Protocol of the Session on November 17, 2010

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Heinold sagte gerade eine Rede ohne Einstieg sei schlecht. Deswegen fange ich gleich mit einem ganz entscheidenden Satz an: Der Bau der neuen Schleusenkammer in Brunsbüttel und der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals sind natürlich und selbstverständlich dringend erforderlich.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Christopher Vogt [FDP]: Guter Ein- stieg! - Zuruf des Abgeordneten Peter Eich- städt [SPD])

Investitionen in die Infrastruktur allgemein sind natürlich erforderlich. Nicht nur das Land SchleswigHolstein ist dabei gefordert, sondern natürlich auch der Bund. Die Wichtigkeit des Ausbaus der Bundeswasserstraßen und ihrer Hinterlandanbindungen ist in Berlin verstanden worden - da verweise ich auf den Koalitionsvertrag. Deutschland ist eine Exportnation, und da müssen die infrastrukturellen Bedingungen den globalen Entwicklungen angepasst werden.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass eine wesentliche Aufgabe der Mobilitätspolitik die Vereinbarkeit von Verkehr und Umwelt ist. Wo immer es sinnvoll ist, muss die Verlagerung von Verkehren auf Schiene und Wasserstraße gefördert werden.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Dr. Michael von Abercron [CDU] und Ursu- la Sassen [CDU])

Auch wenn jetzt nicht alle aufmerksam zuhören, sage ich: Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen ist durch eine zügige Optimierung der seewärtigen Zufahrten sicherzustellen. Die dazu notwendigen Fahrrinnenanpassungen müssen nun zügig realisiert werden. Da ist es selbstverständlich, dass die Elbvertiefung eine hohe Prioritätsstufe bekommt. Was man nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass knapp 50.000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein direkt oder indirekt vom Hamburger Hafen abhängen. Zudem steht der Hafen in einem engen und harten Wettbewerb zum Beispiel mit dem Hafen in Rotterdam.

Der Nord-Ostsee-Kanal als Wirtschaftsstandort und wichtige Verkehrsader würde leiden, wenn es mit der Elbvertiefung nicht vorangehen würde. Allerdings - da reflektiere ich auf den Hafen Hamburg und den Wettbewerb zu anderen Häfen - würde es dem Hafenstandort Hamburg schaden, wenn der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals und der Schleusenbau in Brunsbüttel auf die lange Bank gescho

ben werden würde. Für den Handel mit Nordosteuropa ist Hamburg darauf angewiesen, dass Schiffe den Kanal ohne lange Wartezeiten an den Schleusen passieren können. Schon jetzt kommt es vor den Brunsbütteler Schleusen zu Wartezeiten, die den Zeitvorteil der Kanalpassage gegenüber dem Seeweg um Skagen zumindest teilweise aufheben. Die Gefahr ist groß, dass Reedereien zum eben erwähnten Hafen in Rotterdam abwandern und von dort die Route über Skagen gen Ostsee wählen.

Sie sehen: Die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens hängt direkt von der des Nord-OstseeKanals ab. Daher ist es in der Tat fragwürdig, warum nun womöglich Ausbauprojekte wie die Weservertiefung Vorrang bekommen sollten. Der Schiffsverkehr auf dem Kanal hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, insbesondere das Ladungsaufkommen bedingt durch größere Schiffe. Natürlich ist es aufgrund der größer werdenden Schiffe notwendig, Kurven zu begradigen und den Kanal mit einem größeren Tiefgang auszustatten.

Wir haben es schon von dem Kollegen Arp gehört: Während für die Baumaßnahme an der Oststrecke des Kanals das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, ist der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der Schleusenkammer in Brunsbüttel seit dem 1. September 2010 rechtskräftig. Es ist in Brunsbüttel schon einiges an Vorbereitungen getroffen worden - Stichwort: Versorgungsdüker - der wurde gebaut. Es wird momentan mit den vorbereitenden Maßnahmen weitergemacht wie geplant, das war gestern der „Brunsbütteler Zeitung“ zu entnehmen. Im nächsten Jahr stehen dafür 10 Millionen € zur Verfügung. Insgesamt reden wir über eine Investitionssumme von weit über 200 Millionen €. Das ist wirklich eine riesige Investitionssumme am Standort Schleswig-Holstein.

Ein zügiger Schleusenneubau und Kanalausbau und ein klares Bekenntnis seitens des Bundesverkehrsministeriums dazu wären natürlich wünschenswert - auch um den betroffenen Städten und Gemeinden entlang des Kanals Planungssicherheit zu geben. Ganz klar ist: Der Ausbau des Kanals und der Schleusenausbau werden kommen. Das wurde auf Bundesebene nie in Abrede gestellt. Die Notwendigkeit ist erkannt.

Wir sollten weiterhin auf allen Ebenen darauf einwirken - da bitte ich auch die Grünen -, dass das Bauprojekt zügig durchgeführt wird. Ich freue mich, dass die Grünen zu dem Projekt stehen. Es ist in der Tat sehr selten, dass die Grünen für Infrastrukturmaßnahmen sind. In diesem Fall sind sie es.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich weiß Sie auch noch an der Seite der Kanalbefürworter, wenn es irgendwo Proteste geben sollte, meinetwegen unter der Überschrift: „Kanal 20“.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 21!)

Dann weiß ich Sie immer noch an der Seite der Ausbaubefürworter.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Markus Matthießen [CDU])

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! 1777 bis 1784 ist der Vorläuferkanal des Nord-Ostsee-Kanals gebaut worden, der damalige Schleswig-Holstein-Kanal,

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

ab 1848 Eiderkanal genannt - aus gutem Grunde. Zusammen mit der ersten befestigten Straße 1831/32 und der Bahnlinie nach Altona 1844 waren das die drei wichtigsten Infrastrukturprojekte, die das Wohl des Landes auch zukünftig bestimmen sollten. Diese drei Projekte haben die Entwicklung Schleswig-Holsteins nachhaltig beeinflusst. Ich wünschte mir, dass der damalige dänische Mut, der diese drei Projekte hat Wirklichkeit werden lassen, und dass der Geist dieses Mutes auf die Landesregierung überschwappt. Es gibt inzwischen nur noch Weniges, was an diese dänische Zeit erinnert, zum Beispiel hier in Kiel-Holtenau das Kanalpackhaus, Herr Kubicki. Das konnte nur deswegen bewahrt werden, weil die Untere Denkmalschutzbehörde entsprechend eingegriffen hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, nein, nein!)

Ich wünschte mir, dass Sie das auch bei Ihrer zukünftigen Planung zum Denkmalschutz berücksichtigen könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie wir alle wissen, ist im Kaiserreich 1888 - dem Dreikaiserjahr - der Kanalbau begonnen worden. 1895 - vor nunmehr 115 Jahren - ist der Kanalbau beendet worden - damals ein Rüstungsprojekt. Wie

wir alle wissen, hat uns zum Glück der Kaiser verlassen, zum Glück ist der Kanal geblieben.

Kanäle sind - das ist ein Erfahrungswert -, wenn sie gebaut sind, meist schon wieder zu klein, weil sich die technologische Entwicklung schneller vollzieht als der Bau von Kanälen. Das war auch beim Schleswig-Holstein-Kanal und beim Nord-OstseeKanal so. Deswegen ist es an der Zeit, den neuen Notwendigkeiten gerecht zu werden.

Die Geschichte des Kanals zeigt aber auch - so unsere Einschätzung -: Die Eingriffe in die Natur, die mit so einem Bau natürlich verbunden sind, sind nötig, denn letztlich ist die Ökobilanz positiv. Es wird viel Zeit und viel Treibstoff gespart.

Meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht: Der Nord-Ostsee-Kanal ist die meist befahrene Fahrrinne, künstliche Wasserstraße, der Welt - noch vor dem Panamakanal -, zumindest gemessen an den Bruttoregistertonnen, die durch diesen Kanal gehen. 97 % der weltweiten Güterverkehre laufen über das Wasser. Die Verbesserung der Situation auf dem Kanal ist eine wichtige Infrastrukturmaßnahme, um den Transport möglichst umweltschonend zu gestalten. Der letzte Donnerstag war ein schwarzer Tag für Schleswig-Holstein. An diesem Tag hat der Staatssekretär Ferlemann - er wurde hier schon genannt - den Bundesverkehrswegeplan in Berlin vorgestellt.

Ein schwarzer Tag für Schleswig-Holstein. Warum? - Aus zwei Gründen. Zum einen wegen der realitätsfernen volkswirtschaftlichen Berechnung von Kosten und Nutzen bei der festen Fehmarnbelt-Querung und zum anderen wegen der Priorisierung beim Ausbau der Schifffahrtstraßen zulasten des Nord-Ostsee-Kanals. Der Ausbau von Elbe und Weser soll dem Ausbau des Nord-OstseeKanals vorgezogen werden - aus verkehrs- und umweltpolitischen Gründen völlig verfehlt, völlig verantwortungslos. Passend nur, dass dieser Staatssekretär Ferlemann auf Veranstaltungen immer wieder ausgiebig gegen Umweltschützer und Naturfreunde Position bezieht.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Planungen zum Ausbau des Kanals verzögern. Die Planungen zum Ausbau des Kanals begannen schon 2003. Im Jahr 2005 gingen Planungen davon aus, dass wir 2009 endlich zum Ausbau kämen. Auch die Große Koalition unter Beteiligung der SPD hat es hier im Land nicht geschafft, in Berlin genügend für den Ausbau des Kanals zu werben. Dies setzt sich nun leider fort.

(Oliver Kumbartzky)

Noch im Oktober dieses Jahres veröffentlichte der Bund ein Papier, das den Baubeginn Ende 2010 anpeilte. Nun ist dies alles Makulatur. Auch der sogenannte Brandbrief des Ministerpräsidenten wird daran wohl nichts mehr ändern. Mich würde einmal interessieren, ob es darauf schon eine Antwort gibt.

Übrigens wurden schon Häuser für den Kanalausbau im östlichen Teil abgerissen. Seltene Tiere Herr Arp und Frau Heinold, Sie haben vorhin über die Kreuzotter geredet - werden schon umgesetzt. Alles umsonst, nein, nicht umsonst, denn das alles kostet richtig Geld. Das ist wirklich ein Schildbürgerstreich, den uns Berlin hier vorführt, dass der Kanalausbau nicht weiter gefördert wird.

(Beifall bei der LINKEN – Unruhe)

Nach dem notwendigen Ausbau könnte der Kanal noch erfolgreicher sein. Nach der Verbreiterung auf durchgehend 70 m wäre der Kanal für Schiffe von bis zu 280 m Länge passierbar. Bisher ist bei 235 m Länge Schluss. Auch Staus und damit langen Wartezeiten wäre durch den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals ein Ende gesetzt. Verkehrsvermeidung ist ein Grundpfeiler der linken Energie- und Verkehrspolitik. Dazu gehört auch die Abkürzung von Fahrstrecken. Deshalb brauchen wir den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals.

(Beifall bei der LINKEN – Unruhe)

Letzter Donnerstag - ich habe es gesagt - war ein schwarzer Tag für Schleswig-Holstein. Schuld ist die Bundesregierung in Berlin, aber auch Sie von der Landesregierung sind nicht unbeteiligt. Machen Sie endlich Druck, machen Sie Druck in Berlin! DIE LINKE wird sich weiter konsequent für den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals einsetzen und für eine sinnvolle Verkehrsplanung auf Bundesund Landesebene streiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines gleich vorausgeschickt: Natürlich ist die Verzögerung beim Nord-Ostsee-Kanal nicht akzeptabel. Wir haben schon einen langen Planungsvorlauf gehabt. Der Prozess wird jetzt wahrscheinlich um zehn weitere Jahre verlängert. Wir werden frühestens 2020 mit der ganzen Maßnahme fertig

sein, möglicherweise sogar noch später, je nachdem, wie sich die Politik auf Bundesebene entwickelt und welche Projekte da sonst noch auftauchen, die den Nord-Ostsee-Kanal weiter nach hinten werfen.

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht, dass wir uns hinstellen und bestimmte Projekte gegeneinander ausspielen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Über die Elbvertiefung kann man sich streiten. Ich glaube aber auch, dass wir als Schleswig-Holsteiner ganz bestimmte Interessen haben. Die haben etwas mit Natur- und Umweltschutz zu tun, die haben etwas mit Ausgleichsmaßnahmen zu tun, die haben etwas damit zu tun, dass die Häfen in Schleswig-Holstein, die an der Elbe liegen, nicht versanden, dass sie weiter nutzbar sind, dass wir ein Konzept entwickeln, wie wir unsere Häfen nutzen können. Diese Fragestellung ist wesentlich wichtiger.

Wenn wir schon darüber reden, müssen wir ehrlicherweise auch über den JadeWester-Port reden, dann müssen wir darüber reden, dass wir in Norddeutschland mindestens so gut aufgestellt sein müssen, wie man es in den Niederlanden mit dem Hafen Rotterdam ist. Das ist die Konkurrenz, die sich uns stellt. Da können auch wir uns als SchleswigHolsteiner nicht gegen den Jade Weser Port stellen. Dieser Hafen wird auch Arbeitsplätze für Schleswig-Holsteiner schaffen, und von ihm werden auch schleswig-holsteinische Unternehmen profitieren.

Meine Damen und Herren, es rächt sich jetzt, dass wir bei der Hafenwirtschaft keine institutionalisierte Zusammenarbeit haben. Ich möchte daran erinnern, dass der SSW in der letzten Wahlperiode einen entsprechenden Antrag gestellt und gefordert hat: Wir müssen das Ganze als Ganzes betrachten, und wir müssen uns gemeinsam für unsere Projekte einsetzen. Wenn wir Norddeutschen es nicht hinbekommen, gegenüber den Süddeutschen als einheitliche Größe aufzutreten, dann fallen wir hinten runter. Deshalb bedarf es einer institutionalisierten Zusammenarbeit.

Dies ist damals von der schwarz-roten Mehrheit, aber auch von anderen in diesem Hause abgelehnt worden. Ich glaube, das war falsch. Es rächt sich jetzt, dass wir nicht so stark sind mit unserer Stimme wie andere, die eine institutionalisierte Zusammenarbeit längst haben. Wir müssen gemeinsam für den Hafen- und Wasserstraßenausbau streiten. Wir müssen eine gemeinsame Betriebsführung und Vermarktung haben, und wir müssen uns gemeinsam für die entsprechenden Hinterlandanbindungen aussprechen - nicht nur, wenn es um Straßen

(Ulrich Schippels)

oder Schienen geht, sondern auch, wenn es um den Nord-Ostsee-Kanal geht, der letztendlich keine andere Funktion hat, als eine Verbindung zu unseren Häfen zu sein.

Da liegt der Hase im Pfeffer, dass wir das nicht geschafft haben. Da war bei uns alles Fehlanzeige. Darin sehe ich auch das Versagen der Landesregierung, dass man hier nicht den Mut gehabt hat, den ersten Schritt zu tun, mit den anderen Regierungen ins Gespräch zu kommen. Das führt dazu, dass Süddeutschland besser aufgestellt ist, vor allem dann, wenn der Bundesverkehrsminister jemand ist, der aus Bayern kommt. Da muss man besonders hellhörig sein und besonders gut zusammenarbeiten.

Wir haben außerdem auf das falsche Pferd gesetzt. Die Fehmarnbelt-Querung kostet uns nicht nur 800 Millionen bis 900 Millionen € für die Hinterlandanbindung, sondern mindestens 1,7 Milliarden €, wenn nicht sogar mehr. Dass man sich dann in Berlin hinsetzt und ausrechnet, welche Projekte wegfallen könnten, und natürlich auf die Region kommt, die aus Sicht der Berliner davon profitiert, dass sie 1,7 Milliarden € kriegt, ist doch logisch. Es wäre doch kindisch, wenn man denken würde, dass da keiner versucht, an das Geld heranzugehen.

Wir haben in der letzten Landtagstagung darüber gesprochen, dass uns einige Straßenverbindungen abhandenkommen, dass Finanzierungen hinausgeschoben werden, unter anderem für die A 20, aber auch die Finanzierung von Bundesstraßen schwieriger wird. Wir reden jetzt über Wasserstraßen und die wichtigste Wasserstraße im nordeuropäischen Raum, nämlich den Nord-Ostsee-Kanal. In der nächsten Tagung reden wir möglicherweise über Schienenverbindungen, die wir nicht mehr hinbekommen.