Protocol of the Session on September 10, 2010

(Lars Harms [SSW]: Wir haben gelernt!)

Mir wäre der Antrag ein bisschen peinlich, wenn ich als FDP da so zitiert wäre.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Die verfassungsrechtliche Befugnis zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gemäß Artikel 18 ermöglicht eben gerade dem Parlament und den Abgeordneten aller Fraktionen, eigenverantwortlich die Aufklärung von Missständen im staatlichen Bereich durchzuführen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Spoorendonk?

Frau Kollegin, dass mit den Peinlichkeiten verteilt sich immer, insofern sehe ich das relativ gelassen.

(Heiterkeit)

Aber nehmen auch Sie bitte zur Kenntnis, dass wir mit unserem Antrag auf das Untersuchungsausschussgesetz des Bundes verweisen. Ich hoffe, dass Sie in Ihrem Redebeitrag noch kurz darauf eingehen werden.

- Das brauche ich deshalb nicht, weil ich grundsätzlich anderer Meinung bin als Sie in Ihrem Antrag. Das möchte ich gern fortführen. Im Vordergrund steht nämlich dabei ganz ausdrücklich die politische Auseinandersetzung und nicht die objektive Wahrheitsfindung - so ebenfalls die Kommentierung zur Landesverfassung.

Das tun wir auch gerade im jetzigen Ausschuss. Ich würde auch gern darauf eingehen, dass wir - die Ausschussmitglieder - zurzeit übrigens in großer Übereinstimmung in vielen Fällen, was ich hier noch einmal ausdrücklich begrüße und als sehr po

sitiv empfinde, zum Beispiel über die Reihenfolge der Zeugenanhörung entschieden. Wir, die Abgeordneten, sind direkt dabei, wenn sich Zeugen und Betroffene vor dem Untersuchungsausschuss als sachkundig und vorbereitet oder als komplettes Gegenteil entpuppen. Wir, die Abgeordneten, können sofort unsere Schlüsse daraus ziehen und dies - völlig legitim - auch als politisches Instrument benutzen.

Wie sollte das nun bei einer sogenannten unabhängigen Richteruntersuchung gehen? Zunächst einmal müssen Richter vorhanden sein, Richter, die sofort bereitstehen, diese Zeugenvernehmungen vorzunehmen, Richter, die also anscheinend nichts anderes zu tun haben, als darauf zu warten, etwas zu tun zu bekommen. Mir ist nicht bekannt, dass das bei irgendeinem Gericht in Schleswig-Holstein zurzeit der Fall ist.

Wir könnten natürlich auch weitere Richter einstellen. Im Zusammenhang mit der Idee verweise ich auf die beeindruckende Diskussion über den Haushalt am Mittwoch. Es ist ja richtig, dass manche Sachverhalte, die noch dazu länger zurückliegen, schwer aufzuklären sind. Aber fragen Sie einmal die Staatsanwälte und die Richter! - Die haben das gleiche Problem. Mit Erinnerungslücken von Zeugen, Schwierigkeiten bei der Beschaffung von relevanten Unterlagen und riesigen Aktenbergen haben naturgemäß alle zu kämpfen, die sich um Sachverhaltsaufklärung - welcher Art auch immer - bemühen.

Im Übrigen weise ich auf das hin, was von Herrn Kalinka gesagt worden ist: In der Tat hat man bei unserem Untersuchungsausschussgesetz damals schon daran gedacht, dass man vielleicht etwas vereinfachen könnte. Da gebe ich Ihnen durchaus Recht. Wir können für einzelne Bereiche Unterausschüsse einrichten. Ich finde, wir sollten in der Tat einmal darüber diskutieren, nicht nur im Innenund Rechtsausschuss, sondern vielleicht auch direkt im Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Beifall der Abgeordneten Peter Eich- städt [SPD] und Jürgen Weber [SPD])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Thorsten Fürter das Wort.

(Ingrid Brand-Hückstädt)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde darauf hingewiesen: Die heutige Debatte wurde an dieser Stelle inhaltsgleich schon einmal Anfang 2004 geführt. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich sehe nicht, warum der heutige, im Vergleich zu damals nur leicht modifizierte Antrag des SSW Zustimmung finden sollte.

Der SSW nennt drei Ziele, die mit seinem Antrag erreicht werden sollen: Erstens. Eine Beschleunigung des Verfahrens. Zweitens. Eine Steigerung der Effizienz des Verfahrens. Drittens. Eine Entpolitisierung des Verfahrens. Das klingt zugegebenermaßen zunächst einmal nicht schlecht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Antrag des SSW auch heute nicht überzeugt.

Ich will das im Einzelnen an den drei genannten Zielsetzungen verdeutlichen: Erstens. Der SSW ist der Meinung, die Untersuchung würde erheblich beschleunigt, wenn man nur Richtern die Beweisaufnahme überlassen würde. Ich halte das für sehr zweifelhaft. Was hat denn bislang in dem Untersuchungsausschuss, der aktuell tagt, zu den vereinzelten Verzögerungen geführt? - Es war doch nicht etwa, dass wir als Ausschussmitglieder keine Zeit für die Beweisaufnahme gefunden hätten. Wir sitzen jeden Montag dort gemeinsam und tagen. Nein, Grund und Ursache der vereinzelten Verzögerungen war, dass der Ausschuss die angeforderten Unterlagen nur schleppend und zum Teil erst nach der Androhung von rechtlichen Schritten bekommen hat. Die Fraktionen erhalten erst jetzt die letzten 30 Aktenordner zur Auswertung ausgehändigt. Diese Akten wären auch nicht früher eingetroffen, wenn Richter an der Untersuchung beteiligt wären. Den Gesetzen der Logik folgend, kann auch ein Richter Akten erst dann auswerten, wenn sie ihm vorgelegt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte es nicht für richtig, aus der Arbeit des aktuellen PUA eine besondere Reformbedürftigkeit herzuleiten. Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank übernimmt eine Aufklärungsarbeit, an der die Gesellschaft ein immenses Interesse hat. Der Ausschuss bearbeitet eine Vielzahl von Fragen und eine hochkomplizierte Materie. Wenn er seinen Bericht - wie es sich derzeit abzeichnet - in etwa zur Jahreswende vorlegen wird, dann können wir mit Fug und Recht sagen, dass hier in einem angemessenen Zeitrahmen gearbeitet wurde. Ich war viele Jahre in Berlin und Lübeck in Wirtschaftsstrafkammern tätig. Wer

glaubt, Gerichte könnten bei streitigen und komplexen Verhandlungen kurzen Prozess machen, der sollte sich einmal mit solchen Richtern in Kiel und in Lübeck unterhalten.

Zweitens. Auch dass der SSW-Vorschlag zu einer wesentlichen Effizienzsteigerung führen könnte, steht nach meinem Dafürhalten nicht zu erwarten. Sicherlich würden die Abgeordneten selbst nach dem SSW-Vorschlag von der Beweisaufnahme befreit werden. Aber zu sagen, der PUA halte die Abgeordneten davon ab, sinnvolleren Tätigkeiten nachzugehen, die Arbeit sollten besser Richter machen, wie das sinngemäß in einer Presseerklärung der Fall war, halte ich für unangebracht.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ingrid Brand-Hückstädt [FDP])

Sinnvolle Tätigkeiten werden nicht nur hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag wahrgenommen, sondern auch in der Justiz. Die Richter, die diese Beweisaufnahme nach dem Vorschlag des SSW durchführen müssen, fehlen für andere Aufgaben. Sie fehlen bei der Verfolgung von Strafverfahren oder auch von Wirtschaftsstrafverfahren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt der dritte Wunsch übrig, der mit dem Antrag verbunden ist, nämlich dass die Aufklärung des Sachverhalts entpolitisiert werden soll. Um es klar zu sagen: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gehören zur politischen Kultur in Deutschland. Sie müssen deshalb politisch sein. Wir wollen, dass dies so bleibt. Ein Untersuchungsausschuss ist eben kein Gericht. Das gilt auch für die Verfahrensgestaltung. Zum parlamentarischen Kontrollrecht gehört untrennbar die Möglichkeit, Einfluss auf den Ablauf des Verfahrens nehmen zu können. Mit dem zur Abstimmung stehenden Vorschlag werden deshalb die parlamentarischen Kontrollrechte beschnitten. Dem kann die grüne Landtagsfraktion nicht zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtiger wäre aus unserer Sicht, Erkenntnisse aus dem aktuellen PUA hier im Landtag umzusetzen. Wir sollten in unserer Verfassung den Weg für länderübergreifende Untersuchungsausschüsse freimachen. Die Parlamente hinken hier der Entwicklung im Bereich der Exekutive meilenweit hinterher. Der aktuelle Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank ist im Prinzip das perfekte Beispiel dafür. Warum brauchen wir hier zwei Untersuchungsausschüsse?

Wir müssen uns auch die Qualität von Aufsichtsräten ansehen, die staatliche und kommunale Unternehmen beaufsichtigen. Sie können davon ausgehen, dass wir Konsequenzen aus den Erkenntnissen im Untersuchungsausschuss schon recht bald in das parlamentarische Verfahren einspeisen werden. Ich will es nicht wieder erleben, dass sich Aufsichtsräte dann, wenn es schiefgeht, im Untersuchungsausschuss auf ihre mangelnde Ausbildung berufen.

Ich denke, das sind Debatten, die wir führen sollten. Das sind Erfolge des aktuellen PUA, und das sind Konsequenzen, die gezogen werden. Diese Debatten sollten wir führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW sieht in unabhängigen Richteruntersuchungen eine effektive und effiziente Alternative zur Beweiserhebung der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Dem soll hier von mir wie von anderen auch - entschieden widersprochen werden. Richtig ist, dass das Parlament ein Instrumentarium zur Untersuchung politischer Sachverhalte ist, das gebraucht wird. Dies ist der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. In der Vergangenheit hat dieses Instrument des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auch in Schleswig-Holstein dazu geführt, Missstände aufzuklären; genau so, wie es als Ziel in der Verfassung formuliert ist.

Der Abgeordnete Lars Harms schiebt jetzt noch einen nicht vorgesehenen Anspruch hinterher. Es soll schnell und effektiv gearbeitet werden. Warum muss es schnell gehen, Herr Kollege Harms? - Ist nicht Sorgfalt viel wichtiger?

(Beifall bei der LINKEN)

Warum ist Effektivität wichtig? - Ist nicht die politische Belastbarkeit, die aus robusten Erkenntnissen kommt, viel bedeutender? - Schon die Zielstellung des SSW hinsichtlich des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterscheidet sich von unseren Vorstellungen. Wir halten Sorgfalt und politische Belastbarkeit für bedeutender als Schnelligkeit und Effektivität.

Bedrückend ist in meinen Augen aber vor allen Dingen der folgende in der Begründung nachzule

sende Satz. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

„Die Nutzung von Richtern als Ermittlungsbeauftragte für die Beweiserhebung könnte die Aufklärung von Sachverhalten entpolitisieren.“

Herr Harms, ich bitte Sie. Warum sollte sich ein politischer Untersuchungsausschuss entpolitisieren? Das kann doch nicht wirklich ihr ernst sein. Selbstverständlich ist ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss immer auch ein Feld der politischen Auseinandersetzung, die über Sachfragen ausgetragen wird.

Das gilt übrigens auch für die Richterernennung. Ich möchte Sie ernsthaft bitten, diese Haltung noch einmal zu überdenken. Sie befördern die Entpolitisierung des Politischen, und das ist nichts anderes als die Zerstörung des Politischen als Kapazität, gemeinsame und bindende Entscheidungen zu treffen.

Selbst wenn man Ihre Ziele teilen würde, bleibt die Frage, ob ein Richterausschuss das richtige Instrument darstellt, um dieses Ziel zu erreichen. Unseres Erachtens werden diese Ziele durch Ihr Vorhaben nicht erreicht werden. Wenn Sie zurückdenken, reflektieren und auch aktuell beobachten, wie schwer sich die Justiz mit der Bearbeitung von Straftatbeständen im Zusammenhang mit dem Fast-Zusammenbruch des Bankensystems tut, so gibt es keineswegs Anlass zu der Hoffnung, dass Richter schneller oder effektiver die Akten der HSH Nordbank lesen würden, wenn sie an sie herankämen.

Bei den Staatsanwaltschaften musste erst wochenlang geschult werden, um überhaupt kompetentes Personal stellen zu können. Zusätzlich haben Richter das Problem, das ihnen dann zugemutet würde, zwischen rechtlicher und politischer Würdigung unterscheiden zu müssen. Dies dürfte zu einer weit größeren Überforderung führen, als sie jetzt bei Abgeordneten vorliegt, die wir uns in komplexe Materien einzuarbeiten haben.

Ich kann Sie ein wenig verstehen. Wir beide sind im HSH Untersuchungsausschuss. In der Tat ist die ernsthafte Arbeit dort mit einem hohen und mit einem bisweilen auch sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden. Es ist aber unsere Pflicht und Schuldigkeit, diese Aufklärung mit ganzer Kraft voranzutragen. Das ist unser Job, dafür wurden wir gewählt. Entpolitisieren Sie nicht die parlamentarische Tätigkeit. Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Thorsten Fürter)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten Vorredner haben sich sehr intensiv und doch sehr abgewogen geäußert. Das, was der Kollege Schippels gesagt hat, will ich so nicht stehen lassen. Es geht uns nicht darum, einen Ausschuss zu entpolitisieren.