Wir begrüßen auch den Antrag der Grünen - die jetzt leider nicht mehr sehr zahlreich zu diesem Thema hier im Plenarsaal vertreten sind; das finde ich schade - in der neuen Fassung
und hoffen, dass sie mit ihrer Forderung auch in der Bundestagsfraktion auf offene Ohren stoßen. Dann könnten wir auch auf Bundesebene gemeinsam gegen Atomkraft kämpfen. Denn die LINKEN treten auf allen Ebenen dafür ein, unverzüglich und unumkehrbar aus der Atomkraft auszusteigen.
Wir fordern: Erstens die Atomkraftwerke Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel sofort stillzulegen; zweitens alle übrigen Atomkraftwerke in Deutschland unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, stillzulegen;
drittens, dass sich die Landesregierung im Bundesrat dafür stark macht, ein Verbot der Nutzung von Atomtechnologien für militärische und energetische Zwecke im Grundgesetz zu verankern;
viertens ein Exportverbot aller Produkte und allen Know-hows, die der Atomtechnologie für militärische Zwecke oder zur Energiegewinnung dienen können; fünftens ein Sofortprogramm für erneuerbare Energien, das gute und sichere Arbeit in den notwendigen Bereichen des Ausbaus erneuerbarer Energien, Energieeffizienz, des Netzumbaus sowie der Entwicklung und Etablierung effizienter Speichertechnologien schafft und diese zügig voranbringt. Sechstens fordern wir: Kein weiterer Ausbau von Kohlekraftwerken unter dem Deckmantel des Ausstieges aus der Atomenergie!
Wir rufen zu friedlichen Protesten gegen die Atomindustrie auf, denn Verantwortung für die Menschen zu übernehmen und nicht für die Atomlobby, ist uns ein hohes Gut.
In Japan ist es leider fünf nach zwölf, dort können wir nur noch Hilfe anbieten. In Deutschland ist es noch fünf vor zwölf, noch können wir hier handeln. Ich beende meine Rede jetzt mit einem Zitat von Greenpeace:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie andere war auch ich überrascht, als ich kürzlich in einem Artikel der „taz“ las, dass der CDUBundestagsabgeordnete Dr. Johann Wadephul nunmehr fordert, die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken rückgängig zu machen, und dass er sich jetzt für eine schnelle Energiewende ausspricht. Man kann nicht behaupten, dass sich unser ehemaliger Kollege Dr. Wadephul in seinem bisherigen politischen Wirken als Atomkraftgegner geoutet hat. Aber ich nehme es ihm ab, wenn er heute sagt, dass die Vorfälle in Fukushima ihn dazu bewegt haben, die Position, die er 30 Jahre lang vertreten hat, zu ändern. Und ich nehme es ihm ab, wenn er sagt, dass ihn die Vorfälle von Harrisburg und Tschernobyl, die Störungen in Schleswig-Holstein und nun der GAU in Fukushima zu diesem Umdenken bewogen haben, weil ihm mit einem Mal bewusst wurde, wie viele als ,,unwahrscheinlich“ eingestufte Vorkommnisse es in all den Jahren gegeben hat. Hut ab vor solchen Worten, sage ich nur.
Insgesamt weiß der SSW zu würdigen, dass sich auch andere in der CDU bewegt haben. Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zeugt von dieser neuen Nachdenklichkeit. Der FDP in Schleswig-Holstein wünschen wir viel Durchsetzungskraft auf Bundesebene. Die bedenkenswerte Rede des Kollegen Kubicki lässt hoffen.
Wir alle haben die schrecklichen Bilder aus Japan vor Augen. Darauf sind alle Redner schon eingegangen. Das ist so. In sicherer Entfernung haben wir miterlebt, wie das Erdbeben und der Tsunami in kürzester Zeit Leid und Not über zigtausend Menschen in Japan gebracht haben. Dörfer und Städte wurden ausradiert und dem Erdboden gleich gemacht. Die Zahlen der Vermissten und Toten - wir wissen es - sind immer noch nicht absehbar. Selbst ein hochtechnologisches Land wie Japan hat solchen Naturgewalten nichts entgegenzusetzen.
Doch damit nicht genug: Fukushima ist zum Symbol für die Katastrophe in ihrer ganzen Bandbreite geworden.
Niemand kann heute sagen, welchen Verlauf die Atomkatastrophe noch nehmen wird, geschweige denn, wie sie ausgehen wird. Was dort geschieht, lässt niemanden unberührt. Die aktuellen Bilder von explodierenden Reaktoren lassen bei vielen von uns die Erinnerung an Tschernobyl wieder aufkommen. Im nächsten Monat jährt sich der 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, und wir stellen heute fest: Wir haben daraus bitter wenig gelernt. Die Schere im Kopf der Atomkraftbefürworter funktionierte nach Tschernobyl perfekt. Für sie stand von Anfang an fest, dass dieser Reaktor nicht mit westlichen AKWs vergleichbar war und dass die Sicherheitsstandards unserer Reaktoren einen solchen Unfall bei uns undenkbar machen.
Es mag durchaus zutreffen, dass westliche Kernkraftwerke technologisch ausgereifter sind. Fukushima macht aber deutlich, dass auch die westliche Technologie und die bei uns geltenden Sicherheitsstandards keine absolute Sicherheit garantieren. Der Einwand, dass es keine absolute Sicherheit gibt, ist in diesem Zusammenhang absurd. Nach Fukushima kann es im Hinblick auf die Sicherheit von Atomkraftwerken keine blinde Zuversicht mehr geben. Statistisch gesehen mag die Atomenergie eine sichere Energieform sein. Im real existierenden Leben der Menschen in Japan ist sie es nicht mehr. Das ist die Lehre, die wir spätestens jetzt aus allen bisherigen Reaktorkatastrophen ziehen müssen. Wir brauchen den Atomausstieg so schnell wie möglich.
Mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg schlug sich die Bundesregierung ganz bewusst auf die Seite der Atomwirtschaft, denn mit dem Beschluss vom 28. Oktober des letzten Jahres wurden die Laufzeiten der deutschen Atommeiler um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Dass der Beschluss der Bundesregierung auch bei uns im Land zu riesigen Demonstrationen führte, dürften die wenigsten von uns vergessen haben. Die einprägsamen Bilder von der 120 km langen Menschenkette zwischen den Pannenmeilern Krümmel und Brunsbüttel sind so schnell nicht wegzuwischen. Rund 120.000 Menschen waren vor knapp einem Jahr angereist, um ihren Unmut über die Atompolitik der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. Doch dem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe fiel damals nichts anderes ein, als der Opposition im Deutschen Bundestag vorzuwerfen, dass sie mit dieser Aktion die Angst vor der Kernenergie schüre. Wie recht die Demonstranten hatten, wissen wir heute. Frau Merkel wäre also gut beraten, nicht mehr den Einflüsterern der Atomlobby zu lauschen. Sie sollte lieber hören, was das Volk ihr zuruft.
Wenn sie dann auch noch glaubt, sie könne politisch für Ruhe sorgen, indem sie ein dreimonatiges Moratorium der Laufzeitverlängerung ankündigt, täuscht sie sich. Für den SSW sage ich: Das Merkelsche Moratorium ist Schattenboxen mit der Atomlobby und Wahlkampftaktik, aber kein ernst gemeinter Beitrag zum Atomausstieg.
Wären keine Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Bremen, dann würde es dieses Moratorium nicht geben,
denn Fakt ist: Rechtlich steht dieses Moratorium auf wackeligen Füßen. Inwieweit § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes überhaupt anwendbar ist, ist äußerst fraglich. Wer eine einstweilige Stilllegung der alten Atommeiler durch die Aufsichtsbehörden der Länder anordnet, um Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter abzuwehren, der bewegt sich juristisch auf dünnem Eis, denn nach bisherigen Einschätzungen der Atomaufsichtsbehörden ist diese Gefahr nicht gegeben. Sonst hätte es wohl auch
keine Laufzeitverlängerungen für diese Meiler geben dürfen. Was wir also brauchen, ist eine rechtliche Grundlage, auf der diese alten und maroden Meiler für immer abgeschaltet werden können, und ist keine dreimonatige Beruhigungstablette.
Als wenn die Intelligenz der Bevölkerung damit nicht bereits genug strapaziert wurde, wird nun auch noch gesagt, man wolle den Zeitraum von drei Monaten nutzen, um die Sicherheit der Atomkraftwerke neu zu überprüfen. Von Experten wird die Ernsthaftigkeit der angekündigten unvoreingenommenen Sicherheitschecks aller Atomkraftwerke jedoch angezweifelt. Mit anderen Worten: Innerhalb von zwölf Wochen lässt sich allenfalls das Atomkraftwerk von Loriot seriös überprüfen.
Wer es mit der Überprüfung ernst meint, der muss den Bewertungsmaßstab für alle Reaktoren einheitlich gestalten, sich auf das im Jahr 2009 beschlossene kerntechnische Regelwerk stützen und neue Erkenntnisse aus dem japanischen Drama berücksichtigen. Nur dann haben wir einen echten Sicherheitsüberblick. Wenn diese Überprüfung dann das Aus für die deutschen Atommeiler bedeuten würde, so lautet angeblich die Schlussfolgerung eines Geheimdokuments aus dem Bundesumweltministerium, dann müssten auch die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Damit kann aber nicht gemeint sein, dass Sicherheitsauflagen letztlich minimiert werden, nur weil dies für die Atomkraftbetreiber die kostengünstigere Variante ist.
Unter dem Strich halte ich daher fest: Das, was dem Volk momentan von CDU und FDP auf Bundesebene verkauft wird, ist weiße Salbe. Was von Angela Merkel und ihrem Vizekanzler Westerwelle verkündet wurde, beruht nicht auf einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Atomunfall in Japan. Es wurden keine echten Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen. Das ist die bittere Wahrheit.
Spätestens nach der Bundesratssitzung am letzten Freitag und nach der Gesprächsrunde der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der fünf Bundesländer, die - in Klammern - allesamt von Unions-Parteien geführt werden, in denen Kernkraftwerke stehen, ist klar, dass wieder einmal eine Chance vertan wurde, alle Bundesländer ins Boot zu holen, um gemeinsam eine Strategie dafür zu
Wir brauchen einen breiten politischen Konsens, um den Ausstieg aus der Atomenergie zu schaffen und die Energiewende hinzubekommen. Stattdessen deutet vieles darauf hin - so ist es zumindest der Presse zu entnehmen -, dass es eine neue Runde im Rosenkrieg zwischen CDU/CSU und FDP auf Bundesebene geben wird. Der Verlierer steht leider schon jetzt fest. Er heißt Bundesumweltminister Röttgen. Dass er - wie Johann Wadephul - zu denjenigen CDU-Leuten gehört, die sich für einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie stark machen, spricht Bände.
Mir ist mit anderen Worten völlig schleierhaft, welche Rolle die von Frau Merkel initiierte Ethikkommission spielen soll, wenn es um die Vorbereitung des konkreten Atomausstiegs geht. Anscheinend soll nunmehr in einem Mikrokosmos die friedliche Nutzung der Kernenergie diskutiert werden. Dies ist aber eine gesellschaftspolitische Diskussion, die bereits seit Jahrzehnten geführt wird. Was alle angeht, muss von allen entschieden werden, heißt es zum Wesen unserer Demokratie. Wir brauchen also keine neuen Gesprächskreise. Was wir brauchen, ist der Wille zu politischem Handeln. Der Atomunfall von Fukushima lässt spätestens jetzt nur einen politischen Schluss zu.
Aus diesem Grund bleibt es für den SSW dabei: Wir brauchen den Atomausstieg so schnell wie möglich. Das bedeutet: Mindestens zurück zum alten Atomkonsens. Meiler, die modernen Sicherheitsstandards nicht mehr entsprechen, müssen sofort vom Netz genommen werden. Wir brauchen eine klimafreundliche, ökologische und dezentrale Energieversorgung. Langfristig müssen wir uns von den fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas verabschieden.
Der Netzausbau muss vorangebracht werden. Wir brauchen Konzepte, um die Energieeffizienz zu steigern. Wir brauchen Konzepte für Energieeinsparmaßnahmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind die Baustellen, mit denen wir es zu tun haben. Dafür brauchen wir Umsetzungspläne, denn auch hier gilt die alte Bauernweisheit: Von nichts kommt nichts.