Protocol of the Session on May 28, 2008

Die steigende Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter spricht allerdings eine andere Sprache. Offenbar sitzen immer noch viele Unternehmer dem Irrglauben auf, dass Schwerbehinderte viel kosten. Dabei erfüllen sie bei entsprechender Ausstattung ihres Arbeitsplatzes alle Anforderungen und sind genauso gute Mitarbeiter wie alle anderen Mitarbeiter auch. Voraussetzung für die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt ist eine qualifizierte Ausbildung. Diesbezüglich müssen wir weiterhin am Ball bleiben und mit den Unternehmerverbänden und Gewerkschaften zusammenarbeiten.

Alles in allem müssen wir uns noch mehr anstrengen, um die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Hierzu sollten wir die Erkenntnisse aus der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage nutzen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Drucksache 16/1846 dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 44 auf:

Jugendfreiwilligendienste

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2049

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit fast vier Jahrzehnten bestehen die Jugendfreiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr und Freiwilliges Ökologisches Jahr. Sie ermöglichen jungen Menschen als praxiszentrierte Bildungsjahre den Erwerb von sozialen und ökologischen Kompetenzen.

Allein in Schleswig-Holstein werden durch das Sozialministerium aktuell 704 Plätze im Haushalt abgesichert. Der Einsatz der Jugendlichen beinhaltet soziale beziehungsweise ökologische Tätigkeiten, pädagogische Begleitung und sogenannte Bildungstage. Der Bundestag hat den Rahmen für diese Gesetze mit dem Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten neu bestimmt. Es tritt am 1. Juni in Kraft und löst die beiden Vorgängergesetze ab.

Mit dem vorliegenden Bericht kommt die Landesregierung dem Ersuchen des Landtags nach, über mögliche Auswirkungen der Neuregelung zu berichten. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war es, die Rahmenbedingungen für das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr zu verbessern, um die Bildungs-, Beschäftigungsund Engagementfähigkeit der Jugendlichen noch stärker zu fördern. Dazu wurden die zwei bisherigen Gesetze zu den beiden Dienstarten zusammengefasst. Es wurden die Vorgaben für Einsatzzeiten flexibilisiert und der Bildungscharakter wird durch die Orientierung an Lernzielen gestärkt.

(Lars Harms)

Ein weiterer zentraler Aspekt der Neuregelung war die Beseitigung oder zumindest die Reduzierung der bestehenden umsatzsteuerlichen Belastung des Freiwilligen Sozialen und des Freiwilligen Ökologischen Jahres. Das neue Gesetz soll die Voraussetzungen für die Anwendung von vertraglichen Alternativvereinbarungen schaffen, die dazu erforderlich sind.

Die Neuregelung von Freiwilligem Sozialem Jahr und Freiwilligem Ökologischem Jahr entspricht nicht in allen Punkten unseren Vorstellungen. Es war Schleswig-Holstein, das im Bundesrat einen Entschließungsantrag initiierte, um eine grundsätzliche Befreiung der Jugendfreiwilligendienste von der Umsatzsteuer zu erreichen. Damit konnten wir uns nicht durchsetzen. Ob die nun gefundene steuerliche Lösung zu den gewünschten Ergebnissen führt, bleibt aus unserer Sicht abzuwarten.

Ferner hätte es aus Ländersicht der Lernkontinuität gedient, nur eine mindestens sechsmonatige ununterbrochene Ableistung der Dienste zuzulassen. Der Bund hat in diesem Punkt die Flexibilität in den Vordergrund gestellt und Dreimonatsblöcke zugelassen. Um andererseits bei Dienstverlängerungen zusätzliche Seminartage verbindlich vorzuschreiben, hätten wir uns diesbezüglich mehr Flexibilität gewünscht.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn auch nicht in allen Einzelpunkten Einigkeit zwischen Bund und Ländern erreicht wurde, wird die festgeschriebene Orientierung an konkreten Lernzielen den Bildungscharakter der Jugendfreiwilligendienste jedenfalls dann qualitativ stärken, wenn man das in der Praxis auch tatsächlich so lebt. Ziel ist die Förderung der Bildungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Jugendlichen. Das wird von allen Beteiligten befürwortet.

Es ist möglich, dass sich dadurch auch Mehrarbeit bei Trägern und Einsatzstellen ergibt, wie es im Berichtsersuchen thematisiert wird. Das ist nicht auszuschließen. Am Anfang wird es sogar mit Sicherheit der Fall sein. Nach Kenntnis der Landesregierung ist dies aber von den beteiligten Trägern selbst im Gesetzgebungsverfahren nicht problematisiert worden.

Der Landtag hat nach den Möglichkeiten gefragt, eine Finanzierung der Berufsfindungstage im Freiwilligen Ökologischen Jahr durch das Land erneut aufzunehmen. Diese Berufsfindungstage wurden in den Jahren 2006/2007 von den Trägern selbst ein

gestellt, und zwar um Einsparnotwendigkeiten aufseiten des Landes umzusetzen, zugleich aber, um eine konstante Teilnehmerzahl zu gewährleisten. Diese Priorität schien aus Sicht der Landesregierung angemessen, da das Freiwillige Ökologische Jahr weniger dazu dient, die Berufsfindung vorzubereiten, als vielmehr dazu, Bildungs- und Engagementfähigkeit zu fördern. An dieser Einschätzung meinen wir auch nach Abwägung aller Argumente festhalten zu können.

Das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten ist noch nicht einmal in Kraft getreten. Seine Auswirkungen sind also zunächst einmal abzuwarten, bevor über sie berichtet werden kann. Sinnvoll wäre eine Gesetzesevaluation auf Bundesebene, nachdem tatsächliche Erfahrungen mit dem Gesetz vorliegen, und zwar nicht nur bei uns, sondern überall. Klar ist allerdings, dass wir die Entwicklungen sehr genau beobachten werden. Wir werden die Jugendfreiwilligendienste auch zukünftig ideell und finanziell fördern, auch wenn die finanziellen Rahmenbedingungen dies nicht immer einfach machen. Aber Sie wissen, dass wir unsere Unterstützung in den vergangenen Jahren trotz der finanziellen Rahmenbedingungen gesteigert haben, weil uns das Engagement der jungen Menschen in unserem Land sehr wichtig ist.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Für uns sind das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr Qualitätsmarken praktisch orientierter Jugendbildungskonzepte. Als solche sind sie unverzichtbar. Deshalb freue ich mich, dass diese Jugendfreiwilligendienste Gegenstand der Erörterung hier im Landtagsplenum sowie im Ausschuss sind. Wir werden versuchen, aus dem neuen Bundesgesetz das Beste für die Förderung der jungen Menschen zu machen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat bereits gesagt, dass das neue Gesetz am 1. Juni 2008 in Kraft tritt. Es betrifft die 150 Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr in Schleswig-Holstein sowie die über 700 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr, wobei 14 neue Plätze im

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Bereich Kultur und 17 neue Plätze im Bereich Sport geschaffen worden sind.

Wir Grünen sehen das neue Gesetz sehr kritisch. Frau Ministerin, ich freue mich, dass Ihr mündlicher Vortrag heute deutlich kritischer war als der vorgelegte Bericht. Wir hatten uns ein wenig darüber gewundert, dass die Landesregierung gar keine Kritik vorgebracht hat, obwohl sie selbst im Bundesrat bessere Vorschläge gemacht hat, als sie jetzt verabschiedet worden sind. Das Gesetz beinhaltet einige Punkte, die wir kritisch sehen.

Wir kritisieren zum Beispiel, dass nicht alle Freiwilligen Sozialen Jahre umfasst werden. Zwar wird der Auslandsdienst „weltwärts“ weiter stattfinden können, aber im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt es Benachteiligungen. Das ist schlecht. Wir hätten uns ein vorausschauendes und zukunftsgerichtetes Gesetz gewünscht, keine Schmalspurpolitik.

Es wurde auch nicht geschafft, grundsätzliche Regelungen für die Umsatzsteuer zu finden. Das ist eben auch noch einmal ausgeführt worden. Die Landesregierung hat sich leider nicht durchsetzen können.

Nun ist die Frage, wie Schleswig-Holstein mit dem neuen Gesetz umgeht. Würde man sogenannte Dreiecksverträge schließen, wie sie jetzt ermöglicht werden, dass also das Land direkt an die Einsatzstellen Geld zahlt, wäre das ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Das kann eigentlich keiner wollen. Eine andere Möglichkeit wäre, man macht alles wie bisher. Das führt aber dazu, dass die Träger 19 % mehr Kosten durch die zu zahlende Umsatzsteuer hätten. Das müsste man ihnen erstatten, wenn man nicht Plätze streichen will. Das will wahrscheinlich keiner. Die Budgets der Träger sind schon jetzt sehr eng.

Ein dritter Weg, der uns der praktikabelste erscheint - man sollte im Ausschuss einmal darüber diskutieren, ob das geht -, ist die Möglichkeit, dass die Träger die Verwaltungsaufgabe Verteilung der Mittel sozusagen als Aufgabe zugewiesen bekommen, gemeinsam mit den Mitteln, die sie dann für das Land auszahlen. Damit müsste dann wahrscheinlich die Umsatzsteuer nicht gezahlt werden, weil man sozusagen die Arbeitskräfte nicht ausleiht, sondern diese Verwaltungstätigkeit der Verteilung der Mittel auf die Träger überträgt.

Wir haben also im Ausschuss mehrere Dinge, die wir diskutieren müssen, um das Ganze praktikabel zu machen.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass Freiwilligendienste tatsächlich gelebtes Bürgerengagement sind. Sie bieten den jungen Menschen hervorragende Chancen für ihre Persönlichkeitsentwicklung, für ihre Berufsfindung. Deshalb sind die Plätze auch so begehrt. Bundesweit - so heißt es gibt es vier Bewerberinnen und Bewerber pro Einsatzstelle, pro Dienstplatz. Es ist besonders schwer für die jungen Menschen, einen Platz im Ausland zu bekommen, wo es gerade die Auslandsplätze sind, die jungen Menschen viele Möglichkeiten eröffnen. Zurzeit ist es so, wenn man Auslandsjahre macht, dass man teilweise sehr viel selbst dazubezahlen muss. Das können sich Familien leisten, die einen guten finanziellen Hintergrund haben. Für andere ist es äußerst schwierig, eben einmal ein Ticket nach Neuseeland oder Australien zu bezahlen und dann sozusagen auch die anderen Rahmenbedingungen des Sozialen Jahres nicht zu haben. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass gerade die Auslandsjahre gestärkt werden. Es gibt nichts Besseres für einen jungen Menschen, als ein Jahr im Ausland verbringen zu können, um grundsätzlich andere Erfahrungen sammeln zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch die Lernziele sind von der Ministerin thematisiert worden. Hier stellt sich die Frage, wie die verbindlichen Lernziele jetzt umgesetzt werden können, weil es auch hier keine finanzielle Stärkung der Träger gibt. Jetzt muss man gucken, wie das gehen kann.

Ich sehe die Flexibilisierung des Sozialen Jahres, der Freiwilligendienste, mindestens so skeptisch wie die Ministerin. Das betrifft nicht nur die Möglichkeit, es in Dreimonatsabschnitten zu machen, wodurch das Ansinnen, ein Jahr einmal ganz rauszukommen und ganz neue Erfahrungen sammeln zu können, verloren geht. Ich sehe auch kritisch, dass es auf zwei Jahre ausgeweitet werden kann. Zum einen besteht bei jungen Menschen die Tendenz, das als Warteschleife zu nutzen. Zwei Jahre sind dafür eigentlich zu lang. Zum anderen neigen die Träger ganz schnell dazu, Fachpersonal zu ersetzen, wenn sie eine zweijährige Kraft haben, die im zweiten Jahr dann logischerweise sehr gut und voll einsetzbar ist.

Es hilft nichts, wir können das Bundesgesetz nicht ändern, aber wir können im Ausschuss diskutieren, wie wir in Schleswig-Holstein damit umgehen. Aus meiner Sicht muss es Ziel sein, dass wir die Angebote stärken und dass wir sie auch öffnen und bewerben, gerade auch im Hinblick auf neue Interes

(Monika Heinold)

sengruppen. Ich nenne als Beispiel die jungen Menschen mit Migrationshintergrund.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, auch hier gibt es Nachholbedarf. In dem Sinne: Vielen Dank für den Bericht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Niclas Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir über Jugendfreiwilligendienste reden, ist - das ist schon angeklungen - zunächst einmal ein Lob für all diejenigen fällig, für die fast 1.000 jungen Menschen, die hier in Schleswig-Holstein freiwillig etwas für die Gesellschaft tun. Das ist aller Ehren wert.

(Beifall)

Es ist natürlich gut und sinnvoll, dass wir hier nicht nur über Jugendfreiwilligendienste, sondern auch über das anstehende Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendienste reden, weil dort die eine oder andere Änderung ansteht. Ich will gar nicht alles wiederholen. Ich denke, da besteht weitgehend Einigkeit.

Wichtig für meine Fraktion ist, dass auch weiterhin Arbeitsmarktneutralität dieser Dienste gegeben ist. Gerade im ökologischen Bereich und im sozialen Bereich verdienen viele Leute ihr Geld. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass diese Arbeitsmarktneutralität bisher ein Problem darstellte.

Ein größeres Problem ist sicher die Umsatzsteuerpflicht. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, aber die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern sagen, es handle sich um eine wirtschaftliche Leistung nach Art einer Personalgestellung. Nun gut, dann wäre natürlich ein sinnvoller Gedanke - das ist auch schon angeklungen -, dass man dann eben das Umsatzsteuergesetz ändert. Das ist sowohl vom Bundesrat als auch von der Bundesregierung abgelehnt worden. Ich muss das nicht alles wiederholen.