Protocol of the Session on November 17, 2011

Sie strahlt den Geist der Tat aus und nicht des Jammerns, wie Sie es eben getan haben, Herr Kollege Dr. Stegner.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage auch sehr deutlich: Ein Versagen der Landesregierung sehe ich nicht. Es ist dem Einsatz unserer Landesregierung zu verdanken, dass wir zum Beispiel das Spezialpionierbataillon mit seiner besonderen Einsatzfähigkeit im Katastrophenschutz in Husum behalten konnten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Warum? - Weil diese Landesregierung darauf gedrängt hat, dass das Kriterium Katastrophenschutz überhaupt in die Entscheidungsliste aufgenommen wurde. Der Erhalt der Pioniere ist daher nicht nur ein Erfolg für die Westküste, sondern auch für den Schutz in Naturkatastrophensituationen. Also hören Sie auf, solche Erfolge, an denen Sie nicht beteiligt sind, kleinzureden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, was wir von Ihrer Interessenvertretung für das Land Schleswig-Holstein zu halten haben, hat uns erst kürzlich Ihr Spitzenkandidat im „Hamburger Abendblatt“ mitgeteilt. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Viele Briefe, die das Land an den Bundesfinanzminister geschrieben hat, sind unbeachtet geblieben. Ich weiß das, ich durfte sie abheften“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine SPD und ein SPD-Spitzenkandidat, die die Interessen unseres Landes einfach abheften, braucht dieses Land Schleswig-Holstein nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dass Bundeswehrstandorte geschlossen wurden und werden, konnte niemanden überraschen. Dass eine Schließung, Standortverlagerung oder Truppenreduzierung für die beherbergende Gemeinde oder Stadt folgenlos bleiben könnte, wird ebenfalls ernsthaft niemand erwarten können. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass Vertreter von Parteien im linken Spektrum dieses Hauses, die jahrelang die Bundeswehr verteufelt und die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert haben, heute Krokodilstränen weinen.

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU])

Jetzt liegen die kompletten Vorschläge für die Neuausrichtung der Bundeswehr mit dem Standortkonzept auf dem Tisch. Sie sind die Folge einer neuen Ausrichtung unserer Bundeswehr, die sich an den zukünftigen verteidigungspolitischen Aufgaben orientiert. Wir wollen und können es aber nicht schönreden: Aufgrund des Stationierungskonzepts ergibt sich für unser Land eine Reduzierung der bisher rund 26.000 Dienstposten um rund 10.700 auf nur noch 15.000. Das ist eine Reduzierung um fast die Hälfte und ein harter und schmerzlicher Einschnitt für Schleswig-Holstein.

Die verbleibenden Standorte verteilen sich auf nur noch 23 Bundeswehrstandorte. Dass SchleswigHolstein mit 5,4 Dienstposten je 1.000 Einwohner dann immer noch einen überdurchschnittlichen Besatz an Soldaten hat und weiter ein starker Bundeswehrstandort bleibt, ist nur ein schwacher Trost.

Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist spätestens seit der Wiedervereinigung und dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Gemeinschaft eines unserer wichtigsten politischen Themen gewesen. Europa ist einerseits das größte freiheitliche Friedenskonzept, das wir kennen, und mitten in diesem neuen Europa, umgeben von befreundeten Nationen, liegt die Bundesrepublik Deutschland. Wir sind nicht nur geografisch in Europa eingebettet, sondern integraler Bestandteil dieser Völkergemeinschaft mit allen Rechten, aber auch allen Pflichten. Andererseits leben wir in einer Welt, die in verschiedenen Brennpunkten alles andere als friedlich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik hat sich vor diesem Hintergrund für eine Straffung und nachhaltige Reduzierung der Streitkräfte auf 185.000 Mann entschieden und die Wehrpflicht ausgesetzt. Das sind mutige Entscheidungen. Über die Konsequenzen reden wir heute.

Ich darf die konkreten Standortentscheidungen für Schleswig-Holstein noch einmal genauer beleuchten. Natürlich sind die Auswirkungen von signifikanten Truppenreduzierungen, wie zum Beispiel in Kiel oder Boostedt schmerzlich - für die Soldaten, für die Mitarbeiter und für die Standortgemeinden. Gerade zu Kiel hat der Ministerpräsident das Richtige gesagt. Das gilt noch stärker dort, wo Standorte aufgegeben werden: in Lütjenburg, Hohn, Bargum, Alt Duvenstedt, Lürup, Ladelund oder Seeth.

Die Landesregierung und die Ministerpräsidentenkonferenz haben sofort reagiert und beim Bund ein Maßnahmebündel abgefordert, um die zum Teil gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen abzufedern. Darum geht es auch heute und hier. Nur, um es für die Vertreter der Opposition nochmals verständlich und deutlich zu formulieren: Die Landesregierung lässt die betroffenen Kommunen nicht im Stich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Ministerpräsident hat sich in der letzten Woche kurzfristig mit den betroffenen Bürgermeistern getroffen und alle vom Land aus mögliche Unterstützung zugesagt. Dafür möchte ich ihm ausdrücklich danken, denn wir müssen schnell gemeinsam auf diese Herausforderung reagieren.

Übrigens hat Ihr Spitzenkandidat, wenn ich es richtig gelesen habe, ein positives Fazit dieser Sitzung gezogen. Vielleicht sollten Sie sich an dieser Stelle noch einmal mit Herrn Albig abstimmen, Herr Kollege Stegner. Dabei waren sich die Teilnehmer an diesem Gespräch wie auch die Ministerpräsidentenkonferenz in Lübeck einig, dass auch der Bund den Konversionsstandorten finanziell helfen muss. Der Bundesbauminister hat signalisiert, dass er einen Hilfsfonds für die Städte und Gemeinden einrichten will, in denen Bundeswehrstandorte geschlossen werden. Das ist ein gutes Signal. Wir werden einfordern, dass die konkreten Schritte an den einzelnen Standorten möglichst bald offengelegt werden, denn die betroffenen Soldaten, die zivilen Mitarbeiter und die Kommunen brauchen Planungssicherheit.

Der vorgelegte Aktionsplan der Landesregierung zur Konversion gibt eine Fülle von richtigen Anregungen und Hinweisen. Ich danke unserem Wirtschaftsminister Jost de Jager ausdrücklich für dieses schnelle Aufzeigen von Perspektiven und Hilfsmöglichkeiten durch das Land.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dabei geht es erstens um die Frage: Wie kann man ganz konkret die Flächen und Gebäude zukünftig nutzen? Dafür gibt es im Wirtschaftsministerium ein Konversionsbüro, das den betroffenen Kommunen mit Rat und Tat zur Seite steht. Zweitens geht es um die Realisierung der jetzt zu entwickelnden Konversionskonzepte. Der „Aktionsplan Konversion“ enthält eine Reihe von Möglichkeiten, mit denen das Land aus den verschiedenen Förderprogrammen bei Konversionsprojekten helfen kann.

(Zuruf von der SPD: Das ist neu!)

Allein aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft wurden seit 2007 rund 50 Millionen € an Fördermitteln für Projekte an Konversionsstandorten bewilligt. Es war deswegen richtig, dass wir bei den Fördermöglichkeiten im laufenden Haushalt nicht nur Wert auf Tourismusprojekte gelegt haben, sondern ganz besonders auch auf Konversionsprojekte. Hierauf werden wir auch in der nächsten Förderperiode achten und darauf hinwirken, denn Konversion ist eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen bewältigt wird, sondern eine langfristige Perspektive braucht.

Es geht aber nicht nur um Geld. Wir werden auch darauf achten, dass wir vonseiten der Landesplanung - ich erinnere an den Landesentwicklungsplan - Konversionsprojekte voranbringen und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.

Meine Damen und Herren, betroffen von den Standortentscheidungen sind die Menschen. Das sind in erster Linie die Bundeswehrangehörigen. Dabei gehört es für Soldaten zum Beruf, dass sie während ihrer Dienstzeit in wechselnden Bereichen und Dienstorten eingesetzt werden. Sie brauchen jetzt bald Planungssicherheit. Deshalb nehmen wir Ihre Sorgen ernst.

Betroffen sind aber auch die unzähligen zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Teil bereits seit Jahren bei der Bundeswehr oder für die Bundeswehr beschäftigt sind. Sie stehen mit ihren Familien vor der Frage, wo sie zukünftig ihren Arbeitsplatz haben. Auch ihre Sorgen müssen wir ernst nehmen.

Nun kennen wir Standortverlagerungen und Werksschließungen natürlich auch aus der freien Wirtschaft. Dort wird zu Recht verlangt, dass das Ganze sozialverträglich abzulaufen hat. Hier ist deswegen der Bund in einer besonderen Verpflichtung. Er ist aufgefordert, ein Beschäftigungs- und Qualifizierungskonzept und damit Perspektiven für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzulegen.

(Johannes Callsen)

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU] und Ingrid Brand-Hückstädt [FDP])

Betroffen sind natürlich gerade die kleineren Gemeinden und Städte als Standortgemeinden. Für sie kann eine Standortschließung oder die Aufgabe von Dienstposten zu einschneidenden wirtschaftlichen, sozialen und auch strukturellen Problemen führen. Deshalb gilt es hier, mit neuen Ideen die Grundlagen für neue Arbeitsplätze, für neue Kaufkraft und Wirtschaftsimpulse zu schaffen.

All diese Betroffenen können, dürfen und werden wir nicht auf verlorenen Posten stehen lassen. Es wird zu Recht auch auf gelungene Konversionsprojekte hingewiesen, mit denen es gelungen ist, den Bundeswehrabbau zu kompensieren und neue Chancen zu ergreifen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Dank gilt nochmals der Landesregierung, die schnell und sachgerecht reagiert und den „Aktionsplan Konversion“ auf den Tisch gelegt hat. CDU und FDP unterstützen mit ihrem Antrag die Landesregierung und stärken ihr den Rücken, um beim Bund die notwendigen Maßnahmen und Hilfen einzufordern und durchzusetzen. Am Ende gilt für uns alle: Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern gefragt sind Tatkraft, Ideen und neue Projekte in den Konversionsstandorten. Lassen Sie uns gemeinsam diese Herausforderung für Schleswig-Holstein annehmen!

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Das Wort erteile ich jetzt dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Konversion von Bundeswehrstandorten beschäftigt den Schleswig-Holsteinischen Landtag schon seit mehreren Legislaturperioden. Daher befassen wir uns hier nicht mit einem neuen Phänomen. Im Gegenteil, Schleswig-Holstein hat, so traurig es klingen mag, in der Vergangenheit schon reichlich Erfahrungen in dieser Frage gesammelt. Ich erinnere hier an die Diskussionen der Jahre 2001 und 2004, in denen es zum Teil sehr schmerzhafte strukturelle Einschnitte aufzufangen galt. Jedes Mal, mit jedem Einschnitt ging es vor Ort um gewachsene funktionierende Strukturen, die sich nach vielen Jahren plötzlich verändern muss

ten. Es ging hier um regionale, ökonomische Wurzeln, die sich neu entwickeln mussten. Es ging zugleich auch um Familien, für die diese Strukturentscheidungen unmittelbare Auswirkungen auf ihre Zukunft hatten.

Die Parteien des Schleswig-Holsteinischen Landtags taten in der Vergangenheit gut daran, die Frage, wie wir als verantwortliche Politiker mit diesen Herausforderungen für unser Land umgehen, nicht parteitaktisch auszuschlachten. Ich erinnere hier zum Beispiel an den einstimmigen Beschluss des Landtags vom Frühjahr 2005, in dem es unter anderem hieß:

„Die Bundeswehr hat für Schleswig-Holstein große strukturpolitische Bedeutung. Die Truppenreduzierungen und Standortschließungen, die der Bundesminister der Verteidigung am 2. November 2004 verkündet hat, stellen Schleswig-Holstein daher vor große Herausforderungen. Die Folgen einer Truppenreduzierung können weit über militärische, funktionale und betriebswirtschaftliche Auswirkungen hinausgehen. Konversion ist allerdings nicht nur mit Risiken verbunden, sondern bietet auch Chancen zur Weiterentwicklung von Kommunen.“

Ich kann für meine Fraktion feststellen, dass wir diese Aussage mit einem anderen Datum versehen heute in gleicher Weise treffen können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung, wie und an welchen Orten die Struktureinschnitte vorgenommen werden, fiel nicht in Kiel. Jedes Bundesland ist, eines mehr, andere weniger, von der Reform betroffen. Herr Kollege Stegner, es ist bedauerlicherweise so, dass, wenn Sie, was wir alle begrüßt haben, eine deutliche Reduzierung der Stärke der Bundeswehr vornehmen müssen, die bisher überproportional mit Dienstposten versehenen Länder auch überproportional unter den Verlusten leiden. Schleswig-Holstein war vor der Reform, die jetzt durchgeführt wird, das Land mit den meisten Dienstposten pro tausend Einwohner. Es ist jetzt das Land mit den zweitmeisten Dienstposten pro tausend Einwohner. Das ist schlicht und ergreifend der Sache geschuldet und keine böswillige Absicht. Allerdings muss ich Ihnen zugestehen: Ich weiß nicht, und ich maße mir das auch nicht an, unter welchen militärischen Gesichtspunkten die Standortentscheidungen getroffen worden sind. Aber ich habe erhebliche Zweifel daran, dass unter fiskalischen Gesichtspunkten die Auflösung des Mari

(Johannes Callsen)

nearsenals in Kiel gerechtfertigt werden kann. Solange sich eine Vielzahl von schwimmenden Einheiten in der Ostsee befindet, ist es wahrscheinlich finanzpolitischer Irrsinn, deren Ausrüstung, Reparatur und Überholung in Wilhelmshaven vornehmen zu lassen und nicht in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern oder jedenfalls im Bereich der Ostsee.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber darüber wird nicht von den Verteidigungspolitikern, sondern von den Haushaltspolitikern des Deutschen Bundestages noch zu sprechen sein.

Nun können wir natürlich an die Sache herangehen wie die schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten, Herr Dr. Stegner, vertreten durch Herrn Dr. Dolgner und durch Sie heute in Ihrem Beitrag, und eine neue Form des Sankt-Florian-Prinzips einfordern. So verstehe ich es nämlich, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung und auch heute in Ihrem Redebeitrag dem Ministerpräsidenten vorwerfen, er habe in Berlin keinerlei Einfluss und werde nicht einmal gehört. Lautet das sozialdemokratische Credo, strukturelle Einschnitte sind zwar insgesamt notwendig, aber wenn es bei uns in Schleswig-Holstein passiert, ist der Ministerpräsident schuld? Glauben Sie wirklich, dass ein massives Eintreten des Ministerpräsidenten oder von Ihnen, Herr Dr. Stegner, auf Bundesebene an der Strukturentscheidung etwas Wesentliches geändert hätte? Glauben Sie wirklich, dass das funktioniert? Dann frage ich Sie mal: Wie war das eigentlich bei den Standortentscheidungen, die Herr Struck getroffen hat und die auch zulasten Schleswig-Holsteins gingen?

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben diese Art der Auseinandersetzung bei den Sozialdemokraten ja auch bei den vergangenen Haushaltsberatungen erlebt, das Bejahen struktureller Einschnitte im Allgemeinen, aber das Verneinen struktureller Maßnahmen im Besonderen. Konkrete Lösungsansätze gleich null! Ich kann Sie daher nur warnen. Wenn Sie auf diese Art und Weise an dieses schwierige Thema herangehen, dann opfern Sie die Lösung dieser ernsten Frage auf dem Altar der parteipolitischen Auseinandersetzung. Das hilft weder Ihnen, noch hilft es den von den Strukturentscheidungen Betroffenen. Es ist reine destruktive Einlassung.

(Beifall bei FDP und CDU)