Protocol of the Session on March 24, 2011

Debatten, möchte ich mich persönlich bei Ralf Stegner bedanken, dass er öffentlich wie auch nichtöffentlich immer wieder versucht hat, die Oppositionsseite in die Verhandlungen einzubringen. Aus den genannten Gründen konnte das aus meiner Sicht nicht gelingen. Aber ich rechne es ihm persönlich hoch an, dass er immer wieder den Versuch unternommen hat, das zu tun. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Peter Lehnert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Habeck, ich will versuchen, das noch einmal deutlich zu machen. Christian von Boetticher hat ja für unsere Fraktionen - finde ich - sehr eindrucksvoll geschildert, dass wir einen Katalog von Möglichkeiten haben, wie wir es schaffen können, die Normengröße 69 zu erreichen. Ich will das jetzt nicht alles wieder aufrühren. Er hat das sehr deutlich gesagt. Ich habe von der heutigen Debatte den Eindruck, dass sich einige, gerade kleinere Fraktionen, die Rosinen herauspicken und sagen: Alles, was wir gemacht haben, CDU, SPD und FDP, sei in unserem eigenen Interesse.

Ich kann Ihnen für jede diese drei Fraktionen relativ schnell aufführen, wo sie schmerzhafte Kompromisse schließen mussten: Das sind für die großen Fraktionen die Frage der Wahlkreise und für die FDP die Frage Auszählverfahren, Ausgleichsverfahren und Ähnliches. Deswegen finde ich die Argumentation der Grünen ein bisschen einseitig.

Weswegen ich mich eigentlich gemeldet habe, ist, dass wir hier keine Geschichtsklitterung betreiben. Wir haben ja fünf Kollegen hier im Landtag, die seit 1992 dabei sind. Ich bitte Sie, sich die Wahlergebnisse des Jahres 1992 anzugucken. Ich kann sie Ihnen gern noch einmal vorlesen. Damals hatten die SPD 687.427 Stimmen, 46,2 %, und 45 von 89 Sitzen. Die anderen vier im Landtag vertreten Fraktionen hatten 44 Sitze, aber zusammen 708.013 Stimmen, das heißt mehr als 20.000 Stimmen mehr als die Sozialdemokraten, die die absolute Sitzmehrheit hatten.

(Zuruf)

- Ich sage das, weil Sie behauptet haben, das sei dieses Mal zum ersten Mal passiert.

(Dr. Robert Habeck)

(Zurufe)

- Nun hören Sie mir doch bitte einmal zu! - Wir als CDU haben das auch diskutiert. Wir waren damals der politischen Auffassung, dass das Wahlrecht rechtmäßig gewesen ist. Deswegen sind wir damals nicht vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Ich stelle mir natürlich die Frage, warum die Grünen und der SSW, die jetzt ausführlich geschildert haben, warum dieses Wahlrecht grob verfassungswidrig ist, bei dem damaligen Wahlergebnis, das dieselbe Tendenz hatte, nämlich dass eine Partei, obwohl sie nicht die Mehrheit der Stimmen hatte, die Mehrheit der Sitze hatte, damals nicht vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind.

(Beifall bei CDU und FDP - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Gute Frage!)

Herr Fürter, diese Frage kann ich Ihnen wirklich nicht ersparen. Sie sind hier aufgetreten und haben gesagt, es sei so klar und so offensichtlich. Wir haben es damals gewusst. Wir haben gesagt, wir akzeptieren es, weil das Wahlrecht, das wir damals mit breiter Mehrheit beschlossen hatten, für uns akzeptabel war. Ich frage mich nur, warum damals SSW und Grüne nicht dagegen vorgegangen sind.

Ich will noch einen letzten Punkt sagen. Wir hatten damals 45 Direktwahlkreise. Dann sind wir hingegangen und haben gesagt, das sind zu viele, und sind auf 40 Direktwahlkreise runtergegangen. In einem weiteren Schritt gehen wir jetzt auf 35 Direktwahlkreise. Von 45 auf 40 auf 35. Ich glaube, wir sind

(Andreas Beran [SPD]: An der Schmerzgren- ze?)

dann wirklich auch nach außen hin einen guten Kompromiss eingegangen - das ist hier schon vielfach gesagt worden - zwischen den durch die Bürger direkt gewählten Abgeordneten, die die direkte Verpflichtung und die direkte Ansprechbasis für die Bürgerinnen und Bürger darstellen, und denjenigen, die auf Landesebenen gewählt sind.

Ich mache das für unsere Fraktion jetzt seit über 20 Jahren, und ich habe noch nie die eine Stimme gegen die andere ausgespielt. Von Ihrer Seite aber ständig den Eindruck zu erwecken, dass die Erststimme, die durch die Bürger die Direktkandidaten wählt, die „mindere“ ist, kann ich nicht akzeptieren.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl mich mancher Beitrag schon sehr geärgert hat, will ich mich gar nicht in die Nähe dessen bewegen, das erste Mal in meiner parlamentarischen Karriere einen Ordnungsruf zu kriegen. Deswegen sage ich sehr ruhig: Erstens. Lieber Kollege Fürther, Ihren Ausführungen habe ich überhaupt nicht entnommen - im Gegensatz zu Ihnen bin ich ja kein Jurist -, wo denn der Vorschlag liegt, der ohne eine Verfassungsänderung sicherstellt, dass die Verfassungsnormen nicht verletzt werden. Den habe ich noch nicht kennengelernt. Den gibt es nicht. Deswegen ist es der falsche Eindruck.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Wenn man die beiden Referenzländer, die wir haben, angeguckt, dann hat das Referenzland im Westen - Rheinland-Pfalz - vier Millionen Einwohner und 101 Sollmandate, das Referenzland SachsenAnhalt 2,3 Millionen Einwohner und 91 Mandate, jetzt durch Überhangmandate 105 Mandate. Die Debatte, die wir hier führen, ist schon ein bisschen kurios. Sie ist wenig selbstbewusst. Den Leuten, die so argumentieren, als wenn sie mit Parlamentarismus überhaupt nichts am Hut hätten, ordnet sie sich unter. Davon gibt es leider viel zu viele. Dazu sollten wir nicht beitragen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Zweitens. Ich freue mich nicht immer über Wahlergebnisse. Das geht hier jedem so. Woher rührt aber eigentlich der Hang, ein Wahlergebnis des Jahres 2009 nach einem geänderten Wahlgesetz automatisch hochzurechnen und Szenarien darzustellen, wie Herr Jezewski oder andere es gemacht haben? Die Bürger werden über dieses Wahlgesetz informiert werden, und sie werden frei entscheiden. Sie werden entscheiden, wie viele Parteien sie im Landtag haben wollen und welche Abgeordneten sie wählen. Das wird genauso legitim sein wie davor. Deswegen ist dies Hochrechnen eine hoch fragwürdige Geschichte. Das wissen wir von Prognosen inzwischen auch.

Drittens. Herr Kollege Fürther, was ich besonders bedauerlich und auch nicht in Ordnung finde: Sie haben den Eindruck erweckt, als ob die SPD sozusagen von der Forderung weggegangen sei, das Wahlalter von 16 Jahren richtig zu finden. Das

(Peter Lehnert)

sind wir nicht. Ich habe es erstens in den Verhandlungen sehr wohl angesprochen und zweitens hat der Kollege Peter Eichstädt im Ausschuss gesagt, dass wir hier gemeinsam einen Entwurf tragen, den wir einbringen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass man Alternativentwürfen nicht zustimmt, selbst wenn man es richtig findet - ich betone es noch einmal -, das Wahlalter zu senken. Den Eindruck sollte man dann bitte auch nicht erwecken. Herr Kollege Fürther, das ist nicht ganz redlich.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Astrid Damerow [CDU] und Werner Kalinka [CDU] - Werner Kalinka [CDU]: So war es!)

Viertens. Zu manchem Eindruck, den wir öffentlichen beklagen, tragen wir wirklich selbst bei. Liebe Kollegin Spoorendonk, Sie wissen, dass ich Sie außerordentlich schätze und ohne Wenn und Aber zu den Rechten stehe, die der SSW hat. Das ist bei uns gut geregelt. Das will ich für die Sozialdemokratie deutlich sagen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN sowie der Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Aber zu sagen, die großen Parteien - CDU, SPD und FDP - hätten hier ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, ist dieser Debatte wirklich nicht würdig, liebe Anke Spoorendonk. Das ist nicht Ordnung, und das ist auch falsch.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Das ist wirklich der falsche Zungenschlag, und wir sollten darauf achten, dass wir den vermeiden.

Lassen Sie mich nicht mit Martin Luther - das fand ich ein bisschen zu deftig -, sondern an die Adresse des Kollegen Jezewski und anderen mit Horaz schließen. Der hat nämlich gesagt:

„Wenn wir selbst fehlerfrei wären, würde es uns nicht so viel Vergnügen bereiten, sie an anderen festzustellen.“

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Problem mit den Ordnungsrufen habe ich nicht, wie Sie wissen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Insofern habe ich mich nur zu Wort gemeldet, weil mir - und das sage ich mit allem Ernst - dieses Auftreten, diese moralische Überheblichkeit, die bei einigen Rednern durch nichts begründet ist, schlicht und ergreifend gegen den Strich geht.

(Zuruf)

- Im Gegensatz zu Ihnen kann ich mich im Spiegel sehen lassen.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Zuruf des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich weise auf eines hin: Wenn regelmäßig die Behauptung aufgestellt wird, dieser Landtag sei zu groß und das habe mit allem möglich zu tun, dann will ich schlicht und ergreifend darauf hinweisen Anke, du weist, dass ich die Rechte des SSW immer verteidige und dass sie verfassungsfest sind -, dass wir bei so einem großen Landtag eine Abweichung von der Sollgröße in einer verfassungswidrigen Größenordnung nicht gehabt hätten, wenn der SSW nicht von der Fünfprozenthürde befreit wäre.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Wir hätten das nicht. Wir wären nicht bei 95 Abgeordneten gelandet, sondern bei knapp über 69. Das gehört zur Ehrlichkeit der Debatte dazu.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Wir wollen das nicht hintanstellen, aber, wenn wir Sonderrechte verteilen, hat es auch im Vergleich mit anderen Landtagen eine andere Qualität, als wenn wir die Sonderrechte nicht verteilen, die wir auch nicht angreifen wollen.

(Zuruf von der LINKEN)

- Das hat doch überhaupt nichts mit Schuld zu tun. Sie verstehen das Problem offensichtlich nicht. Es geht nicht um Schuld oder Nichtschuld, sondern um die Frage, ob die Behauptung, die Größenüberschreitung habe etwas mit dem Wahlrecht zu tun, unter Umständen auch darin begründet sein kann, dass wir für einzelne Parteien Sonderrechte geschaffen haben - die richtig sind; die stellen wir gar nicht infrage -, die es in anderen Landtagen in dieser Form nicht gibt.

(Beifall bei FDP und CDU)