Ein weiteres Ziel der Reform war es, den Weg aus der Arbeitslosigkeit, besonders der Langzeitarbeitslosigkeit, in das Erwerbsleben zu erleichtern. Weiterhin sollte auch Menschen mit geringen Chancen eine Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht werden.
Besonders hohe Anteile an ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten weisen private Haushalte mit Hauspersonal sowie das Gastgewerbe und das Grundstücks- und Wohnungswesen aus. Seit Einführung der sogenannten Minijob-Regelungen stieg die Zahl der entlohnten Beschäftigten in Privathaushalten von 50.000 im Jahr 2003 auf über 200.000 im Jahr 2010 - eine Vervierfachung! Die staatlich geschaffenen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung in Privathaushalten haben damit eine deutlich positive Wirkung gegen die illegale Beschäftigung in diesem Bereich bewirkt. Wir sind gegen Schwarzarbeit. Sie aber fordern mit Ihrem Antrag im Grunde genommen ein Konjunkturprogramm für Schwarzarbeit.
Eine Substitution sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch die Aufspaltung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse in geringfügige Beschäftigungen konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Zwar gibt es Branchen und einige Unternehmen, in denen sich die Zahlen der sozialversicherungspflichtigen und der geringfügig Beschäftigten gegenläufig entwickeln, in vielen Fällen entwickelt sich dies allerdings parallel.
Geringfügige Beschäftigung stellt im Nebenerwerb für viele Haushalte eine wichtige Hinzuverdienstmöglichkeit dar. Das dürfen wir dabei nicht vergessen. Für den Arbeitsmarkt trägt die geringfügige Beschäftigung neben der Teilzeitbeschäftigung, der Befristung und der Zeitarbeit zu einer
wichtigen Flexibilisierung des Arbeitsmarkts bei. Geringfügig Beschäftigte und Vollzeitbeschäftigte haben die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzansprüche. Es gelten die vollen Arbeitsschutzrechte. Herr Baasch, ich habe das in Ihrer Rede anders wahrgenommen. Die Beschäftigten haben die Möglichkeit, ihre Ansprüche vor Gericht geltend zu machen. Sie haben Anspruch auf eine sechswöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber. Sie sind nicht ausgenommen von den gesetzlichen Schutzvorschriften über Urlaub und an Feiertagen. Eine Ungleichbehandlung von geringfügig Beschäftigten gegenüber anderen Teilzeitund Vollzeitbeschäftigten ist verboten.
Insofern sehen wir keine Notwendigkeit, die Regelungen für die Arbeitgeber weiter zu verschärfen. Vielmehr wird von unserer Seite die Initiative der regierungstragenden Fraktionen im Bundestag begrüßt, die Verdienstmöglichkeiten für geringfügig entlohnte Beschäftigte zu verbessern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende SPD-Antrag ist ein weiterer Schritt auf dem langen Marsch der Sozialdemokraten, der sie möglichst weit von den Hartz-Gesetzen der rot-grünen Zeit wegführen soll. Im Jahr 2003 haben SPD und Grüne mit der damaligen Hartz-II-Reform die bis dahin bestehende Wochenarbeitszeitbegrenzung von 15 Stunden bei der geringfügigen Beschäftigung aufgehoben. Jetzt soll auf Wunsch der SPD eine Wochenarbeitszeitbegrenzung von zwölf Stunden eingeführt werden. Das wäre ein Mindestlohn von knapp 8,50 € pro Stunde. Der Kollege Baasch hat aus meiner Sicht allerdings bei der Formulierung des Antrags vergessen oder nicht mitbekommen, dass sich die Vertreter von Union und FDP auf Bundesebene vorher schon darauf geeinigt hatten, die Verdienstgrenzen in diesem Bereich von 400 € auf 450 € anzuheben. Ansonsten würde er bei zwölf Wochenstunden in diesem Bereich einen Mindestlohn von über 9 € pro Stunde fordern. Das würde aus meiner Sicht eigentlich der SPD-Programmatik widersprechen, aber sei es drum.
schlossene Anhebung der Verdienstgrenze von 400 € auf 450 €, um die Situation von geringfügig Beschäftigten zu verbessern. Das gebietet im Übrigen schon die Entwicklung der Inflation, da das in den letzten Jahren nicht angehoben wurde. Ebenso unterstützen wir die Verbesserung der Alterssicherung von geringfügig Beschäftigten. Die Einigung auf Bundesebene sieht nämlich vor, dass geringfügig Beschäftigte künftig grundsätzlich voll in der Rentenversicherung abgesichert sein sollen und damit unter anderem Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente erwerben und die Vorteile der Riester-Förderung in Anspruch nehmen. Die soziale Sicherheit, die in diesem Bereich oft kritisiert wird, wird damit deutlich verbessert.
Dafür sollen die geringfügig Beschäftigten den pauschalen Rentenversicherungsbeitrag des Arbeitgebers aufstocken. Wer dies nicht möchte, kann darauf verzichten. Es bleibt dann bei der bisherigen pauschalen Abgabe des Arbeitgebers.
Die wichtigsten Argumente für die geringfügige Beschäftigung sind die hohe Flexibilität und die Eindämmung der Schwarzarbeit. Aus unserer Sicht will die SPD das aber mit ihrem Antrag konterkarieren. Die Flexibilität bei geringfügigen Beschäftigungen soll nach Wunsch der SPD deutlich eingeschränkt werden. Das verringert die Attraktivität der geringfügigen Beschäftigung und ist absolut kontraproduktiv, wenn man die Schwarzarbeit effektiv bekämpfen möchte. Die SPD möchte die Landesregierung mit ihrem Antrag auffordern, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu unterstützen.
Ich frage mich, warum Sie in Ihrem Antrag - auch in Ihrem Redebeitrag habe ich es nicht mitbekommen - nicht darauf hinweisen, dass es bereits morgen im Bundesrat eine Initiative von NRW gibt, die die Landesregierung anscheinend unterstützen soll. Wir sind der Meinung, dass sie das nicht tun sollte. Ich kann verstehen, dass Sie Frau Kraft im Bundesrat flankieren wollen. Wir möchten das nicht, weil wir es für kontraproduktiv halten.
Wir reden in diesem Bereich mittlerweile über 4 Millionen Menschen in Deutschland, die ausschließlich geringfügig beschäftigt sind. Diese geringfügig Beschäftigten - der Kollege Neve hat das eben schon ausgeführt - sind arbeitsrechtlich allen anderen Beschäftigten gleichgestellt. Ihre Tätigkeit ist sozialversicherungsfrei, und es gibt Besonderheiten im Lohnsteuerrecht. Die SPD spricht im An
trag Probleme im Bereich des Urlaubsanspruchs und bei der Gewährung von weiteren Arbeitnehmerrechten an. Diese Probleme sind, Herr Kollege Baasch, im Einzelfall unbestritten vorhanden. Aus diesem Grund bitten wir die Landesregierung mit unserem Antrag, sich weiterhin auf Bundesebene und bei der Bundesagentur für Arbeit dafür einzusetzen, dass geringfügig Beschäftigte ihre bestehenden Rechte in den Bereichen Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz sowie Kündigungsschutz effektiver wahrnehmen. Eine Verbesserung der Aufklärung ist hier aus unserer Sicht vonnöten.
Wir haben es formuliert: Geringfügige Beschäftigung bietet die Möglichkeit, den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu erleichtern und auch Menschen mit geringen Chancen und geringer Qualifikation das ist hier das Problem - die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Diese Brückenfunktion wird oft als völlig unzureichend und viel zu gering kritisiert. Das ist auch nicht ganz unberechtigt, aber geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind vor allem auch ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, die Sie anscheinend auch bekämpfen wollen, allerdings - finde ich - mit dem völlig falschen Ansatz.
Wir wollen die Landesregierung bitten, sich für die Beibehaltung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einzusetzen und die Initiative aus NRW abzulehnen. Herr Kollege Baasch, ich möchte Sie auf einen Artikel in den heutigen „Kieler Nachrichten“ hinweisen, in dem es um die Ansiedlung des Unternehmens Möbel Kraft in Kiel geht. Da spricht ein Kollege von Ihnen. Ich möchte das mit Erlaubnis der Präsidentin gern zitieren:
„Rückenwind bekommt das Unternehmen vom Kieler Gewerkschaftsbund (DGB). DGB-Vorsitzender Ralf Müller-Beck, der für die SPD im Rat sitzt, freut sich über die Chance, dass viele Kieler Arbeitslose endlich wieder einen Job finden könnten. Deshalb bringen ihn die ‚populistischen Vorwürfe’ aus dem linken Lager, Möbel Kraft biete 400-Euro-Jobs und unterbezahlte Jobs an, ebenso auf die Palme wie deren Forderung nach vertraglich festgelegter Tarifbindung. ‚Wir wehren uns dagegen, dass irgendein Hobbypolitiker aus dem linken Spektrum glaubt, Tarifpolizei zu spielen. Das ist unser Tarifgeschäft.’ Möbel Kraft sei als solides Unternehmen und guter Ausbildungsbetrieb
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass das die Kieler SPD und der Gewerkschaftsbund in Kiel sagen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Ihr Antrag kontraproduktiv ist, und bitte um Zustimmung für unseren Antrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse - die sogenannten Minijobs - stehen immer wieder in der gesellschaftlichen Debatte. In ihrer Benchmark-Studie aus dem Jahr 2010 hat die Bertelsmann Stiftung - ich weiß nicht, ob Sie sie gelesen haben - festgestellt, dass Menschen, die im Minijob-Sektor arbeiten, sehr oft in eine Geringfügigkeitsfalle laufen. Im Gegensatz zu den tarifvertraglich abgesicherten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, sind Menschen mit Minijobs von niedrigen Löhnen, häufigen Arbeitsplatzwechseln, Jobverlusten und geringer Teilhabe an Weiterbildungsund Aufstiegsmöglichkeiten betroffen.
Die Untersuchung zeigt auch, dass es keinen sachlichen Grund für die abgabenrechtliche Privilegierung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gibt. Fragen Sie sich selbst einmal, ob Sie selbst bereit wären, in einem Minijob oder einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis unter diesen Bedingungen arbeiten zu wollen.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen im Mai 2011 erklärte die Bundesregierung, dass sich die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten von 4,8 Millionen Menschen 2004 auf 4,9 Millionen leicht erhöht hat. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der geringfügig Beschäftigten im Nebenerwerb allerdings deutlich von 1,7 Millionen auf 2,4 Millionen Personen angestiegen. Nach Aussagen der Bundesregierung gelten für geringfügig Beschäftigte die gleichen Schutzrechte, die für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen.
Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus. Es gibt faktisch keine Gleichbehandlung. Ansprüche wie bezahlter Urlaub, Mutterschutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden von Arbeitgebern nicht gewährt und im Übrigen auch von den Beschäftigten nicht selbstbewusst eingefordert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Minijobs spielen als Nebentätigkeit oder als ausschließliche Erwerbstätigkeit eine wichtige Rolle im Sinne eines Zuverdienstes für das Haushaltseinkommen. Für Arbeitgeber - gewerblich wie privat - sind Minijobs attraktiver als flexible und niedrig bezahlte Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Veränderung unserer Wirtschaftsstruktur hin zu Dienstleistungen den Zuwachs der geringfügigen Beschäftigung exponenziell gefördert hat. Minijobs können wegen des geringen Verdienstes und der begrenzten Wochenarbeitszeit aber keine Existenz sichern. Die De-facto-Subventionierung des blühenden Minijob-Sektors durch Reduzierung der Abgabenpflicht ist eine fatale Fehlentwicklung. Sie hat Vollzeitarbeitsplätze zerstückelt, und im Übrigen ist ein abgeschottetes Arbeitsmarktsegment entstanden - mit erheblichen Mindereinnahmen in den Sozialversicherungssystemen.
Den Minijobbern ist ein Aufstieg mit der Aussicht auf Mehreinkommen und Rentenansprüche jenseits der Grundsicherung verwehrt. Deshalb können wir uns über die verschiedenen Architekturbestrebungen im Arbeitsmarkt unterhalten und darüber, was wir machen müssen. Aber wenn wir uns hier wirklich vernünftig mit der Frage auseinandersetzen, kommen wir nicht darum herum, dass wir einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Und wir halten ihn bei 8,50 € für richtig, und er muss langfristig armutsfest sein.
Denn mit einem allgemeinen Mindestlohn wäre auch der Bereich der Minijobs positiv betroffen. Es gibt heute verbreitet die Situation, dass die SGB-II-Grundsicherungsleistungen durch Erwerbseinkommen aufgestockt werden oder geringe Verdienste mit dem bedürftigkeitsgeprüften Arbeitslosengeld II ergänzt werden. Dieser Zustand führt dazu, dass niedrige Bruttolöhne gezahlt und akzeptiert werden. Der Restverdienst kommt vom Staat. Das ist die völlig falsche Grundhaltung. Hier setzt ein Mindestlohn Grenzen.
Für die nächsten 10 bis 20 Jahre wird eine dramatische Zunahme gerade der Altersarmut in unserer Gesellschaft prognostiziert. Es ist klar: Unser Arbeitsmarkt und unsere Sozialversicherungssysteme sind darauf überhaupt nicht eingestellt. Das Gutachten - ich kann sehr empfehlen, es einmal zu lesen „Neue Wege - Gleiche Chancen - Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf“ vom Januar 2011 wurde von der Sachverständigenkommission für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung erstellt. Das Gutachten kritisiert ganz klar und eindeutig die Minijobs als erwerbsbiografische Falle insbesondere für Frauen. Die Gutachter empfehlen die Abschaffung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit ihren abgabenrechtlichen Sonderstellungen. Die Arbeitsverhältnisse des 21. Jahrhunderts werden plural differenziert sein, müssen aber auch den Ansprüchen einer dreifachen Inklusion genügen, wie wir finden: in ökonomischer Hinsicht, im Hinblick auf die persönliche Entwicklung und im Hinblick auf die soziale Integration. Dem Antrag der SPD stimmen wir zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geringfügige Beschäftigung ist prekäre Beschäftigung. Es handelt sich um Minijobs. Mehr als 80 % dieser Minijobs werden unterhalb der Niedriglohngrenze von 9,85 € pro Stunde entlohnt. Diese geringfügig Beschäftigten sind zudem völlig unzureichend sozial abgesichert. Sie entrichten keine eigenständigen Beiträge in die sozialen Sicherungssysteme und erwerben vor allem viel zu wenig Ansprüche.
Minijobs bieten keine eigenständige Absicherung gegen allgemeine Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Altern. In dem Maße, in dem reguläre Arbeitsverhältnisse durch Minijobs verdrängt werden, verringern sich zudem die Einnahmen der Sozialsysteme - ein neoliberaler Teufelskreis, meine Damen und Herren.
beiten. Die meisten wollen eine Arbeit, die Existenz sichert. Stattdessen werden Sie in Arbeitsverhältnisse gepresst, die weiter von Hartz IV abhängig machen.