standsgebot beachten. Eine wirklich gerechte und nach meiner Meinung - zwingende Folgerung sind deshalb ein gesetzlicher Mindestlohn und eine konsequente Entlastung unterer und mittlerer Einkommen von Steuern und Abgaben.
Wer behauptet, hierfür würden ganz einfach die nötigen Mittel fehlen, sollte sich an die Logik der Argumentation zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz erinnern. Ich erinnere mich sehr gut an all die Talkshows im Fernsehen, in denen uns die Anhänger dieses Gesetzes immer erzählten, es gehe darum, mehr Geld in Umlauf zu bringen, den Binnenmarkt zu fördern, und schon bekämen wir Wachstum. Hier haben wir die Möglichkeit dazu! Denn eines ist sicher: Hartz-IV-Empfänger werden, wenn sie mehr bekommen, dieses Geld nicht in den Sparstrumpf stecken und auch nicht im Ausland investieren. Hier haben wir einen richtigen Weg zur Wachstumsbeschleunigung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn jemand auf der Tribüne der Debatte zugehört und die Argumente von CDU und FDP vernommen hat, dann muss er sich vorkommen wie bei Orwell, wo von „Neusprech“ die Rede ist. Sie sagen, unsere Rede sei selbstgerecht gewesen; das gilt übrigens auch für die Kollegin Bohn. Obwohl CDU, FDP, SPD und Grüne das damals gemeinsam im Vermittlungsausschuss vereinbart haben, waren wir die beiden Einzigen, die gesagt haben, dass man im Detail nachbessern muss, weil die Praxis gezeigt hat, dass Dinge verändert werden müssen. Da stellen Sie sich hier hin und reden von Selbstgerechtigkeit. Keine Schikane war Ihnen gut genug.
Sie behaupten - Herr Kalinka hat es auch getan -, wir verabschiedeten uns von unserer Regierungspolitik. Ich erinnere daran: Wir haben gemeinsam die
beitragsfreie Kita beschlossen. Kaum war die Wahl herum, haben Sie das mit Ihrer Mehrheit aufgehoben. Wer verabschiedet sich hier eigentlich von gemeinsamer Regierungspolitik?
Wir haben gemeinsam - sogar mit der Opposition; außer den vier FDP-Abgeordneten - das Schulgesetz beschlossen. 65 von 69 Abgeordneten! Kaum ist die Wahl herum, lässt sich die CDU zu einem Schulgesetzentwurf drängen, der dazu führt, dass wir zur alten Regelung zurückkehren. Wer verabschiedet sich hier eigentlich von gemeinsamer Regierungspolitik?
Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass die Eltern die Schülerbeförderungskosten nicht tragen müssen. Was machen Sie in Ihrem Haushaltsentwurf? Sie lassen die Eltern die Kosten wieder tragen. Wer verabschiedet sich hier eigentlich von gemeinsamer Regierungspolitik?
Wir sagen: Es kommt gar nicht auf die Höhe von Sozialtransfers an - darüber muss man nicht streiten -, sondern die Menschen müssen von ihren Löhnen leben können. - Sie sind immer noch dagegen. Sie verhalten sich wie jemand, der verkehrt herum auf die Autobahn fährt und über die vielen Geisterfahrer, die ihm entgegenkommen, schimpft. Das ist genau das, was Sie tun, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP.
Herr Kalinka fragt: Wo bleiben die Finanzierungsvorschläge? - Ich habe Ihnen gesagt, dass man die Schulsozialarbeit finanzieren könnte, wenn man die dämliche Herdprämie wegließe, mit der man die Kinder von den Kindertagesstätten fernhält. Wenn man dies täte, wäre das ein guter Beitrag, übrigens in Milliardenhöhe.
Entschuldigung! Das mit „dämlich“ nehme ich zurück. Ich sage: die sehr problematische und ungerechte Fernhalteprämie. Herr Präsident, ich will dafür keine Rüge haben.
Aber ich will Ihnen auch sagen: Wenn auf der Straße Tausende Menschen gegen Ihre Politik demonstrieren - ob das die Schulpolitik oder die Sozialpolitik ist -, dann sollten Sie hier nicht die Stirn haben, von Selbstgerechtigkeit bei anderen zu reden, sondern dann sollten Sie einmal darüber nachdenken, woran das eigentlich bei Ihnen liegt. Ich sage Ihnen: Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch bei Ihnen die Erkenntnis einsetzt - bei den einen, weil sie in der Opposition landen, bei den anderen, weil sie vielleicht sogar außerparlamentarische Opposition machen müssen.
- Reden Sie nicht so viel über Parteitage, sondern hören Sie einmal zu, was Ihnen die Menschen sagen! Verkaufen Sie auch die Leute auf der Tribüne nicht für dumm! Die verstehen sehr wohl, was Ja und was Nein ist. Sie können zehnmal behaupten, zwei plus zwei sei fünf - es bleibt vier, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich stelle fest, dass Herr Kollege Dr. Ralf Stegner aus eigener Kraft festgestellt hat, dass der Begriff „dämlich“ unparlamentarisch gewesen wäre.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe am Anfang der Debatte gefehlt, weil ich draußen von einem Journalisten aufgehalten worden bin.
- Hören Sie mir erst einmal zu. - Ich habe soeben erfahren, dass Herr Kollege Stegner in meiner Abwesenheit gefragt hat, was ich eigentlich im Hinblick auf unseren Antrag zum Kooperationsverbot auf dem Bundesparteitag erreicht habe. Als Anknüpfungspunkt hat er auch erwähnt, dass er ein Gespräch mit dem DGB-Vorsitzenden Sommer hatte.
Er hatte die Freundlichkeit - vielleicht hat er das nicht gesagt -, mich dazu einzuladen. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Das Thema des Kooperations
verbots wurde dabei auch umfangreich besprochen, im Übrigen mit einer großen Gemeinsamkeit. Wir waren uns nämlich alle einig, dass dieses Kooperationsverbot fallen muss.
Wir haben in diesem Gespräch sogar über verschiedene taktische Vorgehensweisen gesprochen, wir haben darüber gesprochen, wie man das auf unterschiedliche Art und Weise, die Gewerkschaften auf ihrem Wege, Herr Stegner und ich auf unserem Wege, erreichen kann. Nachdem dieses Gespräch stattgefunden hat, stellen Sie sich als Allererstes an dieses Pult und versuchen, mich in meiner Abwesenheit genau zu diesem Thema vorzuführen. Herr Stegner, das ist typisch für Sie.
Ich möchte noch ein paar Sätze zum Antrag der LINKEN zum Sanktionsmoratorium sagen; denn die Frage nach Sanktionen im Bereich von Hartz IV ist eine zentrale Frage, mit der wir Grüne uns lange beschäftigt haben. Ich habe es schon letztes Mal angekündigt, dass wir Ihren Antrag unterstützen werden, weil er sehr wichtig ist.
Wenn wir über Sanktionen reden, entscheiden wir nämlich sehr wohl auch über die Frage, welches Menschenbild wir eigentlich haben, welche Würde wir eigentlich Menschen zugestehen, die in problematische Lebenslagen geraten sind. Das Argument für starke Sanktionen lautet immer, dass Missbrauch verhindert werden soll. Wenn man aber mit den Menschen redet, die sich in den ARGEn mit diesen Menschen auseinandersetzen, so sagen
diese: Es geht um 2 %, vielleicht nur um 1 % der Bezieher und Bezieherinnen von Leistungen nach dem SGB II. Das ist nicht sehr viel. Man kann schon sagen - deshalb auch unsere Kurskorrektur in diesem Punkt -, dass es auch eine Art von Ressourcenverschwendung ist, wenn man Mitarbeiter dafür einsetzt, Menschen zu sanktionieren, anstatt sie dafür einzusetzen, den Menschen zu helfen.
Dies bedeutet eine starke psychische Belastung nicht nur für die Menschen, die unter den Sanktionen leiden, sondern auch für die Menschen, die beruflich damit zu tun haben. Denn auch diese können sich Besseres vorstellen, als für diese Praxis den Kopf hinhalten zu müssen.