Protocol of the Session on July 7, 2010

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fassen wir noch einmal zusammen: Ohne eine Erhöhung der Einnahmen wird es weder dem Land noch einem Großteil der Kommunen gelingen, die Bedingungen der Schuldenbremse zu erfüllen beziehungsweise die Sanierung der Haushalte zu erreichen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Trotz der im Bundesvergleich guten finanziellen Situation der Kommunen müssen hier und im strukturellen Bereich schnellstmöglich Änderungen her. Das hat etwas mit Gemeindereform zu tun. Wir haben dazu bereits einige Vorschläge gemacht. Wir werden weitere Vorschläge insbesondere zur Verbesserung der Einnahmesituation vorlegen. Ziel von uns allen muss es sein, dass die Kommunen wieder leistungsfähig werden und ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig wahrnehmen können. Nur so erhalten wir die kommunale Selbstverwaltung und sichern damit auch die vielfältige Daseinsvorsorge vor Ort.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei SPD und der LIN- KEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Bisher sind sechs Beiträge dieser Art angemeldet worden. Zunächst hat der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Robert Habeck das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich nach der Rede von Herrn Hildebrand

noch einmal zu Wort gemeldet, in der die kommunale Finanzsituation im Wesentlichen als technisches Problem beschrieben wurde. Herr Hildebrand, es wird der Dimension des Problems nicht gerecht, sich einfach nur auf die Doppik zu beziehen. Dabei wird ja kein Geld gedruckt. Das wissen Sie selbst. Was soll daraus folgen, wenn Sie sagen, die kleinen Gemeinden hätten genug Geld und die Großstädte seien klamm? Wollen Sie Kiel etwa in 1.000 Dörfer zerschlagen? Gehen Sie davon aus, dass dann, wenn wir 20.000 Gemeinden hätten, das Finanzproblem gelöst sei? Das ist eine nicht angemessene Betrachtungsweise. Sie wissen es eigentlich auch selber besser.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben es mit zwei systematischen Problemen zu tun. Diese hätte man auch erkennen können. Das erste der beiden Probleme ist offensichtlich, wie Herr Kollege Harms hier schon angedeutet hat: Kleine Gemeinden haben nun einmal kein Schwimmbad, kein Theater und keine Bücherei. Solche Einrichtungen halten die großen Gemeinden, die großen Städte vor. Deswegen ist die Diskussion, wie sie hier jetzt geführt wurde, vor allem von Ihnen, Herr Hildebrand, so problematisch. In dieser Diskussion wird das verschärft, was wir im Moment im Lande erleben. Sie treiben mit dieser Diskussion den Gegensatz zwischen den guten kleinen Dörfern und den bösen großen Städten voran. Wir brauchen aber ein Zusammenrücken der kommunalen Familie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir brauchen Lösungen, bei denen der angesprochene Gegensatz aufgehoben wird. Eine weitere Zerspaltung brauchen wir nicht. Deshalb war diese Debatte völlig falsch angelegt. Herr Hildebrand, ich weiß von Ihnen persönlich allerdings, dass Sie anders zu den Problemen stehen, als Sie es hier eben dargestellt haben. Ihnen ist klar, dass wir nach dem Urteil aus Schleswig vor einer Verwaltungsstrukturreform stehen und diese auch brauchen. Deshalb bin ich bei diesem Punkt ein bisschen nachsichtig.

Problematisch ist ein zweiter Punkt, nämlich die Konnexität. Sie wurde in den Redebeiträgen von Schwarz-Gelb nicht berücksichtigt. Sie haben die Kommunen ausbluten lassen, weil sich Bund und Land immer wieder auf ihre Kosten gesundstoßen. Das gilt konkret für die Vereinbarungen, die in der letzten Zeit getroffen worden sind - ich habe dies

(Lars Harms)

als Kommunalpolitiker im Kreistag SchleswigFlensburg miterlebt -: Ich nenne die Annexkosten, die Grundsicherung nach SGB XII, bei der keine Kompensation in voller Höhe erfolgte. Im Rahmen der Föderalismusreform sollten 2,5 Milliarden € für die kommunale Seite zur Verfügung gestellt werden. Nichts ist passiert. Die Kosten der Unterkunft werden nicht nach tatsächlichem Bedarf ausgeglichen - Lars Harms hat es gerade gesagt -, sondern über Bedarfsgemeinschaften schöngerechnet.

Die Kommunen machen immer Defizite. Wir können auch die Zahlen von Monika Heinold noch hinzunehmen. Die Steuersenkungen, die im Wesentlichen der Bund, dann aber auch der Bundesrat mit den Stimmen der Länder beschlossen hat, sind ebenfalls zu berücksichtigen. So ist es dazu gekommen, dass die kommunale Seite in den letzten 15 Jahren 1 Milliarde € verloren hat. Man darf sich angesichts dessen nicht darüber wundern, dass die Kommunen kein Geld mehr haben oder klamm sind. Wir sprechen morgen über die Mittelstandsoffensive des Wirtschaftsministeriums. Hätten die Kommunen die erwähnte 1 Milliarde €, brauchten wir uns über die Mittelstandsoffensive keine Gedanken zu machen. Gesunde Kommunen sind die beste Wirtschaftskraft für das Land.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Debatte sorgfältig zugehört. Was hätten Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, eigentlich getan, wenn wir eine Situation hätten, in der die SPD an der Regierung wäre, und bei uns täglich, wirklich täglich Briefe und Resolutionen eingehen würden - nicht von SPD-Ortsvereinen, sondern von Stadt- und Gemeindevertretungen -, in denen gegen die Sparkassenpolitik, den Landesentwicklungsplan, das, was jetzt im Hochschulbereich geschieht, gegen das, was bei Vereinen und Verbänden jetzt geschieht, gegen das, was man im Bereich der dänischen Schulen vorhat, gegen die Politik im Bereich der Kindergärten und Schülerbeförderung und gegen das, was Sie als steuerpolitische Maßnahmen vorsehen, protestiert wird? Meistens werden solche Protestresolutionen übrigens mit konservativen Mehr

heiten beschlossen. Solche Proteste gehen täglich bei uns ein.

Was hören wir aber von dem Herrn Innenminister, der die Lage der Kommunen hier beschreibt? Gar nichts! Die Koalitionsredner tun hier so, als ob der Ministerpräsident und der Finanzminister gerade ins Amt gekommen wären. Sie sind seit fünf Jahren in ihren Ämtern. Von ihnen hört man zu den angesprochenen Themen nichts.

(Beifall bei der SPD)

Wie kann das eigentlich sein? Ich habe es jetzt verstanden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich daran erinnern, dass der damalige Oppositionsführer, Herr Kubicki, hier gesagt hat, wenn seine Fraktion in der Regierung wäre, würde sie uns zeigen, wie die Koalitionsfraktionen die Regierung richtig antreiben. Wie das geht, haben wir eben von Herrn Kollegen Hildebrand gehört. Ich muss Ihnen wirklich sagen: Sie nicken schneller, als Ihre Minister reden können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dieser Art und Weise, Politik zu machen, mögen Sie Ihre Mehrheit von einer Stimme noch eine Weile verteidigen. Wir werden Sie zwingen, Farbe zu bekennen. Wir werden Sie immer häufiger zwingen, namentlich zu dem, was Sie tun, Farbe zu bekennen. Es ist jetzt noch einmal gut gegangen. Wer aber weiß, wie lange das noch so sein wird!

Eines sage ich Ihnen: Wiegen Sie sich nicht zu sehr in Sicherheit! Sie können nicht davon ausgehen, dass die Kommunen nur deshalb, weil es dort die gleichen Mehrheiten wie hier im Hause gibt, es hinnehmen werden, dass Sie die Finanzgrundlagen zerstören, anstatt die Realität zur Kenntnis zu nehmen und einmal etwas für die Prioritätensetzung und für Einnahmeverbesserungen zu tun. Sie sollten sich ab und zu auch einmal an das halten, was Sie den Menschen vorher gesagt haben. Wenn das geschähe, würde es vielleicht anders werden. Auf Dauer werden Sie die Forderungen der Kommunen nicht ignorieren können.

Die heutige Debatte war ein Trauerspiel, wobei ich mich insbesondere auf das beziehe, was wir von der Regierung und den beiden Regierungsfraktionen gehört haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Robert Habeck)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich jetzt eine Gruppe des Marion-Dönhoff-Gymnasiums aus Mölln sowie eine Gruppe des Berufsbildungszentrums Schleswig. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Peter Eichstädt das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zu den Ausführungen von Herrn Hildebrand. Herr Kollege Hildebrand, Sie sind für mich immer ein Mann der Kommunen gewesen. Ich bin von Ihren heutigen Ausführungen enttäuscht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Vorlage eines Berichts nicht beantragt, um hier eine Stunde lang Unterhaltung zu betreiben. Wir haben es vielmehr getan, weil wir dies gilt übrigens fraktionsübergreifend - über die Situation in den Kommunen besorgt sind. Wenn Sie, nachdem der Bericht vorgelegt worden ist, sich hier hinstellen und uns sagen, welche Parameter Ihrer Meinung nach gefehlt haben, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, warum Sie solche Parameter, wenn Sie sie für wichtig halten, vorher nicht eingebracht haben, damit wir hier zu einem besseren Ergebnis kommen.

(Beifall bei der SPD)

Das finde ich nicht in Ordnung, und das wird auch den Kommunen nicht gerecht. Das finde ich, wie gesagt, sehr enttäuschend.

Ich würde aber noch gern auf einen weiteren Aspekt zurückkommen, den ich bei Frau Damerow herausgehört habe. Ich gehe davon aus, dass das, was Frau Damerow hier vorgetragen hat, auch ausführlich in der CDU-Fraktion, wie es dort gute Sitte ist, besprochen worden ist. Sie haben sinngemäß gesagt - ich habe es nicht mitgeschrieben -: Wir werden aber nicht die Kommunen unterstützen, die sich unsinnige Extras leisten. Frau Damerow, ich möchte Sie bitten - sechs Wortmeldungen haben wir hier schon -, eine siebte von Ihnen - oder einem anderen Kollegen von der CDU dazuzutun -, um uns einmal zu erklären, welche Gemeinden Sie da gemeint haben, die sich diese unsinnigen Extras leisten. Welche Gemeinden sind das?

Wenn Sie schon diese Bewertungskriterien hier einführen, möchte ich Sie auch bitten zu sagen, welche Gemeinden Sie denn unterstützen werden und was Sie für sinnvolle Extras halten. Ich kenne nur Gemeinden, die aufgrund der Finanznot im Moment ihre Schulen nicht sanieren können, die Schwimmbäder schließen müssen, die Büchereien schließen müssen. Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass der Oberbürgermeister von Kiel bei dieser Debatte anwesend ist. Ich fände es sehr nett, wenn Sie noch einmal erläutern würden, wie Sie in Zukunft vorgehen wollen. Das war eine interessante Bewertung. Da sollten Sie noch einmal sagen, welche Gemeinden Sie mit den besonderen Extras gemeint haben, die unsinnig sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Ines Strehlau.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vom Herrn Innenminister gehört, dass für die Kommunen eine konsequente Haushaltskonsolidierung unabdingbar ist. Das sehen die Kommunen auch so. Sie würden es auch gerne tun. Dazu brauchen sie aber die Rahmenbedingungen. Die Landesregierung schafft keine optimalen Rahmenbedingungen. Ich will Ihnen das am Beispiel der Schulplanungen verdeutlichen. Dort wurde das Konnexitätsprinzip nämlich nicht eingehalten.

Man hat Anfang 2007 ein Schulgesetz gemacht, in dem gesagt wurde: Gründet jetzt einmal Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen! Aber Ihr müsst es bezahlen, nicht wir. Das geht schon einmal gar nicht. Dennoch haben sich die Kommunen auf den Weg gemacht. Sie haben engagiert gestritten. Sie haben Schulplanungen gemacht. Sie haben Gemeinschaftsschulen entwickelt, Regionalschulen zusammengeführt, und sie haben angefangen zu bauen, so. Nun kommt die Rolle rückwärts. Das, was sie an Bauten geplant haben, geht jetzt zum Beispiel in einigen Bereichen nicht mehr. Die Gemeinschaftsschulen sind im Grunde keine Gemeinschaftsschulen mehr, weil da nicht alle Schulstufen gemeinsam unterrichtet werden, so wie es einmal angedacht war. Damit drohen Leerstände. Was machen die Kommunen dann mit ihren Räumen? Wir haben Briefe von CDU-Bürgermeistern bekommen, die schreiben: So geht es nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ein anderes Beispiel ist G8/G9. Auch da haben die Kommunen Umbauten vorgenommen. Sie haben gesagt: Wir müssen Kursräume zu Profil-Klassenräumen umbauen. Wir brauchen größere Klassenräume, okay. Das machen wir. Das war auch möglich, weil man ja einen Jahrgang eingespart hat. Man brauchte da nicht so viele Räume. Nun kommen G8 und G9 oder G9. Was sollen die Kommunen jetzt machen? Sollen sie wieder alles zurückbauen? Sollen sie ihre Mensen dann doch nicht bauen, wie geplant? Das geht doch nicht!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Kommunen brauchen Kontinuität, damit sie ihre Haushalte konsolidieren können. Da stimmt auch mitnichten das, was Frau Conrad vor einiger Zeit gesagt hat, dass G8/G9 kostenneutral zu bewerkstelligen sei. Es mag sein, dass es für das Land kostenneutral ist, aber für die Kommunen auf keinen Fall.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das können Sie nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Noch eine Anmerkung zur Doppik. Im Schulgesetz haben wir auch den Passus, dass das Land keine festen Schulkostenbeiträge mehr festlegen will, sondern dass es eine Vollkostenrechnung geben soll und dass die Kommunen die Kosten, die sie für die Schulbauten haben, den anderen in Rechnung stellen sollen. So weit, so gut.

Das würde aber voraussetzen, dass es auch feste Berechnungsmodi dafür gibt. Ich habe bei uns in Halstenbek nachgefragt. Wir stellen gerade um auf Doppik und haben einen Produktkatalog beschlossen. Da war meine Frage: Sind die Produkte landesweit gleich, dass man auch weiß, was man den anderen Kommunen in Rechnung stellen kann? Die Antwort war nein. Das Land nimmt da seine Steuerungsfunktion gar nicht wahr. Wie soll eine Vergleichbarkeit der Schülerkostensätze gehen, wenn man nicht einmal die gleichen Produkte hat?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)