Protocol of the Session on July 7, 2010

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Wir haben uns in den vergangenen Jahren sehr daran gewöhnt, dass die öffentliche Hand mehr und mehr Aufgaben wahrnimmt. Ohne Verzicht auf liebgewonnene staatliche Leistungen wird es wohl nicht gehen. Dieses Umdenken, um zu einer Aufgaben- und Pflichtenreduzierung zu kommen, wird vielen schwerfallen. Aber, wenn wir ehrlich sind, haben wir gar keine andere Wahl.

Im Übrigen kennt der eine oder andere Kommunaloder Kreistagsvertreter dieses Spiel aus den diversen Konsolidierungsprogrammen, die unsere Kreise bereits begonnen haben.

Auch sollten unsere Gemeinden viel stärker selbst entscheiden können, wie sie bestimmte Aufgaben wahrnehmen möchten. Warum sollen Gemeinden nicht selbst in ihren Satzungen regeln, wie sie zum Beispiel die Inhalte ihres Berichtswesens definieren? Oder warum soll ich als Gemeindevertreterin zum Beispiel nicht selbst entscheiden dürfen, ob ich auf eine Entschädigung verzichten möchte?

(Zurufe von der LINKEN)

Die Gemeindeordnung muss überarbeitet werden. Die CDU-Fraktion wird dazu in den nächsten Monaten Vorschläge unterbreiten.

Wir haben hier im Landtag bereits begonnen, über unsere Verwaltungsstrukturen zu diskutieren. Das werden wir im Herbst fortsetzen. Ob Großgemeinden hier allerdings der Weisheit letzter Schluss sind, möchte ich bezweifeln. Wir werden hier sehr aufpassen müssen, dass dem wichtigen ehrenamtlichen Engagement in den Gemeinden nicht die Motivation entzogen wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Denn gerade jetzt brauchen wir deren Mitarbeit dringender denn je.

Darüber hinaus müssen wir die rechtlichen Möglichkeiten zur Verwaltungskooperation erweitern. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass einige Kommunen in den letzten Jahren schon mit der Zusammenarbeit begonnen haben. Selbstverständlich verbleibt hier die erzielte Effizienzrendite bei den Kommunen. In den Vorschlägen der SPD lese ich etwas anderes. Da lese ich, 50 % sollen dem Land zugute kommen. Ich stelle es mir einigermaßen schwierig vor, dies den Kommunen zu erklären.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP - Martin Habersaat [SPD]: Dann lieber eine Uni schließen!)

Wir werden den Kommunen ein gemeinsames Kredit- und Zinsmanagement anbieten, um Synergien nutzen zu können. Wir wollen sie aber auch bei der Gestaltung eines Altschuldentilgungsfonds beraten. Ebenso müssen wir uns auch beim Bund dafür einsetzen, dass die Gemeindefinanzen auf eine stabile und bezahlbare Grundlage gestellt werden.

(Zuruf von der SPD: Und wie machen wir das?)

Das sind nur einige, jedoch zentrale Beispiele.

Aber wir dürfen dabei nicht übersehen, Renditen aus einer Verwaltungsstrukturreform werden erst in einigen Jahren haushaltswirksam werden. Auch eine Aufgabenentlastung wird erst später spürbar sein. Eine Gemeindefinanzreform wird auf Bundesebene verhandelt. Wie eine Einigung aussehen wird, ist noch völlig offen

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wahrscheinlich zulasten der Kommu- nen!)

und deshalb nicht mit einplanbar. Deshalb muss jetzt gelten: Es wird keinen weiteren Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geben.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Den Abbaupfad, den wir zur Beseitigung des strukturellen Defizits bis 2020 beschreiten werden, legen wir ohne erneute Kürzung der Ausgleichsmittel zurück. In einem Kommunalpaket werden die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung mit den kommunalen Spitzenverbänden verhandelt - dies offen und vor allem auf Augenhöhe.

Doch zu ausgeglichenen kommunalen Finanzen gehört auch eine zweite Waagschale, die der kommunalen Haushaltskonsolidierung. Natürlich gibt es günstige und weniger günstige Rahmenbedingungen für die Kommunen. Natürlich sind die Chancen von Städten und Gemeinden nicht überall gleich. Natürlich gibt es die Metropolnähe und die Randlage. All das ist wahr.

Wahr ist aber auch: Reiche oder arme Gemeinden, geordnete oder ungeordnete Finanzen sind nicht einfach nur Schicksal. Sie sind auch das Ergebnis von Entscheidungen, und Entscheidungen können richtig oder falsch, klug oder weniger klug sein.

Ich komme aus der Kommunalpolitik und weiß deshalb sehr gut, dass es sehr viele Kommunen gibt, die seit vielen Jahren strikte Konsolidierungskurse fahren. Dies geschah zu Anfang teilweise gegen große Widerstände. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass dies an vielen Stellen gegen große Widerstände der jeweiligen SPD-Fraktionen geschehen ist, die in aller Regel genauso wie bisher weitermachen wollten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie ziehen Wechsel auf die Zukunft und nehmen völlig vage Luftbuchungen vor. Doch wer nachhaltige Haushaltspolitik betreibt, sich im Konsumverzicht übt und das gesparte Geld lieber investiert, der wird davon auf Dauer profitieren. Wenn man sich jedoch trotz exorbitanter Schulden noch immer völlig überzogene Extras leistet, dann darf das für uns nicht akzeptabel sein. Dies gilt übrigens auch für die gesamte kommunale Familie; denn das ist zutiefst ungerecht. Das Verhältnis von Land zu Kommune ist bei diesem Punkt kein anderes als das Verhältnis von Bund zu Land. Ich denke, nach diesen Regularien müssen wir auch in diesem Zusammenhang vorgehen.

Die Kommunen mit einer angemessenen Finanzausstattung zu versehen, das muss aus meiner

(Astrid Damerow)

Sicht daher auch heißen, dass wir die Kommunen unterstützen, die eine seriöse Finanzpolitik betreiben. Wir stehen aber nicht bereit, denjenigen aus der Patsche zu helfen, die ihrerseits keinerlei Bereitschaft zur Selbsthilfe erkennen lassen.

Die CDU-Fraktion wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die notwendigen Strukturveränderungen erfolgen. Diese müssen so schlank und bürgerfreundlich wie möglich sein. Land und Kommunen werden in Zukunft allerdings nicht mehr in der Lage sein, sich all das zu leisten, was gewünscht wird. Ich spreche ausdrücklich vom Land und von den Kommunen; denn es gibt nicht einen Bürger für das Land und einen Bürger für die Kommunen. Wir sitzen alle in einem Boot, und am Ende ist immer derselbe Bürger betroffen.

Es wird also einiges in den Ausschüssen zu diskutieren sein. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung des Regierungsberichts in den Ausschüssen. Ich beantrage, den Bericht federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie dem Finanzausschuss zu überweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommunen, die seit vielen Jahren finanzschwach sind, befinden sich inzwischen in einer nahezu dramatischen Lage. Herr Innenminister, dazu hätte ich mir von Ihnen etwas mehr Deutlichkeit gewünscht. Selbst finanzstarke Kommunen diskutieren inzwischen über den Abbau von Daseinsvorsorge, um sich nicht exorbitant hoch verschulden zu müssen.

Gebührenerhöhungen und Leistungseinschränkungen stehen landauf, landab auf der Tagesordnung. Zudem finden sich immer weniger Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Das ist auch kein Wunder. Wem macht es schon Spaß, seinem Nachbarn zu verkünden, dass die Kita-Gebühren steigen, dass das Freibad geschlossen wird, dass der Busverkehr ausgedünnt wird, dass die Gebühr für die Leerung der Mülltonne ab Januar steigt?

Meine Damen und Herren, die Kommunen sind Eckpfeiler unserer lebendigen Demokratie, in der vor Ort mitgestaltet und mitbestimmt werden kann.

Land und Bund dürfen den ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern nicht den Boden unter den Füßen wegziehen, indem sie die Kommunen finanziell ausbluten lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Das Ehrenamt muss Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Das heißt nicht, dass alles bleiben muss, wie es ist. Das heißt aber, dass diejenigen, die sich vor Ort für ihre Gemeinde einsetzen, die Chance haben müssen, sich tatsächlich für die Sicherung der Daseinsvorsorge einzusetzen. Sie müssen die Chance haben, dass Straßen in ihrer Verantwortung nicht zu Schlaglochpisten werden. Sie müssen die Chance haben, dass Kindertagesstätten bedarfsgerecht ausgebaut werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass in den Schulen nicht der Putz von den Decken fällt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

In diesem Sinne brauchen unsere Kommunen eine angemessene Finanzausstattung. Dazu muss das Ruder jetzt herumgerissen werden angesichts von 2,6 Milliarden € Schulden in der Hand der Kommunen.

Ein Teil der vor Ort benötigten Gelder kann dadurch gewonnen werden, dass innerhalb der kommunalen Verwaltung gespart wird. Die grüne Fraktion hat vorgeschlagen, aus bisher vier nur noch drei Verwaltungsebenen in Schleswig-Holstein zu machen. Wir fordern alle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker auf, sich aktiv an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen, sich einzumischen und sich nicht in ihrem eigenen Kirchturm zu verstecken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Es ist ein Prozess, der auch die angesprochenen Stadt-Umland-Probleme mit lösen muss, der diese Probleme mit im Fokus haben muss. Schlanke kommunale Verwaltungsebenen auf der einen Seite, Bürgernähe, Transparenz und finanzieller Gestaltungsspielraum auf der anderen Seite, das ist unser grünes Leitbild für die Zukunft der schleswigholsteinischen Kommunen.

Wollen wir die Kommunalpolitik für einen neuen Anlauf gewinnen, für eine konsequente Verwaltungsreform, dann können wir nicht die Hälfte der Gelder einkassieren. Dabei stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Schon der Raub der 120 Millionen € war bitter für die Kommunen. Wenn es eine Ver

(Astrid Damerow)

waltungsreform gibt, die auch Geld bringt, dann muss dieses Geld in der kommunalen Kasse landen. Sonst wird sich niemand in diesem Land bewegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man über den kommunalen Finanzausgleich spricht, dann gehört immer auch Ehrlichkeit dazu. Niemand von uns hat dabei ein Ruhmesblatt erworben. Unter Rot-Grün wurden 35 Millionen € herausgenommen. Schwarz-Rot hat 120 Millionen € herausgenommen. Auch die FDP, die immer gesagt hat, mit ihr finde so etwas nicht statt, hat selbstverständlich akzeptiert, dass Jahr für Jahr 120 Millionen € aus dem kommunalen Finanzausgleich herausgenommen werden.

Meine Damen und Herren, der Bericht der Landesregierung zeigt die unterschiedlichen strukturellen Probleme. Die Zahlen sind genannt worden. Ich will sie nicht wiederholen. Die Zahlen zeigen eines aber zumindest sehr deutlich. Man kann auch darüber streiten, ob ein Teil des Problems hausgemacht ist. Das ist sicherlich der Fall. Jeder Haushalt ist ein Stück weit hausgemacht. Die Zahlen zeigen eines aber auch sehr deutlich: Die jetzige Kommunalstruktur und die zugehörige Finanzierung passen nicht mehr zueinander und bedürfen einer grundlegenden Korrektur.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch deshalb ist eine kommunale Verwaltungsstrukturreform dringend notwendig. Sie bietet die einmalige Chance zur Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs.

Die Kommunen haben aber noch ein weiteres Problem. Die in die Verfassung aufgenommene Schuldenbremse gilt für die Kommunen nicht. Trotz der Klausel in unserer Verfassung, dass die Schuldenbremse nicht einseitig auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden darf, beginnt die Landesregierung bereits jetzt wieder damit, Rechnungen, die sie selbst nicht bezahlen kann, an die Kommunen weiterzuleiten.