Protocol of the Session on July 7, 2010

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Thomas Rother.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sind wir immer noch bei den Kommunalfinanzen?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Spoorendonk hat bereits darauf hingewiesen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um acht Minuten erweitert hat, ohne aber eine Aussage zur Lösung der finanziellen Probleme der Kommunen in Schleswig-Holstein zu machen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Sie war noch nicht einmal dazu in der Lage, einen konkreten Zeitpunkt zu benennen, wann man bestimmte Maßnahmen einleitet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Probleme der Kommunen sind im Wesentlichen von außen an sie herangetragen worden. Insofern sind sie in erster Linie von außen zu lösen. Das führt allerdings nicht dazu, dass Fehlentscheidungen und Versäumnisse im kommunalen Bereich nicht mehr aufgefangen werden können. Wir müssen aber zunächst einmal die Möglichkeiten schaffen.

Es gibt aber auch Dinge, die man korrigieren muss, um dieses Problem zu beseitigen. Wenn wir das nicht tun, wird das im kommunalen ehrenamtlichen Bereich nicht unbedingt zu einer Ausweitung der demokratischen Mitbestimmung führen oder zu Freude an demokratischer Mitbestimmung. Vielmehr wird dies zu Zynismus und Politikverdrossenheit führen, aber nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch bei den Kommunalpolitikern.

Die Landesregierung ist hierbei tatsächlich eine Antwort schuldig geblieben. Es gibt aber eigentlich eine Menge Antworten. Ich hätte mir allerdings eine konkrete Stellungnahme dazu gewünscht, wie die Gewerbesteuer künftig ausgestaltet sein soll, welches die Erhebungsgrundlage ist, wie das Aufkommen schwankungsunabhängiger gemacht werden kann, wie die Grundsteuer gehandhabt werden soll und ob nicht diese unsägliche Gewerbesteuerumlage, für die es überhaupt keine Begründung mehr gibt, nicht endlich aufgehoben werden soll, sodass das Geld in den Kommunen verbleibt. Außerdem fehlte eine Aussage zur Verwaltungsstrukturreform. In der vergangenen Wahlperiode war Herr Schlie selbst als Staatssekretär für die Verwaltungsstrukturen zuständig.

(Anke Spoorendonk)

Es sind Zahlen genannt worden, die keine Fantasiezahlen sind, sondern die bestätigt worden sind. Hätten wir uns diesen „Quark“ gespart, dann hätten wir dadurch die größte Einsparung realisiert. Wir waren uns schließlich einig, dass es großen Handlungsbedarf gibt, um die Dinge besser zu gestalten, als es derzeit der Fall ist. Dabei muss natürlich über alles geredet werden, auch über Gebietsgrenzen und so weiter.

Man muss aber auch einmal damit anfangen. Dies gilt auch für die Konsequenzen aus der Diskussion über den Landesentwicklungsplan. Es ist natürlich so, dass die Städte gegenüber den ländlichen Bereichen benachteiligt sind. Das zeigen auch die Zahlen dieses Berichts. Dann muss ein Innenminister als Kommunalaufseher aber auch handeln.

Dieser hat zwar der Hansestadt Lübeck den Haushalt nicht genehmigt, er hat dafür aber ein Bürgerbegehren genehmigt. Das darf man natürlich auch tun. Es ist aber ein Widerspruch, wenn man ein Bürgerbegehren genehmigt, das auf einem Finanzierungsvorschlag beruht, der auf einen Verkauf von Erbpachtgrundstücken abzielt, der aber bei Weitem nicht den Betrag pro Jahr erbringt, den das Bürgerbegehren zur Konsequenz haben würde.

Daher hätten wir auch gar nichts dagegen, wenn die Kommunalaufsicht, die die unangenehme Aufgabe hat, die Kommunen in mancher Hinsicht zu bremsen, ihre Aufgabe wirkungsvoll wahrnimmt. Ich hätte jedoch gern ein paar Worte dazu gehört, wie man so etwas machen will und wie Anreize für die Kommunen zur Haushaltskonsolidierung geschaffen werden können, damit nicht wieder das „Linke-Tasche-rechte-Tasche“-Spiel betrieben und gesagt wird, dass die kommunale Ebene nicht mit Geld umgehen könne. Das ist ein bisschen billig, Herr Innenminister.

(Beifall bei der SPD)

Die Haushaltskonsolidierung bleibt also Landesund kommunale Aufgabe, genauso wie dies für die Themen Infrastruktur und Teilhabe gilt. Diese drei Themen müssen auf kommunaler Ebene in Absprache mit der Landesregierung neu austariert werden. Ich denke, dann kommen wir auch zu vernünftigen Ergebnissen. Wir werden auf jeden Fall am Ball bleiben, damit endlich etwas passiert.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Heinz-Werner Jezewski.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir schon den Zeitplan der heutigen Sitzung um mehr als eine Stunde überziehen, so hätte ich mir gewünscht, dass wir wenigstens Butter bei die Fische bekommen. Herr Innenminister, Sie sind doch sonst nicht so zurückhaltend. Sie sind doch sogar Mitglied im Club für eine offene Aussprache. Weshalb sagen Sie nicht, wie es wirklich war? Am 17. Dezember 2009 hat die Landesregierung das Parlament angelogen. Die Landesregierung hat Kompensationen zugesagt und gewährt diese nun nicht. Die Landesregierung macht das, weil sie Landesregierung ist. Haben Sie doch bitte so viel Rückgrat und sagen das. Die Drucksache 17/69 ist am 17. Dezember 2009 mit Ihren Stimmen verabschiedet worden. Darin steht, dass es für die Gemeinden Kompensationen geben wird, die Landesregierung werde dem ansonsten nicht zustimmen.

Herr Kubicki, Herr Carstensen, Sie haben dem zugestimmt, weil es bei Frau Merkel einen Kaffee gegeben hat. Aber es gab keine Kekse. Das muss man einmal festhalten. Die Zeitung hat geschrieben, dass es keine Kekse gegeben hat. Dabei glaube ich der Zeitung mehr als der Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Haushalt Lübecks wird vom Innenministerium nicht genehmigt, weil 60.000 € für Verhütungsmittel und wenige zigtausend Euro für eine ökologische Nahverkehrsplanung eingeplant worden sind. Da schlägt man mit der dicken Keule zu. Millionen für den Lübecker Flugplatz sind aber offensichtlich kein Problem.

In Flensburg wurde entschieden, die Neuverschuldung um das Dreifache zu erhöhen, um einen Nospa-Stützungsfonds herbeizuführen. Das war überhaupt kein Problem. Der Nachtragshaushalt wurde fast in Lichtgeschwindigkeit genehmigt.

Die Leute in meiner Stadt fragen mich mittlerweile: Herr Jezewski, müssen wir jetzt unsere Kitas, unsere Museen und unsere Theater als Banken organisieren? Sollen wir statt Eintrittskarten Sparbücher verkaufen? Dann würden wir endlich Unterstützung von der Landesregierung bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das werden Sie sich fragen lassen müssen.

Das erste betrifft die Offenheit und die Ehrlichkeit. Ich will hier feststellen: Die Landesregierung hat dieses Parlament im Dezember 2009 belogen

(Thomas Rother)

Schwamm drüber. Das werde ich niemanden mehr nachtragen.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Minister, Sie haben der SPD viel vorgeworfen. Ich teile viele dieser Vorwürfe aus dieser Zeit. Ich frage mich nur, was für einen schlechten Staatssekretär man während dieser Zeit gehabt hat. Vielleicht können Sie mir diese Frage beantworten.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Innenund Rechtsausschuss federführend und dem Finanzausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/530

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/554

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Ursula Sassen für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits heute besteht nicht nur ein Hausärztemangel, sondern auch schon länger ein Mangel an Fachärzten.

Bei festgestellter Unterversorgung kann der Zulassungsausschuss nach § 116 a Sozialgesetzbuch V zugelassene Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in unterversorgten Regionen zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Deckung der Unterversorgung erforderlich ist. Diese Regelung gibt im Gegensatz zu § 116 b SGB V kaum Anlass zur Diskussion.

In § 116 b SGB V heißt es in Absatz 2:

„Ein zugelassenes Krankenhaus ist zur Behandlung der im Katalog nach Absatz 3 und

4 genannten hoch spezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt, wenn und soweit es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt worden ist. Eine Bestimmung darf nicht erfolgen, wenn und soweit das Krankenhaus nicht geeignet ist. Eine einvernehmliche Bestimmung mit den an der Krankenhausplanung unmittelbar Beteiligten ist anzustreben.“

Es findet sich in § 116 b SGB V zwar der Hinweis, dass die „vertragsärztliche Versorgungssituation“ berücksichtigt werden solle; in welcher Form dies aber geschehen soll, lässt das Gesetz offen. Der Verdacht, dass für Krankenhäuser, die zur ambulanten Behandlung zugelassen werden sollen einerseits und für niedergelassene Ärzte andererseits nicht dieselben Spielregeln gelten, muss ausgeräumt werden - auch im Hinblick auf die Qualitätssicherung der Leistungen nach § 116 b SGB V.

Der § 116 b SGB V in der jetzigen Fassung hat Befürworter und Kritiker gleichermaßen. Während auf der einen Seite Krankenhäuser glauben, mit der Möglichkeit der ambulanten Behandlung bei bestimmten Erkrankungen und Krankheitsverläufen ihre Einnahmesituation deutlich verbessern und Defizite ausgleichen zu können, fürchten niedergelassene Fachärzte einen Verdrängungswettbewerb, zumal sie die Ausstattung ihrer Praxen selbst finanzieren müssen, während Krankenhäuser öffentliche Mittel erhalten.

Mit Ermächtigungen für Krankenhäuser - das ist jetzt etwas anderes als die Zulassung - und Behandlungen in Tageskliniken sind ambulante Behandlungen an Krankenhäusern nicht neu. Vorwiegend in der Onkologie werden Tageskliniken und Ermächtigungen durch Zulassungen nach § 116 b SGB V ersetzt.

Dennoch ist der § 116 b SGB V kritisch zu hinterfragen. Weder Goldgräberstimmung bei Krankenhäusern noch Existenzängste bei den niedergelassenen Ärzten sind geeignet, zur Versachlichung beizutragen. Der Budgettopf der Ärzte wird zum jetzigen Zeitpunkt mit der ambulanten Behandlung bei den Krankenhäusern nicht belastet. Wohl aber ist abzuwägen, ob nicht die eine oder andere Behandlung durch einen niedergelassenen Facharzt für das Gesamtsystem günstiger wäre.

(Heinz-Werner Jezewski)

Im Falle einer schweren akuten Erkrankung wäre im Sinne des Patienten ein zugelassenes Krankenhaus in der Nähe einem weit entfernten Facharzt sicher vorzuziehen.

Interessant finde ich, dass der Marburger Bund als Verband der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands in seiner 117. Hauptversammlung am 8./9. Mai 2010 in Dresden mit dem Beschluss Nummer 2 eine „bessere Verzahnung der Sektoren“ im Sinne der freiberuflichen niedergelassenen Ärzte gefordert hat. Zitat aus dem Beschluss:

„Die Rechtsvorschrift muss daher im Sinne einer intelligenten Versorgungssteuerung künftig so ausgestaltet werden, dass die Öffnung der Krankenhäuser keine ambulanten Parallelstrukturen bewirkt, sondern nur eine Ergänzung im Bereich hoch spezialisierter Leistungen sowie bei seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderem Verlauf, wenn zur Leistungserbringung weder niedergelassene noch ermächtigte Fachärzte zur Verfügung stehen.“

Unser Antrag geht auch in diese Richtung. Wir wollen weder mühsam errungene Kompromisse infrage stellen noch Fronten aufbauen, sondern Klarheit schaffen.

Auf Anregung von Schleswig-Holstein hat die 83. Gesundheitsministerkonferenz am 1. Juli 2010 in Hannover den Beschluss gefasst, zur 84. Gesundheitsministerkonferenz auf der Grundlage der unterschiedlichen Praxis und Erfahrung der Länder Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wie das Zulassungsverfahren gemäß § 116 b SGB V unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgung rechtssicherer gestaltet werden kann - ein gutes Signal an die Beteiligten!