Protocol of the Session on May 29, 2008

(Minister Dietrich Austermann)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne das Beispiel Keitum-Therme auf der Insel Sylt, die als ein Konkurrenzprojekt zum Freizeitbad Sylter Welle in Westerland gebaut werden soll.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Beides ruiniert!)

Ein Förderbescheid in Höhe von 2,7 Millionen € vom lächelnden Landesvater im Januar 2007 überreicht - konnte nicht verhindern, dass das Projekt zum Desaster wurde. Die Baustelle liegt brach, die geplanten Kosten von 15 Millionen € sind inzwischen auf 19 Millionen € gestiegen, die Gemeinde ist mit dem Mammutprojekt völlig überfordert und muss Baukosten und Schadenersatz draufzahlen. Hier wird ein touristisches Bädergesamtkonzept für Schleswig-Holstein schmerzlich vermisst.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem muss bei der Förderung mit öffentlichen Mitteln darauf geachtet werden, dass die Förderung von Neubauten bereits vorhandene Bäder wirtschaftlich nicht gefährdet oder gar in den Ruin treibt, wie es in Flensburg zu befürchten ist. Hier ist es richtig, dass die Landesregierung klare Worte spricht und sagt, dass dies so nicht geht.

Die entscheidende Frage ist ja, ob und wie es möglich ist, die kommunale Verantwortung und die Verantwortung des Landes für eine Landesplanung miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Ich glaube, es ist wichtig, dass die kommunalen Spitzenverbände sich gemeinsam mit der Landesregierung hinsetzen und ein Bäderkonzept erarbeiten, was den Bereich der Spaß- und Freizeitbäder betrifft.

(Beifall bei des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir uns anschauen, was in anderen Bundesländern passiert, wo es kein Abstimmungskonzept gibt, dann sehen wir, dass das eintritt, Herr Minister, was Sie gesagt haben, nämlich ein Bäderkannibalismus nach dem Beispiel Thüringens, wo in einer Region drei Spaßbäder entstanden sind, und zwar in einem Radius von 60 Kilometern. Das hatte natürlich zur Folge, dass alle drei Bäder Insolvenz anmelden mussten und die öffentliche Hand hohe Folgekosten und hohe Defizite zu tragen hatte. Und diese Situation müssen wir in Schleswig-Holstein in der Zukunft vermeiden. Bisher ist es nicht gelungen zu verhindern, dass so etwas eintritt. Das wird klar, wenn wir beispielsweise den Beschluss der Flensburger Ratsversammlung betrachten, aber es wird auch dann klar, wenn wir nach Sylt schauen.

Deshalb erwarten wir von der Landesregierung, dass sie gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Lösung findet.

Die Fördergelder, die in diese Bäder gehen - Herr Minister, Sie haben die Summen genannt; es handelt sich um zweistellige Millionenbeträge; das ist viel Geld -, müssen richtig eingesetzt werden, und es muss mit den Kommunen diskutiert und sichergestellt werden, dass sie in Bezug auf die Betriebskosten und die Folgekosten ehrlich vorgehen. Auch da hatten wir auf Sylt im dortigen Finanzausschuss eine heitere Debatte darüber, was zuvor die Prognose gewesen war und was sich dann schon im Laufe der Bauphase veränderte. So was darf nicht vorkommen. Dafür sind die öffentlichen Gelder zu wertvoll, ganz gleich, ob es sich um kommunale Mittel oder um Landesmittel handelt.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich schlage vor, den Antrag zur weiteren Beratung an den Ausschuss zu überweisen.

Ich danke der Abgeordneten Monika Heinold. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Karsten Jasper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD haben einen ähnlichen Antrag gestellt, wie er von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegt. Wir wollen uns mit unserem Antrag umfänglich über die Förderpolitik in der Tourismuswirtschaft auseinandersetzen und dies nicht ausschließlich auf BäderFörderung fokussieren. Dazu haben wir die Landesregierung gebeten, in der 36. Tagung des Landtags umfassend schriftlich zu diesem Thema zu berichten.

Der heutige mündliche Bericht der Landesregierung, angefordert von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, befasst sich nur mit einer Facette der Thematik, nämlich der Förderpolitik der Landesregierung. Sicherlich hätte dieses Thema auch umfassend in unserem schriftlichen Bericht abgehandelt werden können. Aufgrund der aktuellen Diskussion um die Schwimmbäder in Flensburg und in Glücksburg habe ich, liebe Frau Heinold, allerdings ein gewisses Verständnis dafür, dass wir dies heute diskutieren. Ich denke, der Minister Austermann hat hier

(Monika Heinold)

sehr deutlich gemacht, wie die Linie der Landesregierung in diesem Fall ist. Ich glaube, sein mündlicher Bericht hat die gestellten Fragen in ausreichender Form beantwortet. Die Entscheidung über die Bewilligung einzelner Förderbescheide für bestimmte Maßnahmen geschah und geschieht auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen. Welche Voraussetzungen hier erfüllt sein müssen, ist durch den Minister dargelegt worden.

Ferner stimme ich auch mit dem Minister darin überein, dass nicht jeder Ort sein eigenes Bad vorhalten muss. Vor einer Entscheidung sollten sich die Verantwortlichen vor Ort darüber im Klaren sein, ob der Bedarf für ein weiteres Bad in der Region vorhanden ist und ob die Gemeinde oder die Stadt in der Lage ist - und das ist ganz wichtig -, die Folgekosten zu tragen.

Gerade auf die Folgekosten muss ein besonderes Augenmerk gelegt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Darüber hinaus muss das Projekt so wirtschaftlich sein, dass regelmäßig Reattraktivierungsmittel erwirtschaftet werden können. Die Wirtschaftlichkeit eines Projektes muss das entscheidende Prüfkriterium für die Landesförderung sein. Eine Landesförderung darf allerdings nicht dazu führen, dass bestehende andere Einrichtungen kannibalisiert werden. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um bestehende Einrichtungen oder um Einrichtungen handelt, die mit einem Landeszuschuss gefördert wurden oder einen solchen erhalten haben.

Meine Damen und Herren, bereits heute zeigt sich, dass viele touristische Infrastruktureinrichtungen nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der Gäste entsprechen. Viele Kurmittelhäuser, die einst mit öffentlichen Geldern gefördert wurden, werden heute nicht mehr nachgefragt. Ferienorte stehen bereits heute vor der schwierigen Entscheidung, wie mit den veralteten Einrichtungen umzugehen ist. Hier brauchen die Gemeinden Unterstützung von der Landesregierung. Mit dem Leitprojekt „Optimierung der touristischen Infrastruktur“ wird versucht, den Gemeinden ein Konzept aufzuzeigen, wie mit der Infrastruktur künftig umgegangen werden muss. Dazu dient auch die geplante Veranstaltung des Wirtschaftsministeriums am 11. Juni in der Sparkassenakademie. Eine solche Veranstaltung, meine Damen und Herren, halte ich für sehr

wichtig, und ich bedanke mich beim Wirtschaftsministerium für die Organisation.

Ich möchte damit allerdings auch die Bitte verknüpfen, dass es nicht bei dieser einen Veranstaltung bleibt, sondern dass ein Prozess in Gang gesetzt wird, der die verantwortlichen Akteure vor Ort nachhaltig zu diesem Thema sensibilisiert.

In diesem Zusammenhang halte ich es für notwendig, die Richtlinien zur Förderung von touristischen Infrastrukturprojekten zu überarbeiten. Ich glaube, es ist daher genau richtig, dass wir in der 36. Tagung erneut über dieses Thema diskutieren werden, wenn der Bericht, der von CDU und SPD beantragt wurde, vorliegt.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karsten Jasper. - Für die SPD-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Regina Poersch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was macht eigentlich einen gelungenen Urlaub in Schleswig-Holstein aus? Was suchen unsere Gäste?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sommer, Sonne, Sonnenschein!)

Haben wir all das zu bieten, was sie suchen? Was suchen Familien mit Kindern? Was suchen Gesundheitsbewusste? Was soll man in Schleswig-Holstein an einem Tag mit Schmuddelwetter tun?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Shoppen und es- sen!)

Welche Rolle spielen bei all diesen Fragen Spaßund Wellnessbäder? Vielerorts sollen Spaß- oder auch Wellnessbäder das Tourismusgeschäft beleben. Da finde ich es richtig, nach Höhe und Kriterien beantragter beziehungsweise gewährter Förderung zu fragen. Die finanzielle Lage unseres Landes ist schwierig genug; da sollten wir kein Landesgeld versenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Danke, Herr Minister, für Ihren Bericht. Aber auch der antragstellenden Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN möchte ich danken. Die Fraktionen von SPD und CDU stellen ja selbst noch einen Berichtsantrag zu den Förderkriterien im Tourismus,

(Karsten Jasper)

und ich kann meinem Kollegen Karsten Jasper nur Recht geben: Beide Anträge hätten auch ganz gut zusammengepasst.

Eigentlich ist mit einem Satz alles gesagt: Kein Landesgeld für Projekte, die keinen Sinn machen! Es geht um sehr viel Geld, das haben wir vom Minister bereits gehört.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten von SPD und FDP)

Ob etwas Sinn macht, lässt sich herausfinden, und zwar mit einem Konzept. Mit dem Begriff „Konzept“ meine ich jetzt nicht nur die Landesseite, sondern ich meine auch die Kommunen vor Ort. Natürlich will auch die SPD-Landtagsfraktion keine Bauruinen. Deshalb müssen unserer Meinung nach schlüssige und tragfähige Konzepte den Anträgen zugrunde liegen. Das erfordert zunächst einmal ein touristisches Konzept und die gründliche Erkundung des Marktes. Das ist keine schikanöse Forderung an die Kommunen, sondern ist in ihrem eigenen Interesse.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Landtagsfraktion muss Folgendes gewährleistet sein: Die Bäder müssen in die regionalen touristischen Gesamtkonzepte integriert sein, die Angebote der Bäder müssen, was das landesweite Tourismuskonzept angeht, auf die umworbenen Zielgruppen abgestimmt sein. Sie müssen also auf Familien mit kleinen Kindern abgestimmt sein, die anspruchsvollen Genießer und die sogenannten Best-Ager.

Schlüssige Verkehrs- und Energiekonzepte gehören für uns ebenfalls dazu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich bedarf es eines tragfähigen Finanzierungskonzepts. Es muss gelten: keine Schönrechnerei! Offenheit und Ehrlichkeit sind die Grundvoraussetzung, damit nicht das geschieht, was ich am Rande aus dem Finanzausschuss gehört habe - ich gehöre ihm selbst nicht an, habe aber die entsprechenden Protokolle gelesen. Im Januar wurde dort über die Keitum-Therme beraten, und nach der Beratung war der Informationsbedarf offenbar noch größer ist als zuvor.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller finanziellen Klammheit bekennt sich meine Fraktion klar zu dem Ziel, Kommunen bei der Verbesserung ih

rer touristischen Infrastruktur zu unterstützen. Ein Blick in die Statistik zeigt: Nicht die Ankünfte geben Grund zur Sorge, sondern die Zahl der Übernachtungen. Unsere Gäste sollen wieder länger in Schleswig-Holstein bleiben. Das jedoch erfordert vielfältige Anstrengungen auf allen Ebenen. Da müssen Land und Kommunen Hand in Hand agieren.

Kein Gast kommt wegen der Keitum-Therme nach Sylt. Aber dass ein solches Bad dort angeboten wird, macht ihm die Entscheidung für die Destination schleswig-holsteinische Nordsee auch dann leicht, wenn in seinem Nordsee-Urlaub nicht jeden Tag Strandwetter sein sollte.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glaube ich nicht!)