Protocol of the Session on April 24, 2008

Die bereits existierenden Gemeinschaftsschulen, die sieben, weisen nach jetzigem Stand insgesamt ein leichtes Ansteigen der Anmeldungen auf - auch hier nach Standorten unterschiedlich ausgeprägt. So ist das eben.

Nach dem ersten Stand - das will ich jetzt doch noch einmal aufgreifen, weil das Herr Dr. Klug auch öffentlich gesagt hat; deshalb ist mir das wichtig, das noch einmal auszuführen - hieß es, dass 20 von 40 Regionalschulen die geforderte Anzahl von 45 Anmeldungen nicht erreicht hatten. Bei den Gemeinschaftsschulen waren das vier von 50. Inzwischen haben sich Verschiebungen ergeben, weil andere Schulen wiederum überlaufen waren. Dadurch werden mehr Schulen die Mindestzahlen erreichen können.

Die Eltern können in dieser Situation erstmals frei aus dem Schulangebot auswählen und haben damit auch ihr Votum abgegeben. Das ist eine neue Erfahrung für alle Beteiligten, die sie nun verkraften und auswerten müssen. Im Ergebnis mag es an manchen Standorten wehtun, wenn die geplante Schule nicht zustande kommt. Wir sehen aber auch, dass die freie Schulwahl eine Bereicherung ist. Das haben wir gemeinsam so gewollt. Sie ist eine Bereicherung für die Profilierung der Schulen, für die Entscheidungsprozesse vor Ort

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

und für die Berücksichtigung des Elternwillens. Ich denke, das ist insgesamt eine gute Rückenstärkung für die Arbeit der Schulen, und das bestärkt uns in der Verpflichtung, sie so gut es irgendwie geht auf den neuen Wegen zu begleiten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin und eröffne die Aussprache. - Das Wort für den Antragsteller hat Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst haben die Kommunen über das neue Schulgesetz abgestimmt. Viele stützten sich dabei auf das Votum der Eltern vor Ort. Vielerorts - wie zum Beispiel auch in Kiel - ist diese Abstimmung unter den Eltern noch im Gange. Das hat zu einem - insbesondere von der CDU - nicht erwarteten Boom von Gemeinschaftsschulgründungen geführt. Jetzt stimmten die Eltern noch ein

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

mal ab, durch die Anmeldung ihrer Kinder an den neuen Sekundarschulen.

Frau Ministerin, ich habe natürlich Verständnis dafür, dass Sie hier keine Schnellschüsse vorab bekanntgeben, aber das, was Sie uns hier gerade an Daten genannt haben - auch wenn es nur eine vorläufige Hochrechnung ist -, dass nämlich - wenn ich das richtig verstanden habe - etwa die Hälfte der 40 Regionalschulen Probleme haben, das Quorum zu erreichen, es bei den Gemeinschaftsschulen auch nur ein geringerer Teil ist, ist schon ein Indiz.

Ich möchte an dieser Stelle trotzdem nicht in ein Indianergeheul nach dem Motto ausbrechen, Gemeinschaftsschulen haben es leicht und die Regionalschulen haben es schwer. Es geht mir in dieser Frage wirklich deutlich um die Kinder und die Planungssicherheit für die Eltern und die Lehrer.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch der Grund dafür, dass wir zu diesem Zeitpunkt diese Frage gestellt haben. Das brennt natürlich allen auf den Nägeln. Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Sie zum baldmöglichsten Zeitpunkt die Öffentlichkeit informieren und wir das im nächsten Bildungsausschuss ausführlich diskutieren werden.

Denn wir möchten natürlich auch von Ihnen wissen - da sind Sie uns etwas die Antwort schuldig geblieben -, von welchen Kriterien Sie sich dabei leiten lassen, wenn Sie in Grenzfällen entscheiden müssen. Das ist wichtig, damit die Entscheidung vor Ort nachvollziehbar ist, damit sie aber auch in einem Gerechtigkeitskonzept für das ganze Land nachvollziehbar ist.

Die Lösung „zurück zur Realschule“, wie sie die FDP propagiert, wäre eine bildungspolitische Geisterfahrt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Wir erwarten gerade angesichts der knappen Ressourcen, dass nicht künstlich Schulen am Leben gehalten werden, die vor Ort nicht genug Nachwuchs finden. Inzwischen fordert sogar die Junge Union, die Regionalschule zugunsten der Gemeinschaftsschule aufzugeben. Dies lässt uns hoffen, dass die Schulreform noch in dieser Legislaturperiode einen weiteren Schritt zum gemeinsamen Lernen nach vorn macht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein erstes Fazit ist: Die Eltern überholen die Koalition mit links.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen großen Zulauf haben aber nicht nur die Gesamt- und Gemeinschaftsschulen, sondern auch die Gymnasien. Denn hier wurden schon in den letzten Jahren immer mehr Kinder angemeldet, als das Bildungsministerium vorsah. Auch wenn Sie jetzt gerade eine Einschränkung gemacht haben, dass es 600 Anmeldungen weniger sind als Sie erwartet haben, so sind das doch ziemlich gigantische Zahlen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Ja!)

Wir müssen uns einmal einen längeren Zeitraum vornehmen.

(Heiterkeit bei der CDU)

- Ja, man muss sich einmal anschauen, wie sich die Gymnasien in den letzten Jahren entwickelt haben. 1995/96 hatten wir 61.000 Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien. Im Augenblick haben wir im Schuljahr 2007/2008 81.000 Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien und Ihre Prognose - jedenfalls laut der Drucksache 16/1907 -, Frau Ministerin, war, dass es im nächsten Schuljahr 86.000 werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU])

Mich würde natürlich schon interessieren - Sie haben gesagt, Sie haben 11.600 neue Anmeldungen -, wie viel das im Klartext insgesamt sind. Denn ich meine, von 61.000 zu 86.000 oder auch nur zu 81.000 ist es ein gewaltiger Sprung nach vorn. Den brauchen wir auch, denn wir brauchen mehr Leute, die Abitur machen. Glücklicherweise machen auch Leute an der Gemeinschaftsschule oder an der Berufsschule Abitur.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Erfolg für Schleswig-Holstein, denn wir sind neben Bayern das Land, was zu wenig Abiturienten im bundesdeutschen Durchschnitt hat, ganz zu schweigen zum internationalen Durchschnitt.

Kommen wir damit zum zweiten Thema, der mangelnden Lehrerversorgung an den Gymnasien. Der Landeselternbeirat hat uns einen offenen Brief geschickt. Landauf und landab rechnen uns Bildungspolitikern die Eltern vor, dass die Schülerzahlen in den letzten 20 Jahren um etwa 30 % gestiegen sind - wahrscheinlich ist es noch mehr -, die Lehrerstellen aber nur - auch Dank harter rot-grüner Verhandlungen - nur um 9 %, bezogen auf die

(Angelika Birk)

Gymnasien. Das heißt, wenn wir sehen, was der Finanzminister im letzten Sommer gesagt hat, dass nämlich 4.200 Stellen wegen des demografischen Wandels bis 2020 eingespart werden könnten, und die Ministerin eben abgehandelt hat, dass von den einzusparenden Stellen vielleicht doch 1.300 nicht eingespart werden, dann sehen wir, dass die Einsparung, die jetzt vorgesehen ist sehr viel größer sein wird als das, was wir in den letzten 20 Jahren an Lehrerstellen hinzugewonnen haben. Das heißt, in Zukunft werden die Kinder nie wieder eine so gute Lehrer-/Schüler-Relation haben wie in den damals auch relativ geburtenschwachen Jahrgängen - jedenfalls bezogen auf den Gymnasialbesuch Mitte der 90er-Jahre. Man muss das in diesen langen Zeiträumen sehen, um sich klarzumachen, über welche Dimension wir reden.

Wir haben uns immer gegen die Privilegierung des Gymnasiums ausgesprochen. Wir haben immer gesagt: Wir müssen in die ersten Jahre, in die Kindertagesstätten, in die Grundschulen und in die Sekundarstufe I investieren, das hat Priorität. Aber selbstverständlich kann es nicht sein, dass man den Eltern, die jetzt das Recht auf individuelle Förderung auch an den Gymnasien entdecken - ich denke, das ist ein Fortschritt, dass Eltern heute so etwas einfordern; früher klang das aus dem gymnasialen Elternbereich anders -, diesen Anspruch nach dem Motto verweigert: Die Elite hat sich darum mit privaten Ressourcen zu kümmern. Das wird natürlich zu dem führen - wovor uns auch andere gewarnt haben -, dass die Leute dann auf Privatschulen ausweichen.

Ich war neulich sehr erschrocken, als in Itzehoe bei einer Elternversammlung von drei Gymnasien, die sehr gut besucht war, doch ein sehr großer Teil, die Mehrheit, sich gemeldet und gesagt hat, wir könnten uns vorstellen, unser Kind an eine Privatschule zu schicken.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Wun- dert Sie das? - Weitere Zurufe von der CDU)

Wir sind immer sehr für die Entwicklung der freien Schulen, aber der Hintergrund, vor dem das geschah, war eine so große Kritik an unserer bisherigen gymnasialen Realität, dass das schon bedenklich stimmen muss.

Das heißt, das Gymnasium muss sich weiterentwickeln, zum gemeinsamen Lernen, zum individuellen Lernen. Auch dafür braucht es natürlich Ressourcen. Deshalb erwarten wir von der Bildungsministerin, dass sie uns einen ungeschönten Bericht über alle Sekundarschularten liefert, dass sie kon

krete Vorschläge für eine bessere Lehrerverteilung macht. Denn wir möchten sie natürlich gern in der harten Auseinandersetzung um Bildungsfinanzen unterstützen. Aber dazu brauchen wir frühzeitig die Fakten, damit wir wissen, um welche Dimensionen es geht.

Der Bericht zum achtjährigen Gymnasium, über den wir morgen debattieren, enthält keinerlei Zahlen. Insofern bietet er keine Grundlage. Ich hoffe, da wir heute keine Antwort bekommen haben, dass wir sie in Bälde bekommen. Das sind wir den Eltern, das sind wir den Lehrern, das sind wir all denjenigen, die sich um Bildungspolitik kümmern, schuldig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Sylvia Eisenberg.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich vor allen Dingen bei den Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Einbringung des Berichtsantrages zur Lehrerversorgung an den Gymnasien. Besonders begrüßenswert ist es, dass Sie sich so langsam auch einmal um die Gymnasien kümmern und nicht immer nur um die Gemeinschaftsschulen.

Was haben sie über eine angebliche Bevorzugung der Gymnasien hinsichtlich der Stundenzuweisungen und eine angebliche Benachteiligung der anderen Schularten geschimpft - was im Übrigen falsch war.

In Ihrem Landtagswahlprogramm von 2005 haben Sie sich noch für eine zwingend notwendige Überwindung der Dreigliedrigkeit unseres Schulsystems ausgesprochen,

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dazu stehen wir immer noch!)

und auch in der Tolerierungsvereinbarung sprachen Sie sich für eine ungeteilte Schule nach skandinavischem Vorbild aus.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie sind nur neidisch, dass wir das vor Ihnen gemacht haben!)

Mit dem nun vorliegenden Antrag machen Sie jedoch Ihre Besorgnis bezüglich der Lehrerversor

(Angelika Birk)

gung an den Gymnasien deutlich. Vielleicht, meine Damen und Herren, sind das ja die ersten Auswirkungen der gerade vereinbarten Koalition in Hamburg. Mich würde das freuen.