Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich ausdrücklich einen Dank an das Innenministerium für die Erstellung des Berichts voranschicken. Hintergrund für unseren Berichtsantrag waren zwei Aspekte, die nicht im Verfassungsschutzbericht 2007 dargestellt wurden, beziehungsweise im Hinblick auf Straftaten im Jahr 2008 gar nicht dargestellt werden konnten. Dies sind erstens die Berichterstattung in den Medien über zunehmende rechtsextremistisch motivierte Übergriffe vor der Kommunalwahl sowie die festzustellende zunehmende Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit den Demonstrationen zum 1. Mai in Hamburg und zweitens die Frage, ob und gegebenenfalls welche Organisationen oder Stiftungen mit rechtsextremem Hintergrund in Schleswig-Holstein durch öffentliche Mittel finanziert werden.
So berichtete die „taz“ in ihrer Ausgabe vom 23. April 2008 über eine Häufung von Übergriffen von Neonazis in Kiel. Nach Auskunft einer Vertreterin der sogenannten Anti-Nazi-Kooperation in Kiel habe die Anwendung von Gewalt durch Anhänger der rechtsextremen Szene einen neuen Höhepunkt erreicht. So hat es nach Darstellung der „taz“ an verschiedenen Stellen in der Stadt Steinwürfe gegen einen alternativen Buchladen oder eingeschlagene Scheiben einer Arbeitsloseninitiative gegeben.
Darüber hinaus erreichten uns in der Fraktion - wie übrigens andere Fraktionen auch - Berichte über Belästigungen von Besuchern der Ausstellung „Zug der Erinnerungen“ im Kieler Hauptbahnhof durch Mitglieder der rechten Szene, aber auch eines Überfalls auf ein Lokal der linken Szene in Gaarden, welches durch Anhänger der rechten Szene verwüstet worden sein soll.
Kurzum, es verdichtete sich der Eindruck, dass vor den Kommunalwahlen vermehrt Übergriffe seitens der Vertreter der rechten Szene stattgefunden haben.
Wir können nach Lektüre des Berichts feststellen, dass in allen Punkten Entwarnung gegeben werden kann. Es ist keine grundsätzliche Steigerung rechtsextremistisch motivierter Straftaten festzustellen. Ich sage ausdrückliche: Das ist gut so.
Wie der Bericht ausführt, hat es teilweise sogar einen bemerkenswerten Rückgang an Straftaten aus diesem Milieu gegeben. Im Kreis HerzogtumLauenburg ist die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten in den ersten fünf Monaten
dieses Jahres von 23 auf 5 zurückgegangen, im Kreis Pinneberg haben wir sogar einen Rückgang von 47 auf 18 Delikte. Auch in Rendsburg-Eckernförde ist die Anzahl der Straftaten von 43 auf 16 zurückgegangen. Auch in Kiel sind im Berichtszeitraum weniger rechte Straftaten verübt worden. Lediglich in Flensburg hat sich die Anzahl von 6 auf 12 Delikte relativ deutlich erhöht, allerdings auf niedrigem Niveau.
Auch die Antwort auf die zweite Fragestellung nach der Finanzierung rechtsradikaler Stiftungen oder Organisationen hat ergeben, dass es eine solche in Schleswig-Holstein nicht gibt.
Insgesamt können wir feststellen, dass wir in Schleswig-Holstein wie überall auch problematische Rechtsradikale haben, aber wir haben kein echtes Problem mit Rechtsradikalismus. Das zeigt dieser Bericht. Das sollte man insbesondere denen vorhalten, die mit dieser Thematik immer wieder Politik machen wollen und vor Wahlen großartige Bündnisse verabreden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Innenminister, ich bin sicher und ich glaube auch, dass Demokraten Menschen mit extremistischen Neigungen entschlossen entgegentreten müssen. Aber sie müssen auch die notwendige Souveränität bewahren und dürfen nicht ein Problem überdimensional aufblasen, dass in dieser Form so nicht gibt.
Wir haben uns etwas dabei gedacht, als wir den Berichtsantrag für die heutige Tagung und nicht für die April-Tagung vorgesehen haben. Wir wollten den Rechten in Schleswig-Holstein vor der Kommunalwahl keine Bühne geben und sie nicht wichtiger reden, als sie bisher wirklich sind.
Wer diesen Bericht nüchtern zur Kenntnis nimmt, muss feststellen, dass manche das Problem Rechtsradikalismus in Schleswig-Holstein zu hoch hängen. Nicht jeder Bericht - das haben wir feststellen müssen - über angebliche rechtsradikale Gewalttaten hat sich als richtig herausgestellt. Im Gegenteil, manche waren sogar politisch gar nicht motiviert, wenn ich das einmal so sagen darf.
Wir müssen allerdings darüber nachdenken, ob die Politik der etablierten Parteien innerhalb der Gesellschaft nicht „Hohlräume“ hinterlässt, die es den Radikalen leicht macht, sich darin auszubreiten.
Wenn man die Berichterstattung über das Demokratieverständnis der letzten Tage zur Kenntnis nimmt - darüber haben wir an anderer Stelle schon geredet -, muss man sich die Frage stellen, ob bestimmte Entwicklungen zwischen den etablierten Parteien nicht unter Umständen rechtsextremistische Gedanken beflügeln.
Sehr verehrter Herr Innenminister, vor diesem Hintergrund nutze ich die Gelegenheit, weil wir uns bei der Analyse von Situationen in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erkundigt haben, an Sie zu appellieren, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist, die Polizei aus der Fläche, von kleineren Stationen zurückzuziehen. Gerade in Brandenburg können wir feststellen, dass sich in den Bereichen, in denen kleine Stationen geschlossen worden sind, quasi rechtsfreie Räume entwickelt haben, in denen sich gerade Rechtsradikale konzentriert angesiedelt haben, um die Hohlräume zu nutzen, die dort geschaffen worden sind. Bei der Polizeireform müssen wir diesen Aspekt mit Sicherheit im Auge behalten.
Ich denke, dass wir im Innen- und Rechtsausschuss die Situation noch etwas eingehender beleuchten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir sehr herzlich die Damen und Herren der CDU-Senioren-Union aus Trittau. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Astrup! Insbesondere bei der Bekämpfung rechtsextremistisch motivierter Kriminalität kommt der Präventionsarbeit im Jugend-, Sozial- und Bildungsbereich maßgebliche Bedeutung zu. Prävention heißt hier, die Ursachen für rechtsextremes Handeln zu erkennen und durch wirksame und nachhaltige Maßnahmen für ein öffentliches Klima zu sorgen, in dem die Ausbreitung rechtsextremen Gedankengutes keine Chance hat. Deshalb habe ich an anderer Stelle schon einmal gesagt: Der
Versuch, sich bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren, ist zwar ein neues, aber dennoch durchsichtiges Manöver rechtsradikaler Gruppierungen, um Ängste zu schüren und diese für ihre Ziele auszunutzen.
Bereits im Jahr 2000 entstand deshalb ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Titel „Verantwortung übernehmen im Norden“, das von Landespräventionsgremien aus Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen und dem DGB Bezirk Nord getragen wird. Aus diesen Zusammenkünften der Experten sind zahlreiche regionale und praxisorientierte Projekte entstanden. Die aktuellen Zahlen belegen, dass die Präventionsarbeit erfolgreich ist. Die Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund sind seit Anfang des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 342 auf 242 Delikte gesunken. Das bedeutet einen Rückgang von fast 30 %.
In den Kreisen Herzogtum Lauenburg, Plön und Pinneberg sind die Rückgänge rechtsextremistisch motivierter Straftaten besonders stark. Natürlich bin ich froh darüber, dass gerade der Kreis Pinneberg mit einem Rückgang um über 60 % heute im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte Schleswig-Holsteins erhebliche Präventionserfolge vorweisen kann. Dennoch gilt: 242 Delikte in unserem Land sind 242 zu viel.
Das zeigt auch der Vorfall in dieser Woche in Pinneberg, bei dem mutmaßliche Rechtsradikale einen feigen Anschlag auf die Jüdische Gemeinde verübten. Es macht deutlich, dass der Staat dieser Bedrohung gegenüber trotz aller Anstrengungen und aller Erfolge wachsam und wehrhaft bleiben muss. Hier ist der Verfassungsschutz nach wie vor gefordert, die Organisationsstruktur rechtextremistischer Vereinigungen und Parteien aufmerksam zu beobachten.
Von großer Bedeutung ist auch die Finanzierung des Rechtsextremismus. Die Vereine, Organisationen und sogenannten Kameradschaften sind weitestgehend auf Mitgliedsbeiträge und/oder Beiträge ihrer Anhänger angewiesen. Angehörige dieser Szene sind in der Regel jedoch jung und einkommensschwach. Die sogenannten Kameradschaftskassen stellen sich in der Regel als bescheiden dar. Gelegentlich sind bestimmte Vereine durch Erbschaften begünstigt worden. In geringerem Umfang erzielen einige Organisationen auch Erlöse aus dem Verkauf vereinseigener Zeitschriften.
Bedenklich ist eher, dass verfassungsfeindliche Parteien auch von der staatlichen Teilfinanzierung profitieren. Schon 2006 ist Schleswig-Holstein deshalb in der Innenministerkonferenz initiativ geworden. In der Folge wurde diesbezüglich eine länderoffene Arbeitsgruppe eingesetzt. Vor sechs Monaten - der Innenminister hat es erwähnt - hat sich die Innenministerkonferenz dafür ausgesprochen, parteinahen Bildungseinrichtungen, für die das Parteienprivileg nicht gilt, im Fall verfassungsfeindlicher Bildungsinhalte die staatlichen Mittel wieder zu entziehen oder gar nicht erst zu gewähren. Die Gemeinnützigkeit soll für solche Organisationen zukünftig ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die finanziellen Ressourcen der in Schleswig-Holstein vertretenen rechtsextremistischen Organisationen von Einzelfällen abgesehen - derzeit als unbedeutend eingeschätzt werden können. Festzustellen bleibt weiterhin, dass rechtsradikale Parteien bei den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land insbesondere bei Wahlen - das wurde gerade erst wieder bei den Kommunalwahlen deutlich - weder nennenswerten Zulauf noch Beachtung gefunden haben. Deshalb bin ich ganz zuversichtlich, dass wir alle demokratischen Kräfte, auch in der Bevölkerung - aufgefordert bleiben, extremistischen Tendenzen in unserem Land gegenüber nach wie vor wachsam zu sein, den Rechtsstaat gemeinsam zu verteidigen. Aber das, was die Bürgerinnen und Bürger insbesondere auch bei den Wahlen deutlich machen, indem sie Rechtsradikalen hier eindeutig die Rote Karte gezeigt haben, macht uns Mut für die weitere Arbeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir schon vor drei Wochen den Verfassungsschutzbericht für 2007 diskutiert haben, liegt nun der etwas speziellere Bericht auf der Grundlage des FDP-Antrags vor. Bereits im Verfassungsschutzbericht, der übrigens sehr ausführlich und umfassend über verfassungsfeindliche Bestrebungen berichtet hat, wird auf die Rückläufigkeit der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund hingewiesen. Im vorliegenden Bericht wird dieser Trend bestätigt. Allerdings weisen re
gionale Unterschiede auf eine sehr unterschiedliche Entwicklung hin, die nicht durch Wahlbeteiligungen der NPD bei den Kommunalwahlen, geschweige denn durch die bescheidenen Wahlerfolge begründet ist.
Wichtig ist aus meiner Sicht zum einen, dass mit der Art Erfassung der Straftaten deutlich wird, dass die leidige Diskussion um die Straftatbestände erledigt ist; denn nicht immer wurde in der Vergangenheit einheitlich erhoben, ob ein rechtsextremistischer oder fremdenfeindlicher Hintergrund bei der Begehung der Straftat vorhanden war. Zum anderen zeigt die Rückläufigkeit der Zahlen, die im Verhältnis zu unserer Einwohnerzahl und im Vergleich zu anderen Bundesländern allerdings immer noch recht hoch sind, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Früchte zu tragen scheinen. Daher möchte ich der Landesregierung an dieser Stelle für die in diesem Bericht, aber auch schon im Bericht über die gesamten Maßnahmen der Landesregierung aus dem vergangenen Jahr genannten Initiativen danken und sie auffordern, dabei nicht nachzulassen, sondern den Kampf gegen den Rechtsextremismus als Daueraufgabe fortzuführen.
Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir die stetige Zahl von Menschen, die für rechtsextremistisches Gedankengut empfänglich sind, also auch anderswo ziemliche Hohlräume zu haben scheinen, Herr Kubicki, verringern.
Bedenklich bleibt dennoch das hohe Gewaltpotenzial in der rechtsradikalen Szene - der Innenminister hat darauf hingewiesen -, das sich offensichtlich auch in einem praktischen Wandel befindet, wie die Vorgänge am Rande der Demonstration der NPD am 1. Mai in Hamburg deutlich zeigten. Dort war erstmals in Norddeutschland ein braun-schwarzer Block angetreten, der in der Öffentlichkeit die direkte Konfrontation mit Gegendemonstranten suchte und auch massiv die Polizei attackierte. Dieses muss wohl als ein Zeichen der zunehmenden Radikalisierung der Szene gewertet werden, wofür auch der wachsende Einfluss der sogenannten Freien Kameradschaften und Neonazis um den Hamburger NPD-Landesvorsitzenden Jürgen Rieger auf die Führungsebene der NPD im Bund spricht. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Entwicklung auch in unserem Bundesland fortsetzt, also hierher herüberschwappt.
Organisationen den Geldhahn zuzudrehen; ein weiterer Punkt in diesem Bericht. Aus dem Bericht ist aber leider nicht ersichtlich, inwieweit eine steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge für die dort genannten Organisationen genutzt wurde. Daher wäre nachzutragen, ob diese eingetragenen Vereine über die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit verfügen beziehungsweise ob die Finanzämter diese nicht anerkennen, wie es die Innenministerkonferenz fordert und - es ist darauf hingewiesen worden - wie es wohl erst mit dem Jahressteuergesetz 2009 tatsächlich klar gestellt werden wird.
Fragwürdig bleibt natürlich auch, welche Organisationen letztlich zu diesem Bereich zu zählen sind. Bei der Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener, der Heimattreuen Deutschen Jugend oder der Artgemeinschaft ist das sicherlich leicht zu bestimmen. Aber bei vielen kleinen Organisationen - auf Bildungseinrichtungen ist ja besonders abgezielt worden -, die sich oft nur als Ideologielieferant zur Verfügung stellen und sehen, ist das schon etwas schwieriger, weil manche von ihnen in einer Grauzone operieren, die sich zwischen dem noch demokratischen rechtskonservativen Bereich und dem schon antidemokratischen nationalistischen Lager befindet. Hier gibt es vereinzelt Wanderer zwischen den Welten, die sogar in demokratischen Parteien und ihnen nahestehenden Organisationen auftauchen - sie tauchen nicht nur bei der CDU auf, leider Gottes manchmal auch bei uns. Gerade deshalb ist es auch richtig, hier endlich Grenzen zu setzen. Dazu zählt auch die Prüfung, inwieweit das Parteienprivileg dazu führt, dass verfassungsfeindliche Parteien auch noch in den Genuss staatlicher Mittel zu Finanzierung ihrer Organisation kommen müssen. Und meine Fraktion unterstützt ausdrücklich das Vorhaben der Innenministerkonferenz und ihrer Arbeitsgruppe „Finanzquellen“, hier alle verfassungskonformen Möglichkeiten für Einschränkungen auf den Weg zu bringen.
Dies macht deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus - und nicht nur gegen ihn -, sondern auch der für Demokratie - das hat Herr Kubicki zutreffend beschrieben - und für die Glaubwürdigkeit der Politik - auch das ist ein ganz wesentlicher Punkt - eine Daueraufgabe bleibt.
Daher sollten wir den Bericht abschließend im Innen- und Rechtsausschuss gemeinsam mit dem Verfassungsschutzbericht diskutieren. Zur Klärung der Frage der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit