausbau der A 7, die Fertigstellung der A 20 mit der westlichen Elbquerung oder der Ausbau der der B 5 von Heide bis zur Grenze sind. Dasselbe gilt für die beiden grenzüberschreitenden Bahnverbindungen im Osten und im Westen sowie für das Nadelöhr Rendsburger Hochbrücke. Dies sind die verkehrspolitischen Projekte des Landes, die nicht weiter aufgeschoben werden dürfen. Da darf es gern ein bisschen mehr sein. Es darf nicht bei den Lippenbekenntnissen bleiben.

Die A 7 ist wichtig, wir wollen sie komplett ausbauen. Wir wollen aber auch alle anderen Verkehrsprojekte. Das ist wichtig sowohl für die Entwicklung der Wirtschaft und der Umwelt als auch für das tägliche Leben der Menschen, und zwar insbesondere derjenigen Menschen, die in der Metropolregion pendeln. Wir brauchen gute Verkehrsverbindungen. Sie sind ökologisch wichtig, und sie schaffen Arbeitsplätze. Sie tragen zu unser aller Wohlergehen bei. Deshalb ist es wichtig, weiterzumachen. Wir müssen viel mehr machen und dürfen nicht stehen bleiben.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 17/2066 durch die Berichtserstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Damit ist der Tagesordnungspunkt für heute abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Arbeitsbedingungen für geringfügig Beschäftigte verbessern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2064

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2113

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2116

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

(Lars Harms)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeitsbedingungen für geringfügig Beschäftigte zu verbessern, ist unser Anliegen. Schlecht bezahlte, atypische und prekäre Beschäftigung hat rasant zugenommen. Das normale Arbeitsverhältnis ist schon lange nicht mehr der Normalfall. Über 22 % der Beschäftigten arbeiten mittlerweile im Niedriglohnsektor. 1,4 Millionen Menschen brauchen trotz Erwerbstätigkeit staatliche Unterstützung. Die Hälfte aller neuen Arbeitsverträge ist befristet. Die Zahl der Leiharbeitsverhältnisse hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht. Leiharbeit wird zunehmend zu Tarifflucht und Lohndumping missbraucht und bietet kaum Chancen, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu wechseln.

Diese Entwicklung hat zu einer massiven Entwertung von Arbeit, von Lebensläufen und von Erwerbsbiografien insgesamt geführt. Es gibt in Deutschland zwei Klassen von Beschäftigten: Die einen stehen in einem festen Arbeitsverhältnis und bekommen einen meist ausreichenden Lohn - oft, aber noch nicht oft genug, zu tariflich vereinbarten Konditionen. Die anderen müssen ihre Arbeitskraft unter Wert und oft mit großer Unsicherheit verkaufen. Sie sind befristet auf Leiharbeits-, Teilzeitoder geringfügiger Basis beschäftigt. Diese Menschen leben und arbeiten ohne existenzsicherndes Einkommen, ohne berufliche Perspektiven und Teilhabechance. Ihnen wird die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Arbeit verwehrt. Auf den Punkt gebracht: Prekäre Arbeitsverhältnisse schaffen prekäre Lebensverhältnisse.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

Eine Situation, die ganz besonders hart in Teilzeit beschäftigte Frauen trifft. Fast 40 % aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit. Fast jede dritte Frau in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn, während es unter den Männern mit etwa 12 % deutlich weniger sind. Es ist ein Skandal, dass bei gleicher beziehungsweise gleichwertiger Arbeit immer noch Frauen im Durchschnitt 23 % weniger Lohn erhalten als Männer.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Ungerechtigkeit und diesen Missbrauch von Minijobs durch Arbeitgeber gilt es zu bekämpfen und für Fairness auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns für gute Arbeit einsetzen. Das bedeutet, Arbeit muss gerecht bezahlt und existenzsichernd sein. Arbeit sollte unbefristet und sozialversichert und auf einem hohen Niveau des Arbeitsund Gesundheitsschutzes im Betrieb organisiert sein. Das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft in immer ärmere und immer reichere Menschen muss endlich gestoppt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Unruhe)

Um die Dimension noch einmal zu verdeutlichen: In Schleswig-Holstein waren 2010 von 828.000 Beschäftigen 268.000 in geringfügiger Beschäftigung tätig, was einem Anteil von 18,1 % entspricht. Damit liegt Schleswig-Holstein deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 16,6 %. Wenn man auf die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein schaut, dann ergibt sich, dass die Städte Kiel und Lübeck mit einem Anteil von 15,5 beziehungsweise 15,8 % den geringsten Wert an geringfügiger Beschäftigung aufweisen und im Kreis Plön mit 23,3 % der absolut höchste Anteil aller Beschäftigten, die ausschließlich in geringfügiger Beschäftigung tätig sind, gezählt wird. Zahlen, die sich übrigens in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD-Fraktion wiederfinden. Diese Zahlen machen deutlich, dass geringfügige Beschäftigung auch in Schleswig-Holstein alles andere als ein geringfügiges Phänomen ist. Darum müssen die Arbeitsbedingungen für geringfügig Beschäftigte verbessert werden.

(Anhaltende Unruhe)

Wir fordern die Landesregierung deswegen auf, sich im Bundesrat für eine Reform der geringfügigen Beschäftigung und für eine verstärkte Bekämpfung der illegalen Beschäftigung einzusetzen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Es muss das Ziel sein, stärker darauf hinzuwirken, dass wesentliche arbeitsrechtliche Ansprüche wie zum Beispiel die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub und Kündigungsschutz durch Arbeitgeber den geringfügig Beschäftigten nicht länger vorenthalten werden. Wir fordern auch eine Begrenzung der geringfügigen Beschäftigung auf eine wöchentliche Tätigkeit von maximal 12 Stunden, damit Ausbeutung und Lohndumping verhindert werden. Minijobs müssen zurückgedrängt und dürfen nicht ausgeweitet werden. Der Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ muss für Stamm

beschäftigte und Leiharbeiter ohne Ausnahme gelten.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Darum unterscheidet sich unser Engagement vom Vorschlag der CDU- und FDP-Bundestagsfraktionen, die die Verdienstgrenzen bei Minijobs von 400 auf 450 € anheben wollen. Dies ist der falsche Weg und das völlig falsche Signal. Eine Anhebung der Verdienstgrenze auf 450 € würde die Situation der davon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch verschlimmern.

(Beifall bei der SPD)

Die richtige Antwort ist, die Verdienstgrenze bei Minijobs nicht anzuheben und stattdessen für die Gleichbehandlung aller Arbeitsverhältnisse sowie für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu sorgen

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

und damit verbunden auch die Arbeitnehmerrechte von Minijobbern und geringfügig Beschäftigten zu stärken.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Flemming Meyer [SSW])

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Hans Hinrich Neve das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Zweiten Gesetz für die Modernisierung am Arbeitsmarkt wurden beide Bereiche der geringfügigen Beschäftigung zum 1. April 2003 grundlegend reformiert. Seitdem umfassen die geringfügigen Beschäftigungen nach § 8 SGB IV neben den geringfügig entlohnten Beschäftigungen auch die kurzfristigen Beschäftigungen. Ebenso wurde die damals geltende 15-Stunden-Regelung der Wochenarbeitszeit aufgehoben.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Das war ein großer Fehler!)

- Das sehe ich ganz anders. - Die Abschaffung der 15-Stunden-Grenze diente dem Ziel, mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt zu schaffen. Darüber hinaus sollten die Arbeitsmarktbeteiligten von zeitlich intensiven und aufwendigen Prüfungen entlastet werden. Das wurde geschafft.

Generell wurde mit dieser Regelung ein einfaches und unbürokratisches Beitrags- und Meldeverfahren geschaffen. Der Verwaltungsaufwand wurde damit deutlich gesenkt, und das war ein großer Beitrag zum Bürokratieabbau. Der SPD-Antrag führt zur verschärften Wiedereinführung, führt zu mehr Verwaltung, führt zu mehr Bürokratie. In Zeiten, wo wir Bürokratie abbauen wollen - alle reden davon -, bewirkt ihr Antrag das Gegenteil. Das machen wir absolut nicht mit.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)