Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals über die Versuche von Hans Eichel gelacht haben, Steuerhinterzieher wieder ins Land zu holen?
Es hat nicht geklappt. Straffreiheit allein reichte nicht, auch nicht die Absenkung der Steuersätze. Woanders zahlen sie ja noch weniger. Wir können und wollen nicht mit Steueroasen konkurrieren. Worauf sich die Hoffnung gründet, dass jene Glücksspielanbieter, die bereits aus dem Ausland heraus tätig sind, wieder herkämen und bereit wären, eine Abgabe zu zahlen, die die jetzigen Einnahmen des Staates ausgleichen will, ist mir schleierhaft. Sie können nicht einmal auf ein schlechtes Gewissen hoffen, denn die aktuellen Aktivitäten jener Unternehmen sind fragwürdig, aber leider nicht strafbar.
Stattdessen wollen Sie einen kontrollierten Markt zerstören. Noch ist das staatliche Lotto eine ernste Konkurrenz zu anderen Anbietern. Und Sie wollen die geringen Einflussmöglichkeiten des Staates auf Suchtbegrenzung gesetzlich zunichte machen.
Sie haben einfach die falschen Besucher, die zu oft bei Ihnen ein und aus gehen und dann leider die Gesetzgebung mit ihrer Mehrheit bestimmen.
(Lachen bei der CDU - Beifall bei SPD und der LINKEN- Peter Eichstädt [SPD]: Ihr und eure Zockerbande! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Man sollte mit dem DFB-Präsidenten reden! - Weitere Zurufe)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stegner. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass wir uns gegenseitig ein wenig mehr Gehör schenken. Das macht die Debatte etwas angenehmer für alle Beteiligten.
Während auf der einen Seite in Nordrhein-Westfalen die Linkspartei Programme beschließt, nach denen alles verstaatlicht werden soll, was nicht niet
und nagelfest ist, finden wir auf der anderen Seite mit dem Motto von Schwarz-Gelb: „Eigennutz vor Gemeinwohl“ das genaue Gegenteil. Beides ist falsch.
Ich habe nun wirklich nichts gegen private Gewinne und privates Wirtschaften, insbesondere wenn es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die schließlich unseren Wohlstand erarbeiten, zugutekommt. Wohl aber haben ich und die Sozialdemokratie insgesamt etwas dagegen, dass Gewinne privatisiert und Verluste verstaatlicht werden und dadurch wichtige Steuerungsmöglichkeiten und demokratische Kontrolle verloren gehen.
(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich gebe zu, da haben wir manches falsch gemacht, auch in den Kommunen. Das haben wir erkannt, und der Rückweg ist angetreten, jedenfalls überall dort, wo Sozialdemokraten etwas zu melden haben.
Eigentum verpflichtet - so heißt es im Grundgesetz. Es gehört auch zu Ihrem schleswig-holsteinischen Amtseid, Nutzen zu mehren und Schaden vom Gemeinwesen abzuwenden. Deswegen rate ich Ihnen sehr dringend, diesen Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ auch einmal in Ihr Denken aufzunehmen. Ich habe heute bei dem, was Sie vorgetragen haben, davon nichts gehört, Herr Ministerpräsident.
- Über Ihren Eigentumserwerb möchte ich hier nicht reden, ich spreche über öffentliches Eigentum, Herr Kollege Kubicki.
Zu diesen grundlegenden Steuerungsnotwendigkeiten gehört auch, wie wir aktuell sehen können, die Sicherstellung der Kreditversorgung der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich halte - und manche von Ihnen in der Union hatten jedenfalls bis vor Kurzem noch die gleiche Ansicht - den öffentlichrechtlichen Sparkassensektor für den stabilisierenden und wichtigen Sektor in einem vom Mittelstand geprägten Land. So ist es kein Geheimnis, dass der FDP-Fraktionsvorsitzende schon seit Langem die Gewinne der privaten Banken steigern und die öffentlich-rechtlichen Sparkassen abschaffen möchte. Der Einfluss von Herrn Kopper scheint weit zu reichen. Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie aber auf: Reichen Sie dafür nicht die Hand, machen
Sie die Sparkassen nicht kaputt, auch nicht durch die Hintertür, indem Sie Brüssel schlagende Argumente für die Privatisierung dieses Sektors liefern!
Wer das bezweifelt, den möchte ich daran erinnern - das ist im Protokoll nachzulesen -, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP in einer seiner üblichen Prahlhansreden hier im Landtag angekündigt hat, wie sicher er sich ist, dass es zwar der zweitbeste Schritt sei, den Sie jetzt unternehmen, die wirkliche Privatisierung aber nach sich ziehen werde. Wenn das passiert, erzählen Sie uns hinterher nicht, Sie hätten leider das Urteil aus Brüssel nicht vorhersehen können, wie damals die Sache mit dem Vogelschutz und NATURA 2000, Herr Ministerpräsident! Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Die angekündigte Offensive für Wachstum und Beschäftigung für Mittelstand und Handwerk ist so selbstverständlich wie nebulös. Ich frage mich auch, was es heißt, wenn Sie, Herr Carstensen, auf dem Parlamentarischen Abend der Studien- und Fördergesellschaft der schleswig-holsteinischen Wirtschaft in Berlin sagen, dass das Land nur noch das fördern werde, was dem Land und der Wirtschaft Schleswig-Holsteins nütze. Nur wenn man glaubt, dass die Menschen für die Wirtschaft da sind und nicht umgekehrt, dann ist das ein logischer Satz. Für jemanden, der den Anspruch hat, Politik für Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu machen, ist eine solche Verknüpfung eher entlarvend. Was nützt denn dem Land und der Wirtschaft? - Nützen der Wirtschaft Jugendzentren, Frauennotrufe, das Kinderschutzgesetz, das Landesblindengeld, die Integration behinderter Kinder oder das Programm „Kein Kind ohne warme Mahlzeit“? Nicht wirklich. Das müssen diese Dinge auch nicht. Wir werden aufpassen, dass Sie diesen Grundsatz nicht durchsetzen können, den Sie hier formulieren, Herr Ministerpräsident.
In Ihre Regierungsvereinbarungen ist ein bisschen viel von der FDP hineingeraten, wie man an Ihren Ausführungen merken kann.
Die Frage, was eine verantwortungsvolle Politik auszeichnen würde, lautet ganz anders. Sie lautet nämlich: Was nützt den Menschen hier im Land? Was nützt der Gesellschaft am meisten? Das ist die Frage, die sich die Sozialdemokraten in diesem Haus stellen.
Wir Sozialdemokraten glauben immer noch, dass die Wirtschaft für die Menschen da ist. Geld regiert die Welt, das mag Ihre Vorstellung sein. Das ist nicht unsere Vorstellung von sozialer Demokratie. Den Grundsatz werden wir nie aufgeben, egal wie laut Sie schreien und wie protzig Sie mit Ihren Motorbooten durch die Kieler Bucht fahren mögen.
Die Frage, wie das mit der Entwicklung von steigenden Gewinnen auf der einen Seite und sinkenden Reallöhnen auf der anderen Seite ist, zeigt, dass dieses wirtschaftsgläubige Denken schon viel zu lange währt und dass es Zeit wäre, dem Irrglauben endlich abzuschwören. Begreifen Sie, dass die wahren Leistungsträger in unserer Gesellschaft nicht diejenigen mit den höchsten Einkommen sind, sondern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihren Familien, die Rentner, die unseren Wohlstand erarbeitet haben, die Krankenschwestern, die Busfahrer, die Verkäuferinnen und die Polizisten, diejenigen, die sich für unsere Kinder oder unsere Sicherheit abrackern! Die vielen Menschen, die nachts und an den Wochenenden arbeiten, haben nichts davon, wenn Sie hier die Forderungen von Wirtschaftsfunktionären nachplappern und durch das inspiriert werden, was Sie in Ihrer neuen Traumpartnerschaft hier verkünden.
Ihrer Wachstumsstrategie fehlt ein entscheidender Punkt: Wir müssen auch das kulturell-soziale Umfeld attraktiv machen. Anders ziehen wir nämlich keine Talente an. Sie bleiben in den abgewirtschafteten Floskeln vergangener Ideologien verhaftet. Statt Lehren aus der Krise zu ziehen und stärker die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen, weil sie diejenigen sind, die mit ihren Familien ein wirklich existenzielles Interesse an dem Fortbestand von Betrieben haben, was sie immer wieder durch extreme Kooperation unter Beweis stellen, statt also die Mitbestimmung auszudehnen, empfinden Sie diese als lästiges Hemmnis, als überflüssige Bürokratie und würden sie am liebsten einschränken. Am liebsten würden Sie den Kündigungsschutz streichen. Sie setzen voll auf den Markt, der
so offenkundig versagt hat. Wie oft sind Sie uns in der Großen Koalition mit den Forderungen nach weniger Mitbestimmung, weniger Gleichstellung und weniger Kündigungsschutz gekommen. Immer wieder haben Sie dies vorgetragen. Das ist auch Ihr Denken, und das ist ein völlig falsches Denken. Das ist ein Denken von vorgestern.
Immerhin haben Sie gesagt, Sie wollen die guten Ansätze der Arbeitsmarktpolitik fortsetzen, auch wenn mir in Ihrer Beschreibung die Langzeitarbeitslosen als Zielgruppe fehlen. Doch Arbeitsorganisation, Arbeitnehmerrechte und Integrationsbetriebe werden von Ihnen genauso wenig erwähnt wie die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen. Ihr einziger Satz über die Gewerkschaften war hier bezeichnend: Sie seien bereit, zu Ihren Gipfeln zu kommen. Das ist ja toll. Eine Wertschätzung dessen, was sie in den Betrieben leisten, habe ich nicht von Ihnen gehört, Herr Ministerpräsident. Das zeigt den Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Folgerichtig findet sich im Koalitionsvertrag zur Arbeitsmarktpolitik auch keine Aussage dahin gehend, dass ein Mensch von seinem Lohn leben können müsste, und zwar aus Gerechtigkeitsgründen, aus ökonomischer Vernunft heraus und vielleicht sogar - Herr Ministerpräsident, Sie haben auf Ihren christlichen Glauben hingewiesen -, weil es dem christlichen Menschenbild entspricht, dass Arbeit Würde und einen Wert hat. Das ist jedenfalls unsere Auffassung, die wir auf dieser Seite des Hauses haben.
Das im Koalitionsvertrag des Bundes beschlossene Verbot sittenwidriger Löhne gibt es längst. Wo sind aber die Maßnahmen gegen Lohndumping und Hungerlöhne? Erzählen Sie uns nicht, dass staatlich subventioniertes Lohndumping etwas mit Marktwirtschaft zu tun hätte! Das ist staatliche Misswirtschaft, an die Sie immer noch glauben, schwarz-gelb, wie Sie sind. Deshalb haben wir leider zu befürchten, dass wir im Bundesrat das Trauerspiel erleben werden, dass Sie gegen Mindestlöhne, gegen Tariftreue, gegen die Auswüchse von Leiharbeit und damit gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stimmen werden. Wir werden nicht müde werden, das in diesem Haus immer wieder anzuprangern. Darauf können Sie sich verlassen.
Zweitens. Was die HSH Nordbank betrifft, ist Herr de Jager - wie dem „Handelsblatt“ vom Montag zu entnehmen war - einer der wenigen Menschen, die keinen Anlass sehen, das Konzept der HSH infrage zu stellen. Es schlummern viele Risiken. Wir werden den Untersuchungsausschuss, der von der größeren Regierungsfraktion mit immer größerer Lustlosigkeit eher geduldet als durchgeführt wird, konsequent nutzen, um herauszuarbeiten, wie katastrophal das Krisenmanagement in den letzten Jahren gewesen ist.
(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP], Günther Hildebrand [FDP] und Dr. Christian von Boetticher [CDU])
Wir haben kein Vertrauen zu einem Vorstandsvorsitzenden wie Herrn Nonnenmacher, dem jedweder Respekt vor Parlament und Steuerzahler fehlten. Wir haben kein Vertrauen zu einem Aufsichtsratsvorsitzenden wie Herrn Kopper, der trotz aller Beschlüsse dieses Parlaments zur Begrenzung der Managergehälter weiterhin an Modellen arbeitet, die dafür sorgen, dass die Manager der HSH Nordbank mehr als 500.000 € im Jahr einstreichen können. Das halten wir für falsch. Im Übrigen hatte das ganze Parlament etwas anderes beschlossen.
Wir hatten hier schweren Herzens schwierige Entscheidungen zu treffen, um noch katastrophalere Folgewirkungen zu vermeiden und um Arbeitsplätze zu sichern. Wir haben Ihnen aber ganz gewiss keinen Blankoscheck dafür gegeben, dass die HSH Nordbank die Regierung am Nasenring durch die Manege führt und nicht von Ihnen kontrolliert wird. Obwohl wir Anteilseigner sind und zusammen mit Hamburg über 80 % der Anteile halten, musste sogar der groteske Schritt vollzogen werden, die dem Parlament verantwortlichen Politiker aus dem Aufsichtsrat zurückzuziehen, weil das Herrn Kopper besser gefallen hat. All das zeigt, wie absurd die ganze Sache ist.