Was noch viel wichtiger ist - und auch da wollen und müssen wir in Zukunft investieren -, ist die Frage der Energieinfrastruktur. Auch das ist Infrastruktur. Es reicht nicht, wenn man morgens für Windkraftanlagen und für regenerative Energien eintritt und am Nachmittag bei jeder Anbindung von Offshore-Windparks und bei jeder Einleitung seinen Protest in die Welt trägt oder wenn man für Wasserkraft ist, aber - wie woanders dann - gegen Pumpspeicherkraftwerke. Man ist immer, wenn es abstrakt bleibt, dafür, malt ein schönes Gemälde von der Welt, das ich mit zeichnen würde, weil es gut ist, aber wenn es dann konkret wird, wenn man sich - wie wir im Moment - vor Ort hinstellen und unangenehme Dinge im Zusammenhang damit begründen muss, dann sind Sie wieder weg.
Darum sage ich Ihnen ganz deutlich: Dieses Land braucht Menschen, die in einer schweren Zeit in der Lage sind, den Rücken gerade zu machen,
den Menschen nicht nach dem Mund zu reden, sondern für ein Prinzip zu stehen und dafür auch einmal in der eigenen Partei anzuecken. Ich werde Sie an dem Tag ernst nehmen, an dem Sie den ersten Sparbeschluss treffen, bei dem bei Ihnen grüne Mitglieder vor der Tür stehen und sagen: So geht es nicht, dagegen demonstrieren wir, dafür sind wir nicht. - Macht ihr auch einmal Lösungen, mit denen ihr euch mit der eigenen Parteibasis anlegt! Auf den Tag werde ich warten.
Haushaltssanierung tut weh. Haushaltssanierung tut auch extrem in den eigenen Parteireihen weh und vor allen Dingen dann, wenn man als Abgeordneter eine regionale Vertretung wahrnimmt und regionale Verwurzelung hat.
- Genau, den Rücken gerade. Das war ein schönes Stichwort. Wir sind dahin gegangen, wo es wehtut inhaltlich, aber auch regional ausgewogen. Das In
teressante daran ist immer, dass man in der Region, in der gerade eine Sparmaßnahme greift, das Gefühl hat, dass es nur dort stattfinde und alle anderen nicht betroffen seien. Das Gefühl kenne ich aus Gesprächen in Lübeck, in Flensburg, an der Westküste und mit vielen Freunden aus meinem Kreisverband in Wedel. Jeder hat den Eindruck, er selbst sei der Betroffenste von allen und trage die Last für dieses Land. Ich sage immer: Wenn die Schläge von links und rechts gleichmäßig kommen, geht man am Ende auch wieder gerade. Und so ist das ein Stück weit bei uns. Wir sind mit der Frage der Küstenschutzabgabe einen für unsere Partei extrem harten Weg gegangen. Es geht dort für die Westküste um die alte Frage der Solidarität.
Herr von Boetticher, können Sie mir ein oder zwei Beispiele nennen, in denen Sie als Opposition, als Rot-Grün unangenehme Sparbeschlüsse getroffen hat, das federführend mit vertreten haben?
- Das kann ich Ihnen deswegen nicht sagen, weil ich die Oppositionszeit in diesem Landtag nicht mitgemacht habe, Frau Kollegin.
- Habe ich wieder das Wort? - Wir haben die Küstenschutzabgabe angegriffen, weil sie uns im Bereich der Kofinanzierung europäischer Mittel richtiger erscheint. Ich selbst, der Ministerpräsident und auch die regionalen Abgeordneten haben in der letzten Wahlperiode dafür gekämpft, dass es mehr Geld für den Küstenschutz aus Berlin und Brüssel gibt. Es hat lange gedauert, bis wir den Bund überzeugt haben. Er stellt diese Mittel zur Verfügung. Uns ist jetzt klar - und das zeichnete sich damals ab -, dass wir diese Mittel bei diesem Sparhaushalt nicht dauerhaft aus der Kofinanzierung des Landes zur Verfügung stellen können. Da gibt es an dieser Stelle die Möglichkeit, eine Verordnungsermächtigung so, wie wir sie heute einbringen, zu eröffnen und damit Abgaben von all denjenigen, die von diesem Deichbau geschützt werden, zu beziehen.
Dabei geht es heute nicht darum, Geld aufzuwenden, das Leib und Leben schützt. Das tun wir ohnehin, das mussten wir auch, und das ist auch 100 % Verpflichtung des Staates. Wir wollen zum ersten Mal Deiche generationengerecht bauen, das heißt, mit einer Bauweise die Generationen von morgen dadurch begünstigen, dass sie leichter die Möglichkeit haben, oben auf dem Deich etwas hinzuzubauen. Das hat nichts mit dem Schutz von Leib und Leben heute zu tun, sondern endlich einmal mit der Tatsache, dass man in der Politikergeneration nicht nur an sich selbst denkt, sondern auch an künftige Generationen. Dafür erschien es uns recht und billig, eine Küstenschutzabgabe ins Leben zu rufen.
Nun kam vor Ort der Hinweis, dass wir damit das Solidaritätsprinzip natürlich ein Stück weit aufkündigen. Aber es kam auch der Hinweis, dass es eine andere Möglichkeit gibt, diese Solidarität im Land zu bewahren. Das ist der Versuch der Bürgermeister, dies vor Ort zu tragen, umzusetzen und auch zu kommunizieren, innerhalb ihrer kommunalen Gremien zu erreichen, dass es innerhalb der kommunalen Familie eine solche Solidarität gibt. Ich sage ganz deutlich: Ich wäre mit dem Klammeraffen gepudert,
wenn ich zuließe, dass diese Möglichkeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht besteht, sondern dass wir ihnen den Weg verbauen. Darum haben wir gesagt, dass wir die Verordnungsermächtigung schaffen. Aber wir setzen diese erst in Kraft, wenn das nicht zum Erfolg im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden führt. Und wir setzen einen zweiten Punkt um, den wir uns immer vorgenommen haben: den Schutz von Leib und Leben durch Deichbau nicht auch noch dadurch zu bestrafen, dass er im großen Umfang ausgleichspflichtig wird. Auch hier werden wir eine Bundesratsinitiative starten.
Wir gehen in Bereiche hinein, in denen es schwer zu vermitteln ist und wehtut - ich sage das ganz bewusst auch in einer Fraktion, die einen starken Sozialflügel hat. Das Blindengeld und die Demonstrationen dazu haben uns nicht kaltgelassen, auch wenn es einkommensunabhängige Zahlungen sind, die parallel zu dem erfolgen, was ansonsten beispielsweise die Pflege leistet. Wir haben in dem Bereich gekürzt, aber wir haben uns am Ende entschlossen, bei denen, die am schwersten betroffen sind - bei den Taubblinden -, eine solche Kürzung nicht vorzunehmen. Ich glaube, das war ein sozial vernünftiger Kompromiss.
Wir stellen den Antrag im Bundesrat - ich setze dabei auf Ihre starke Unterstützung und auch auf die der SPD-geführten Länder -, dass die Altersblindheit tatbestandsauslösendes Kriterium im SGB XI wird, also ein Stück der Pflegeversicherung. Ich halte das für einen sehr sinnvollen Antrag und erwarte in diesem Zusammenhang Ihre Unterstützung.
Sehr geehrter Herr von Boetticher, wie hoch schätzt denn die CDU nach Ihrer Initiative die Leistung für junge Blinde ein, denn die werden ja außen vor gelassen? Das ist so nicht richtig.
- Bei den jungen Blinden ändert sich im Verhältnis zu dem, was vorgeschlagen worden ist, nichts, sondern es ändert sich nur etwas bei den Taubblinden, im Übrigen egal, in welcher Altersstufe.
Es gab ein schwieriges Kapitel, das nicht im Haushalt aufgetaucht ist und das auch in der Kommunikation nicht einfach war, und das waren die Justizvollzugsanstalten. Dort standen im Doppelhaushalt 2011/2012 zunächst für 2012 weitere Investitionsmaßnahmen in Flensburg an. Diese Investitionen werden nicht stattfinden, jedenfalls nach derzeitigem Stand nicht. Es wird ein Konsolidierungspfad eingeleitet. Der zuständige Minister hat dazu die ersten entsprechenden Gutachten vorgelegt. Wir haben gesagt: Das Ganze darf erst dann finanzwirksam werden, wenn der Finanzausschuss das Ganze freischaltet. Ich glaube, das ist vernünftig, weil wir dort gemeinsam die Gesamtkonzeption beraten wollen. Ich sage aber heute auch ganz klar und deutlich: Der Weg, dass auch die Justizvollzugsanstalten ihren Beitrag leisten müssen, ist gegangen. Das Grundkonzept schien uns hier nicht verkehrt.
Wir haben bei Vereinigungen und Verbänden in allen Bereichen gekürzt; egal ob in den Bereichen Europa, Soziales, Kultur oder Heimatpflege. Dass
jeder in diesem Land ein Stück weit verzichten muss, ist bei einem Spar- und Konsolidierungskurs immer so. Mancher meint, er könne zu jeder Veranstaltung, zu jedem Verband und zu jedem Verein gehen und dort sagen: Ja, auch ich bin für den Sparkurs, aber natürlich setze ich mich für dich ein, bei dir darf nicht gespart werden. Die Menschen merken das. Die Bürgerinnen und Bürger merken dies. Sie kommen sich von Parteien veralbert vor, die auf jeder Gegenveranstaltung sind und am Ende hier hohe Reden auf die Haushaltskonsolidierung halten. Das nimmt Ihnen niemand ab, meine Damen und Herren.
Vor uns liegen in der Frage der Lösung der Probleme im Zusammenhang mit dem Universitätsklinikum harte Debatten. Das ist eine Frage, die jahrelang vor sich her geschoben worden ist. Sie wurde von Jahr zu Jahr ungelöster. Der Sanierungsstau wurde jedes Jahr ein Stück größer. Jetzt sitzen wir mit fast 1 Milliarde € da. Wer hier einen einfachen Weg hat, um aus dieser Lage herauszukommen, außer dass das Land dafür mal eben 1 Milliarde € an neuen Schulden wieder zulasten kommender Generationen aufnimmt, der ist herzlich willkommen. Es gibt gute Gespräche, das ist wichtig. Wir wissen, dass wir bis 2015 in einem Status quo sind, der nicht verändert werden kann, wenn es keine Bewegung gibt.
Ich glaube, dass das falsch wäre. Ich glaube, dass wir Bewegung brauchen und dass wir an einen Tisch müssen. Die Vollprivatisierung ist nur eine mögliche Lösung. Es wird viele weitere geben, über die wir uns ernsthaft nicht nur mit der Stadt, sondern vor allen Dingen mit den Beschäftigten und mit den Betroffenen unterhalten müssen, weil das für die Zukunft wichtig ist. Eines ist jedoch völlig klar: Das Land allein wird dieses Geld nicht aufbringen können. Darum ist es dringend notwendig, dass wir den Weg, den das Ministerium gegangen ist, nachvollziehen und ihn gemeinsam gehen und tragen. Dies gilt für die alternativen Lösungen, die auf dem Tisch liegen.
Ich sage auch, dass wir den unintelligenten Krankenhausneubau verändert haben. Das muss man sich einmal vorstellen: Ein Krankenhausneubau ist in diesem Land mit Darlehen finanziert worden, die dazu führen, dass wir für die Zinsen dieser Darlehen inzwischen mehr Geld ausgeben, als wir Geld für den neuen Krankenhausbau ausschütten. Das ist Irrsinn, das ist finanzpolitischer Amoklauf. Den haben wir beendet. Wir sind zu einer nachhaltigen Finanzierung übergegangen.
Nicht zuletzt haben auch das Parlament und die Regierung einen Beitrag geleistet: runter mit den Funktionsträgerzulagen. Ich glaube, das war ein wichtiger erster Schritt. Ich weiß nicht, wie es den Kollegen geht, aber ich stelle fest, dass man immer auch danach gefragt wird, was das Parlament geleistet hat. Runter mit den Fraktionsmitteln; ich sage dies ganz bewusst, weil wir hier offen sind für die Anträge der Opposition. Wir verstehen, dass es hier im Augenblick Probleme gibt. Wir heben die Altersgrenze bei den Altersregelungen der Regierung an. Ein Hochsetzen der Altersgrenze in der Altersregelung von 55 Jahren auf 63 Jahre kostet manch einen, der im Amt ist, einige Hunderttausend Euro, die es nicht gibt. Auch das ist ein nennenswerter Verzicht.
Ich sage noch eines: Es ist noch nie gemacht worden, dass im Angesicht von vorhersehbaren Anzeichen der am Horizont heraufkommenden Landtagswahl die regierungstragenden Fraktionen die Öffentlichkeits- und Reisemittel der Regierung um 10 % kürzen. In den vergangenen Haushalten sind diese Mittel immer erhöht worden, obwohl das mit Wahlkampf nichts zu tun haben darf. Wenn man sich aber die Ausgaben vor einer Wahl ansieht, dann waren die immer höher als in anderen Jahren. Das war verantwortungslos. Wir machen damit Schluss, meine Damen und Herren.
Für mich war dieser Prozess der letzten Monate nicht einfach. Sie haben es in den Zeitungen gelesen. Ich habe es zum Glück nicht gelesen, weil man das Lesen von Zeitungen in einer solchen Zeit ein Stück weit einstellen muss.
Man weiß, dass einiges an Ärger und an Spekulationen über einen ausgegossen wird. Herr Stegner, das kann man nur machen, wenn man seine Politik nicht jeden Tag neu nach der allerneuesten Presse ausrichtet. Das ist Ihr Problem. Sie gucken jeden Morgen in die Zeitung.
Sie gucken jeden Morgen, wie der Wind steht. Wenn der Wind sich geändert hat, dann ändern Sie Ihre Meinung. Ich tue das nicht. Wenn Sie irgendwann eine Überzeugung gewonnen haben und ein Konzept haben, dann müssen Sie es auch erdulden und ertragen, dass die Presse einmal negativ über Sie persönlich berichtet. Sie müssen dann ertragen, dass Ihre eigene Partei Ihnen an der einen oder an
deren Stelle auch einmal in die Beine grätscht. All das muss man machen und dabei den Rücken gerade lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere jetzt wirklich an verschiedene Abgeordnete in der SPD-Fraktion, die ich kenne und von denen ich weiß, dass Sie eine Verantwortung tragen; sei diese finanzpolitische oder wirtschaftlicher Art: Das, was Ihr Fraktionsvorsitzender hier als Alternative vorgelegt hat, ist selbst in den eigenen Reihen beschämend.
Es ist beschämend, wenn man nichts weiter als Alternativen vorzuweisen hat als eine Luftbuchung, die man sogar mit den Worten einleitet: Wir hatten leider aufgrund der bevorstehenden Landtagswahlen nicht genug Zeit. Daher schätzen wir bei den Gemeindefusionen oder beim Nordstaat und der nördlichen Kooperation irgendwelche Summen. Man schätzt 100 Millionen €, die irgendwann fällig werden, wenn man dies in Zukunft machen würde. Damit will man all die Versprechen finanzieren, die in den Jahren gemacht werden. Das ist peinlich, und ich weiß, dass dies vielen in der SPD auch unangenehm ist.