Protocol of the Session on November 17, 2010

Wir haben in der letzten Landtagstagung darüber gesprochen, dass uns einige Straßenverbindungen abhandenkommen, dass Finanzierungen hinausgeschoben werden, unter anderem für die A 20, aber auch die Finanzierung von Bundesstraßen schwieriger wird. Wir reden jetzt über Wasserstraßen und die wichtigste Wasserstraße im nordeuropäischen Raum, nämlich den Nord-Ostsee-Kanal. In der nächsten Tagung reden wir möglicherweise über Schienenverbindungen, die wir nicht mehr hinbekommen.

Das alles ist auch darin begründet, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auf das falsche Pferd gesetzt haben, und die FehmarnbeltQuerung ist dieses Pferd.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Sie führt dazu, dass wir bestimmte Projekte nicht mehr durchsetzen können. Wenn Sie sich einmal angucken: Bis 2015 soll der Ausbau des NordOstsee-Kanals, ein wirklich wichtiges Infrastrukturprojekt, 446 Millionen € kosten. 1,7 Milliarden € fehlen in der Kasse wegen dieser Entscheidung, weil die 1,7 Milliarden € ja noch nicht finanziert sind. Da kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass der Nord-Ostsee-Kanal nicht das letzte Projekt ist, das fallen wird, es werden noch viel mehr Pro

jekte fallen. Das sollte bei uns dazu führen, dass wir versuchen, gemeinsam mit den anderen norddeutschen Bundesländern eine Front gegen diese Kürzungen aufzumachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Desaster hat drei Gründe: Die Landesregierung arbeitet immer noch nicht mit anderen Landesregierungen zusammen. Die Landesregierung hat auf das falsche Pferd gesetzt, und die Landesregierung hat auch kein Verhandlungsgeschick. Der Bayer Ramsauer verkündet, und dann war es das. - Gegenwehr aus der Landesregierung gleich null.

Das kann es nicht sein. Die Landesregierung bekommt schon wieder nichts gebacken, und leider müssen unsere Betriebe und die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner darunter leiden. Dieses Leiden muss ein Ende haben. Je schneller wir wählen, desto besser, und dann kommt hoffentlich eine ordentliche Landesregierung.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich nun Herrn Abgeordneten Voß das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Herrn Arp auf die Höhe der Zeit zu setzen: Der Planfeststellungsbeschluss für den Nord-OstseeKanal, den Bau der Schleuse liegt mit Datum vom 27. Mai 2010 vor. Es ist schon gesagt worden: Mit dem Ausbau ist im Grunde schon begonnen worden, Gebäude sind abgerissen und Bäume gefällt worden. Also kann sich kein Grüner mehr daran anketten, und - für Ihre schwarzen Jägerfreunde - kein Wildschwein kann sich mehr daran scheuern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe)

Wir müssen einmal ganz genau hingucken, worum es geht. Es geht darum, dass wir im Bundesverkehrswegeplan beim Wasserstraßenausbau bis 2015 insgesamt 7,5 Milliarden € haben, für den Kanal eine gute Viertelmillion €, dann noch einmal 130 Millionen € für den Ostausbau, in den Ausbau des Kanals fließt nur ein Bruchteil der Mittel nach dem Bundesverkehrswegeplan für Wasserstraßen.

Wir haben überhaupt keine Priorisierung in der Bundespolitik. Es gibt keine Priorisierung in der Frage, welches Projekt vornan steht und welches

(Lars Harms)

vornan umgesetzt werden muss. Wir merken ja, wie die Wunschliste abgearbeitet wird. Sie waren in der letzten Woche ein bisschen irritiert. Sie haben gesagt, die Elbe sei auch ganz wichtig. Wir Grüne haben in der letzten Woche ein Gutachten bekommen. Wir haben eine Priorisierung bei den Bundeswasserstraßen machen lassen, aus dem klar hervorgeht: Bundesweit hat der Nord-Ostsee-Kanal absolute Priorität. Ich denke, man hätte sich hier schon lange entsprechend aufstellen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist mehrfach gesagt worden: Es gibt einen massiven Druck durch die Reeder, die sich immer mehr darauf einstellen, mit größeren Containerschiffen bis 8.000 TEU - nach Danzig zu fahren. Das hat entsprechende Auswirkungen auf den Hamburger Hafen und auf die wirtschaftliche Entwicklung hier im Raum.

Um es noch einmal deutlich zu machen, in welchem Zustand der Nord-Ostsee-Kanal beziehungsweise seine Schleusen sind: Heute wurde oft die Kaiserzeit zitiert. Ja, die Schleusen stammen aus dieser Zeit. Im Jahr 2009 war immerhin 82 % des Jahres - etwa 700 Stunden - nur eine der beiden Schleusen einsatzfähig. Im Jahr 2010 hatten wir bereits die Situation, dass die zweite Schleuse über 2.000 Stunden 30 % der Zeit lang nicht einsatzfähig war. Das hatte Auswirkungen auf die Wartezeiten der Schiffe. Es hatte auch die Auswirkung, dass der Nord-Ostsee-Kanal von einigen nicht mehr benutzt wurde.

Wir müssen uns diese Zahlen vor Augen halten, um zu sehen, um welch entscheidendes Großprojekt es hier für uns und für die Ostseeregion, geht. Die Umweltargumente wurden schon mehrfach genannt. Wir haben heute keine Haushaltsdebatte. Nichtsdestotrotz denke ich, dass das, was in der letzten Woche entschieden worden ist, wieder deutlich macht, wo man endet, wenn man wie zu Weihnachten meint, man könne eine beliebige Wunschliste vorlegen, ohne zu sagen, was man vornan braucht und was vornan wirklich entscheidend für die Region ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir keine Priorisierung machen, dann endet das darin, dass wir den Nord-Ostsee-Kanal irgendwann als Binnengewässer haben. Ich denke, da sollten wir nicht hinkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund von Irritationen noch einmal der Hinweis: Sie brauchen sich nicht für einen Dreiminutenbeitrag zu melden, weil Sie in der Aktuellen Stunde fünf Minuten Redezeit haben. Einzelne Redner können auch zweifach oder mehrfach fünf Minuten sprechen. In diesem Sinne gebe ich nun Herrn Abgeordneten Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Aktuelle Stunde heute gerade von den Grünen beantragt wurde, ist schon ein wenig putzig. Wer sich in Hamburg nicht gegen den Ausbau der Elbe einsetzt, der sollte hier den Mund nicht zu voll nehmen. Der geplante ökonomisch und ökologisch widersinnige Ausbau der Elbe verhindert nun den ökologisch und ökonomisch sinnvollen Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch auf CDU, FDP und SPD trifft dieses Argument zu. Wer wie Herr Arp den Ausbau der Elbe für sinnvoll hält, der darf sich nicht wundern, dass kein Geld mehr für Schleswig-Holstein und den Nord-Ostsee-Kanal vorhanden ist. DIE LINKE hat auf ihrer maritimen Konferenz in Wismar am vergangenen Wochenende sinnvolle Alternativen präsentiert. DIE LINKE fordert ein bundesweites Hafenkonzept. Der Ausbau der Elbe ist ein Beispiel dafür, wie Konkurrenz zwischen Häfen Mensch und Natur Nachteile bringt.

Ich bin allerdings noch optimistisch, dass der Ausbau der Elbe nicht wie geplant realisiert wird. Der Ausbau der Elbe verstößt gegen FFH-Richtlinien der EU. Im Planfeststellungsverfahren wurden Alternativen zur Elbvertiefung nur ungenügend geprüft. Weder ein Ausbau des Cuxhavener Hafens noch der in Wilhelmshaven geplante JadeWeserPort spielten im Planfeststellungsverfahren eine Rolle. Zudem ist ein Bedarf in Hamburg nicht gegeben. Schon bei der heutigen Wassertiefe der Elbe sind nur zwei Prozent der Schiffe beim Passieren auf Hochwasser angewiesen, und dies kommt bekanntlich alle zwölf Stunden zurück. So viel Zeit muss bei diesen wenigen Schiffen schon sein, wenn es um den Erhalt eines der wertvollsten Ökosysteme der Erde geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch für das Weltnaturerbe Wattenmeer wären die Auswirkungen einer Elbvertiefung fatal. Schon

(Bernd Voß)

heute muss die Elbe ständig ausgebaggert werden, weil sie mit der Zeit verschlammt. Der Aushub landet im Wattenmeer und führt dort zu einer Störung des einmaligen Ökosystems. Auswirkungen hat der Aushub aus der Elbe übrigens auch auf Friedrichskoog. Dort fürchtet man nun, dass der Hafen endgültig nicht mehr zu retten ist, wenn die Elbe noch weiter ausgebaggert wird. Ich bin aber sehr optimistisch, dass Gerichte der Argumentation von Linken und Umweltverbänden folgen und der Elbvertiefung einen Riegel vorschieben werden.

2012 wird in Wilhelmshaven ein Tiefwasserhafen in Betrieb genommen, der eine Milliarde € an Investitionen verschlungen hat. Wilhelmshaven ist die Alternative zur Elbvertiefung. Hier sollten Verladungen von den großen Frachtschiffen auf Feederschiffe stattfinden. Viele dieser Feederschiffe könnten dann durch den ausgebauten Nord-Ostsee-Kanal fahren. In Hamburg findet bei einer sinnvollen Planung dann nur noch die Verladung auf Landverkehre statt. Auch dies ist übrigens angesichts des wachsenden Welthandels ein Markt, der den Hamburger Hafen ausfüllen wird. Wenn die Bundesregierung ein abgestimmtes Hafenkonzept vorlegen würde, gäbe es beim Ausbau des NordOstsee-Kanals überhaupt keine Probleme. Die 500 Millionen € für die Elbvertiefung würden für die Verbreiterung der Oststrecke des Kanals mehr als ausreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch das fünfte Schleusentor in Brunsbüttel und die Instandsetzung der Levensauer Hochbrücke könnten von den 500 Millionen € für die widersinnige Elbvertiefung finanziert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP, CDU, SPD und vor allem von den Grünen, wirken Sie auf ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde auf Bundesebene und in Hamburg ein. Sorgen Sie mit dafür, dass das einzigartige Ökosystem Elbe erhalten bleibt. Sorgen Sie mit dafür, dass im strukturschwachen Wilhelmshaven Arbeitsplätze entstehen. Entscheiden Sie sich für ein abgestimmtes, ökonomisch und ökologisch vertretbares Verkehrskonzept auf dem Wasser. Der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals wäre dann gar kein Problem mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten sehe ich im Moment nicht. Ich erteile dem Minister für

Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass der bisherige Verlauf der Debatte gezeigt hat, dass wir uns hinsichtlich der Einschätzung der Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals nicht gegenseitig katholisch machen müssen, sondern dass wir - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - alle zusammen der Auffassung sind, dass der Nord-Ostsee-Kanal keine Nebensächlichkeit, sondern ein wirtschaftlicher Lebensnerv für SchleswigHolstein ist, und zwar allein schon aus regionalwirtschaftlichen Gründen.

An dieser Wasserstraße hängen 3.500 Arbeitsplätze. Neben den übergeordneten Umweltaspekten, die auch die Landesregierung teilt, haben wir ein Interesse daran, dass die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit dieser Wasserstraße erhalten bleibt. Auch aus diesem Grund waren wir dafür, dass der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals in der Tat zügiger hätte in Angriff genommen werden müssen, als es jetzt der Fall ist. Die Verschiebung um zwei Jahre bedauert die Landesregierung auch deshalb, weil es zu einem Zeitpunkt, an dem die Schiffsverkehre aufgrund einer Erholung der weltwirtschaftlichen Lage erfreulich wieder ansteigen, mit Sicherheit sinnvoll gewesen wäre, tatsächlich zügig an den Ausbau und damit an die Erhöhung der Leistungsfähigkeit heranzugehen.

Bei aller Einigkeit in dieser Frage darf ich aber darauf hinweisen, dass wir uns in der Bewertung der Frage unterscheiden, in welchem Zusammenhang die Entscheidung über diese Maßnahme zu sehen ist. Ich bin der Auffassung, dass es schwierig ist, die Bundesregierung dafür zu kritisieren, dass sie sagt, dass die seewärtige Anbindung der großen Häfen sehr schnell geschehen muss. Ich sehe mich nicht in der Lage, das zu kritisieren, denn ich halte es für richtig, Hamburg weiter wettbewerbsfähig zu halten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich halte es für richtig, den JadeWeserPort auszubauen,

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

weil ich es für richtig halte, dass wir die große hafengestützte Verkehrsinfrastruktur, die wir in Deutschland haben, auf alle Fälle leistungsfähig

(Björn Thoroe)

halten. Insofern ist mein Kritikpunkt nicht, dass ich sage, ich hätte es besser gefunden, die Elbe nicht zu vertiefen und dafür den Nord-Ostsee-Kanal auszubauen. Mein Kritikpunkt ist, dass ich es für richtig gehalten hätte, aus der Elbvertiefung und aus dem Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals ein Paket zu schnüren, weil beides in der Tat zusammengehört.

(Beifall bei CDU und FDP)

30 % des Umsatzes im Hamburger Hafen sind für den Osten Europas und die Ostseeregion gedacht. Insofern zeigt es sich, dass es auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens und für die Frage, wie diese Feederverkehre stattfinden, sehr wohl darum geht, wie leistungsfähig die Lebensader Nord-Ostsee-Kanal tatsächlich ist. Deshalb sehe ich den Zusammenhang mit der Stärkung der Attraktivität des Hamburger Hafens und damit auch der Elbvertiefung. Dass dieser Zusammenhang jetzt aufgelöst ist, ist in der Tat das, was wir auch gegenüber der Bundesregierung kritisieren. Es ist gesagt worden: Der Ministerpräsident hat in einem Brief sehr eindeutig dazu Stellung genommen.

Wir erwarten, dass die Verschiebung nicht mehr als zwei Jahre umfassen wird. Wir erwarten außerdem, dass die Bundesregierung in der Zwischenzeit nicht tatenlos ist, sondern dass an den Planfeststellungen beispielsweise zur dritten großen Schleuse in Brunsbüttel weitergearbeitet wird.