Protocol of the Session on April 24, 2008

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

In der schleswig-holsteinischen Medizinbranche und in der pharmazeutischen Industrie mit meist

mittelständischen Unternehmen ist der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den insgesamt im verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten doppelt beziehungsweise mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

Auch im Bereich der Gesundheitsversorgung ist Schleswig-Holstein häufig mit Modellvorhaben oder Projekten bundesweit Vorbild beziehungsweise setzt gesetzliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung schneller und vorzeitiger um als andere Bundesländer, nicht immer im Ergebnis zu unserem Vorteil, so zum Beispiel bei dem Thema „Integrierte Versorgung oder hoch spezialisierter Leistungen“. Wir können lesen, dass wir mit 15 Praxisnetzen in Schleswig-Holstein mit der höchsten Netzdichte in Deutschland versorgt sind.

So weit zunächst einmal einige Schlagworte, die belegen, dass die Politik der Landesregierung in den letzten Jahren gemeinsam mit vielen Akteuren im Gesundheitswesen die Chancen eines weiterhin auch international und national wachsenden Gesundheitsmarktes gut genutzt haben und auch erfolgreich waren.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Dabei sind wir nicht am Ende, sondern auf dem Weg. Ziel muss es weiterhin bleiben, das Profil auszubauen, zu schärfen und auch neue Angebote für die Menschen und eine gute qualitative Gesundheitsversorgung hinzuzufügen. Da sind wir uns eigentlich alle einig, sonst müsste die Ministerin dieses Feld morgen ad acta legen und sagen: Das habe ich erledigt. Das hat sie nicht vor, das hat sie signalisiert. Wir sind auf einem guten, richtigen Weg.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Antworten auf die Große Anfrage mit 400 Einzelfragen bilden eine gute Grundlage und eine gute Übersicht über den gesamten Bereich der Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein. Deshalb zunächst einmal an die FDP und den Kollegen Garg danke für den umfassenden Fragenkatalog und natürlich auch danke an die Landesregierung, an die Ministerin und insbesondere an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Beantwortung. Wir haben in der Tat eine gute Arbeitsgrundlage möglicherweise für die Entwicklung eines Masterplans. Da bin ich gespannt; ich finde das insofern prima.

(Ursula Sassen)

(Vereinzelter Beifall)

Wir haben einen Gesamtüberblick mit der Großen Anfrage über die drei Bereiche der Gesundheitswirtschaft, die traditionell folgendermaßen festgelegt sind: erstens den Kernbereich der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung, zweitens den Bereich der Vorleistungs- und Zulieferindustrie, drittens die Nachbarbranchen und Randbereiche des Gesundheitswesens, die die Kernbereiche der Gesundheitswirtschaft mit den Angeboten aus anderen Bereichen des Dienstleistungssektors, zum Beispiel Gesundheitstourismus, Wellness oder gesundheitsbezogene Sportund Freizeitangebote, vervollständigen.

Diese drei Schwerpunkte machen deutlich, dass es sowohl um eine Gesundheitsversorgung im engeren Sinne für die Menschen in Schleswig-Holstein geht, es geht aber auch um industrielle Unternehmen und um Dienstleistungsangebote, also ein bunter und vielschichtiger Katalog, für den auch in der Landesregierung nicht ausschließlich die Gesundheitsministerin zuständig ist. Da sind noch mehr Kollegen gefordert. Wenn sie sich möglicherweise gleichermaßen engagieren wie Sie, könnten wir uns noch ein Stück weiterbewegen. Dessen bin ich ganz sicher.

(Beifall bei SPD und SSW)

Mit einem recht kräftigen Ministerpräsidenten an der Spitze, der dann auch in diese Richtung zieht, ist noch einiges herauszuholen.

In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und angesichts der doch umfassenden Daten ist es mir nicht möglich, heute auf alle Schwerpunkte einzugehen. Ich möchte mich deshalb auf einige wenige beschränken. Die Leitprojekte der Gesundheitsinitiative, zum Beispiel der Medizintechnik Campus, das Forum Life Science, die Modellregion „Natürlich Erleben“, das Qualitätssiegel für Gesundheitseinrichtungen, die elektronische Gesundheitskarte so strittig sie zurzeit auch betrachtet wird, die aber Chancen in sich birgt - und der Gesundheits- und Wellness-Tourismus in den Urlaubsorten sind Projekte, die nicht nur intensiv die qualitative Weiterentwicklung des Standorts Schleswig-Holstein untermauern, sondern für unser Land einen wichtigen Beitrag zur konjunkturellen Entwicklung bilden.

(Beifall beim SSW)

Sie machen außerdem deutlich, dass Gesundheit und Gesundheitswirtschaft nicht allein ein Kostenfaktor sind. Dazu ein weiterer Hinweis: Von den 30 größten Firmen Schleswig-Holsteins gehören zehn

zur Gesundheitsbranche, und diese zehn Unternehmen beschäftigen allein 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir können aber nicht nur im produzierenden Gewerbe Erfolge vorweisen, sondern zum Beispiel auch im Bereich von Forschung und Lehre. Wir haben in Schleswig-Holstein Spitzenforschung, zum Beispiel das Entzündungscluster, das europaweit auch vor seiner Anerkennung als Spitzenforschungsprojekt - bereits großen Zuspruch gefunden hat. Ich weiß dies sogar aus eigener Erfahrung. Wir haben die Einrichtung vor der Tür, in Bad Bramstedt. Viele wissen nicht, dass es solche Einrichtung gibt. Insofern finde ich es gut, dass wir dies nun bekannt machen und der Einrichtung auch die entsprechende europaweite Anerkennung verschaffen, die sie verdient.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch das in Vorbereitung befindliche neue Partikeltherapiezentrum genannt werden. Auch dies wird ein Leuchtturmprojekt der Gesundheitswirtschaft in unserem Lande.

Die Große Anfrage zeigt, dass die Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein auch zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung unserer Menschen beiträgt. Hier haben wir leistungsstarke Strukturen, die sehr häufig bereits im Vorfeld auf Veränderungen reagiert haben, zum Beispiel unsere Krankenhäuser. Darüber haben wir mehrfach diskutiert. Wir haben in den letzten Jahren Netzwerkstrukturen aufgebaut und mit 36 medizinischen Versorgungszentren eine gute Angebotspalette für den städtischen und ländlichen Raum. Die ärztliche Versorgung ist zurzeit also weitestgehend gesichert.

Zukünftig muss es uns darum gehen, insbesondere in den ländlichen Regionen die niedergelassenen Facharzt- und Hausarztstrukturen zu erhalten. Der Bericht zeigt auch, dass bereits an der Westküste ein Mangel an niedergelassenen Ärzten besteht. Hier sind sinnvolle Kooperationsformen, zum Beispiel mit den Krankenhäusern, notwendig und auch möglich. Es gibt gute Konzepte, die von den Akteuren, zum Beispiel im Westküstenklinikum Heide, entwickelt worden sind und zurzeit umgesetzt werden; die Ministerin hat darauf hingewiesen. Das sind gute Modelle, neue Wege, die wir ausbauen, die wir erproben müssen, weil wir zukünftig sicherlich an anderen Stellen ähnliche Konzepte werden umsetzen müssen.

(Jutta Schümann)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, betrachtet werden sollten auch die Aussagen der Landesregierung zur Situation der Apotheken in Schleswig-Holstein. Das fand ich persönlich sehr interessant. Entgegen so mancher Einschätzung, wir würden über zu viele Apotheken in Schleswig-Holstein verfügen, zeigt die Große Anfrage, dass die Zahl der Apotheken bei uns in den letzten Jahren relativ konstant geblieben ist. Interessant ist auch zu lesen, dass die Umsätze nicht exorbitant gestiegen sind. Die Landesregierung teilt also offensichtlich die Einschätzung über die Auswirkungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den Fremd- und Mehrbesitz auf die Apotheken in Schleswig-Holstein und ebenso zu der Fragestellung: Welche Auswirkungen werden erwartet, falls zukünftig apothekenfremde Branchen Arzneimittel anbieten dürfen? Hier scheint es notwendig, gemeinsam mit der Apothekerkammer angemessene Lösungen herbeizuführen.

Wir benötigen auch zukünftig eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln, und insofern benötigen wir natürlich auch vor Ort Apotheken, die dies mit einer kompetenten Beratung gewährleisten können.

Zur stationären Versorgung ist festzuhalten, dass hier die demografische Entwicklung und die notwendige und zunehmende Versorgung älterer Menschen zu einer verstärkten Nachfrage im stationären Bereich geführt haben. Das gilt für Spezialangebote wie geriatrische Versorgung, internistische Versorgung, die insbesondere ältere multimorbide Patientinnen und Patienten betrifft. Wichtig wird zukünftig weiterhin eine enge Verzahnung aller Angebote sein, von ambulant, stationär, teilstationär, inklusive besserer und reibungslosere Übergänge zum Beispiel von der Akutnotversorgung zur rehabilativen Versorgung. Auch da können wir lesen, dass es bereits in 54 stationären sowie in zehn ambulanten Einrichtungen sehr gute Angebote gibt.

Das GKV-WSG hat festgelegt, dass Mutter-VaterKind-Kuren finanziert werden. Auch dies wirkt sich natürlich auf die Angebotsstruktur aus. Außerdem haben wir in Schleswig-Holstein über 27 derartige Einrichtungen, von denen acht neben den Vorsorgeleistungen medizinische Rehabilitation erbringen. So weit einige Themen aus der Großen Anfrage, die wir dann im Ausschuss weiter beraten.

Ich fasse zusammen: Schleswig-Holstein ist ein herausragender Gesundheitsstandort in der Bundesrepublik. Da sind wir uns einig. Er entwickelt sich weiter, bietet Arbeit und Ausbildungsplätze und somit Perspektiven für viele Menschen in unserem

Land. Außerdem ist deutlich, dass die Infrastrukturen bei uns gut geeignet sind, Menschen in unserem Land medizinisch zu versorgen. Dies gilt natürlich auch für Menschen, die in unserem Land Urlaub machen. Ich freue mich auf die weitere Arbeit und möglicherweise auf einen Masterplan, den wir dann aber gemeinsam mit allen Beteiligten schaffen werden.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Frau Abgeordneter Jutta Schümann. Bevor wir in der Aussprache fortfahren, begrüße ich auf der Besuchertribüne sehr herzlich Schülerinnen und Schüler und die sie begleitenden Lehrkräfte des Gymnasiums Schenefeld und Frauen vom Netzwerk 50plus der Gemeinde Sankt Michaelis in Kiel. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Als weiteren fachkundigen Zuhörer darf ich sehr herzlich den Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Herrn Krämer, begrüßen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts des reichhaltigen Materials werde ich mich nur auf wenige Aspekte beschränken können. Auch vonseiten der Grünen wird mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die rot-grüne Entscheidung vor einigen Jahren, als landespolitischen Leuchtturm Gesundheitspolitik zu setzen, eine richtige war und dass die Projekte, die in den letzten Jahren angeschoben wurden, nunmehr Früchte tragen. Ich freue mich, dass die jetzige Landesregierung dieses Konzept weiter ausbaut und wir tatsächlich für bundesweite Furore sorgen. Das ist in unserem eigenen Land noch viel zu wenig bekannt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern kann man dies auch ohne Neid als parteiübergreifendes richtiges politisches Projekt begreifen. Es funktioniert natürlich nicht nur, weil sich die Politik dafür entscheidet, sondern die Politik hat aufgenommen, was an Potenzial da war, und versucht, an bestimmten Stellschrauben dieses Potenzial zu erhöhen und vor allem daraus Schlüsse zu

(Jutta Schümann)

ziehen, was zukünftige Strukturen betrifft. Insofern möchte ich mich, auch wenn es ein wenig trocken erscheint, als Erstes mit Strukturen befassen.

Es ist nicht zu unterschätzen, was es bedeutet, dass wir in Schleswig-Holstein als relativ kleinem Bundesland neue Strukturen ausprobieren, ob es nun um das berühmte QuaMaDi-Projekt in der Krebsvorsorge, um die elektronische Gesundheitskarte ging oder ob es um die Öffnung der Krankenhäuser, die integrierte Versorgung und die Praxisnetze geht. Wir haben den Vorteil, dass wir als Bundesland mit städtischer und ländlicher Bevölkerung und mit im Vergleich zu einem Flächenland wie NordrheinWestfalen kurzen Wegen in ganz unterschiedlichen Versorgungslandschaften etwas ausprobieren können. Wir haben glücklicherweise auch die Bereitschaft von Akteurinnen und Akteuren, dies zu tun. Das ist als Potenzial, auch als Wirtschaftspotenzial nicht zu unterschätzen.

Deshalb finde ich es auch gut, dass Sie, Frau Ministerin, angekündigt haben, dass wir einmal innehalten müssen, um in einem Masterplan zu prüfen: Was haben die neuen Möglichkeiten, die uns die Gesetze auch eröffnen, gebracht? An mehreren Stellen müssen Sie nämlich antworten: Die Kassenärztliche Vereinigung hat Kandidaten, beispielsweise über Patientenströme in den neuen Praxisnetzen. Damit haben Sie das nur zum Teil beantworten können. Das mache ich nicht zum Vorwurf, sondern das zeigt natürlich, an welcher Stelle man gucken muss, ob das Datensammeln Sinn macht. Wir wollen ja keine Datenfriedhöfe schaffen, die nur Arbeit machen.

Wenn wir auf der anderen Seite wissen wollen, wie sich bestimmte politische Entscheidungen auch in der Qualität und in der Fläche auswirken, müssen wir natürlich auch zu bestimmten Bereichen Daten haben. Sonst stellen wir viel zu spät fest, dass neue Verschiebebahnhöfe entstehen. Die wollen wir natürlich alle vermeiden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Insofern ist das ein richtiger und notwendiger Ansatz. Denn viele Antworten zeigen, dass auch manche Leute merkwürdige Vorstellungen davon haben, was sie uns schulden. Wenn beispielsweise Krankenhäuser antworten - wie Herr Dr. Garg schon angesprochen hat -, sie fänden das überflüssig, was die FDP fragt, sie wüssten gar nicht, was das soll, dann sehen wir daran, dass wir noch etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Denn das ist ja auch zu ihrem eigenen Nutzen. Das ist ja keine Selbstbeschäftigung für uns, sondern es ist dafür, dass sich die Struktur verbessert und weiterentwickelt.

Kommen wir zu einem Thema, das erstaunlicherweise weder in der Fragestellung noch in der Antwort eine Rolle gespielt hat, obwohl es auf der Hand liegt, nämlich - wenn man in Netzen denkt die Versorgungsforschung, die Weiterentwicklung der Pflege, das Zusammenspiel zwischen ärztlichen und nicht ärztlichen Dienstleistungen in der Medizin. Es ist egal, ob das im Rahmen von Reha oder im Rahmen von Praxisnetzen ambulant stattfindet. Wir haben eine ganze Reihe von Berufen - das machen wir uns immer viel zu wenig klar -, ob es Ergotherapeuten oder Logopäden sind, bei denen man für die Ausbildung richtig viel Geld bezahlen muss. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Ministerin, dass Sie diese Dinge einmal aufgeschrieben haben. Es gibt junge Leute, die ein paar Hundert Euro mitbringen müssen - nicht nur einmalig, sondern immer wieder -, um ihre Ausbildung überhaupt machen zu können. Wir sind auf diese Berufe angewiesen, und wir sind auch darauf angewiesen, dass in zukünftigen Gesetzen diese Berufe eine entsprechende Wertschätzung erfahren und nicht einfach weggespart werden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])