Ich bitte also um Überweisung des Antrages an den Innen- und Rechtsausschuss. Wir sollten die für Ende Juni angekündigte Positionierung des Gemeindetags zum Thema Amtsordnung abwarten. Ich hoffe, dass wir danach rasch zu einer Formulierung kommen werden. Wir sollten auch den Bericht zur Situation der Kommunalfinanzen abwarten, den wir ja im Juli im Parlament erhalten werden. Ich denke, wenn wir den sehen, wird das unseren Entscheidungsprozess hier auch beflügeln.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 26. Februar ist Grundlage für den Antrag der Fraktionen von Grünen und SSW. So war es ja auch geplant, denn sie waren es gemeinsam, die das Landesverfassungsgericht angerufen hatten, um mit einem entsprechenden Urteil eine Begründung für eine Neugliederung der Verwaltungsstrukturen in Schleswig-Holstein zu erhalten.
Sicherlich sind die Erwartungen nicht vollständig erfüllt worden, denn das Landesverfassungsgericht hat keinesfalls festgestellt, dass eine Neugliederung der Strukturen in Schleswig-Holstein unerlässlich ist. Vielmehr hat es zwei Wege aufgezeigt, die eine relativ einfache Herstellung der Verfassungskonformität ermöglichen.
Erstens, die Amtsausschüsse werden direkt von der Bevölkerung im Amtsbereich gewählt, und damit wird die demokratische Legitimität hergestellt, oder zweitens, die mögliche Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben von den Gemeinden auf die Ämter wird per Gemeinde- oder Amtsordnung auf einen bestimmten Umfang oder auf bestimmte Aufgaben beschränkt. Auf diese Weise wäre relativ schnell und einfach die Verfassungsmäßigkeit erreicht.
Meine Damen und Herren, eine Direktwahl der Amtsausschüsse ist nach Meinung meiner Fraktion nicht zielführend, denn eine weitere Ebene mit direkt gewählten Vertreterinnen und Vertretern wäre mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten und würde der Selbstverwaltung in den amtsangehörigen Gemeinden die Luft zum Atmen nehmen, mit Sicherheit bei der Finanzausstattung.
Dann könnten gleich aus den Gemeinden eines Amtes fusionierte Amtsgemeinden entstehen, allerdings mit dem Ergebnis, dass die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Heimatgemeinde verloren ginge und damit auch ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement.
Die zweite Möglichkeit, die Aufgabenübertragung, wäre zumindest für eine Übergangszeit eine realistische. Das grundsätzliche Problem wäre aber mit beiden Varianten nicht gelöst, nämlich die Tatsache, dass wir eine Verwaltungsebene in Schleswig-Holstein zu viel eingerichtet haben. Hier muss unserer Meinung nach, auch nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts, eine Diskussion ansetzen.
Meine Damen und Herren, eine Ebene, die aufgelöst werden könnte, ist die der Gemeinden. Wir haben in Schleswig-Holstein eine sehr kleinteilige Struktur im kommunalen Bereich.
Über 1.100 Gemeinden mit zum Teil unter 100 Einwohnern sind zum Beispiel im Vergleich mit Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder mit unseren Nachbarn auf dänischer Seite ein absolutes Novum. Wir müssen aber feststellen, dass gerade in diesen Dörfern die Identifikation mit ihrer Gemeinde eine besondere ist und, ich sagte es bereits, das ehrenamtliche Engagement besonders groß ist. Wir sollten es uns deshalb ganz genau überlegen, ob wir dieses durch eine Gebietsreform ohne Weiteres aufs Spiel setzen sollten.
Eine andere Ebene könnte die der Kreise sein. Nach Aussagen von Kreispolitikern liegt der Anteil, der durch die Selbstverwaltung auf Kreisebene wahrgenommen wird, im Bereich von vielleicht 10 bis 15 %. Alles andere sind Landesaufgaben, die durch die Kreise ausgeführt werden und nicht durch die Selbstverwaltung beeinflusst werden können. Sie werden aber zum Beispiel unter anderem durch die Kreisumlage, die von den Gemeinden und Städten abgeführt wird, finanziert.
Auch die vom Gesetzgeber festgelegte Ausgleichsfunktion der Kreise kann inzwischen aufgrund der finanziellen Situation von den Kreisen schon nicht mehr wahrgenommen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe hier nur zwei Möglichkeiten aufgeführt, wie es zu einer neuen Struktur in der Verwaltung in SchleswigHolstein kommen kann. Sicherlich gibt es noch weitere praktikable Modelle. Wir stehen dieser Diskussion offen gegenüber. Ich muss allerdings betonen, dass diese Möglichkeiten nicht durch den Koalitionsvertrag abgedeckt sind und auch wir in der FDP zu diesem Thema noch eine Grundsatzdiskussion führen müssen.
Meine Damen und Herren, einige Punkte sind für uns allerdings unerlässlich: Die Einwohnerinnen und Einwohner, die ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker sowie die Vertretungen in den kommunalen Gebietskörperschaften sind auf diesem Weg mitzunehmen.
Entscheidungen wie eine Gebietsreform auf Gemeinde- oder Kreisebene über die Köpfe der Betroffenen hinweg ist für uns nicht akzeptabel. Beispiele aus der näheren Vergangenheit zeigen, dass alle Veränderungen, die vom Landsgesetzgeber verordnet werden sollen, zum Scheitern verurteilt sind, nicht nur in Dithmarschen. Mögliche Effizienzgewinne - ich meine jetzt finanzielle -, die durch effektivere Strukturen erzielt werden, müssen dabei den Kommunen erhalten bleiben. Sie dürfen kein Mittel sein, um die finanzielle Situation des Landes zu verbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Woche habe ich an einer Veranstaltung der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte teilgenommen. Minister Schlie und Kollege Habeck waren auch anwesend. Dabei stellte sich heraus, dass die Positionen gar nicht so weit auseinander lagen, sich zumindest nicht als unüberbrückbar darstellten. Vielleicht ist es ja bei diesem Thema möglich, zu
mindest bei den Eckpfeilern der zukünftigen Verwaltungsstruktur in unserem Land zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich erlaube mir den Zwischenhinweis, dass wir nach diesem Tagesordnungspunkt den Punkt 12 aufrufen. Der Hinweis soll reichen. Vielleicht guckt jeder noch einmal in seine Reihen, ob auch alle da sind.
Dann erteile ich für die Fraktion DIE LINKE dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Heinz-Werner Jezewski, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe erst gedacht, ich hätte hier einen schlechten Traum. Ich kann mich ja nicht hier hinstellen und, nachdem die Kollegen Kalinka und Rother gesprochen haben, sagen, ich stimme dem zu, und das war es. Aber dann ergab sich doch noch zum Glück, dass noch ein bisschen von dem fehlte, was ich sagen wollte.
Wir haben - SSW und Grünen sei es gedankt - eine klare Aussage des Landesverfassungsgerichts zu den Aufgaben und zu den Strukturen der Ämter in Schleswig-Holstein. Und wir haben auch klare Aussagen, was nicht tragbar ist und was geändert werden muss. So weit, so gut. Jetzt kommen die Antragsteller und fordern die Landesregierung auf, endlich auf dieses Urteil zu reagieren. Auch das ist richtig und lobenswert. Aber was folgt dann? Sie fordern die Landesregierung auf, so zu reagieren, wie sie es gern hätten. Netter Versuch, aber im Sinne des politischen Diskurses völlig daneben!
Es ist sicherlich lobenswert, viele gesellschaftliche Strömungen und Organisationen einzubeziehen, um diesen Prozess zu gestalten. Ich finde es richtig, mal nicht nur die kommunalen Landesverbände anzusprechen, sondern zu sagen, auch die ehrenamtlichen Verbände müssen einbezogen werden. Vielleicht sollten wir sogar mal dazu übergehen, dass wir an der Basis der kommunalen Zusammenarbeit gucken, mit Gemeindevertretern sprechen und nicht nur mit ihren Spitzenverbänden. Da kommt manchmal vielleicht ein anderes Bild heraus.
Diesen Diskurs zu führen finde ich wichtig, und deswegen freue ich mich, dass der Antrag so gekommen ist. Aber dann zu sagen, wir führen den Diskurs unter folgender Prämisse, nämlich - das hat Herr Kalinka schon angesprochen - den einen Weg, den das Landesverfassungsgericht aufgezeigt hat, dürfen wir auf keinen Fall gehen, das geht nicht.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich halte diesen Weg, den Sie ausschließen wollen, auch für falsch. Ich bin auch für den anderen Weg. Ich halte den Antrag in den einzelnen Punkten durchaus für richtig. Wenn wir aber den Diskurs führen wollen, dürfen wir das Ergebnis einfach nicht vorwegnehmen. Das ist für mich Bedingung. Es scheint mittlerweile Konsens zu sein, in den Ausschuss zu gehen und darüber zu diskutieren, wie wir diesen Diskurs führen. Aber bitte ergebnisoffen.
Ich komme mir nämlich so vor, wie wenn es hier im Landtag heißt, die Haushaltsstrukturkommission habe das beschlossen und deshalb könne das jetzt abgestimmt werden. Das ist die gleiche Form des politischen Diskurses. Ein Ergebnis ist vorgegeben. Eine ergebnisoffene Diskussion gern. Das soll so sein.
Ob das nun „Schleswig-Holstein-Forum“ heißt oder anders, da bin ich schmerzbefreit. Wie das Kind heißt, finde ich nicht so wichtig. Wichtig wäre, mit wem wir das führen. Das muss sorgfältig organisiert werden. Ich glaube, wir müssen diesen Diskurs auch mit der Landesregierung führen. Da geht überhaupt kein Weg dran vorbei.
Dann müssen wir gucken - das ist auch schon gesagt worden -: Wie ist die parlamentarische Begleitung dieses Verfahrens? Gehen wir anschließend noch über eine Anhörung? Da müssen wir gucken: Was lässt die Verfassung zu? Was lässt die Geschäftsordnung zu? Was wollen wir dann machen?
Es scheint Konsens zu geben, dass wir den Antrag an den Ausschuss überweisen und ihn dort vielleicht verbessern, natürlich große Teile davon übernehmen und versuchen, das zu organisieren. Das wird harte Arbeit werden. Ich frage mich auch, innerhalb welcher Organisationsstrukturen wir das machen. Kann ein Ausschuss das im Rahmen seiner Selbstbefassung machen? Das werden wir uns ansehen müssen.
Ich stelle fest, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen allen gibt. Ich glaube, wir finden gute Lösungen.
enz“ sein soll. Bei „Demokratie-Bürgernähe“ komme ich ja noch mit. Aber ich habe das weder in der Verfassung gefunden noch in irgendwelchen kommunalen Verordnungen und Gesetzen.
Ich würde das Ganze gern entschwurbeln. Ich glaube nämlich, dass Heimat nicht nur in amtsangehörigen Gemeinden möglich ist, sondern auch in kreisfreien Städten und in amtsfreien Gemeinden. Das sollten wir da entschwurbeln und dann einen vernünftigen, auch inhaltlichen Diskurs führen. Das wird ganz bestimmt spannend.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Effizienz, nämlich die Wirtschaftlichkeit des Handelns, steht in der Gemeindeordnung, § 1. Der Begriff der Heimat aus dem Antrag ist in dem Buch von Herrn Habeck nachzulesen.
Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2010 zur schleswig-holsteinischen Amtsordnung auf und stellt davon ausgehend diverse Forderungen an den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Diese Forderungen haben allerdings mit dem genannten Urteil, jedenfalls was die Zielrichtung des Antrags betrifft, nur vordergründig etwas zu tun.
Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich die wesentlichen Inhalte der verfassungsgerichtlichen Entscheidung noch einmal kurz in Erinnerung rufen. Das Landesverfassungsgericht hatte angesichts der Entwicklung der Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben von Gemeinden auf Ämter die Auffassung vertreten, dass es nicht auszuschließen sei, dass sich Ämter zu Gemeindeverbänden im Sinne des Artikel 3 Abs. 1 der Landesverfassung entwickeln können. In der Zusammenschau einer fehlenden gesetzlichen Begrenzung der Übertragbarkeit von Selbstverwaltungsaufgaben bei mittelbarer demokratischer Legitimation der Amtsausschüsse hat das Gericht die Amtsordnung für verfassungswidrig erklärt.
Für die bis Ende 2014 zu treffende Neuregelung hat das Gericht drei Handlungsoptionen hervorgehoben, durch die der als verfassungswidrig bezeich
nete Zustand beseitigt werden könnte: erstens die gesetzliche Begrenzung der Übertragbarkeit von Selbstverwaltungsaufgaben nach Quantität und Qualität, zweitens die unmittelbare Wahl der Mitglieder des Amtsausschusses durch die Bevölkerung und drittens schließlich ein Mischmodell, das heißt eine Differenzierung der Ämter nach ihrem Aufgabenbestand und daraus abgeleitet gegebenenfalls das Erfordernis einer unmittelbaren Wahl.
Ich möchte betonen: Das Landesverfassungsgericht hat alle genannten Möglichkeiten als gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Darüber hinaus lassen sich aus dem Urteil noch weitere Handlungsoptionen ableiten, die allesamt einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung bedürfen.
Hilfreich wäre es übrigens, wenn wir in der Diskussion der nächsten Monate zwischen den Gebietskörperschaften und den Verwaltungsebenen unterscheiden würden. Das würde der Diskussion insgesamt auch in der Fachlichkeit gut tun.