Protocol of the Session on May 21, 2010

(Beifall bei FDP und SPD)

Zur gemeinsamen Ausbildung kann für SchleswigHolstein gesagt werden, eine integrative Pflegeausbildung wurde in Schleswig-Holstein modellhaft entwickelt und ist bereits evaluiert. Kurz gefasst geht es dabei um gemeinsames Lernen in der Altenpflege, in der Gesundheits- und Krankenpflege beziehungsweise in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Seit dem Jahr 2007 wird diese integrative Ausbildung in Flensburg modifiziert als Regelausbildung durchgeführt.

Zweites Handlungsfeld ist es, den absehbar steigenden Bedarf an professionellen Pflegeleistungen so zu decken, dass es für Pflegebedürftige und Solidargemeinschaft finanzierbar bleibt. Dafür ist es unumgänglich, unterhalb der Fachkräfteebene eine Pflegeassistenzausbildung anzubieten, die in allen Segmenten des pflegerischen Arbeitsmarktes und in allen Einrichtungen akzeptiert wird. Wenn Sie einen pflegebedürftigen Menschen nehmen und den betreuungs-, pflege- und krankenpflegerischen Bedarf messen würden - das Wort „würden“ setze ich dabei in Klammern -, stellen Sie fest, dass die Bedarfe sehr unterschiedlich sind. Auch die Anforderungen an den Pflegebedarf sind sehr unterschiedlich.

Nebenbei bemerkt würde eine solche Ausbildung die mit dem Pflegebedarf verbundenen Berufschancen für eine Zielgruppe eröffnen, die bisher noch nicht davon profitieren konnte. Hier ist der Gestaltungsspielraum auf Landesebene größer als bei den bundesgesetzlich geregelten Fachausbildungen. Es werden deswegen vorbereitende Gespräche zwischen den beiden beteiligten Ministerien sowie mit den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Einrichtungen, in denen Pflegeassistenzkräfte ausgebildet werden könnten, aufgenommen.

Die personelle Basis der Pflegeausbildung auch zukünftig zu sichern, ist für die Landesregierung und für mich ganz persönlich eine Aufgabe mit hoher Priorität. Es gilt, Versorgungsbedarfe insbesondere von älteren und hoch betagten Menschen in Chancen für jüngere Menschen umzumünzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Pflege ist ein fordernder, aber auch ein unglaublich verantwortungsvoller und zutiefst mitmenschlicher Beruf.

(Beifall bei FDP und SPD)

Diejenigen, die ihn ausüben, sind oft viel zufriedener, als man im Hinblick auf das von mir zu Anfang angesprochene Image meinen könnte. An der Stelle will ich auch sagen, ich finde es unerträglich, dass über Pflegeberufe und diejenigen, die ihn Altenheimen arbeiten und pflegen, immer nur dann gesprochen wird, wenn vermeintliche oder tatsächliche Pflegemissstände aufgedeckt werden.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Nein, es muss auch darüber gesprochen werden, wenn diese Menschen Tag für Tag ordentliche Pflege in den Einrichtungen leisten. Deswegen gilt es, neben der Sicherung des Ausbildungsbedarfs auch nachhaltig den Ruf zu stärken, den die Pflege in der Öffentlichkeit hat. Daran arbeitet die Landesregierung im Moment intensiv gemeinsam mit den Sozialpartnern, um das Ansehen dieser Berufe weiter zu verbessern. Das haben sie verdient.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und SSW)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Birte Pauls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Garg, vielen Dank für diesen Bericht. Das Thema Pflege ist zurzeit in aller Munde, aber ist es auch wirklich in allen Köpfen angekommen? - Pflege muss als Grundlage ganz oft für schöne Sonntagsreden oder Grußworte herhalten. Immer wieder wird betont, was für eine schwere Aufgabe die Pflegenden doch zu leisten haben. Was kommt dann? Nichts, heiße Luft.

Mit Zustimmung aller Fraktionen hat der Landtag unter der Federführung von Frau Dr. Gitta Trauernicht das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz vorgelegt. Es hat die Rechte und Möglichkeiten der Menschen mit Pflegebedarf in allen Bereichen gestärkt, es hat für Transparenz und Schutz gesorgt. Wo aber bleiben die Umsetzungen? - Herr Dr. Garg, wo bleiben die Verordnungen? - Die Einrichtungen und auch die Mitglieder des Sozialausschusses warten händeringend darauf. Sie sind ein halbes Jahr im Amt, und es ist nichts passiert.

Es muss weitergehen, denn Pflege hat zwei Seiten: Diejenigen, die Pflege benötigen, und diejenigen, die pflegen sollen. Die Voraussetzungen sind schwierig. Immer mehr Menschen werden immer

(Minister Dr. Heiner Garg)

älter. Gott sei Dank ist es so, ich freue mich über diese medizinische Entwicklung. Es gibt aber immer weniger junge Menschen, und von diesen jungen Menschen wollen immer weniger in die Pflege gehen. Zahlen des deutschen Pflegerates belegen, dass uns in Deutschland in den nächsten zehn Jahren mindestens 77.000 zusätzliche Pflegefachkräfte fehlen werden. Auf Schleswig-Holstein umgerechnet, sind das cirka 3.000 Pflegefachkräfte.

Gab es im Jahr 2007 noch 79.081 pflegebedürftige Menschen in Schleswig-Holstein, so werden es im Jahr 2025 etwa 115.000 sein. Hier wird der steigende Bedarf an Pflegefachkräften deutlich. Leider hat die Landesregierung im Bericht keine Antwort auf unsere Frage gegeben, wie der nötige Ausbildungsbedarf befriedigt wird. Daher appellieren wir an Sie, Herr Dr. Garg, den Landeszuschuss für Ausbildungsplätze im Rahmen Ihrer Sparpolitik nicht zu kürzen, sondern eher noch auszuweiten, wie wir es in der Vergangenheit auch getan haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erschwerend kommt hinzu, dass Altenpflegeschülerinnen und -schüler ihre Ausbildung zum Teil selbst finanzieren müssen. Weiterhin beschreibt der Bericht die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen als demotivierend, sodass die Ausbildung wenig attraktiv für junge Menschen ist. Pflegekräfte haben keine verlässlichen Arbeitszeiten. Sie arbeiten im Schichtdienst und haben einen physisch und psychisch anstrengenden Beruf. Zudem erfahren die Pflegefachkräfte außer in Sonntagsreden keine oder nur geringe gesellschaftliche Anerkennung. Der Lohn ist gering, und die Aufstiegschancen in der direkten Pflege sind begrenzt, es sei denn, man strebt nach abgeschlossener Ausbildung ein Studium an, was sich 40 % der Auszubildenden vorstellen können, die uns dann wieder bei den Patienten fehlen.

Die jungen Menschen, mehrheitlich Frauen, die diesen Beruf wählen, tun dies mit der Motivation, kranken Menschen zu helfen. Sie leiden aber nicht einem Florence-Nightingale-Syndrom, sondern sie stellen sich unter anderem den modernen Anforderungen von Kommunikation, einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit sowie technischem, pharmazeutischem, ernährungswissenschaftlichem und medizinischem Wissen. Sie setzen sich mit moralischen, ethischen und kulturübergreifenden Gedanken auseinander, und dann trifft sie der Alltag. Das, was sie gestern in der Schule gelernt haben, ist heute im Dienst nicht relevant. In kaum einer anderen Ausbildung klafft die Schere zwischen theoretischem Wissen und der Anwendung im Alltag so

weit auseinander. Der Alltag in den Pflegeberufen ist durch einen ständigen Spagat zwischen fachlicher Kompetenz und wirtschaftlichen Zwängen geprägt. Er ist ein Spagat zwischen Menschlichkeit und Geld. Die Minuten geben den Takt vor, nicht der Mensch.

In keinem anderen europäischen Land verlassen so viele Pflegefachkräfte innerhalb von zehn Jahren den Beruf wie in Deutschland. Die Gründe sind Frust, Unzufriedenheit und arbeitsbedingte Erkrankungen. Wir hier an der Grenze zu Dänemark haben ein ganz besonderes Problem: Immer mehr Pflegefachkräfte, nicht nur Ärzte, suchen sich Arbeitsplätze in Skandinavien, weil sie dort bessere Rahmenbedingungen vorfinden. Wer Pflege als Berufswahl nachhaltig attraktiv machen will, der muss die die Arbeitsbedingungen, in Personalschlüssel, in Karrierechancen, in Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in Aus- und Weiterbildung und nicht zuletzt auch in Vergütungen investieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Nach langem, zähem Ringen hat die Kommission sich jetzt auf einen Mindestlohn in der Pflege geeinigt. Er liegt bei 8,50 € im Westen und bei 7,50 € im Osten. Das möge man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Gott sei Dank ist es nur die Grenze nach unten. Warum? - Weil es immer noch Heime und Betriebe gibt, die Pflegefachkräften unter 5 € pro Stunde bezahlen. Pflegepersonal wird oft und fast ausschließlich als Kostenfaktor angesehen und nicht als Sicherung von Qualität.

Herr Garg, was hat sich eigentlich Ihr Parteikollege, Herr Wirtschaftsminister Brüderle, gedacht, als er die Mitzeichnung des Mindestlohns erst einmal blockierte? - Gott sei Dank ist er zwischenzeitlich schlauer geworden. Er meinte, wir könnten uns das nicht leisten. Auch das möge man sich auf der Zunge zergehen lassen. Hier zeigt sich wieder: Pflege ist in aller Munde, aber in den Köpfen ist sie noch nicht angekommen. Herr Brüderle hatte offensichtlich noch nicht begriffen, um was es hier geht, aber auch das ist typisch für die FDP: Es geht Ihnen ums Geld und nicht um die Menschen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der FDP)

In meiner Jugend bin ich viel mit diesen Buttons an der Brust herumgelaufen. Sie kennen sie alle. Darauf stand „Peace“ oder „ATOMKRAFT? NEIN DANKE“. Einer war dabei, auf dem stand: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“. Formu

(Birte Pauls)

lieren wir das einmal um: Stell dir vor, du bist krank, und keiner kommt, um dich zu pflegen. Lassen wir es bitte nicht so weit kommen. Lassen Sie uns gemeinsam für eine gute Zukunft in der Pflege, für eine bessere Lobby in der Pflege und für unsere Gesellschaft arbeiten. Hier bin ich gern an Ihrer Seite, Herr Dr. Garg. Bis dahin wünsche ich uns allen eine stabile Gesundheit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Frau Kollegin Ursula Sassen hat das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle können irgendwann ein Pflegefall werden. Daher geht uns dieses Thema auch alle an. Frau Pauls, Sie sagten, der Minister sei ein halbes Jahr im Amt, und es sei noch nichts passiert. Es war nachzulesen, dass die Verbesserung der Pflege und der Rahmenbedingungen zu seinen wichtigsten Regierungsvorhaben gehört. Ich denke, das wird er in der gebotenen Zeit sorgfältig einleiten.

Wie im Bericht dargelegt, ist in Schleswig-Holstein die Integration der beiden im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe in der Kranken- und Kinderkrankenpflege so weit fortgeschritten, dass eine getrennte Darstellung der Ausbildungssituation nicht mehr sinnvoll schien und in einigen Einrichtungen Kinderkrankenpflegekräfte mit Krankenpflegekräften unterrichtet werden. Dieser Prozess ist angesichts eines drohenden Pflegekräftemangels zu begrüßen. Auch wenn in diesen Bereichen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden, fördert Wissen um altersspezifische Besonderheiten in beiden Ausbildungsberufen die Flexibilität.

Die Konzentration auf größere Krankenpflegeschulen wird nicht nur als wirtschaftlicher angesehen, sondern eröffnet mit einem größeren Lehrerkollegium und dem Meinungsaustausch der Auszubildenden untereinander auch die Chance einer qualifizierteren Ausbildung. Da die ausbildenden Krankenhäuser auch Träger der Krankenpflegeschulen sind und nicht nur für ihren eigenen Bedarf ausbilden, nehmen sie mit der Ausbildungsbereitschaft eine verantwortungsvolle, dem Gemeinwohl dienende Aufgabe wahr. Dennoch ist festzuhalten, dass die Ausbildungsbereitschaft durch die begrenzten finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt ist.

Bei der Krankenpflege gibt es im Gegensatz zur Altenpflege keine Förderung aus Landesmitteln. Das Land nimmt vor diesem Hintergrund auch keinen Einfluss auf die Zahl der von den Krankenhäusern vorzuhaltenden Ausbildungsplätze. Im Bericht heißt es dazu: Dieses Prinzip hat sich bewährt. An dieser Stelle bin ich der Auffassung, dass das Land es sich etwas zu einfach macht. Die Finanzierung durch die Krankenkassen entbindet meines Erachtens das Land nicht von der Pflicht, für die zukünftigen Anforderungen einen Gesamtbedarf in allen Pflegebereichen zu ermitteln und eventuell Steuerungsmöglichkeiten zu schaffen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aus dem Bericht der Landesregierung geht hervor, dass Flensburg sowohl in der Kranken- als auch in der Altenpflege bezüglich der integrierten Pflegeausbildung eine herausragende Position einnimmt und wegen der Vielfalt der medizinischen Behandlungsfelder eine komplexe praktische Ausbildung bietet. Da einige Krankenhäuser nicht das gesamte Spektrum der Einsatzbereiche vorhalten, wird dies durch den sogenannten Lernortwechsel ausgeglichen, der von den Trägern in eigener Verantwortung organisiert wird. Bei aller Regelungswut im Gesundheitswesen tut es gut zu lesen, dass auf diesem Gebiet freiwillige Kooperationen möglich sind.

Laut Bericht der Landesregierung werden an den 18 Altenpflegeschulen seit 2009 bis zu 1.170 Ausbildungsplätze mit Landesmitteln gefördert, die im Landeshaushalt mit 4.072.000 € zu Buche schlagen.

Nach der aktuellen, noch nicht abgeschlossenen Bedarfseinschätzung zeichnet sich aber ab, dass ab 2012 jährlich ein steigender Fehlbedarf von circa 460 Pflegekräften, insbesondere in der Altenpflege, zu verzeichnen sein wird.

Um die Herausforderungen der Auswirkungen des demografischen Wandels in der Pflege zu meistern, sind in der Zeit von 2004 bis 2006 14 Berufsfachschulen im Lande zur Ausbildung von Fachkräften für Pflegeassistenz eingerichtet worden - vom Grundsatz her eine gute Idee!

Der Pflegeassistenzberuf unterhalb der Fachkraftebene könnte vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Sicherung professioneller und bezahlbarer Pflegeleistung eine Lücke schließen.

Leider finden die Auszubildenden der Fachkräfte für Pflegeassistenz häufig keine Anstellung, weil ihnen die Praxis fehlt, sodass zu überlegen ist, die

(Birte Pauls)

ses Berufsfeld wieder in die Krankenpflegeschulen zu integrieren oder gemeinsam mit den Berufsfachschulen praxisbezogene Ausbildungskonzepte anzustreben.

Wenn sie noch weiterlernen wollen, müssten sie außerdem noch drei weitere Jahre Krankenpflegeausbildung nachschieben. Das wären dann sechs Jahre. Das ist ein zu langer Weg. Es bleiben noch Fragen offen, die im Ausschuss beraten werden. Wir begrüßen, dass Minister Garg dieses Thema vorantreiben und sich damit sicherlich große Mühe geben wird. Aber über allem muss das Bemühen stehen, die Pflegeberufe attraktiver zu gestalten, ihr Ansehen zu stärken, die Pflegekräfte von Zeit fressenden Dokumentationen zu entlasten und ihnen die Freude an ihrem Beruf zurückzugeben.

Ich komme noch zu einer Schlussbemerkung: Laut Mitteilung vom 20. Mai 2010 ist der Pflegemindestlohn jetzt beschlossene Sache. Die Beschäftigten im Pflegeheim oder bei ambulanten Diensten, die Pflegebedürftigen beim Waschen, Anziehen, Essen oder Gehen helfen, erhalten 7,50 € im Osten und 8,50 € im Westen. Das soll ab dem 1. Juli 2013 auf 8 € beziehungsweise 9 € pro Stunde angehoben werden. Das ist der erste Schritt.

(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Ines Strehlau [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Garg! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Vertrauen zu unserem Minister

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)