Zusätzlich kommt dazu: Es gibt schon zahlreiche Gutachten und Expertisen - was mich erstaunt -, die Quintessenz ist aber eigentlich, dass es keine belastbaren Zahlen über die Wirksamkeit dieser Maßnahme gibt.
Zu diesem Thema passt, dass ich heute Morgen in den „Lübecker Nachrichten“ im Pressespiegel gelesen habe, dass die Grünen vorschlagen, in den Städten Tempo 30 einzuführen, 120 km/h auf der Autobahn - das kommt meinem Kollegen Manfred Ritzek sehr entgegen
und dass kein Auto schneller als 160 km/h fahren darf. Mein Kollege Hans-Jörn Arp hat sich als Wirtschaftsfachmann dazu natürlich auch geäußert, ganz klar: Diesen Unsinn werden wir ausbremsen! Dem kann ich mich eigentlich nur anschließen.
Man muss einmal überlegen, was das für eine Konsequenz hat. Das wurde von dem Kollegen Matthiessen schon angesprochen. Das Ganze beruht auf rechts vor links, denn Bürgersteige, Radwege, Zebrastreifen und Verkehrsschilder werden zurückgebaut.
Dazu habe ich einmal die Vizepräsidentin der schleswig-holsteinischen Verkehrswacht konsultiert. Das ist nämlich unsere Kollegin Heike Franzen - falls Sie das nicht wissen. Sie hat gesagt: Was ist mit den kleinen Kindern, was ist mit Schulweg
Ich will also nicht verhehlen, dass dieses Thema nicht zu den dringlichsten Themen im SchleswigHolsteinischen Landtag gehört. Das zeigt mir auch die Präsenz hier im Haus. Ich habe mich auch gefragt, was eigentlich die Menschen, die dort oben auf der Tribüne sitzen, und im Land SchleswigHolstein denken, wenn wir solche Themen hier im Landtag diskutieren.
Wenn es nach mir ginge, würde ich den Antrag sofort ablehnen. Die Fraktion hat die Ausschussüberweisung empfohlen, dem schließe ich mich an. Ich bitte Sie, das in den Ausschuss zu überweisen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Sternstunde des Kollegen Jasper ist es natürlich schwierig, das noch zu toppen. Das ist klar.
Eins vorweg, Kollege Kubicki: Welche Bedeutung das Thema hat, sieht man daran, dass Herr Jasper 29 seiner Kollegen für die inhaltsschwere Aussage befragt hat. Das habe ich nicht gemacht.
Shared Space heißt auf deutsch sinngemäß: gemeinsam genutzter Raum. Das ist die Kurzfassung zu dem, was Carsten Jasper erarbeitet hat. Es ist tatsächlich so, dass das „Hamburger Abendblatt“ eine Umfrage gemacht hat. Sieger war schlicht und einfach die Bezeichnung „Gemeinschaftsstraße“. Wir haben so etwas Ähnliches in der Qualität schon mit verkehrsberuhigten Straßen, Spielstraßen und Schrittgeschwindigkeit; wir haben Tempo-30-Zonen und so weiter.
Das ist also ein von der EU finanziertes Verkehrsprogramm, und sieben europäische Städte oder Regionen entwickeln Methoden, öffentlichen Straßenraum gemeinsam zu nutzen. Tatsächlich ist es so, Modellprojekt in Deutschland ist in Niedersachsen die Gemeinde Bohmte.
Im Rahmen des Projektes ist nicht beabsichtigt, den gesamten Straßenraum eines Landes nach diesen Ideen umzugestalten. Das Konzept gesteht zu, dass stets Räume benötigt werden, die ausschließlich Verkehrsfunktionen erfüllen, um den Menschen ein schnelles Vorwärtskommen zu ermöglichen. Die Idee einer Gemeinschaftsstraße stieß dabei teils auf erhebliche Vorbehalte. In Bohmte wurden nicht alle, sondern ungefähr nur die Hälfte aller Verkehrsschilder entfernt. Ein 300 m langes Teilstück an der Hauptdurchgangsstraße wurde - man höre - für 2,3 Millionen € umgebaut. - Unsere Gemeinden werden begeistert sein, ihr vieles Geld, das sie auf der hohen Kante haben, dafür einsetzen zu können.
In Bohmte gelten nur drei Regeln: Tempo 30, rechts vor links und die zwischenmenschliche Rücksichtnahme. Dabei ist diese Gemeinschaftsstraße keine neue Erfindung. Seit den 90er-Jahren setzt sich unter Verkehrsplanern die Erkenntnis durch, dass der öffentliche Raum nicht nur der motorisierten Fortbewegung dient, sondern auch ein Raum ist, in dem sich Menschen aufhalten und verweilen wollen. So entstanden auch einmal die sogenannten Spielstraßen oder auch die Tempo-30-Zonen.
Es ist außerdem so, dass wir ständig damit konfrontiert werden, dass Bürgerinitiativen weniger oder gar nicht dafür streiten, dass Schilder entfernt werden, sondern sie streiten dafür, dass noch mehr Verkehrsschilder aufgestellt werden, dass Ampeln und Zebrastreifen geschaffen werden. Wenn ich an meinen Wahlkreis denke: Dort gibt es den größten Kreisverkehr, den wir hier in Schleswig-Holstein haben. Es gibt immer noch Leserbriefe dazu, dass Menschen sich bei diesem zweispurigen Kreisverkehr einfach nicht zurechtfinden. Ich frage mich manchmal, wie es ist, wenn die das erste Mal nach Frankreich kommen. Dort müssten sie im neunoder zwölfspurigen Kreisverkehr verhungern. Man hat den Eindruck, dass wir Deutschen im Gegensatz zu den Dänen und Niederländern vielleicht einfach nicht dazu geeignet sind, ohne Verkehrsregeln und ohne Verkehrsschilder auszukommen. Das ist hier eine ähnliche Situation. Wir werden die Diskussion erleben. Wenn dort Unfälle passieren, und nach dem Motto gefragt: Muss erst etwas passieren, bevor Verkehrsregelungen aufgestellt werden, bevor Regeln wieder greifen?
Es ist durchaus richtig, dass wir Dinge verändern und weiterentwickeln müssen. Meine Bitte ist aber, dass wir dieses Pilotprojekt, dieses Modellprojekt, das es dort gibt, erst abwarten und nicht mittendrin, bevor überhaupt irgendwelche Erkenntnisse
Es kann doch vielmehr nur so sein, dass die Erfahrungen, die in den verschiedenen Gemeinden im europäischen Raum gesammelt werden, nur die Grundlage dafür sein können, dass wir sagen, das ist eine richtige und wichtige Angelegenheit, das ist eine vernünftige Angelegenheit, um Verkehrssicherheit in einem noch größeren Maße zu garantieren oder nicht.
Ich sage sehr ernsthaft, weil ich mich mit diesem Bereich schon einmal intensiv beruflich beschäftigt habe: Verkehrssicherheit ist eine sehr subjektive Sache. Tatsächliche Verkehrssicherheit resultiert immer aus der Akzeptanz aller, die am Verkehr teilnehmen. Nur wenn sie akzeptiert wird, bietet eine Maßnahme auch ein höheres Maß an Verkehrssicherheit.
Deshalb meine Bitte: Lassen Sie uns diese Auswertungen abwarten. Dann haben wir die Grundlage für die Diskussion, ob wir das zulassen wollen. Das kostet nämlich auch - das muss man auch wissen sehr, sehr viel Geld. Denn nur durch den Umbau des gesamten Verkehrsraums in eine ebene Fläche kann das erreicht werden, was ermöglicht werden soll. Vor diesem Hintergrund noch einmal meine Bitte: Wir sollten das in den Ausschuss geben und dann über die Erfahrungsberichte diskutieren, wenn sie vorliegen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Schröder. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Kollegen Jasper hätte ich natürlich nicht so halten können, weil wir keine 29 Abgeordneten haben, die ich hätte fragen können.
Aber von der Diktion her hätte ich sie halten können. Ich bin dem Kollegen Schröder außerordentlich dankbar für seinen Beitrag. Nachdem ich heute Morgen gelesen habe, dass die Sozialdemokraten Herrn Stegner zum Bundesvorsitzenden küren wollen, hatte ich schon Zweifel am weiteren Ablauf der Tagung.
Auf Deutschlands Straßen existieren laut Straßenverkehrsordnung derzeit genau 648 verschiedene Verkehrsschilder. In der Summe finden sich an den Straßenrändern nach Auskunft des ADAC rund 20 Millionen Schilder, also rund alle 30 m ein Schild. Diesen Schilderwald zu lichten, ist ein wichtiger und richtiger Schritt.
Er reduziert die Kosten und erhöht gleichzeitig die Verkehrssicherheit. Aus diesem Grund wurde 1997 von der damaligen CDU/FDP-Regierung die Straßenverkehrsordnung novelliert. Seitdem sind Städte und Landkreise verpflichtet - so der Text, ich zitiere -:
„bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen restriktiv zu verfahren und stets … zu prüfen, ob die vorgesehene Regelung … zwingend erforderlich ist“.
Die Straßenverkehrsordnung setzt somit seither bewusst auf mehr Eigenverantwortung. Denn weiter heißt es: Verkehrszeichen dürfen nur dort stehen jetzt wieder der Text des Gesetzes -:
Auch in Bezug auf den Bestand ist regelmäßig eine Verkehrsschau durchzuführen, bei der geprüft werden soll, wo Schilder entfernt werden können. - Soweit zur aktuellen Rechtslage.
Die Grünen wollen nun einen gewaltigen Schritt weitergehen und setzen auf den kompletten baulichen Rückbau der Verkehrslenkung. Mit Verweis auf die niedersächsische Kleinstadt Bohmte sollen Bürgersteige, Radwege, Ampelanlagen, Zebrastreifen und Verkehrsschilder abgebaut werden. Im Übrigen solle nur noch die Regel rechts vor links gelten - ich wiederhole: rechts vor links!
- Der Kollege Stegner brauchte 30 Sekunden, um darauf zu antworten. Das zur geistigen Frische heute Morgen.
Was auf den ersten Blick nach Anarchie auf den Straßen klingt, hat seinen Hintergrund in einem EU-Forschungsprojekt. In sieben europäischen Orten wurde bis Mitte 2008 ein niveaugleicher Ausbau von Straßen, Knotenpunkten und Plätzen in einem stark begrenzten innerörtlichen Verkehrsraum hergestellt. In Bohmte war es übrigens der Marktplatz.