Protocol of the Session on June 17, 2010

(Vereinzelter Beifall)

Die Debatte im politischen Raum hierzu hat gerade erst begonnen. Die Folgen der denkbaren Optionen sind teilweise noch nicht einmal vollständig absehbar. Gleichwohl wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bereits jetzt Pflöcke einschlagen und ohne Not den gerade erst begonnenen Prozess in eine bestimmte Richtung lenken. Das finde ich zumindest bemerkenswert - vor allem deswegen, weil der Eindruck erweckt wird, als wolle man, dem basisdemokratischen Prinzip folgend, alle Beteiligten einbinden, dass man dann aber die vom Landesverfassungsgericht auch vorgesehene Aufgabenübertragung definitiv ausschließt. Ich denke jedenfalls, zu einer ergebnisoffenen Diskussion gehört dann eben auch diese vom Gericht ausdrücklich genannte Option. Zumindest muss man sie prüfen.

Sieht man sich den Antrag einmal genauer an, so wird eines deutlich. Es geht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - das ergibt sich aus dem Antrag ausdrücklich - ausschließlich um die Veränderung der kommunalen Strukturen im Land.

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Meine demokratische Auffassung ist eine andere. Die ist die, dass man tatsächlich alle Optionen prüft, die das Gericht als zulässig erkannt hat. Das ist der Punkt, um den wir jetzt ringen. Ich bin da völlig offen. Ich werde gleich noch dazu kommen.

(Heinz-Werner Jezewski)

Bereits mit der Erhebung des Normenkontrollantrags erzielten die Grünen - so sehe ich es jedenfalls - nur vordergründig auf die demokratische Legitimation der Amtsausschüsse ab. Eigentliches Ziel war und ist eine Gemeindegebietsreform. Ich kann und will das übrigens auch nicht kritisieren. Ich habe das neulich auch sehr deutlich gesagt. Ich will nicht kritisieren, dass man für ein solches Ziel eintritt. Man sollte das dann aber auch deutlich aussprechen und nicht den Eindruck erwecken, eine solche Maßnahme sei praktisch die zwangsläufige Folge der verfassungsgerichtlichen Entscheidung, denn für eine derartige Annahme gibt das Urteil des Landesverfassungsgerichts nicht das Geringste her.

Ich bin sicher, dass der Landtag innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist - das ist hier mehrmals betont worden; Ziel ist sicherlich, die Kommunalwahl 2013 zu erreichen - zu einer verfassungskonformen Lösung kommt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbieten sich meines Erachtens aber Vorfestlegungen.

Auch der Hinweis der Haushaltsstrukturkommission auf einen möglichen Verwaltungsverband ist keine Vorfestlegung für die Neugestaltung der Amtsordnung, sondern ein Hinweis auf eine mögliche rechtliche Konstruktion beispielsweise zur verwaltungsmäßigen Zusammenarbeit zwischen Ämtern und zentralen Orten.

Aus meiner Sicht ist der Antrag daher nicht zielführend, weil er nur eines bewirkt, das Unterbleiben einer eingehenden parlamentarischen Befassung, die die Vor- und Nachteile aller in Betracht kommenden Handlungsoptionen sorgfältig berücksichtigt. Das aber liegt angesichts der Reichweite der zu treffenden Entscheidung nicht im Interesse unseres Landes, und es entspricht aus Sicht der Landesregierung auch nicht dem Verständnis von Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Land und Kommunen.

Die Landesregierung ist zu einer breiten, alle Aspekte umfassenden Diskussion bereit. Ich freue mich auf eine umfassende Ausschussberatung vor dem Hintergrund der bisherigen Wortmeldungen dazu.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck?

Aber selbstverständlich.

Auf die Beratung freue ich mich auch, Herr Innenminister. - Würden Sie noch kurz erläutern, was der Verwaltungsverband mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig zu tun hat?

- Der Verwaltungsverband hat mit dem Urteil gar nichts zu tun. Sie haben versucht, in Ihrem Redebeitrag die Konstruktion herbeizuführen, dass das etwas miteinander zu tun habe und die Landesregierung quasi aufgrund des Vorschlags der Haushaltsstrukturkommission hinsichtlich der Amtsordnung Vorfestlegungen getroffen habe. Ich wollte nur erklären, dass das nicht der Fall ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Herr Kollege Thorsten Fürter von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Das müssen Sie schon aushalten. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlegende Reformen - darum handelt es sich bei der Kommunalverfassung - kann man historisch in der jüngeren Geschichte immer dann umsetzen, wenn man entweder eine Krise hat, die zum Handeln auffordert, oder wenn ein Verfassungsgerichtsurteil den Weg bahnt, weil man dann sozusagen etwas in der Hand hat. Vor diesem Hintergrund haben wir uns das Papier der Haushaltsstrukturkommission, das eine Art Koalitionsvereinbarung 2.0 ist, einmal genau angeguckt. Damit Herr Kubicki nicht wieder einen Herbst hineindichtet, dass das nicht drinsteht, habe ich sie mitgebracht:

„Auf der Ebene der Amtsverwaltungen werden die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Ämtern sowie Ämtern und zentralen Orten erweitert. Verwaltungsgemeinschaften und das Institut des Verwaltungsverbandes werden zu mehr Effizienz führen, ohne die politische Eigenständigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften zu beeinträchtigen.“

Meine Damen und Herren, das ist ganz klar eine Verstolperung. Sie verstolpern diese historische

(Minister Klaus Schlie)

Chance, die Ihnen das Landesverfassungsgericht hier eingeräumt hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Denn in Wahrheit bedeutet das, dass Sie eben nicht aus vier Ebenen drei im Land machen, sondern Sie machen sogar fünf Ebenen. Sie wollen sozusagen eine fünfte Ebene einziehen, und diese Ebene wird perspektivisch natürlich genauso mit einer demokratischen Begleitung erfolgen müssen. Das Verfassungsgericht wird das nächste Mal aufgerufen sein.

Es ist geradezu aberwitzig, in einem Flächenstaat wie Schleswig-Holstein in dieser Haushaltsstrukturkommission eine nachhaltige Finanzpolitik anzugehen, ohne die Verwaltungsstrukturen sinnvoll einer Überprüfung zu unterziehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist völlig richtig, Herr Minister Schlie, wir wollen hier Pflöcke einschlagen, und zwar einen Pflock, dass, wenn wir schwierige Haushaltslagen haben, die Verwaltungsstruktur ein Stück weit infrage gestellt und moderner aufgestellt werden muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Herr Minister Schlie, wir glauben, wenn der Diskussionsprozess, der nicht beliebig Zeit hat - wir müssen es bis zur nächsten Kommunalwahl hinter uns bringen, damit wir nicht getrennte Wahlen für die Kommunen haben -, unabdingbar ist, wenn die Hahnenkämpfe verboten sind, dass Sie mit ihrem Gewicht, dass Sie in der Landesregierung haben, sich auch mit den Besitzständen vor Ort anlegen und eine sinnvolle Verwaltungsstruktur in Angriff nehmen. Wir sagen Ihnen, das Verfassungsgerichtsurteil, das Grüne und SSW erstritten haben, bietet Ihnen dazu die Chance. Wir Grünen werden Sie, wenn Sie sinnvolle Maßnahmen einleiten, dabei auch unterstützen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Silke Hinrichsen für den SSW das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei allen für die konstruktive Diskussion. Es ist richtig, dass wir in unserem Antrag die Weichen so gestellt haben, wie wir es parteipolitisch schon immer vertreten haben.

Sie wissen, sowohl bei der Diskussion um die Veränderung der Gemeindeordnung als auch der damit einhergehenden Amtsordnung und Kreisordnung haben wir immer gesagt: Die Amtsordnung ist so nicht richtig. Da war eine Mehrheit des Hauses anderer Ansicht. Vor diesem Hintergrund ist die Klage erfolgt, nachdem wir nun 30 Jahre dafür gekämpft haben, dass die Schreibstube nicht mehr die Schreibstube ist. Das sollte man nicht übersehen.

Warum wir unbedingt die Kommunalpolitiker mit auf die Reise nehmen müssen, ist Folgendes: Ich kenne einige Gemeindevertreter, die sind Gemeindevertreter und sitzen nicht im Amtsausschuss. Sie bekommen die Sachen vorgelegt, insbesondere das Haushaltsrecht ist eines der wichtigsten Rechte, das noch bei den Kommunen liegt. Da legt das Amt den Haushalt vor. Wenn jemand etwas zu meckern hat beziehungsweise etwas anmerkt und sagt, das geht so nicht, ich möchte etwas anderes haben, kommt sofort die Antwort: Das geht nicht, da schreitet die Kommunalaufsicht ein, ohne dass vorher eigentliche Budgetberatungen in der Gemeinde selbst stattgefunden haben.

Es ist so. Sie müssen einmal zu einigen Gemeindevertretersitzungen gehen. Das ist so unerfreulich und hat bei Ihren Mitglieder schon so viel Frust gegeben, die Kommunalpolitik machen wollten. Sie dachten, sie konnten etwas bewegen. Dann sitzen sie dort und stellen fest: Entweder ist das Amt zuständig oder ihnen wird gesagt, das Amt hält das nicht für richtig.

Das ist genau das, warum wir all diejenigen mit auf die Reise nehmen müssen, damit wir eine vernünftige Lösung finden. Dem SSW ist klar, dass man es bis 2011 - das ist sehr eng - hinbekommen muss. Wir sollten es versuchen. Aber diese Reform muss so gut sein, dass sie nachhaltig ist und wir nicht alle drei Jahre wieder an der Gemeindeordnung etwas ändern müssen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Moment sieht es so aus, dass wir jetzt schon ein Problem bekommen werden. Nur für die Wahlen zu den Ämtern muss man noch Folgendes wissen: Wir haben gerade auf kommunaler Ebene nicht nur die

(Thorsten Fürter)

Parteien, sondern wir haben sehr viele Wählervereinigungen, die sich vor Ort engagieren. Wir werden Probleme bekommen, wenn Wahlen zu Ämtern stattfinden müssen. Die Parteien, insbesondere die Wählervereinigungen vor Ort, die wir sehr schätzen, in denen auch viele unserer Mitglieder Mitglied sind und die vor Ort für das Richtige in ihrer Gemeinde kämpfen, werden Probleme bekommen, und das sind Probleme, die wir alle offen diskutieren müssen. Deshalb stehe ich weiterhin zu dem, was der Antrag beinhaltet, dass wir der Ansicht sind - Gemeinde, Kreis und dann kommt das Land -, dass wir vor dem Hintergrund weiter diskutieren wollen. Deswegen steht das auch so im Antrag. Wir wollen überhaupt nicht verhehlen, dass das auch der Grund ist, warum das mit im Antrag enthalten ist. Wir unterstützen ausdrücklich den Antrag der Grünen, den diese zunächst allein eingebracht haben.

Man muss einfach verstehen, dass es Ihre eigenen Kommunalvertreter sind, die davon betroffen sind, und die wollen wir gern mitnehmen. Ich kenne auch einige, die in der Kommunalpolitik angefangen haben und nach einem halben oder einem Jahr das Handtuch geworfen haben. Ich denke, das haben wir alle schon erlebt, und es ist keine Partei davon ausgenommen, weil man festgestellt hat, dass man das, was man vor Ort machen wollte, gar nicht so machen konnte, wie man sich das vorgestellt hat.

Ich denke, dass wir das im Ausschuss weiter diskutieren sollten. Ich bedanke mich trotz allem bei allen wirklich dafür, dass alle bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Wir müssen dringend dorthin, denn 2011 wäre die letzte Chance, für die neue Kommunalwahl die Richtung vorzugeben.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/604 (neu) dem Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Wahl der Mitglieder zur 14. Bundesversammlung

Wahlvorschlag der Fraktion des SSW Drucksache 17/599

Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/600

Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/609