Protocol of the Session on October 9, 2008

An dieser Stelle haben wir vielleicht noch einige positive Dinge herauszuheben. Es wird gesagt, Armut wirke sich negativ auf die Gesundheit aus; sie wird auch über den Impfstatus verbessert. Hier ist

(Dr. Heiner Garg)

noch am ehesten ein Handlungsziel zu erkennen. Natürlich werden auch allgemeine Ziele der Gerontopsychiatrie genannt. Es wird aber wenig dazu gesagt, was die Kommunen getan haben. Ich muss positiv hervorheben: Am besten steht noch das Land da. Die Situation ist tatsächlich so, dass das Land eine Reihe von Initiativen losgetreten hat; ob es nun um die Hospize oder um die Palliativversorgung oder auch um unser Projekt QuaMadi geht, über das wir hier schon viel gesprochen haben. Das sind Dinge, die vom Land vorangetrieben wurden. Hier haben die Kommunen durch finanzielle Anreize oder durch politische Initiativen mitgezogen.

Das aber, was wir uns vom Gesundheitsdienstgesetz erhofft haben, ist nicht erreicht worden. Das ist für uns eine ernste und besorgniserregende Situation, über die wir im Ausschuss reden müssen. Entweder müssen wir mit den Kommunen darüber reden, woran es liegt, oder wir müssen das Gesetz ändern. Wir sind uns darüber noch nicht im Klaren. So ist das jedenfalls kein zufriedenstellender Zustand. Gerade angesichts der großen Armut vor Ort brauchen wir eine Berichterstattung, die Zielen dient. Wir brauchen eine Zielbestimmung, die möglichst einheitlich bestimmte Grundlagen schafft und realistisch und überprüfbar ist. Meine Kollegen haben dies ebenfalls gesagt.

In welchem Ausmaß man hier zu Erfolgen kommen kann, haben die von mir genannten Initiativen gezeigt. Wir haben zum Beispiel im Bereich der Brustkrebsdiagnose aufgrund eines landeseinheitlichen Projekts deutliche Verbesserungen erreicht. Wir haben aufgrund der ersten Anstrengungen, die in diesem Bereich gemacht worden sind, eine Verbesserung im Palliativbereich erreicht. Vergleichbare Dinge würde ich mir auch auf kommunaler Ebene wünschen. Ich denke, die Details besprechen wir im Ausschuss.

Frau Sassen, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar. Sie sind in Ihrer Sichtweise immer sehr optimistisch, aber selbst Sie haben an diesem Bericht Kritik geäußert. Das zeigt, dass wir hier auf einer Linie sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Unruhe)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort. - Die Redner wären dankbar, wenn wir ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit widmen könnten.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein ambitioniertes Gesetz, das der Landtag am 14. Dezember 2001 beschlossen hat. Der öffentliche Gesundheitsdienst in SchleswigHolstein sollte zu einem modernen Bestandteil der Gesundheitspolitik mit einem eigenständigen Aufgabenprofil umgestaltet werden. Die originären eher gesundheitspolizeilichen - Aufgaben der Gesundheitsämter sollten zu einer kommunalen Gesundheitspolitik weiterentwickelt werden, die nicht nur Angebote koordiniert und vorbeugend die Gesundheit der Menschen fördert, sondern die langfristig auch die Ressourcenprobleme im traditionellen, kurativen Gesundheitswesen abmildern könnte.

Knapp acht Jahre später ist das Ergebnis im vorliegenden Bericht nachzulesen. Dabei erscheint die Berichtslage noch außerordentlich dünn und uneinheitlich. Die teilweise fehlende Vergleichbarkeit ist insofern nachvollziehbar, als gerade gewünscht wird, dass Fachverwaltung und Politik sich vor Ort mit kommunalen Besonderheiten und Bedürfnissen auseinandersetzen. Die vergleichsweise dünne Datenlage lässt sich aber auch damit erklären, dass zu wenig passiert ist. Von einer regelmäßigen Berichterstattung über die gesundheitliche Lage der Bevölkerung, über Gesundheitsrisiken, Versorgungsziele, Ressourceneinsatz, Leistungen und Ergebnisse des Gesundheitswesens - das ist die explizite Definition in diesem Bericht - sind wir noch Welten entfernt.

(Beifall bei SSW und FDP)

Bei den kommunalen Gesundheitsberichten geht es zuerst einmal darum, die epidemiologischen und soziostrukturellen Fakten zusammenzustellen. Allein dies stellt vielerorts schon eine Herkulesaufgabe dar, weil die Daten zwar vielfach schon in der Verwaltung vorhanden sind, aber nicht immer problemlos für einen Bericht greifbar sind. Generell gilt, dass für die bestehenden Berichte zumeist Daten verwandt wurden, die standardmäßig durch die traditionellen Tätigkeiten des Gesundheitsamtes und anderer Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitsbereichs anfallen. Beispiele dafür sind Schuleingangsuntersuchungen, schulzahnärztliche Befunde, Sterbedaten oder die Daten des sozialpsychiatrischen Dienstes und der Drogenhilfe. Außerdem wurden die regionalisierten Daten des landesweiten Sterblichkeitsberichts genutzt. Es wurde

(Angelika Birk)

also all das genutzt, was ohnehin schon vorhanden war.

Positiv hervorzuheben sind Ausnahmen wie Flensburg, wo auch Reihenuntersuchungen in den Kindergärten durchgeführt wurden, oder Lübeck, wo man die Senioren besonders in den Blick nahm. Heraus sticht auch die Basisberichterstattung, die trotz ihres Namens bei Weitem nicht überall zugrunde gelegt wird. Nur vier Kreise und die Stadt Lübeck haben damit nicht nur die epidemiologischen Daten, sondern auch die soziodemografischen und sozioökonomischen Lebensverhältnisse sowie die Ressourcen im regionalen Gesundheitswesen im Blick. Damit ermöglichen sie erst den Abgleich von Bedarf und Angebot. Dies fehlt allerdings in vielen kommunalen Bereichen noch. Gerade die Berücksichtigung soziostruktureller und sozialraumbezogener Daten ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Kommunen eigene Strategien entwickeln können. Der im Bericht ausführlich zitierte Lübecker Seniorenbericht mag hier als herausragendes und ziemlich allein stehendes Beispiel dienen.

Trotzdem ist die Bilanz ernüchternd. Über eine grundlegende Berichterstattung sind nur wenige Regionen hinausgekommen. Einige Kreise haben mit ihrer Arbeit bisher kaum etwas auf die Beine gestellt, was das Prädikat Gesundheitsberichterstattung verdient hat. Schlusslicht ist leider der Kreis Schleswig-Flensburg, der bislang nur über die Trink- und Badewasserqualität sowie über die Hygiene der Lippingau berichtet hat. Das sind Aufgaben, die schon vorher bestanden und nichts mit dem Gesundheitsdienstgesetz zu tun haben.

Die im Bericht der Landesregierung angesprochene kommunale Gesundheitsplanung anhand der Berichterstattung und die Erstellung von Gesundheitsprofilen zum Beispiel für einzelne Sozialräume finden so gut wie gar nicht statt. Offensichtlich gibt es in vielen Kreisen und kreisfreien Städten das Problem, dass die medizinischen Gesundheitsdienste auf eine andere, traditionelle Art des öffentlichen Gesundheitsdienstes ausgerichtet sind, die nicht unbedingt mit den neuen Vorstellungen von einer aktiven, sozialwissenschaftlich geprägten kommunalen Gesundheitspolitik kompatibel sind.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die Gesundheitsberichterstattung stellt aber nur einen Wert an sich dar, wenn sich der Erkenntnisgewinn auch in einer entsprechenden Politik, Pla

nung und Handlung auswirkt. Die Landesregierung kommt in dem Bericht zu dem Schluss, dass es sich um einen dynamischen Prozess handelt. Ich möchte es eher als einen großen Nachholbedarf charakterisieren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dabei wäre es zu leicht, dies nur den Kommunen in die Schuhe zu schieben. Natürlich können die Politiker und die Verwaltungen vor Ort entsprechende Prioritäten setzen, wie es zum Beispiel Flensburg auf Initiative des SSW hin getan hat, aber die kommunale Ebene stößt dabei leicht an Grenzen. Der SSW hat bereits 2001 gewarnt: Wenn die Kommunen nicht die entsprechenden Ressourcen bekommen, wird der Effekt des Grundgesundheitsdienstgesetzes begrenzt sein. Dann hängt es vom persönlichen Engagement Einzelner ab. Als das Gesetz beschlossen wurde, hat die damalige rot-grüne Regierung eine verbindliche Regelung vermieden, weil dann finanzielle Forderungen nach dem Konnexitätsprinzip zu erwarten gewesen wären. Hieran krankt das Gesundheitsdienstgesetz bis heute.

Die Sozialministerin will nun die Nachzügler nur dadurch motivieren, dass sie ihnen die Drucksache 16/2227 zuschickt. Das ist eine Lachnummer, aber so steht es ausdrücklich in einem Absatz des Berichts. Alleine 25 Seiten des Berichts handeln davon, was die Kommunen tun. Und das kriegen sie jetzt wieder schriftlich zugeschickt. Das ist mir ein bisschen zu wenig. Die Landesregierung muss konkrete Anreize dafür setzen, dass die Kreise und kreisfreien Städte die grundlegende Berichterstattung auf die Beine stellen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Sie muss Ressourcen bereitstellen, damit aus Berichten Pläne und aus Plänen auch Projekte werden können. Ansonsten bleibt das Gesundheitsdienstgesetz eines der ambitioniertesten Vorhaben dieses Jahrzehnts, das aber nie in die Praxis umgesetzt worden ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich glaube, Sie ha- ben den Sinn des GDG nicht ganz verstan- den!)

(Lars Harms)

Für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man macht sich zwar nicht gerade beliebt, wenn man zu diesem Zeitpunkt noch schnell einen Dreiminutenbeitrag macht, aber ich würde das doch gern tun, um vielleicht noch einmal ein paar Dinge ins Licht zu rücken.

Beim Hören der einzelnen Beiträge von Kolleginnen und Kollegen ist bei mir ein bisschen der Eindruck entstanden, es könne vonseiten der Landesregierung alles gehändelt werden, was auf kommunaler Seite nicht eingelöst worden ist. Genau da ist der Knackpunkt, und genau das ist das Problem. Die Kollegin Birk hat darauf hingewiesen: In dem Moment, in dem es landespolitisch eine Initiative gibt - wie zum Beispiel bei der geriatrischen Versorgung oder bei der Palliativversorgung und so weiter -, tut sich etwas auf kommunaler Ebene. Das war aber nicht unser Ziel.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Unser Ziel war, von unten, von kommunaler Ebene eine öffentliche Gesundheitsvorsorge, ein Gesundheitsbewusstsein für Menschen vor Ort zu schaffen und dies auch durch die Kommunalpolitik initiieren zu lassen. Das ist uns wirklich noch nicht geglückt, mal abgesehen von den seinerzeit geäußerten skeptischen Sätzen des Kollegen Garg, die ich in dem Plenarprotokoll noch einmal nachgelesen habe, der auch gesagt hat, wir wollen mal sehen, wie die Kommunen mit diesen Freiheiten umgehen und ob sie dieses nicht nur nutzen, um ihre personellen Ressourcen zu reduzieren, um an anderer Stelle etwas zu finanzieren. Insofern wäre es auch spannend gewesen, sich noch einmal anzugucken, wie die personellen Ausstattungen in den Gesundheitsämtern vor Ort sind.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das heißt, die Kritik und die Zweifel an den Ergebnissen die wir äußern, müssen wir an die Kommunen durchreichen, und mit denen müssen wir kritisch diskutieren und sie in die Pflicht nehmen, dass sie auch im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge eine wichtige Aufgabe zu übernehmen haben. Das können wir nicht vonseiten der

Landesebene allein initiieren. Das ist auch nicht unser Ziel gewesen. Sonst müssen wir unser Gesetz ändern. Wir müssen vielleicht auch in der Tat noch einmal überlegen, ob wir nicht an bestimmten Stellen etwas restriktiver vorgehen, insbesondere wenn ich an das Thema Versorgung Älterer, Demenzpflege, geriatrische Versorgung vor Ort und ambulante Angebote denke. Da sollten wir noch einmal kritisch an unser eigenes Gesetz herangehen und das noch einmal überprüfen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/2227, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Internationaler Jugendaustausch/Jugendbegegnung

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2236

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Internationale Begegnungen und internationale Verständigung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben eine lang gewachsene Tradition. Sie geht im Kern auf das Bestreben zurück, nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Weg der Begegnung zu Verständigung und Versöhnung zu kommen. Ich meine, man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass die Pioniere der internationalen Jugendbegegnung maßgeblichen Anteil daran hatten, dass wir heute in einem friedlichen Europa der guten Nachbarn leben. Auch heute im Zeitalter der europäischen Einigung und der intensiven globalen Beziehungen hat der internationale Jugendaustausch eine große und auch immer noch eine zunehmende Bedeutung.

Internationale Jugendarbeit gehört zu Recht zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit. Sie ist als Teil der nationalen Jugendpolitik rechtlich im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert, mit dem Ziel, die Mobilität der Jugendlichen anzuregen. Eigeninitiative soll gestärkt werden, interkulturelles Lernen soll gefördert werden. Dies schafft zugleich ein Lernfeld für gesellschaftliche Mitverantwortung und das Verständnis für andere Kulturen und Lebensweisen.

Internationale Jugendbegegnungen tragen durch das Zusammenkommen von Gleichaltrigen aus verschiedenen Ländern dazu bei, die eigene Situation zu reflektieren und einen eigenen Standpunkt in Europa und in der Welt zu bestimmen. Neben persönlichkeitsbildenden Aspekten gewinnt unter dem Vorzeichen immer engerer transnationaler Austausch- und globaler Kooperationsbeziehungen interkulturelle Kompetenz zunehmend an Bedeutung, individuell als Voraussetzung für die Teilhabe und Gesellschaft als sogenannter weicher Standortfaktor.

Internationale Mobilität und Erfahrung gewinnt darum auch im Hinblick auf die Ausbildung von Arbeitsmarktchancen junger Menschen steigende Relevanz. Nicht zuletzt deshalb hat die Förderung von Jugendbegegnungen durch die öffentliche Hand auch den Sinn, breiten Schichten der nachwachsenden Generation eine solche Erfahrung zu ermöglichen. Ich sage ausdrücklich, sie darf kein soziales Privileg von Wenigen sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Internationale Begegnungen zeichnen sich - das zeigt auch der Bericht - durch eine große Vielfalt der Träger und Programmformen aus. Sie spannen einen Bogen von gemeinsamen Aktivitäten bei Spiel, Sport und kulturellen Programmen bis zu Schulpartnerschaften und beruflicher Orientierung über Grenzen hinweg.

So finden in der Jugendarbeit Begegnungen im Bereich der sprachlichen und sportlichen Jugendbildung ebenso statt wie im Rahmen von Städtepartnerschaften, die historische und kulturelle Eindrücke durch den Besuch von Museen, Gedenkstätten und die Teilnahme an landestypischen Kulturveranstaltungen vermitteln. In allen Schulformen werden internationale Jugendbildungsangebote mit gemeinsamen unterrichtsbezogenen Veranstaltungen gefördert. Sie behandeln politische, soziale, kulturelle und geschichtliche Themen. Von besonderer Bedeutung sind dabei natürlich die sprachli

che Verständigung, insbesondere das Erlernen der jeweils anderen Sprache.

Schließlich wird den jungen Menschen in der Ausbildungsphase in Auslandspraktika, durch Arbeit an gemeinsamen Projekten, aber auch durch den Besuch von Kultur und Bildungseinrichtungen im Gastland die Möglichkeit eröffnet, ihre interkulturelle Kompetenz zu verbessern.