Protocol of the Session on June 29, 2011

Folgendes verstehe ich nicht ganz. Sie sagen, Sie könnten keine Regeln für den Einsatz von Pfefferspray einführen, weil diese Regeln gar nicht möglich seien. Dann - das glaube ich mittlerweile müssten Sie den Einsatz von Pfefferspray bei der Polizei grundsätzlich untersagen. Denn jeder Polizist, der unter dem Eindruck dieses Urteils - auch wenn es noch nicht rechtskräftig ist - Pfefferspray einsetzt, ist potenziell gefährdet, eine Straftat zu begehen. Wenn Sie ihm nicht sagen können, wie er es einsetzt, müssen Sie ihm den Einsatz verbieten. Das habe ich aus Ihrer Logik geschlossen.

Ich frage mich grundsätzlich: Was ist eigentlich mit der Landesregierung los? Ich verstehe einiges. Es ist nicht einfach. Herr von Boetticher, da vorn werden übrigens kleine Verfassungen verteilt. Da steht das mit der Verschränkung genau drin.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Der Justizminister beruft die Richterinnen und Richter in Verbindung mit dem Richterwahlausschuss. Das Parlament ist beteiligt. Die Landesregierung ist da überhaupt nicht beteiligt - kein bisschen. Sie hat auf die Richterinnen und Richter nun wirklich keinen Einfluss.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Der Minister organisiert den Justizbetrieb. Ich glaube, der Justizbetrieb in Schleswig-Holstein ist gut organisiert. Aber trotzdem sieht man, da ist ein Mitglied der Exekutive, das die Judikative organisieren muss - das ist gut geregelt, es funktioniert alles. Wir wissen, wir haben Regeln dafür. Aber der Innenminister hat hier auch einen Spagat zu absolvieren. Er muss zum einen das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen, und dann muss er natürlich zum anderen dafür sorgen, dass sich auch die Polizei an Recht und Gesetz hält. Darin werden wir uns alle einig sein, egal, wie wir zur Polizei stehen: Sie hat sich genau wie jeder andere auch an Recht und Gesetz zu halten. Insofern finde ich Verfahren und Urteile gegen Polizeibeamte nicht skandalös oder

sonst etwas, sondern sehr hilfreich. Denn dabei wird entweder festgestellt, die Polizei hat sich an Recht und Gesetz gehalten, oder aber es wird festgestellt, die Beamten haben sich nicht daran gehalten, dann werden sie verurteilt. Das dient der gesamten Polizei. Schwarze Schafe auszumerzen kann nicht schädlich sein.

Nun ist aber das passiert, das Urteil ist gefallen. Der Minister hatte mehrere Möglichkeiten. Ich glaube, die schlechteste Möglichkeit war, den Brief zu schreiben und ihn den eigenen Beamten zur Kenntnis zu geben.

Ich habe einmal überlegt - ich bin ja noch nicht so lange in der Politik -, wo man sonst so etwas noch finden könnte. Ich habe mir überlegt, wie es gewesen wäre, wenn ich irgendwann einmal einen Brief von der Klassenlehrerin meiner Kinder bekommen hätte, dass mein Kind etwas falsch gemacht hat das könnte ich ja noch akzeptieren -, und wenn alle anderen Kinder beziehungsweise ihre Eltern aus der Parallelklasse diesen Brief auch bekommen hätten. Dann hätte ich mich schon gefragt, was da eigentlich los ist. Wenn ich dann auch noch von dem Klassenlehrer der Parallelklasse einen Brief bekommen hätte, in dem gesagt worden wäre, er distanziere sich von dem Brief der Klassenlehrerin meines Kindes, dann hätte ich gefragt: Haben die noch alle Tassen im Schrank? Dann hätte ich also den Direktor gefragt: Was läuft da eigentlich bei Ihnen?

Auch diese beiden Minister haben eine Art Schuldirektor, oder sie sollten einen haben. Wir haben gerade gehört, sie haben einen „Frühstücksdirektor“.

- Ich glaube, die Kollegin Sassen möchte eine Zwischenfrage stellen. Dazu bin ich gern bereit.

Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Frau Kollegin, dann haben Sie das Wort.

Herr Kollege, Sie bringen da gerade einen Vergleich mit einer Klassenlehrerin, von der Sie gehört haben, dass Ihr Kind etwas falsch gemacht haben soll. Woher nehmen Sie den Vergleich? Wo hat der Innenminister unterstellt, dass etwas falsch gemacht worden ist?

(Heinz-Werner Jezewski)

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Innenminister hat gesagt, dass er die Folgen des Urteils für sehr bedenklich hält. Ich glaube, so war die Formulierung. Also, das ist schon eine sehr deutliche Einschätzung, denn sonst hätte er ja gesagt: Das war ein tolles Urteil, das Sie gefällt haben.

Ich frage mich übrigens: Hat irgendein Kabinettsmitglied schon einmal einem Richter geschrieben, dass er ein tolles Urteil gefällt hat? Das wäre ja eigentlich schade, wenn das noch nie passiert wäre, denn man sollte seine Mitarbeiter ja jeden Tag loben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Monika Heinold?

Ja, das tue ich.

Herr Kollege, teilen Sie meine Auffassung, dass der Minister, indem er die Richterin zu einer Autofahrt im Polizeiwagen eingeladen hat, um ihr einmal die Realität zu zeigen, damit den Eindruck erweckt hat, er müsse der Richterin noch etwas beibringen, was sie noch nicht wisse?

- Kollegin Heinold, diese Auffassung teile ich voll. Ich teile allerdings auch die im Haus weit verbreitete Meinung, dass der Minister damit in den Wahlkampf um seinen Abgeordnetensitz und auch um den Ministerposten eingestiegen ist. Dafür war das natürlich ganz hervorragend.

(Zurufe von CDU und FDP)

Um zurück auf den Punkt zu kommen: Wie man auf so einen Brief reagiert, kann ich nur aus meiner Erfahrung in diesem Parlament sagen: Wenn der Kollege Stegner als Fraktionsvorsitzender der SPD meine Abgeordneten - als ich noch Fraktionsvorsitzender war - angeschrieben hätte, dann hätte es da einen richtigen Krach gegeben. Dann hätte es einen richtigen Streit gegeben.

(Zurufe von CDU und FDP)

Umgekehrt wäre das wahrscheinlich genauso. Es gibt doch andere Möglichkeiten. Wir haben einen

Ministerpräsidenten - der arbeitet vielleicht nicht als Ministerpräsident, aber er ist es -, und wenn sich seine Minister gegenseitig Briefe schreiben, frage ich mich, zu welchem Minister die Landesregierung denn jetzt steht. Welchen Brief unterstützt die Landesregierung, den von Herrn Schlie an die Richterin oder den von Herrn Schmalfuß?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Beide!)

- Beide? Die widersprechen sich doch. Aber das passt natürlich zu dieser Landesregierung: Völlig egal, Hauptsache wir kommen irgendwie da raus und schaffen es bis zur nächsten Wahl.

Nebenbei bemerkt, Herr Kollege Kubicki: Ich freue mich schon auf die Zeit, in der Sie wieder in der Opposition sein werden. Vielleicht klappt es ja nächstes Mal schon, aber spätestens übernächstes Mal.

(Zurufe von CDU und FDP)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Die richtige Möglichkeit wäre gewesen, der Ministerpräsident führt ein Kabinettsgespräch, nimmt die beiden Kollegen zur Seite, und anschließend gibt es eine Meinung. Entweder entschuldigt sich der eine, oder es entschuldigt sich der andere. Wenn das nicht passiert, dann muss einfach der Ministerpräsident einmal eine Meinung vertreten und sagen, so sieht die Landesregierung das, der Brief war ein Fehler, entweder der von Herrn Schlie oder der von Herrn Schmalfuß. Dann haben wir die Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Thomas Rother.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal muss man sich wirklich Sorgen machen, Herr von Boetticher, vor allen Dingen dann, wenn der Innenminister hier vorträgt, dass es eine einheitliche Auffassung der Landesregierung in Sachen richterlicher Unabhängigkeit, Gewaltenteilung und so weiter gebe, dann aber zwei oder drei Minuten später sagt, dass es einen Vorgang gebe, bei dem man doch unterschiedlicher Meinung sei, indem er

(Präsident Torsten Geerdts)

dann auf den Brief von Herrn Schmalfuß hinweist. Das ist ein Widerspruch, den er hier überhaupt nicht aufgelöst hat. Hier wäre vielleicht auch einmal ein klärendes Wort des Ministerpräsidenten geboten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schlie hat deutlich gemacht, dass er durchaus die Grundsätze der Gewaltenteilung kennt, auch wenn er nun gleichzeitig Minister und Abgeordneter ist. Aber Herr von Boetticher hat auf diese Überschneidung auch schon hingewiesen. Ich gehe auch davon aus, dass Herr Schlie sehr wohl über die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit informiert ist. Es ist auch so, dass sich Herr Schlie gern einmal darüber aufregt, wenn Abgeordnete einmal eine Regelverletzung begehen, beispielsweise bei Demonstrationen, indem sie zu Blockaden aufrufen oder sich gar beteiligen. Das wird von ihm gern scharf kritisiert, oder er lässt dies auch gern im Innen- und Rechtsausschuss von seinem Polizeichef kritisieren.

(Beifall der Abgeordneten Serpil Midyatli [SPD])

Von daher ist das, was er hier getan hat, nämlich die ganz bewusste Überschreitung von Grenzen, wirklich unglaublich. Herr Kubicki, Sie haben das hier schön dargestellt. Es ist eine wirklich bewusste Regelverletzung.

Die kleinste Regelverletzung ist vielleicht, dass er sich nicht an den Dienstweg gehalten hat. Das ist hier dargestellt worden. Den Dienstweg kennt er als langjähriger Beamter natürlich. Offenkundig ist auch, dass durch die Namensnennung eine öffentliche Einschüchterung der Person, der Richterin, vorgenommen worden ist. Das bedeutet nicht, dass die Justiz außerhalb jeder Kritik steht, aber Herr von Boetticher, das ist ein sehr mieser Vorgang. Er hätte sich ja bei Herrn Schmalfuß melden und mit ihm die Dinge erörtern können.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, ja natürlich. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal so gearbeitet haben. Sie waren vielleicht immer nur selbstständig und haben noch nie in einem richtigen Betrieb beziehungsweise in einer Behörde gearbeitet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von CDU und FDP)

Dort gibt es einfach bestimmte Verfahrensregelungen, an die man sich halten muss.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wissen nicht, wie viele Angestellte ich habe!)

- Ja, das glaube ich gern. Ich glaube, das ist Herrn Schlie aber auch völlig wurscht gewesen. Es ging ihm tatsächlich um das schlichte Punktesammeln, nicht nur an den Stammtischen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])