Protocol of the Session on July 7, 2010

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten sind dafür, an dieser Stelle entschlossen Reformen anzupacken

(Zurufe CDU und FDP: Oh!)

und statt bei Kindern und an der Zukunft zu sparen, dort zu kürzen, wo es den Bürgern am wenigsten wehtut.

Aber an einer Stelle hilft die Landesregierung doch bestimmt, nämlich den Kommunen, ihre Einnahmen zu verbessern. - Aber auch wenn man dahin guckt, stellt man fest: Nein, sie helfen ihnen nicht nur nicht, die Einnahmen zu verbessern, es gibt ein Einnahmenverschlechterungsprogramm, wofür die Landesregierung ja die Hand hebt. Es sind Sie, Herr Carstensen, und Sie, Herr Kubicki, die dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein als Zünglein an der Waage im Bundesrat die Kommunen jährlich um 60 Millionen € ärmer macht. Das ist ein Skandal, das ist völlig unverantwortlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Statt für eine richtige Kommunalsteuer zu sorgen, diskutieren Sie immer wieder die Abschaffung der Gewerbesteuer. Die schwarz-gelbe Koalition in

Berlin will kommunale Zuschläge auf die Einkommensteuer. Damit kämen unsere Städte endgültig unter die Räder, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das dürfen wir so nicht machen. Wir brauchen eine ordentliche Kommunalsteuer, die alle beteiligt.

(Beifall bei der SPD)

Schlagen Sie denn wenigstens vor, die Grunderwerbsteuer auf das Niveau der Nachbarländer zu steigern? Was sagt Herr Wiegard? - Vielleicht, aber später, jetzt jedenfalls nicht. Hilfe für die Kommunen gibt es auch an dieser Stelle nicht.

All dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schlecht für die Kommunen, die doch das Fundament unserer Demokratie bilden. Wenn man den Menschen sagen muss, wir müssen die Schwimmbäder dichtmachen, wir haben kein Geld für die Büchereien, wir können im sozialen Bereich nicht helfen, wo soll dann eigentlich die Zustimmung zur Demokratie herkommen, wenn man sieht, wofür anderswo Geld ausgegeben wird?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die von der sogenannten Haushaltsstrukturkommission vorgelegten Kürzungspakete werden dazu führen, dass die Schlange der Bittsteller vor den Rathaustüren noch länger wird. Das ist das Ergebnis, das dabei herauskommt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ganze Bereiche des sozialen und kulturellen Lebens können nur am Leben erhalten werden, wenn Politik als die Kunst verstanden wird, das Notwendige möglich zu machen. Das ist Politik. Das tun Sie genau nicht. Sie setzen keine Prioritäten, sondern Sie sorgen dafür, dass die Kommunen all das nicht mehr können.

Wenn man Sie dann nicht richtig drastisch daran hindert, wie bei den ersten Plänen zum Landesentwicklungsplan, die Sie vorgelegt haben, dann ruinieren Sie das Land auch noch dadurch, dass Sie Städte und Gemeinden gegeneinander aufbringen. Da haben wir Sie glücklicherweise durch Proteste dazu gebracht, dass Sie ein Stück zurückgerudert sind

(Lachen bei CDU und FDP)

und dass Sie wieder auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt sind, den der Kollege Hay hier vernünftigerweise mit seinem Landesentwicklungsplan eingebracht hat.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall bei der SPD - Zurufe von CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, außerhalb des kreisangehörigen Bereichs ist besonders beeindruckend die Darstellung zum Thema positive freie Finanzspielräume für kreisfreie Städte und Kreise. Gucken Sie in die Statistik! Der Befund ist: Fehlanzeige. Dies alles zeigt die dringende Notwendigkeit, den kommunalen Finanzausgleich neu zu ordnen und die Gewichtung der Finanzierung den tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben anzupassen. Das hatten wir eigentlich mit der Union in der Großen Koalition vereinbart. Es war mit Ihnen leider genauso wenig zu machen wie eine Verwaltungsstrukturreform, weil man dazu Mut, Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft braucht. Und über alles das verfügen Sie leider nicht.

In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:

„CDU und FDP werden das Finanzausgleichsgesetz… dahingehend überprüfen, ob es den strukturellen Veränderungen in der kommunalen Ebene der letzten Jahre noch Rechnung trägt.“

Ich kann Ihnen sagen, wir haben Ihnen die Prüfung mit unserem Antrag abgenommen. Gehen Sie an die Arbeit, Herr Ministerpräsident! Sie wissen eigentlich alles, was zu tun ist, wenn Sie in Ihre eigene Statistik gucken.

Nun steht in Ihrem Bericht, die Finanzlage der Kommunen sei schlechter geworden. Das stimmt leider, und das liegt auch an der Politik der Bundesregierung und der Landesregierung, weil sie nämlich den Kommunen Steine statt Brot geben. Die Bundesregierung schnürt ein Kürzungspaket, das selbst in konservativen Wirtschaftskreisen als unsozial bezeichnet wird. Es belastet Familien und Transferempfänger einseitig. Wer hat darunter besonders zu leiden? - Die Kommunen.

Man sagt oft, der Teufel stecke im Detail. Bei dieser Landesregierung steckt der Teufel leider in den Grundsätzen ihrer Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Chri- stopher Vogt [FDP]: Wo ist denn Ihr Vor- schlag?)

Keine Prioritäten, der Rotstift ist überall.

Schon als ich diese Rede vorbereitet habe, habe ich gedacht: Vielleicht fehlt es mir am rechten Verständnis für die Landesregierung, für ihre Notlage.

(Zuruf von der CDU: Ja, das stimmt!)

Da kommt nach der planmäßigen Landtagswahl ein ganz neuer Finanzminister ins Land. Er macht einen Kassensturz und stellt erschreckt fest, wie schlecht die Lage ist. Das schildert er dann seinem genau so neuen und unerfahrenen Regierungschef. Welcher Sozialdemokrat stand eigentlich in den letzten vier Jahren an der Spitze des Finanzministeriums, der uns diese Suppe eingebrockt hat?

(Lachen bei der CDU)

Da denkt man, die Lösung ist schnell gefunden. In einer solchen Zwangslage weiß die Regierung mithilfe von wendigen Beratern, was sie tut. Und was sagt sie? - Man muss jetzt einfach genau das Gegenteil dessen tun, was man den Bürgern im Wahlkampf versprochen hat. In einer solchen Notlage kann man nun wirklich nicht einhalten, was man den Menschen im Wahlkampf versprochen hat. Nein, man ist geradezu moralisch dazu verpflichtet, jetzt das genaue Gegenteil zu tun. Das ist die Quintessenz der Vorschläge Ihrer Haushaltsstrukturkommission. Jetzt muss man den Bürgerinnen und Bürgern nur noch erklären, dass das alternativlos ist und dass die SPD an allem schuld ist. Dann ist Ihr Paket sozusagen geschnürt.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, wenn Sie in die Umfragen gucken, stellen Sie fest, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Spiel durchschauen, das Sie hier treiben.

(Zurufe von der CDU)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was Sie den Kommunen zumuten, ist keine Hilfe, das, was Sie wirklich machen - das zeigt die Statistik. Es fehlt hinten und vorn. Gehen Sie endlich an die Arbeit, ziehen Sie die Empfehlungen der Haushaltsstrukturkommission zurück, machen Sie etwas Vernünftiges! Die Opposition hat Ihnen dazu schon Vorschläge gemacht. Wenn Sie sich daran halten, dann wird es besser werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Wie dreist muss man eigentlich sein! - Weitere Zurufe von der CDU)

(Dr. Ralf Stegner)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Astrid Damerow.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegner, das Land Schleswig-Holstein hatte einen Finanzminister, der Stegner hieß. Es hatte einen Innenminister, der eine Verwaltungsstrukturreform den Kommunen und den betroffenen Kreisen nicht so vermitteln konnte, dass dort auch nur ein Hauch einer Akzeptanz zu spüren gewesen ist.

(Christopher Vogt [FDP]: Das war sein böser Zwilling! - Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU)

Ich denke, auch das ist ein Teil der Wahrheit. Damit bin ich dann gleich auch am Ende, aber ich möchte noch kurz auf etwas anderes eingehen. Sie hatten die Sparvorschläge der Bundesregierung angesprochen, wie entsetzlich sie für die Kommunen und Städte seien. Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich hierzu einmal eine Pressemitteilung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zitieren. Der schreibt:

„Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat die Sparbeschlüsse der Bundesregierung als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet.“

So viel dazu.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Vielleicht lesen Sie einmal weiter! - Zuruf von der SPD: Sie müssen den Artikel auch zu Ende lesen, den letzten Absatz!)

Herr Kollege Stegner, Sie haben jedoch mit einem recht, den schleswig-holsteinischen Kommunen geht es - abgesehen von wenigen Ausnahmen - finanziell tatsächlich schlecht. Diese Erkenntnis kommt nicht überraschend. Doch dieser Bericht für den ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken möchte - belegt noch einmal sehr eindrucksvoll, ihre finanzielle Situation ist ebenso schlecht wie die des Landes.

Natürlich wissen wir alle, dass unsere Kreise, Städte und Dörfer im Bundesvergleich noch relativ gut dastehen. Doch - mit Verlaub - dem Kämmerer, der in seine leere Kasse blickt, hilft diese Erkenntnis leider überhaupt nicht weiter.

(Martin Habersaat [SPD]: Was tun Sie denn dann?)

Laut der letzten Steuerschätzung werden die Einnahmen unserer Kommunen erst nach 2011 wieder das Niveau von 2008 erreichen. Die Folgen der Wirtschaftskrise haben mit entsprechender Verzögerung unsere Kommunen erreicht, und den Tiefpunkt des Tals, das sie durchschreiten müssen, werden wir erst 2011 erreichen.

Deshalb müssen aus dem Bericht der Landesregierung Schlussfolgerungen gezogen werden, Schlussfolgerungen, die dann auch konsequent umgesetzt werden müssen. Es wäre schön, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir hier eine ebenso breite parlamentarische Einheitlichkeit erreichen könnten, wie wir dies Mitte Mai bei dem Beschluss zur Schuldenbremse geschafft haben.

Die Kommunen sind darauf angewiesen, dass sich das Land mit der gleichen Entschlossenheit für sie einsetzt, denn bei vielen Entscheidungen über ihre Finanzmittel kommt ihnen aufgrund vieler Pflichtaufgaben ein deutlich geringerer Entscheidungsspielraum zu als dem Land. Neben dem Bund, der die Kommunen auch von Aufgaben entlasten oder Leistungen finanziell über das Land vollständiger kompensieren muss, hat es auch das Land durchaus in der Hand, den Kommunen wieder auf die Beine zu helfen. Die Aufgaben, vor denen wir dabei stehen, werden vielfältig sein. Wir müssen unsere Kommunen von Aufgaben entlasten. Die Veränderung beginnt allerdings in den Köpfen.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])