Das setzt sich fort in der Willkür der Entscheidungen darüber, welche Teile der ermittelten EVS für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger regelsatzrelevant sein sollen und welche nicht, welche also abgezogen werden können. Dieses Vorgehen, ein Vorgehen mit dem erhobenen Zeigefinger, ist ein Rückfall in die moralisch zweifelhafte wie knochenharte Wohlfahrtspädagogik des 19. Jahrhunderts, die Sie, Herr von Boetticher, hier haben hochleben lassen. Der arme Mensch, soweit er statistisch zu erfassen ist, säuft, raucht und gibt sich Glücksspielen hin. So zumindest scheint das Weltbild der Bundesregierung und auch dieser Landesregierung gestrickt zu sein. Da kann es ja nicht angehen, dass der Steuerzahler den Hartz-IV-Bedürftigen auch noch Bier, Tabak, Lottoschein, Currywurst und Pommes zahlen soll. Also weg mit diesen Beträgen, sonst kommen die demnächst auch noch mit Bordellbesuchen.
Dazu passt dann auch die Forderung des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber, die Regelsätze für Gartenbesitzer zu kürzen, weil die doch schließlich Obst und Gemüse aus eigener Ernte für ihren Lebensunterhalt ziehen. Das Ganze ist ziemlich lächerlich.
Was die Bundesministerin für Arbeit und Soziales hier treibt, ist ein schmutziges und unredliches Geschäft. Hier geht es nicht um Sozialpolitik, sondern um Armutsverwaltung nach Kassenlage. Was die Bundesministerin hier vorgelegt hat, ist nicht die Gewährung, sondern die vorsätzliche und fortgesetzte Verweigerung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
DIE LINKE fordert daher die Landesregierung auf, im Bundesrat ein offenliegendes und nachprüfbares Verfahren für die Ermittlung der Regelsätze einzufordern. Machen Sie sich nicht weiterhin zum Komplizen eines vorsätzlichen Verfassungsbruchs!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Herr Kollege Baasch, wenn Sie von Gefährdung des sozialen Friedens und von Beleidigung durch die Bundesregierung sprechen, dann beleidigen Sie doch eigentlich ausschließlich die von SPD und Grünen selbst konzipierte Gesetzgebung Hartz IV. Sie beleidigen sich damit selbst. Diese Wortwahl finde ich fast entsetzlich. Es ist ein starkes Stück Unredlichkeit, was man lange Zeit hier so nicht erlebt hat. Man muss zu seiner eigenen Geschichte stehen.
Die Redezeiten in dieser Debatte sind kurz, weshalb ich nur einige Stichworte nennen möchte, die mir wichtig sind. Natürlich machen wir im Jahre 2010 Politik nach Kassenlage. Wer eine Schuldenbremse beschließt und angesichts der Verschuldung sieht, dass es so nicht mehr weitergehen kann, muss jedes politische Handeln auch von der Kassenlage abhängig machen. Es geht gar nicht anders!
Eine Erhöhung um 5 € erscheint auf den ersten Blick vielleicht wenig. Aber man kann doch die Debatte nur insgesamt sehen: 350 €, die Mieten, Nebenkosten, Heizkosten werden übernommen, 620 Millionen € direkte Sachleistungen für Kinder, die Unterstützung in besonderen Situationen. Das heißt, eine Familie mit zwei Kindern bekommt 1.861 € netto. Und ein Dachdecker, verheiratet und ohne Kinder, verdient 2.070 €. Hiervon muss man 770 € für Abzüge und Steuern abziehen. Die HartzIV-Regelungen stellen natürlich keinen Verstoß gegen die Menschenwürde dar. Das ist eine völlig danebenjustierte Diskussion. Ich halte die gezielte Unterstützung für Bildung, Kinder und soziale Integration für den richtigen Weg.
Der Wettbewerb an Forderungen nach dem Motto „Wer zahlt mehr?“, ist nicht schwer, aber muss bezahlt werden. Dazu ist hier vieles vorgetragen worden. In der DDR gab es kein Hartz IV. Da haben die Betriebe für diejenigen, die nicht so mitkamen, mitbezahlt. Das war die Situation. Die Betriebe bei uns stehen jedoch unter einem Kostendruck, sodass sie dieses nicht mehr mitmachen. Deswegen kommen wir um diese Debatte nicht herum.
Dann kommt der nächste Punkt: Ich finde es schade, wie diese wertvolle Debatte von einigen Beiträgen in ein untunliches Licht gesetzt wurde. Man muss doch die Debatte insgesamt sehen. „Fordern und Fördern“, das ist der Leitsatz seit 2005. Die Ergebnisse sind jedenfalls so, dass man sich vor ihnen nicht verstecken muss. Die Zahl der Arbeitslosen ist von 180.000 auf unter 100.000 in SchleswigHolstein gesunken. Dies hat auch etwas mit dieser Diskussion zu tun, meine Damen und Herren.
Der Abstand zu den arbeitenden Menschen ist wichtig. Das darf aber auch nicht zu einer beliebigen Entwicklung führen. Sie wissen, ich gehöre zu denen, die eine Mindestentlohnung für richtig ansehen. Wir können nicht nur nach unten wegdrücken. So etwas kann es in einer solidarischen Gesellschaft nicht geben.
Auch die CDU Schleswig-Holstein hat 2007 beschlossen - ich wiederhole dieses gern -: Jeder, der arbeitet, soll von seiner Arbeit leben können.
Meine Damen und Herren, ich will das Bild „Alles ist gut“ ausdrücklich nicht malen. Es ist nicht alles gut. Der DGB hat mir vor der Debatte einige Zahlen gegeben. Man sieht, dass die Debatten aufmerksam verfolgt werden. Ich gebe die Zahlen gern wider: ein Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Schleswig-Holstein um 6 %, die Zunahme der Teilzeitbeschäftigten um über 30 % und eine Zunahme der Leiharbeit. Diese Dinge müssen wir bei dieser Diskussion im Auge haben. Auch dies gehört zur Diskussion.
Wir haben weiterhin viele soziale Probleme und viele Klagen bezüglich Hartz IV. Ich glaube, dass durch die jetzige Regelung die Anzahl der Klagen abnehmen wird, weil mehr Klarheit bei den Berechnungen besteht. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Betroffenen, die gern aus Hartz IV heraus möchten, aber aufgrund der tatsächlichen Situation relativ wenig Chancen dazu haben. Auch dies gehört zu der Diskussion.
Herr Präsident, ich habe noch eine Redezeit von zwei bis drei Sekunden und vielleicht einen kleinen Zuschlag.
Es ist einiges erreicht worden. Wichtig ist, dass die Hartz-IV-Regelungen nicht zu einer Ausgrenzung der Menschen, nicht zu einer Stigmatisierung geführt haben. Wir sollten nachhaltiger daran arbeiten, dass die Hartz-IV-Betroffenen sich genauso als Menschen wie wir fühlen, nämlich mit Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Daran sollten wir miteinander arbeiten.
In dieser Hinsicht ist aus meiner Sicht Gott sei Dank eine Menge erreicht worden. Ich finde es schlimm, wenn gerade Kinder ausgegrenzt werden, weil die Eltern kein Geld haben und sich einiges nicht leisten können. Ich bin da voll auf der Seite derer, die das so sehen.
Meine letzte Bemerkung: Hartz IV wird vor allem als ein Finanzsystem wahrgenommen. Es ist eigentlich ein Prozess der Integration, des Abbaus von Erschwernissen, des Förderns des menschlichen Miteinanders. Es ist ein schlechter Name für eine gut gemeinte Sache. Das Optimale wäre, Hartz IV würde sich auf Dauer selbst weitgehend überflüssig machen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reaktionen der Oppositionsparteien sind wirklich erstaunlich, auch wenn sie eigentlich vorhersehbar waren. Wenn man einige Reaktionen, gerade von Mitgliedern der SPD und der Grünen ich denke da zum Beispiel an Kurt Beck und auch an Renate Künast - anschaut, dann hat man irgendwie den Eindruck - wenn man das isoliert betrachtet - als hätten wir den Sozialstaat abgeschafft. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man sich anschaut, was die Bundesregierung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil an Änderungen vorgeschlagen hat.
Zukünftig soll es schließlich mehr Geld als bisher geben, auch mehr, als SPD-Regierungen den Menschen gewährt haben. Dieser heftige Widerspruch wir haben es vorhin auch schon gehört -, ist eigentlich nur mit einem schlechten Gewissen zu begründen.
- Es mag ja sein, dass Sie das so sehen, aber aus meiner Sicht müssen Sie ein schlechtes Gewissen haben. Die SPD hat bis zum letzten Jahr mitregiert. Wenn Sie nun auf einmal fordern, der Hartz-IV-Regelsatz müsse massiv erhöht werden, frage ich mich, warum Sie das nicht schon vorher getan haben.
Es ist wieder die bereits bekannte Vergangenheitsbewältigung, die Sie hier durchführen. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass es die schwarz-gelbe Bundesregierung war, die das sogenannte Schonvermögen verdreifacht hat. Auch da hat die SPD unfaire Sachen beschlossen, auch da haben Sie Fehler gemacht.
Auch das hat die schwarz-gelbe Bundesregierung behoben. Wir finden es nach wie vor richtig, weil das für mehr Fairness sorgt. Derjenige, der lange gearbeitet hat, muss auch für sich selbst vorsorgen dürfen.
Herr Stegner, ein bisschen mehr Demut wäre schön. Ich muss ganz ehrlich sagen, Ihr Redebeitrag war wirklich erstaunlich. Ich bin 1984 geboren worden. Seit 1988 ist Ihre Partei in Schleswig-Holstein in der Verantwortung gewesen. Wo sind denn diese Betreuungsplätze, die Sie angesprochen haben? Wo ist das denn alles?
Was haben Sie 21 Jahre lang gemacht, außer Schulden anzuhäufen? Wo ist denn das? Sie waren Finanzminister: Wo sind denn die ganzen Sachen? Warum haben Sie während Ihrer Regierungszeit all diese Sachen nicht gewährt? Da waren Sie ja ein hammerharter Finanzminister.