Denn sonst wird dieser ganzheitliche Ansatz verlassen, den wir als Grüne sehr befürworten, nämlich die hochtechnisierte Medizin, aber gleichzeitig auch sprechende Medizin und die vielen anderen Dienstleistungen, die wir in dem Bereich haben und die sich weiterentwickeln, auch die Geräteentwicklung für Menschen, die Hilfsmittel brauchen, als Gesamtnetz zu sehen. Hier gibt es Unwuchten, die nicht Schleswig-Holstein als Land geschuldet sind, die aber in einem solchen Bundesland deutlich machen, wenn sie nicht justiert werden, dass plötzlich eine Hochleistungsmedizin hilflos ist, wenn beispielsweise in der Pflege eine bestimmte Weiterentwicklung nicht stattfindet.
Insofern wundert es Sie sicherlich nicht, wenn ich hier noch einmal auf das Thema Pflegeforschung zu sprechen komme. Das war hier keine Fragestellung. Aber wir brauchen eine systematische Versorgungs- und Pflegeforschung. Wir müssen das institutionenübergreifend anlegen, und wir brauchen hierzu auch die Kapazität von wissenschaftlichem
Sachverstand. Selbstverständlich muss sich das dann natürlich auch in den entsprechenden Angeboten in der Lehre auswirken. Die Universität Lübeck hat dazu Anstrengungen übernommen. Sie möchte diesen Weg gehen. Wir werden sehen, was bei den Zielvereinbarungen im Hochschulbereich herauskommt, ob dies tatsächlich angeschoben werden kann.
Wir brauchen dann natürlich auch die Rückbindung in der Pflegeausbildung unterhalb des wissenschaftlichen Niveaus. Das ist etwas, wo wir noch besser werden können. Seitens der Pflegeanbieter ist die Bereitschaft dafür da, und unsere Bevölkerung ist an dieser Stelle sehr wach. Wir werden also, wenn wir in diesem Bereich einen Schritt nach vorn machen und erneut das Profil für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein schärfen, von einer breiten fachlichen, aber auch Bevölkerungsmehrheit getragen. Das ist umso wichtiger, weil unser Bundesland - das ist bekannt - eines wird, in dem die Menschen besonders lange leben, in dem die ältere Bevölkerung einen immer höheren Anteil auch im Bundesvergleich - haben wird. Insofern müssen wir da vorangehen.
Das führt mich zu einem zweiten Thema, nämlich zum Thema Geriatrie. In einer Dissertation von Frau Elisabeth Steinhage-Thiessen wurde noch 2003 in einem systematischen Vergleich festgestellt, als es um die unterschiedlichen Konzepte der Geriatrie in Reha und Krankenhaus ging, dass Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu den Ländern gehören, in denen sich in der Geriatrie gemessen am Versorgungsgrad der Bevölkerung bisher wenig tut. Das hat sich inzwischen geändert. Da hat die Landesregierung gehandelt, das muss man ausdrücklich hervorheben. Hier werden im Augenblick Modellversuche durchgeführt, um auch die ambulante Geriatrie besonders zu verankern.
Ich fände es noch einmal sehr interessant zu untersuchen, wo die Geriatrie ansetzen muss, wo die Landesregierung Steuerungsmöglichkeiten hat. Offensichtlich hat sie sie in den Krankenhäusern leichter als im Reha-Bereich. Von der Versorgung her ist den Leuten natürlich am meisten geholfen, wenn direkt nach dem Krankenhauseingriff eine geriatrische Reha einsetzt. Ob die dann im Krankenhaus, ambulant oder ganz anders passiert, ist eine Frage, die die Fachleute klären müssen. Hier geht es auch darum zu gucken, wie es am kostengünstigsten geht, wie es auch von der Versorgungsdichte her am besten zu passieren hat. Wir dürfen da aber keine Lücke lassen, denn da geschehen oft die schlimmsten Dinge, dass nämlich in sehr vielen
Fällen immer noch nach einem Krankenhausaufenthalt im Alter sehr schnell in ein Pflegeheim überwiesen wird. Das ist das Einfachste, das ist für die Krankenhaussozialarbeit eine Sache, die schnell erledigt ist.
Damit verpassen wir sowohl die Chance, weiter ambulant im eigenen Haus versorgt zu werden, und wir verpassen vor allen Dingen die unheimlichen Potenziale, die sich inzwischen in der geriatrischen Rehabilitation entwickelt haben. Was man vor 20 Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte, ist heute schon selbstverständlich, dass man nach einem Herzinfarkt oder einem schweren Sturz Menschen wieder sehr gut auf die Beine bekommen kann und sie noch viele Jahre mit hoher Lebensqualität leben können. Dieses Potenzial bedeutet aber eine gute Versorgungskette. Es darf nicht sein, dass dann an irgendwelchen Vertragskleinigkeiten oder an irgendwelchen Egoismen einzelner Sektoren eine solche Kette reißt.
Ich komme jetzt zu einem Thema, das an dieser Stelle auch angesprochen werden muss. Wir haben immer viel davon geredet, dass sich mit dem Gesundheitsstandort viel Geld verdienen lässt. Das ist auch interessant für Touristen. Der Gesundheitsstandort muss sich aber auch den Menschen mit kleinem Portemonnaie widmen. Wir haben an anderer Stelle hier gestern das Thema Kinderarmut, das Thema „Kein Kind ohne Mahlzeit“ als Auftaktthema gehabt - leider vertagt. Aber dies gehört für mich ganz unverwechselbar dazu. Es kann nicht sein, dass wir als Bundesland für reiche Leute, die von außerhalb hierher kommen und sich hier behandeln lassen, interessant sind, aber die eigenen Menschen mit kleinem Portemonnaie, weil sie die Behandlung nicht finanzieren können oder darüber nichts wissen - Stichwort Migranten: die vielleicht unser Gesundheitsnetz noch weniger kennen als Menschen, die hier geboren sind -, außen vor lassen. Hier stehen wir vor einer großen Fragestellung.
Das hat in den Fragen der FDP eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Es klingt an ein paar Stellen an, bei denen es um das Thema gesundes Essen in der Vermarktung nach außen geht. Das bedeutet, dass wir uns noch einmal sehr genau anschauen müssen, wie die psychotherapeutischen Versorgungsnetze und der Nachwuchs hier sind. Dass wir im Augenblick zum Beispiel gerade neun Kinderpsychotherapeuten ausbilden, scheint mir gerade auch im Hinblick auf die psychosoziale Dimension der neuen Armut viel zu wenig.
Sie sehen - meine Zeichen sind hier eindeutig; ich muss an dieser Stelle stoppen -, wir haben in unse
rem Ausschuss noch viel zu tun. Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Fülle an Daten haben: Jetzt geht es darum, mit den Daten Politik zu machen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Das Wort für den SSW im Landtag hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die grundlegenden Rahmenbedingungen für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein werden leider - ist man geneigt zu sagen - immer noch in Berlin gemacht. Hier haben wir in den letzten Jahren bei der ambulanten und insbesondere im Bereich der stationären Versorgung durch die verschiedenen Gesundheitsreformen des Bundes negative Entwicklungen zu verzeichnen. Dies betrifft gerade auch die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein, die vor großen finanziellen Herausforderungen stehen. Nicht nur, dass der sogenannte Basisfallwert, also quasi die Bezahlung der Krankenhausleistungen, immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt, sondern auch durch die letzte Gesundheitsreform und die Begrenzung der Budgets haben die Krankenhäuser Schleswig-Holsteins große Probleme.
In einem Schreiben, das sicherlich allen Abgeordneten vorliegt, bezeichnet die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein die Lage als dramatisch, weil natürlich auch der jüngste Tarifabschluss verkraftet werden muss. Laut KGSH belastet die Erhöhung der Löhne die Krankenhäuser in den nächsten Jahren mit 90 Millionen €. Damit kein falscher Zungenschlag entsteht, möchte ich klarstellen, dass der SSW die Erhöhung der Gehälter und Löhne für die Beschäftigen der Krankenhäuser als angemessen und äußerst berechtigt ansieht.
Das Problem liegt aber im Finanzierungssystem des Bundes. Denn zum einen fließen die Gehaltssteigerungen überhaupt nicht in die Krankenhausfallpauschalen ein und zum anderen sind die tarifbedingten Mehrkosten durch die marginale Budgetsteigerungsrate von 0,64 % - wovon bekanntlich 0,5 %
Dabei haben sich die meisten der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser seit Jahren vorbildlich spezialisiert und auch den Betrieb so effektiv wie möglich gestaltet. Ein weiterer Personalabbau zum Beispiel durch einen Abbau von Krankenschwestern und -pflegern würde die Qualität des Krankenhauswesens in Schleswig-Holstein und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung in Gefahr bringen.
Die Landesregierung muss hier also unbedingt schnellstens handeln, wenn ein schwerwiegender Schaden vom Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein abgewendet werden soll. Alles riecht nach einer Bundesratsinitiative.
Die Große Koalition muss sich in Berlin für eine Änderung der Finanzierungsrahmenbedingungen für die Akteure im Gesundheitswesen einsetzen, und - wir sprachen ja bereits gestern darüber - am besten geschieht dies über eine Gesundheitsreform, die diesen Namen auch verdient und die insbesondere die Finanzierungsgrundlagen verbessert.
Dies ist aus Sicht des SSW das vordringlichste Problem, das die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein anpacken muss, und daher habe ich dies heute im Zusammenhang mit der Debatte über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP vorangestellt.
Ansonsten zeigt die Antwort der Landesregierung die eigentlich recht gute Ausgangslage und das große Potenzial des Gesundheitsmarktes in Schleswig-Holstein. Schon im Jahre 2000 startete die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis die Gesundheitsinitiative für Schleswig-Holstein, die dazu dienen sollte, vorhandene Ressourcen in diesem Bereich zu bündeln und ungenutzte Potenziale sowie Leitprojekte zu entwickeln.
Die CDU-SPD-Landesregierung hat diese Initiative dann 2005 weitergeführt. Natürlich ist es daher sehr berechtigt, dass die FDP in ihrer Großen Anfrage nach den Ergebnissen und Kosten dieser Initiative fragt. Die Bedeutung des Gesundheitsmarktes für Schleswig-Holstein wird schon dadurch unterstrichen, dass laut Bundesagentur für Arbeit mindestens 92.000 Personen hier arbeiten, wobei wegen des fehlenden statistischen Materials von einer Untergrenze auszugehen ist. Das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen geht sogar von
137.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und einem Umsatz von fast 5 Milliarden € für die Jahre 2004 und 2005 aus.
Diverse Studien belegen die hohe Kompetenz und das Potenzial der Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein. Zum Beispiel ist dies der Fall im Bereich Life Science/Medizintechnik und im Gesundheitstourismus, wo es auch viele große Unternehmen gibt, die zu den 30 größten Arbeitgebern im Lande gehören.
Die Leitprojekte der Landesregierung haben sich daher im Rahmen der Gesundheitsinitiative naturgemäß auf diese Gebiete konzentriert. Dies gilt für die Landesunterstützung des Medizintechnik-Campus in Lübeck, das landesweite Forum „Life Science“ oder den Gesundheits- und Wellness-Tourismus in den Urlaubsorten. Dabei sind für einige dieser Projekte, die über die Jahre mit Fördermitteln bedacht wurden, laut der Antwort der Landesregierung leider nicht immer unmittelbar messbare Ergebnisse vorzuweisen. Dies gilt natürlich insbesondere für die Forschungsbereiche im Rahmen der Gesundheitsinitiative, hinsichtlich derer die Landesregierung allerdings zu Recht darauf hinweist, dass es bei direkten Produktinnovationen als Folge der durch die Leitprojekte angestoßenen Maßnahmen zum Beispiel im Medizinbereich bis zu zehn Jahre bis zur Markteinführung eines Produktes dauert.
Im Gesundheitstourismus ist dies etwas anders, weil hier die Gesundheitsinitiative ganz konkret dazu beigetragen hat, dass vor allem die Kurorte die notwendige gesundheitstouristische Neuausrichtung vorgenommen haben. Laut der Großen Anfrage haben vor allem Westerland, St. Peter-Ording, Büsum und Damp ihre Angebote an die Neuausrichtung der Tourismusstrategie der Landesregierung im Gesundheitsbereich erfolgreich angepasst. Das im Aufbau befindliche Kompetenzzentrum Gesundheitstourismus soll dazu beitragen, diese gesundheitstouristischen Angebote in Schleswig-Holstein noch mehr auszubauen und besonders die Qualität noch mehr an den Ansprüchen der Zielgruppen anzupassen. In diesem Bereich sind wir also weiterhin auf einem guten Weg.
Das kann man für die elektronische Gesundheitskarte leider nicht behaupten. Vom Grundsatz her ist das Konzept der Gesundheitskarte, auf der die medizinischen Daten der Patienten gespeichert sind, natürlich zu begrüßen. Denn es dreht sich um ein wichtiges Strukturelement der Telematikanwendung und es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Tests zur bundesweiten Einfüh
rung der elektronischen Gesundheitskarte das Profil Schleswig-Holsteins als innovatives Gesundheitsland weiter gefördert haben.
Allerdings sind die sogenannten Feldtests in letzter Zeit ins Stocken geraten. In den Feldversuchen zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hat sich die Eingabe der Patienten-PIN als verfahrenstechnische Hürde herausgestellt. Vor allem ältere oder behinderte Testteilnehmer haben Probleme, die sechsstellige PIN einzugeben, mit der sie etwa ihre Zustimmung dafür signalisieren, dass ein Notfalldatensatz angelegt wird.
Im Flensburger Feldversuch wurden 75 % der ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten durch falsche PIN-Eingaben gesperrt; in anderen Regionen sollen die Quoten nicht viel besser sein. Hier muss also noch nachbessert werden. Aber wenn die elektronische Gesundheitskarte ein Erfolg wird, dann kann der Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein davon profitieren, weil unsere Unternehmen und die Akteure im Gesundheitswesen bei uns die ersten Erfahrungen mit dieser modernen Technologie gemacht haben. Allerdings scheint es noch ein längerer Weg bis zum Erfolg zu werden.
Die Landesregierung sieht laut Großer Anfrage die ärztliche Versorgung in Schleswig-Holstein auch im ländlichen Raum zurzeit als ausreichend an. Dies deckt sich nicht immer mit der Wahrnehmung der Bevölkerung auf dem Lande, aber ich will die Zahlen, die vorliegen, nicht infrage stellen. Denn die Landesregierung macht ja selbst darauf aufmerksam, dass man für die Zukunft schon einen Ärztemangel speziell auf dem Lande befürchtet, weil viele Ärzte pensioniert werden und weil es sehr schwer sein wird, adäquate Nachfolger zu finden. Wir haben bereits im Landtag über dieses wichtige Thema debattiert und die Landesregierung hat gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Initiativen angekündigt, um dem entgegenzuwirken. Leider gibt es keinen Königsweg, um dieses Problem zu lösen. Denn auch hier haben wir es mit Rahmenbedingungen zu tun, die vom Bund vorgegeben werden.
Dies kann man allerdings nicht sagen, wenn es um die notärztliche Versorgung im ländlichen Raum geht. Hier gibt ein Landesgesetz die Rahmenbedingungen vor. Seit der Neustrukturierung des ärztlichen Notfalldienstes in Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2007 gibt es nur noch einen eingeschränkten Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte in Kappeln und Umgebung. Die Landesregierung sagt selbst, dass die Menschen in der Region Kappeln heute bis zu einer halben Stunde auf einen Notarzt
Die Krankenkassen lehnen immer noch die Kostenübernahme für einen zweiten Notarztstandort in Schleswig-Flensburg ab, obwohl der Kreis der einzige in Schleswig-Holstein mit nur einem Standort ist. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, sich dafür einzusetzen, dass diese unhaltbare Situation in der Region Kappeln umgehend behoben wird. Und ich erwarte, dass wir im Ausschuss dann eine fertige Lösung des Problems präsentiert bekommen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Gesundheitsinitiative der ehemaligen Landesregierung erfolgreich ist und dass es eine kluge Entscheidung der jetzigen Landesregierung war, diese Initiative weiterzuführen. Dies ist die Grundlage für den dauerhaften Erfolg in diesem Bereich, der auch bei uns Einkommen sichert und Arbeitsplätze schafft. Diese positive Entwicklung setzt sich in Zukunft hoffentlich fort.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe. Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage Drucksache 16/1940 an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen.
- Also, die Antwort soll federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Danke schön. Dann ist das so geschehen.