Protocol of the Session on July 9, 2010

Die Bilderkennung befindet sich bei Google gerade in der Pilotphase. Wer eine Weinflasche oder ein T-Shirt fotografiert, kann mit dem entsprechenden Betriebssystem Android bei Google erfahren, wie viel das Produkt kostet und wo es sich gerade im Sonderangebot befindet. Das ist zwar ziemlich hype, aber dieses System erkennt auch Gesichter wieder. Aus Zeitgründen überlasse ich es Ihrer Fantasie, was das für Folgen haben könnte.

Die Beispiele zeigen, dass Handeln geboten ist. Der Gesetzgeber muss tätig werden und folgende Frage beantworten: Welche Informationen dürfen Onlinedienste und Suchmaschinen sammeln und weltweit ins Netz stellen?

Da zurzeit völlig unklar ist, was erlaubt beziehungsweise verboten ist, und weder das Datenschutzgesetz noch das Telekommunikationsgesetz klare Regelungen vorsehen, ist die Hamburger Bundesratsinitiative sehr zu begrüßen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Professor Caspar,

der für Google zuständig ist, weil die Deutschlandzentrale von Google in Hamburg ist, will mit dem Hamburger Vorstoß aber nicht nur die Verbraucher schützen, sondern auch Google Rechtssicherheit geben. Es soll nicht verhindert werden, etwas öffentlich zu zeigen, sondern es sollen vor allem Verfahrensregelungen zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts aufgestellt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Verpixelung und Unkenntlichmachung von Gesichtern, Widerspruchsmöglichkeit und die Löschung der Rohdaten.

Dieses Anliegen soll mit unserem Antrag ausdrücklich unterstützt werden. Darüber hinaus möchten die Regierungsparteien klarmachen, dass eine gewerbsmäßige Verwendung, also das Verkaufen von persönlichen Daten, Bildern und so weiter der Zustimmung der Betroffenen bedarf. Eine gesetzliche Grundlage bietet den Verbrauchern und auch den Onlineanbietern mehr Rechtssicherheit als die bisherigen Vereinbarungen. Der Rechtssicherheit dienen auch - bisher nicht vorhandene - strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionstatbestände bei Missachtung. Der entsprechende Hinweis in unserem Antrag fehlt in allen anderen Anträgen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch klarstellen, dass eines nicht passieren darf: Die Anwendung moderner Technik darf in Deutschland nicht so weit erschwert werden, dass wir plötzlich das Nirwana in der digitalen globalen Welt sind und in einem schwarzen Loch verschwinden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb sind internationale Abkommen erforderlich, die einen Mindeststandard bei der Gewährung des Datenschutzes im Internet verbindlich machen. Wir haben das Internet alle gemeinsam geschaffen. Insofern wird es weltweit auch möglich sein müssen, gemeinsame Regelungen in der hier angesprochenen Hinsicht zu finden. Ich zitiere Herrn Professor Caspar:

„Das Internet ist global. Unsere nationalen Rechtsvorschriften sind es nicht.“

Eine letzte Anmerkung: Der beste Datenschützer ist der Verbraucher selbst, der nicht hemmungslos alles über sich ins Netz stellt.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Nun hat Herr Kollege Thorsten Fürter von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Menschen waren schockiert, als kürzlich bekannt wurde, dass Google mit seinen Street-View-Fahrzeugen nicht nur Fotos von Straßenzügen gemacht hat, sondern auch Daten privater Funknetze und sogar die Inhalte von Kommunikationen gespeichert hat. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Google damit die Grenzen des rechtlich Zulässigen weit überschritten hat. Google ist leider dabei, seinen eigenen Ruf zu zerstören, wenn das Unternehmen weiter den Datenschutz so gravierend missachtet.

Ich bin überhaupt kein Freund eines undifferenzierten Google-Bashings. Aber Nachhilfestunden in Sachen Datenschutz hat Google offenbar dringend nötig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke schön.

Diese Handlungen bedeuten neue Herausforderungen an den Staat. Hier muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen und das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung geschützt werden. Wir begrüßen daher grundsätzlich die Initiative der Regierungsfraktionen, entsprechende Regelungen über den Bundesrat auf den Weg zu bringen, wobei ich mir die Bemerkung nicht verkneifen kann, dass die Zeit diesen Antrag überholt haben dürfte. Wenn mich mein Handy nicht belügt, hat sich der Bundesrat heute mit diesem Thema abschließend befasst, sodass ein Appell an das Verhalten der Landesregierung wahrscheinlich zu spät kommen dürfte.

Der Antrag geht allerdings - deswegen haben wir einen Alternativantrag gestellt in mehreren Aspekten am Kern vorbei. Zunächst fehlte uns das klare Bekenntnis, dass der Entwurf, den mein Freund Till Steffen aus Hamburg für die schwarzgrüne Koalition vorgelegt hat, im Bundesrat zu unterstützen ist. Wir halten da eine Unterstützung dieser Änderung für richtig.

Der Entwurf, der von Hamburg vorgelegt wurde, enthält eine ganze Reihe substanzieller Verbesserungen für den Datenschutz und hätte die volle Unterstützung aus Schleswig-Holstein verdient gehabt. Wir werden in wenigen Tagen die Ergebnisse aus dem Bundesrat bekommen und wissen dann, wie Schleswig-Holstein sich verhalten hat. Ich gehe einmal davon aus, dass da die Landesregierung auch in Ihrem Sinne gehandelt hat.

(Ingrid Brand-Hückstädt)

Darüber hinaus befanden wir den Ausnahmetatbestand für die Erfassung von Funknetzen durch die Wissenschaft in dieser Form für zu heikel. Sie kennen vielleicht die japanischen Walfangschiffe, die sich mit der Aufschrift ,,Research Vessel“ tarnen, um so von ihrer eigentlichen Intention, dem kommerziellen Walfang, abzulenken. - Ähnlich könnte beispielsweise Google vorgehen und ein eigenes Forschungsinstitut zur Datenabfischung gründen. Die Grenzen zwischen gewerblichem und wissenschaftlichem Handeln sind fließend. Es wundert mich, dass ausgerechnet eine schwarz-gelbe Initiative so tut, als könne man das scharf trennen. Die Kriterien, was erlaubt ist und was verboten sein soll, müssen aus unserer Sicht einheitlich sein.

Zuletzt fehlt uns noch ein deutliches Bekenntnis dafür, dass wir in dieser Debatte um den Datenschutz auch einige Mechanismen in der Politik nicht außer Acht lassen dürfen. Wir müssen auch stärker die Bürgerinnen und Bürger in die Belange ihres Datenschutzes mit einbeziehen. Es ist mir nicht verständlich, warum es für die Menschen selbst immer noch nicht möglich ist zu verhindern, dass Google mit ihren Daten ins Netz geht, wenn sie keine Zustimmung erteilt haben, dass Unternehmen ihre Daten illegal verwenden, warum der Bürger und die Politiker immer die Datenschutzbeauftragten anschauen, die natürlich eine wichtige Funktion mit Blick auf den Schutz des Datenschutzes haben.

Ich glaube, es ist dringend erforderlich, dass wir darüber hinaus auch den Bürgerinnen und Bürgern selbst mehr Rechte geben, damit es ihnen möglich wird, ihre Daten auch gegenüber Unternehmen und gegenüber dem Staat zu schützen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten uns Initiativen überlegen, wie das möglich ist.

Eine letzte Bemerkung, ich weiche vom Redemanuskript ab: Ich bin gespannt, wer hier für die Landesregierung gleich das Wort ergreift. Wir Grüne hatten Beratungen mit allen Regierungsmitgliedern. Weil die auch vertraulich sind, nenne ich jetzt keine Namen. Wir haben in mehreren Runden die Frage gestellt: Wer kümmert sich eigentlich in der Landesregierung um den Datenschutz? Einmal hieß es, die Landesregierung sei dafür nicht zuständig. Das würde der Datenschutzbeauftragte machen. Ich glaube, das ist falsch. Als ich letztes Mal in die Verfassung geguckt habe, waren es immer noch die Regierung und die Parlamente, die auch im Datenschutzrecht Änderungen vornehmen müssen. Wie

gesagt, ich bin gespannt, wer gleich für die Regierung zum Datenschutz redet.

Die Regierung hat noch eine weitere Funktion: Datenschutzbeauftragte, so stark sie auch sein mögen, haben keine Polizeikelle, um beispielsweise Googles Street-View-Fahrzeuge anzuhalten.

Der bayerische Innenminister hat eine Initiative gemacht. Er hat gesagt: Wenn das so weitergeht, halte ich die Fahrzeuge an und sorge dafür, dass sie auf unseren Straßen nicht mehr fahren dürfen. Ich habe eine solche Initiative in Schleswig-Holstein vermisst. Vielleicht gibt es auch dazu von der Landesregierung ein paar klare Worte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich ganz herzlich Herrn Erdmann junior. Willkommen im Landtag!

(Beifall)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Herr Abgeordneter Heinz-Werner Jezewski.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fürter, wir sollten einmal eine Techniknachhilfestunde zu dem vorletzten Teil Ihrer Rede machen.

Fast wöchentlich gibt es neuen Ärger mit Google, denn Google fotografiert mit seinen Kamerawagen nicht nur unsere Straßenzüge und alles, was sich darauf befindet, sondern scannt und erfasst auch alle drahtlosen Heim- und Büronetzwerke in unserem Land. Drahtloses Heim- und Büronetzwerk ist das, was man erhält, wenn man bei einem Internetanbieter sich die Geräte abholt, die im Wohnzimmer aufstellt und an die Telefondose anschließt.

Schon das Filmen beziehungsweise das Fotografieren bringt meiner Ansicht nach genügend rechtliche Probleme mit sich. Google ist mittlerweile bereit, Aufnahmen nicht zu veröffentlichen, wenn darauf Details zu erkennen sind, die die Persönlichkeitsrechte verletzen. Dazu muss nur die Person, deren Rechte verletzt werden könnten, Einspruch einlegen. So soll sich jede einen Internetzugang zulegen und tagtäglich Tausende von Google-Seiten durchforsten, um festzustellen, ob seine Rechte verletzt sein könnten. Schon das ist ja eher ein schlechter Witz als seriöses Geschäftsgebaren.

(Thorsten Fürter)

Nun scannt Google auch noch private Funknetze. Wer glaubt, dass Google das aus reinem Altruismus? tut, damit wir uns zukünftig in unseren Städten besser zurechtfinden, dem ist meines Erachtens nicht mehr zu helfen. Google, mittlerweile die wertvollste Firma der Welt, geht es auch hier eindeutig um knallharte wirtschaftliche Interessen: durch die Speicherung und die anschließende Verknüpfung der Google-Dienstleistungsangebote für seine Nutzer, die anschließend mit wiederum gut bezahlter Werbung verknüpft werden. Ich halte das systematische Scannen und Erfassen von Daten ohnehin für einen Grundrechtsverstoß, denn es werden in Einzelfällen auch personenbezogene Daten ohne Kenntnis der Betroffenen erhoben und gespeichert.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber mit diesem Grundrechtsverstoß ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Google speichert sogar noch persönlichere Daten wie E-Mails oder die Liste der aus einem Netzwerk heraus kürzlich angesurften Internetadressen ab und speichert diese.

Wir erinnern uns, dass das Bundesverfassungsgericht vor nicht allzu langer Zeit genau dies untersagt hat: das planmäßige und systematische Erfassen von Daten.

Bisher wurde in der Politik immer wieder auf Selbstverpflichtung gesetzt. Ich glaube, diese Selbstverpflichtungen reichen nicht mehr aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Antrag hat aber auch nicht wie der von der FDP eine Lex Google im Blick. Die Firma ist zwar die größte und bisher einflussreichste, aber immer mehr Firmen erkennen die Geschäftsidee dahinter und versuchen, sie zu imitieren. Wer ein besonders gelungenes Beispiel solch perfiden Verhaltens sehen will, schaue sich einmal die Erkenntnisse der Datenschützer über den Umgang der Firma Apple mit den Daten der Nutzer des IPhone an.

Uns Linken ist es wichtig, dass jede Form des Erfassens und des Speicherns von privaten Funknetzdaten rechtlich eindeutig geregelt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen begrüßen wir den Antrag von CDU und FDP. Es ist gut, dass dieser Antrag klar über die Bundesratsinitiative aus Hamburg hinausgeht. Leider fehlen uns in diesem Antrag zwei wichtige Punkte.

Erstens. Es ist uns wichtig, dass die Daten, die in letzter Zeit gesammelt wurden, gelöscht werden. Diese Daten wurden rechtswidrig gesammelt. Weil

es schwer sein wird, diese Daten vollständig aufzuspüren, muss die Politik eindeutige Vorgaben machen und dezidiert darauf bestehen, dass diese Daten unwiederbringlich gelöscht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens ist es uns auch wichtig, dass Daten zu wissenschaftlichen Zwecken erhoben werden dürfen. Diese sollen dann sogar unter bestimmten Bedingungen auch weitergegeben und zu nicht gewerblichen Zwecken dort, wo sie einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen haben, benutzt werden können - natürlich nur, wenn vorher das Einverständnis der Betroffenen eingeholt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)