Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen der Landesregierung bedanke ich mich herzlich für den gewohnt ausführlichen und informativen Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten für das Jahr 2007. Der Dank gilt Ihnen ganz persönlich, verehrte Frau Wille-Handels, aber ebenso Ihrem ganzen Mitarbeiterstab.
Die Bürgerbeauftragte hat immer wieder die Aufgabe - ich sage es einmal plakativ -, der Verwaltung auf die Füße zu treten, auf Missstände hinzuweisen. Das tut sie beherzt. In früheren Zeiten hätte man wohl gesagt, dass eine Bürgerbeauftragte in natürlicher Gegnerschaft zur Regierung und Verwaltung steht. Unser Verständnis ist ein anderes, und die Amtsführung der Bürgerbeauftragten ist auch eine andere. Aus Sicht der Verwaltung ist die Bürgerbeauftragte nicht bequem - das soll sie auch nicht sein -, ihre Arbeit ist neben der unmittelbaren Hilfe für die Menschen, die sich an sie wenden, sehr wohl so etwas wie Qualitätsmanagement, und das ist rundum willkommen.
Es liegt im Interesse der Landesregierung wie auch der betroffenen Dienststellen, wenn Missstände abgestellt werden, wenn faire Lösungen im Einzelfall gefunden werden und den Bürgerinnen und Bürgern mit ihren Anliegen auch konkret geholfen werden kann - wobei es natürlich eigentlich bedauerlich ist, dass das überhaupt erforderlich ist und nicht über die Verwaltung geschieht, sodass ihre Arbeit überflüssig würde. Aber so ist das Leben eben nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie bereits in den Vorjahren lag im Jahr 2007 der Schwerpunkt der Eingaben im Bereich der sozialen Sicherungsleistungen, und zwar insbesondere mit fast 40 % aller Eingaben im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die zeigt zweierlei: Erstens ist die Materie für viele Betroffene nach wie vor zu komplex, sind Verwaltungsentscheidungen nicht immer plausibel, gewiss auch nicht immer fehlerfrei. Deshalb gibt es einen erheblichen Bedarf an Rat und Unterstützung, dem die Bürgerbeauftragte entspricht.
Zweitens zeigt sich an diesem Tätigkeitsschwerpunkt, dass die Arbeit der Bürgerbeauftragten schon deshalb ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit bewirkt, weil sie vielen Bürgerinnen und Bürgern zur Formulierung ihrer Interessen verhilft, die genau dafür auf diese Unterstützung angewiesen sind.
Viele Betroffene können nicht nur Anträge, sondern auch Entscheidungen oftmals nicht verstehen, und in vielen Fällen müssen Missverständnisse aufgeklärt werden, falsche Entscheidungen korrigiert werden, Ermessungsausübungen und Unverstandenes erläutert werden, muss es Hinweise auf neue Wege geben.
Erfahrungsgemäß sind es immer wieder gesetzgeberische Neuerungen, die der Bürgerbeauftragten Arbeit machen, weil sie für Bürgerinnen und Bürger erklärungsbedürftig sind, zu Unsicherheiten führen können, aber - das ist schon deutlich gesagt auch für die Verwaltung in der praktischen Umsetzung häufig Unklarheiten bedeuten, es können Anfangsfehler auftreten, eher noch als bei langjährig geübter Praxis.
Lassen Sie mich die Position der Landesregierung zu den konkreten Stellungnahmen der Bürgerbeauftragten an einigen wenigen Beispielen exemplarisch darlegen. Die Bürgerbeauftragte hat sich zum neuen Instrument des persönlichen Budgets für Menschen mit Behinderung geäußert. Sie wissen, dass ich dieses Instrument grundsätzlich begrüße und vorantreibe, auch mit eigenen Veranstaltungen seitens der Landesregierung. Sie sagt, dass dieses Instrument bislang nur für wenige Betroffene genutzt wurde.
Dazu möchte ich Folgendes sagen: Erstens ist es richtig, dass mit dem persönlichen Budget derzeit noch Unsicherheiten und offene Fragen verbunden sind, nach meiner Einschätzung sogar Widerstände zu überwinden sind, weil es viele gibt, die dieses Instrument gar nicht wollen. Das hängt mit dem zweiten Punkt zusammen.
Es ist nämlich ganz klar, dass das persönliche Budget ein entscheidendes Instrument für mehr Selbstbestimmung und in diesem Sinne für mehr Normalisierung für Menschen mit Behinderung ist. Drittens muss das Ganze deswegen nach meiner festen Überzeugung so vororganisiert werden, dass nicht nur eine Minderheit das Budget in Anspruch nehmen kann.
Eine Reform, die zur Teilung in budgetfähig und nicht budgetfähig führt, also zu einer neuen Form der Ausgrenzung, widerspricht ganz ausdrücklich den behinderten politischen Zielen der Landesregierung. Damit dies nicht geschieht, wird mein Haus diesbezüglich in konkreten Austausch nicht nur, aber auch mit der Bürgerbeauftragten treten.
Immer wieder bietet die Pflegeversicherung Anlass zu Eingaben, und zwar insbesondere die Begutachtungspraxis durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Viele von uns, die von Einzelfällen hören, können nicht verstehen, warum sich der Medizinische Dienst so verhalten hat, wie es dargelegt wird. Ich werde den Blick zunächst auf etwas anderes wenden, nämlich darauf, dass 58 Petitionen bei rund 77.500 Pflegebedürftigen und bei rund 45.000 Begutachtungen im Jahr eher ein Zeichen dafür sein können, dass die Umsetzung der Pflegeversicherung relativ gut und reibungslos funktioniert.
Wer Studien anschaut, für die Betroffene selbst befragt wurden, wird sehen, dass die überwiegende Zahl der Menschen mit der Einstufung in die entsprechende Pflegestufe einverstanden ist. Aber jeder Einzelfall, bei dem es Probleme gibt, ist ein Einzelfall zu viel, wenn eine andere Entscheidung hätte getroffen werden müssen. Deswegen ist es gut, dass auch dieses Thema Gegenstand der Arbeit der Bürgerbeauftragten ist.
Mit 1.300 Eingaben bezog sich auch im Jahre 2007 jede dritte Eingabe auf das SGB II. Deshalb möchte ich auch im Namen von sowie in Rücksprachen mit dem Kollegen Döring etwas näher auf diesen Bereich eingehen. Richtig ist, dass die Umsetzung der größten Sozialreform in Deutschland nach wie vor nicht optimal funktioniert. Richtig ist aber auch, dass die Umsetzung des SGB II spürbar verbessert wurde, der vorliegende Bericht bestätigt dies. Die Liste der Anregungen, die nach dem vorliegenden Bericht von den Trägern aufgenommen und umgesetzt wurde, ist auch im vergangenen Jahr gewachsen. Das ist gut so und zeigt, dass Anregungen nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch aufgegriffen werden. Der Weg zu Verbesserungen beginnt mit gerechtfertigter, konstruktiver Kritik, davon ist dieser Bericht gekennzeichnet. Dieser wichtige Prozess funktioniert in Schleswig-Holstein ganz offensichtlich. Exemplarisch dafür steht die Zusammenarbeit der Arbeitsmarktakteure im Netzwerk „Chancen für Arbeit in Schleswig-Holstein“.
Derzeit geht es auf Bundes- und Länderebene jedoch darum, sich möglichst bald auf eine verfassungsfeste Nachfolgeorganisation für die SGB IIArbeitsgemeinschaften zu verständigen, nachdem
das Bundesverfassungsgericht deren Organisationsform mit Urteil vom 20. September 2007 für nicht verfassungskonform erklärt hat. Nach Auffassung der Landesregierung muss das Leitbild dafür weiterhin das richtige und bereits bewährte Prinzip der Hilfe aus einer Hand sein, ist das zentrale Grundprinzip der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Trotz aller noch bestehender Unzulänglichkeiten im ARGE-Alltag, denen entschlossen begegnet werden muss, ist die Landesregierung der Auffassung, dass sich die kooperative Zusammenarbeit von Bundesagentur für Arbeit und kommunalen Trägern als Regelmodell des SGB II in ihrer Organisation grundsätzlich bewährt hat.
Die Landesregierung tritt daher dafür ein, dieses Modell verfassungskonform weiterzuentwickeln. Dabei müssen auch die bestehenden Strukturprobleme des bisherigen Arge-Konzepts behoben werden. Darauf werden wir hinwirken. Daneben ist es ein Anliegen der Landesregierung, dass die bestehenden Optionskommunen - das sind in SchleswigHolstein die Kreise Nordfriesland und SchleswigFlensburg - ihre erfolgreiche Arbeit dauerhaft weiterführen können. Wir treten dafür ein, die Zukunft des Optionsmodells zusammen mit der Arge-Nachfolge zu regeln. Mit der Lösung der ARGE-Nachfolge kehrt dann hoffentlich - jetzt komme ich wieder zu dem Bericht - wieder Sicherheit und Kontinuität in die SGB II-Umsetzung ein, die nicht zuletzt durch die zahlreichen Gesetzesänderungen der letzten Jahre immer wieder vor neue administrative Herausforderungen gestellt worden ist. Dies hat das habe ich vorhin ausgeführt - natürlich auch zu Problemen für die Betroffenen geführt.
Neben aller berechtigter Kritik im Einzelfall ist die Arbeit vor Ort jedoch erkennbar von dem Anspruch der bei den Trägern handelnden Personen geprägt, ihren SGB II-Leistungsberechtigten bestmöglicht zu helfen. Dies geschieht nach wie vor motiviert und engagiert, trotz mancherlei Widrigkeit.
Daher schließt sich die Landesregierung gern dem Lob und dem Dank der Bürgerbeauftragten für und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften und der Optionskommunen an. Wir hoffen, dass beides ankommt. Denn auch das trägt dazu bei, die Arbeit für ein soziales und bürgerfreundliches Schleswig-Holstein zu verbessern. Insgesamt werden wir den Bericht der Bürgerbeauftragten auch weiterhin als Ansporn betrachten, die Verwaltungspraxis Stück für Stück zu verbessern. Ganz herzlichen Dank für die Anregungen! Ich
Es ist beantragt worden, den Bericht Drucksache 16/2022 dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.
Bericht zur Entwicklung rechtsextremistisch motivierter Straftaten in 2008 und zur Finanzierung von rechtsextremistischen Vereinen, Stiftungen und Organisationen
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für den Berichtsantrag der FDP-Fraktion bedanken, weil er sich mit einem Thema beschäftigt, das niemals aus dem Blickwinkel der Demokraten geraten darf. In diesem Sinne stelle ich Ihnen den Bericht zur Verfügung.
Eine gute Nachricht am Anfang: Im Vorfeld der Kommunalwahlen am 25. Mai ist es nicht zu einer Häufung rechtsextremistischer Straftaten gekommen, die nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre im Vorfeld von Wahlen zu befürchten war. Besorgniserregend ist allerdings die Heftigkeit der Auseinandersetzungen zwischen linksund rechtsextremistischen Personen, die vor den Kommunalwahlen in Kiel erlebt haben. Darauf wird sich unser Augenmerk auch in Zukunft richten müssen.
Bei der Mehrzahl der registrierten Delikte handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte nach § 86 a StGB. Strafrechtlich verfolgt wird das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie zum Beispiel das Zeigen des Hakenkreuzes. Allerdings belegt die Auflistung der verletzten Strafnormen in den Erläuterungen zur
Antwort auf Frage eins im vorgelegten Bericht, dass dem rechtsextremen Spektrum weitaus mehr kriminelle Energie innewohnt. Eine vergleichende Betrachtung mit dem Vorjahreszeitraum zeigt eine uneinheitliche Entwicklung in den Kreisen beziehungsweise in den kreisfreien Städten. In den meisten Landesteilen ist eine Stagnation beziehungsweise ein Rückgang der Zahlen, nur in drei Kreisen/kreisfreien Städten ist eine Steigerung zu verzeichnen. Gründe, die diese uneinheitliche Lage erklären, gibt es zurzeit nicht. Der kurze Vergleichszeitraum der Monate Januar bis Mai lässt allerdings auch keine belastbare Bewertung zu.
Trotz dieser relativ positiven Feststellung bleibt es bei meiner Analyse aus der letzten Plenardebatte zum Verfassungsschutzbericht. Nachdem Neonationalsozialisten und der NPD-Landesverband miteinander verschmolzen sind, der Anteil des als aktionistisch und gewalttätig zu bezeichnenden Personenpotenzials besonders hervorzuheben. Er hat sich seit Mitte der 90er-Jahre bei einer etwa gleich hohen Gesamtzahl in etwa verdreifacht und liegt nunmehr bei drei Vierteln. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, um einen Anstieg rechtsextremistisch motivierter Straftaten entgegenzuwirken.
Erstens. Ein besonderes Augenmerk legt die Landesregierung Ressortübergreifend auf die Präventionsarbeit im Jugend-, Sozial- und Bildungsbereich. Notwendig sind dabei sowohl langfristige Konzepte als auch rasche, der konkreten Situation angepasste Interventionen. Besonders hervorheben möchte ich den Ratgeber für Pädagoginnen und Pädagogen, der derzeit von einer Arbeitsgruppe des Rates für Kriminalitätsverhütung zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die für rechtsextremes Gedankengut empfänglich erscheinen, erstellt wird. Weiterhin verweise ich auf den ressortübergreifenden Bericht der Landesregierung mit dem Titel „Bekämpfung von politischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit - Stärkung der Demokratie“, der dem Hohen Haus bereits mit Drucksache 16/1287 vorliegt.
Zweitens. Von großer Bedeutung ist die Finanzierung des Rechtsextremismus. Die NPD profitiert maßgeblich von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien. Bereits im Jahr 2006 hat mein Vorgänger im Innenministeramt, Herr Dr. Stegner, versucht, Maßnahmen dagegen zu erwirken. Eine damals auf Initiative von Schleswig-Holstein eingesetzte länderübergreifende Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz, war daraufhin intensiv mit der Suche nach Möglichkeiten zur Einschränkung
von Finanzierungsmöglichkeiten rechtsextremistischer Organisationen einschließlich der Parteien befasst. Aus verfassungsrechtlichen Gründen werden derzeit allerdings keine neuen Handlungsmöglichkeiten gegenüber rechtsextremistischen Parteien gesehen.
Allerdings hat sich die Innenministerkonferenz im September 2007 dafür ausgesprochen, parteinahen Bildungseinrichtungen, für die das Parteienprivileg nach Artikel 21 Grundgesetz nicht gilt, staatliche Mittel nicht zu gewähren oder wieder zu entziehen, wenn sie verfassungsfeindliche Inhalte vermitteln. Die Innenministerkonferenz hat ferner bekräftigt, dass verfassungsfeindlichen, parteinahen Bildungseinrichtungen und Vereinen der Status der steuerrichtlichen Gemeinnützigkeit nicht gewährt werden darf.
Nach einem Entwurf des Jahressteuergesetzes, Herr Kollege Neugebauer, wird die Gemeinnützigkeit daher künftig durch eine Neufassung des § 51 der Abgabenordnung für Körperschaften, die extremistisches Gedankengut fördern, ausdrücklich ausgeschlossen.
Unter anderem zur Einschränkung von Finanzierungsmöglichkeiten rechtsextremistischer Aktivitäten sieht ein Entwurf zur Änderung des SchleswigHolsteinischen Verfassungsschutzgesetzes in bestimmten Fällen für den Verfassungsschutz die Befugnis zur Durchführung von Finanzermittlungen vor. Aber dieser Entwurf befindet sich noch in der Beratung.
Sie sehen: Das, was ich dargestellt habe, ist eine dauerhafte Aufgabe. Die Auseinandersetzung mit der verfassungsfeindlichen NPD und der mit ihr verwobenen Strukturen der oft gewalttätigen sogenannten freien Kräfte sollte allen demokratischen Kräften gemeinsam und mit Nachdruck geführt werden. Dann sind wir auf dem richtigen Weg - wie auch in der Vergangenheit.
Für die antragstellende Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden und Oppositionsführer, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich ausdrücklich einen Dank an das Innenministerium für die Erstellung des Berichts voranschicken. Hintergrund für unseren Berichtsantrag waren zwei Aspekte, die nicht im Verfassungsschutzbericht 2007 dargestellt wurden, beziehungsweise im Hinblick auf Straftaten im Jahr 2008 gar nicht dargestellt werden konnten. Dies sind erstens die Berichterstattung in den Medien über zunehmende rechtsextremistisch motivierte Übergriffe vor der Kommunalwahl sowie die festzustellende zunehmende Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit den Demonstrationen zum 1. Mai in Hamburg und zweitens die Frage, ob und gegebenenfalls welche Organisationen oder Stiftungen mit rechtsextremem Hintergrund in Schleswig-Holstein durch öffentliche Mittel finanziert werden.