Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einem breiten Diskussionsprozess wollen Grüne und SSW eine Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein einleiten. Gegen eine breit angelegte Debatte spricht nichts, sie findet in Teilen ja auch inzwischen statt. In welcher Form der Diskussionsprozess laufen soll, darüber sollten wir im Ausschuss beraten und eine Ausschussüberweisung vornehmen. Auch die Landesregierung wird ihre Meinung in diesen Prozess einbringen und sagen, wie sie sich dies vorstellt.
Ein Prozess des Miteinander statt Gegeneinander dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen; das würde uns guttun. Sie formulieren in Punkt 5:
„Den Weg, den das Landesverfassungsgericht als einen von mehreren möglichen aufgezeigt hat, nämlich Aufgabenkataloge für die Ämter zu erstellen und gegebenenfalls Aufgabenrückübertragungen auf die Gemeindeebene zu veranlassen, wird nicht beschritten.“
Dies ist natürlich ein beachtlicher Schönheitsfehler. Sie wollen eine breite Diskussion, nehmen das Ergebnis in einem wichtigen Punkt aber vorweg. Das ist schade.
Sollen nach dem Verfassungsgerichtsurteil die Ämter gestärkt oder ihre Aufgaben reduziert werden? Das ist die Kernfrage.
Die Situation bei uns ist, dass einst die Ämter die Schreibstuben der Gemeinden waren, heute zum Teil aber schon eine selbstbestimmende Aufgabenwahrnehmung vornehmen. Wir haben ganz unterschiedliche Größenordnungen: Zwischen 1.300 und 40.000 Einwohner, wir haben eine Größe zwischen 3 und 31 Gemeinden. Wer die Ämter wieder stärker machen will, muss allerdings auch wis
Sie fordern in Punkt 8, das kommunale Ehrenamt aufzuwerten. - Einverstanden! Die Praxis ist heute zum Teil eine andere. Ich war gestern Abend auf einer Veranstaltung, reiner Frust über zu viele Vorgaben, alles sei zu kompliziert, eine eigene Gestaltung vor Ort sei nicht mehr möglich. Reiner Frust bei den kommunalen Freunden.
Wenn man eine Entschädigung gibt, soll man sie auch wirklich geben, lieber etwas weniger, aber dafür steuerfrei, anstatt dass immer noch ein Teil zum Einkommen dazugezählt werden muss. Das sind Punkte, über die wir miteinander reden müssen. Das gilt auch für Sportvereine und andere.
Die Bereitschaft, sich weiter einzubringen, wird wesentlich davon abhängig sein, ob wir dem kommunalen Ehrenamt tatsächliche Gestaltung geben. Wer nicht gestalten kann, weil die Vorgaben zu stark sind, wird sich weniger einbringen, und das wäre keine gute Entwicklung.
„Unterhalb der staatlichen Ebene des Landes sind nicht mehr zwei Ebenen kommunaler Selbstverwaltung einschließlich direkt gewählter Kommunalvertretungen vorzusehen.“
Sie sagen allerdings nicht, auf welche Ebene Sie verzichten wollen. Herr Kollege, Sie haben richtigerweise gesagt, das ist kein abschließendes Modell, sondern ein Diskussionsprozess, was ja eine Chance sein kann. Ich erhebe keinen Vorwurf. Ich erinnere mich daran, dass wir 2005 Großkreisdiskussionen geführt haben. Es schadet ja nichts, wenn man sich gegenseitig fortentwickelt; das kann der Sache eigentlich nur guttun.
Meine Damen und Herren, Sie sagen, dass Sie längerfristig eine Vorstellung haben wollen. Ich halte es für richtig, die Diskussion darüber zu führen. Ich halte es für richtig, eine Diskussion darüber zu füh
ren, wie wir weniger Mischfinanzierung, weniger Mischzuständigkeiten haben, wie wir eine wirkliche Verwaltungsverschlankung erreichen, entbürokratisieren, Aufgabenabbau, möglicherweise eine Ebene weniger. Die Haushaltsstrukturkommission hat uns geradezu aufgefordert, uns damit zu beschäftigen, genau zu diesen Themen hat sie ja nicht sehr viel gesagt. Das ist die Situation, das ist eine Chance für uns, die wir gern nutzen wollen.
Wir haben in der Großen Koalition Debatten über eine Verwaltungs- und Kreisgebietsreform geführt. Wenn wir ganz ehrlich miteinander sind, stellen wir fest, dass zu diesem Thema seit zwei Jahren relativer Stillstand in der Debatte ist. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns der Diskussion stellen. Wie das Ergebnis sein wird, werden wir sehen. Etwaige Synergieeffekte, Effizienzgewinne sollen in den kommunalen Gliederungen bleiben. Da sind wir uns einig, auch der Finanzminister hat sich entsprechend geäußert, auch dort Übereinstimmung.
Fazit, Herr Präsident: Mehr Gestaltung und Freiheit vor Ort sind der richtige Weg. Demokratie - Kollege Habeck, da haben Sie recht - muss gelebt werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir brauchen Verschlankungen. Die Gemeinde-, Amts- und Kreisordnung kann das ab. Ich glaube, dass sich der Innenminister damit schon beschäftigt.
Die Diskussion braucht Zeit, sie darf aber nicht zeitlos sein. Vor der Kommunalwahl 2013 sollte Klarheit herrschen, möglichst ein Jahr vorher. Wir freuen uns auf die Debatte. Sie ist notwendig, sie muss eine langfristige Wirkung haben. Deswegen wäre es gut, wenn wir im Ausschuss in Ruhe darüber sprechen könnten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Werner Kalinka, vielen Dank für diese Worte; da sind wir gar nicht so weit auseinander. Mit ihrem Antrag zur Neugliederung der Verwaltung in Schleswig-Holstein nehmen die Grünen und jetzt auch noch der SSW das Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Amtsordnung zum Anlass, nicht nur eine notwendige Überarbeitung dieses
Gesetzes, sondern gleich eine ganze Kommunalstrukturreform auf den Weg zu bringen. Das ist im Prinzip richtig und unterstützenswert.
Der Antrag ist aus unserer Sicht allerdings so nicht beschlussreif, weil er in den Nummern 5 und 6 mögliche Ergebnisse einer umfassenden Diskussion schon ausschließt und daher erst einmal im Innenund Rechtsausschuss beraten werden sollte, und dann können wir das neu formulieren. Ich vermag auch nicht zu erkennen, liebe Silke Hinrichsen, warum man keinen Aufgabenkatalog sowohl positiv als auch negativ festlegen könnte. In der Gemeindeordnung machen wir das genauso. Warum sollte so etwas in der Amtsordnung nicht möglich sein? Das lässt das Verfassungsgerichtsurteil zu. Das müssen wir natürlich prüfen und bewerten.
Auch der Landesrechnungshof hat Hinweise gegeben - er prüft zurzeit die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung der Kreise -, die das Anliegen des Antrags unterstützen. Das ist hilfreich und sehr sympathisch, ersetzt natürlich nicht unser eigenes politisches Denken.
Ein weiterer Mangel des Antrags ist es aus unserer Sicht, die parlamentarische Begleitung des Regierungshandelns nicht genau zu benennen. Bei dieser doch grundlegenden Frage für unser Land und vor allem die Demokratie in unserem Land sollten die gewählten Abgeordneten schon in qualifizierter Weise mitreden, selbst wenn wir in diesen Fragen eigentlich kein großes Analysedefizit mehr haben, sondern eher ein Entscheidungsdefizit.
An die seltsamen Gremien, die es zurzeit gibt und die ohne parlamentarische Begleitung oder demokratische Legitimation Politik in unserem Lande machen, wollen wir uns nicht gewöhnen, weder an die „Konzeptbörse zukunftsfähige Städte“ des Herrn Innenministers noch an die Haushaltsstrukturkommission.
Damit komme ich zu unseren Vorstellungen und nicht schon Maßgaben oder Ergebnisvorwegnahmen, wie sie im Antrag leider genannt worden sind. Aus unserer Sicht brauchen wir dringend ein kommunales Leistungsgesetz, um die Aufgaben von Gemeinden, Ämtern und Kreisen präzise zu be
schreiben. So ließen sich Aufgabenübertragungen einfacher und leichter regeln. Auch der finanzielle Ausgleich für die Erledigung dieser Aufgaben wäre allgemein fassbarer und nicht nur ein paar Spezialisten überlassen. Hinzu kommt, dass die Grundsätze für eine kommunale Daseinsvorsorge festgelegt werden könnten - die EU bastelt schon seit Jahrzehnten daran herum -, auch um die elendigen Privatisierungsdiskussionen, die wir immer wieder haben, zu beenden. Auf so einer Basis könnten dann auch realistische Bedarfe ermittelt und realistische Einsparungen erwirtschaftet werden. Denn das Geld wird an anderer Stelle dringender gebraucht als gerade in der Bürokratie.
Wir haben eigentlich gar nichts gegen eine Standardöffnung oder die Aufhebung überflüssig gewordener Verwaltungsvorschriften, Verordnungen und Gesetze. Allerdings geht es für uns darum, administrative Standards abzubauen, die Bürgernähe zu steigern und Bürokratie abzubauen, und nicht darum, soziale Standards abzubauen, wie es für die Landesregierung schon jetzt leider der Fall zu sein scheint.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die interkommunale Zusammenarbeit fördern, nicht verordnen und haben zumindest in diesem Punkt in der Vergangenheit auf der Amtsebene ja auch Fortschritte erzielt, die gerade mit zu diesen Problemen geführt haben. Ich kenne viele Strategen - allerdings auch hier im Hause -, die immer gern vor einer Landkarte stehen und Kreis-, Amts- und Gemeindegrenzen verschieben. Aber, der Kollege Kalinka hat darauf hingewiesen, in der Vergangenheit sind die großen Feldherren vor diesen Landkarten meistens gescheitert.
Manchmal ist es schon schwer zu begreifen, Herr Habeck, warum wir nicht über gesetzliche und vereinbarte Aufgabenzuweisungen sowie gesetzlichen und vereinbarten Finanzausgleich zu einer effizienteren Verwaltung kommen können, ohne gleich Grenzsteine einzusammeln und die Demokratie gefährdet zu sehen. Freiwilligkeit und Vernunft können sich sinnvoll ergänzen. Da sind viele Modelle denkbar, auch mehrere Modelle als nur die Zweckverbände. Aber über so etwas muss man tatsächlich in Ruhe reden.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, das kann auch für Ämter gelten, die mittlerweile weit mehr geworden sind als die oft zitierte Schreibstube der Gemeinden. Warum sollte nicht auch eine „Hochzeitsprämie“ beispielsweise für Gemeinden mög
lich sein, die sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen, um dann gemeinsam solche Dinge auf den Weg zu bringen?
Die Forderung nach Stärkung des kommunalen Ehrenamtes ist natürlich schnell erhoben und geht auch völlig in Ordnung. Sie daf aber nicht zulasten der Selbstregulierungsmöglichkeiten der kommunalen Gremien gehen. Sie hat letzten Endes eine Kompetenzverschiebung vom Haupt- zum Ehrenamt zur Folge. Das Gerede von Win-Win-Situationen hat sich in der Vergangenheit immer als solches erwiesen. Es gehören also auch die Bedingungen für die Wahrnehmung des Ehrenamtes mit zu einer solchen Erörterung. Die SSW-Antragsergänzung ist vor diesem Hintergrund sinnvoll. Dazu gehört natürlich auch die Frage des kommunalen Wahlrechts, die wir in diesem Zusammenhang klären sollten.
Ich bitte also um Überweisung des Antrages an den Innen- und Rechtsausschuss. Wir sollten die für Ende Juni angekündigte Positionierung des Gemeindetags zum Thema Amtsordnung abwarten. Ich hoffe, dass wir danach rasch zu einer Formulierung kommen werden. Wir sollten auch den Bericht zur Situation der Kommunalfinanzen abwarten, den wir ja im Juli im Parlament erhalten werden. Ich denke, wenn wir den sehen, wird das unseren Entscheidungsprozess hier auch beflügeln.