Protocol of the Session on January 30, 2008

Frau Kollegin, die Zeit!

Die Grünen sind immer die Pionierinnen, die Impulsgeberinnen in Sachen Gleichstellungspolitik gewesen. Wir geben an dieser Stelle nicht auf. Sie werden von diesem Gesetz wieder hören. Das verspreche ich Ihnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon bei der ersten Lesung zur Änderung des Wahlgesetzes wurde deutlich, dass wir uns in der Bestandsaufnahme alle einig sind: Es ist ein Trauerspiel, dass die Frauenquote in den deutschen Par

(Angelika Birk)

lamenten fast 90 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch so niedrig ist.

Damit hört die Einigkeit aber auch schon auf, denn Kernpunkt der Debatte zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ist ja das Wie und nicht das Was. Strittig ist weiterhin die Frage, wie das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am politischen Leben unserer Gesellschaft am ehesten verwirklicht werden kann. Zumindest nehme ich für den SSW in Anspruch, dass dies unser Ziel ist. Ich sage das so deutlich, um allen Missverständnissen vorzubeugen, auch dem Missverständnis, dass es dabei nur einen grünen Weg gibt.

Die Quotierung per Wahlgesetz ist eine scheinbar simple Lösung für dieses Problem - das sagte ich schon bei der ersten Lesung -, ob es auch eine gute Lösung ist, wage ich nach wie vor zu bezweifeln. Denn wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass weniger Frauen als Männer bereit sind, sich innerhalb einer Partei um einen Listenplatz zu bewerben. Vielen erscheinen die politische Kultur, das Klima in den Parteien, die Sitzungsformen und der Zeitdruck nicht besonders attraktiv.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Thomas Rother [SPD])

Viele Frauen engagieren sich daher lieber in sogenannten NGOs, wo es einen konkreten Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Aktion gibt, wo die Menschen und nicht die Strukturen im Mittelpunkt stehen.

Seit der ersten Lesung hat es - wie bei Gesetzentwürfen üblich - eine Anhörung des zuständigen Ausschusses gegeben, eine schriftliche, während die mündliche in abgeänderter Form als öffentliche Podiumsdiskussion des Landesfrauenrates stattfand. Auch wenn sich weder die Positionen der angehörten Verbände noch die der Fraktionen durch diese Anhörungen änderten, haben sie dazu geführt, dass alle Argumente wieder einmal auf den Tisch gekommen sind. Die Uneinigkeit bleibt, sie findet aber nunmehr auf einem höheren Niveau statt, könnte man sagen. Daher Lob an den Landesfrauenrat, dass er sich in diese Diskussion um Frauen und Politik eingeklinkt hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf zwei Aspekte möchte ich etwas holzschnittartig eingehen. Zum einen kam in der Anhörung eine rechtliche Beurteilung des grünen Vorstoßes zum Ausdruck. Hier krachten bildlich gesprochen zwei Welten aufeinander: Während Professor Rupert

Scholz unter der Überschrift „Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechts“ jede geschlechtsspezifische Differenzierung als verfassungswidrig zurückwies, führten der Wissenschaftliche Dienst des Landtages und der Deutsche Juristinnenbund umgekehrt aus, dass der grüne Gesetzentwurf nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern auch angemessen sei. Man kann also so vorgehen wie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen. Und eine ganze Reihe von Ländern, insbesondere außerhalb Europas, sind in den letzten Jahren diesen Weg ja auch gegangen.

Zum anderen gab es in den Stellungnahmen der angehörten Frauenverbände die klare inhaltliche Position, dass etwas geschehen muss, damit Frauen in der Politik besser gefördert werden. Sie weisen darauf hin, dass grundsätzlich jede Initiative zu begrüßen ist, die sich das Ziel gesetzt hat, die grundgesetzlich verbriefte Gleichstellung von Männern und Frauen weiter voranzutreiben. Ihnen geht es also weniger um eine Analyse des vorliegenden Gesetzentwurfs, sondern um die Sache selbst.

Der SSW teilt die rechtlichen Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf nicht. Ich meine, der Wissenschaftliche Dienst hat überzeugend dargelegt, dass eine Frauenquote im Wahlgesetz rechtlich gesehen ein gangbarer Weg ist. Aus Sicht des SSW muss inhaltlich zu dem grünen Vorschlag Stellung bezogen werden. Deshalb sage ich zum wiederholten Male, dass ich vom Ansinnen der Grünen, den anderen Parteien einen innerparteilichen Reformprozess per Gesetz vorzuschreiben, nichts halte.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Für die Entscheidung der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dem Landtag diese Wahlgesetzänderung zu unterbreiten, scheinen die Beispiele Spanien und Norwegen eine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Mag sein, dass Spanien als Modell für eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote geltend gemacht werden kann, Norwegen kann es ganz sicher nicht. Dort operiert man auch mit Frauenquoten, aber eben nicht im Wahlgesetz. Dreh- und Angelpunkt der norwegischen Gleichstellungspolitik sind nämlich die Veränderung im gesellschaftlichen Raum und der politische Diskurs.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklung in unseren nördlichen Nachbarländern zeigt uns mit anderen Worten, wie wichtig der gesellschaftliche Diskurs ist. Ich weiß, dass ich das schon bei der ersten Lesung gesagt habe, aber das ist mein wichtigster Punkt. Dazu gehört auch der politische Wettbewerb der Parteien. Wenn Parteien meinen, dass sie

(Anke Spoorendonk)

diese Debatten ohne die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen Geschehen in den Parlamenten führen können, dann muss auch das diskutiert und infrage gestellt werden, damit sich die Wählerinnen und Wähler - wenn sie es denn wollen - auch gegen diese Parteien entscheiden können. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei SSW, CDU, FDP und der Abge- ordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Das Wort für die Landesregierung hat nun der Innenminister Lothar Hay.

Lothar Hay, Innenminster:

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Birk, Sie haben sich - wenn ich es richtig verstanden habe; ich hoffe, dass ich Sie falsch verstanden habe - zu den Aufgaben eines Kreiswahlleiters geäußert. Ein Kreiswahlleiter hat nur die Aufgabe, die geltenden Gesetze bei der Aufstellung von Listen und Wahlkreisen zu überprüfen.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Gut, dann habe ich Sie falsch verstanden.

Eine gleichgewichtige aktive Beteiligung beider Geschlechter an der politischen Willensbildung des Volkes ist die Grundlage für eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit, die dem Ziel der Chancengleichheit verpflichtet ist. Daher ist dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verfolgten Ziel, eine möglichst ausgewogene Repräsentanz beider Geschlechter im Schleswig-Holsteinischen Landtag zu erreichen, grundsätzlich zuzustimmen.

Allerdings ist es auch nach Auffassung der Landesregierung der falsche Weg zur Erreichung dieses Zieles, verbindliche Quoren bei der Aufstellung und Einreichung der Landeslisten wahlgesetzlich festzulegen. Die Aufstellung der Bewerberinnen und Bewerber zur Landtagswahl ist als Angelegenheit der inneren Ordnung der Parteien grundsätzlich dem Satzungsrecht sowie anderer parteiinterner Regularien vorbehalten. Damit haben die Parteien auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Wir in den sozialdemokratischen Gremien haben da vor Kurzem eine empfindliche, schmerzhafte Erfahrung machen müssen, was die Listenaufstellung zur Bundestagswahl betrifft.

Der Gesetzgeber hat sich lediglich auf die Formulierung von Mindestanforderungen zur Einhaltung der demokratischen Spielregeln zu beschränken, die vornehmlich dafür sorgen sollen, dass die verfassungsrechtlichen Grundsätze einer geheimen und freien Wahl auch bei der Bewerberaufstellung in den Mitglieder- und Delegiertenversammlungen eingehalten werden. Da gibt es immer wieder den einen oder anderen Ausrutscher, wie man vom hohen Norden hören konnte.

Diesem Grundgedanken, der sich in allen Wahlgesetzen widerspiegelt, stimme ich ausdrücklich zu, sichert er doch nachhaltig den an die Parteien gerichteten Verfassungsauftrag des Artikels 21 unseres Grundgesetzes. Mit der Einfügung einer Quotierungsregelung würden nach meiner Auffassung die auch bei der Kandidatenaufstellung strikt zu beachtenden Grundsätze einer freien und gleichen Wahl in unzulässiger Weise eingeschränkt werden. Der Gesetzgeber darf nicht in den organisatorischen Gestaltungsspielraum der Parteien eingreifen und die freie Stimmabgabe der an der Aufstellungsversammlung teilnehmenden Parteimitglieder sowie deren Kandidaturmöglichkeiten mit gleichen Chancen auf jeden Listenplatz einschränken.

Die als Eckpfeiler einer demokratischen Wahl bestehenden verfassungsrechtlichen Prinzipien der Wahlgleichheit und Wahlfreiheit können deswegen auch nicht durch den in Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes eingefügten staatlichen Förderauftrag Gleichstellung sozusagen ausgehebelt werden. Von daher haben auch Quotierungsvorschriften bei der Aufstellung von Landeslisten bisher weder in das Bundeswahlgesetz noch in die Landeswahlgesetze anderer Länder Eingang gefunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, letztlich muss es den Parteien überantwortet bleiben, bei der Aufstellung ihrer Wahlvorschläge - dies gilt nach meiner Auffassung nicht nur für die Besetzung der Landesliste, sondern auch bei der Nominierung der Bewerberinnen und Bewerber auf Wahlkreisebene für ein ausgewogenes Verhältnis geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten Sorge zu tragen. Nur auf diese Weise wird sich eine möglichst gleichgewichtige Repräsentanz von Frauen und Männern im Schleswig-Holsteinischen Landtag verwirklichen lassen.

Sehen Sie es mir nach, wenn ich mit einem aus meiner Sicht immer noch aktuellen Zitat von August Bebel - sicherlich bekannt - schließe: Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Innenminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Gesetzentwurf Drucksache 16/1541 (neu) ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Gruppe des SSW gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz Schwerpunkte und Ziele der Landesregierung

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1796

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist mit diesem Antrag ein Bericht zu dieser Tagung erbeten worden. Ich spreche mit der FDP-Fraktion als Antragsteller. Wer diesen Bericht haben will, den bitte ich zunächst um das Handzeichen, dass der Bericht erteilt werden soll. Das ist der Fall. Dann darf ich Sie, Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren Trauernicht, um den Bericht bitten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ersten Wochen dieses Jahres haben schon deutlich gemacht, dass die Gesundheitspolitik auch 2008 von intensiven und oft kontroversen Debatten bestimmt sein wird. In der Kürze dieser Debatte wird es mir nur möglich sein, einige Stichpunkte aufzugreifen. Ich will gern die Stichpunkte aufgreifen, die der Kollege Garg in seinem Antrag deutlich gemacht hat.

Zur Umsetzung des Gesundheitsfonds! Ein Gutachten aus München macht deutlich: Es wird Debatten geben. Die Umsetzung des Gesundheitsfonds wirft ihre Schatten voraus. Ich habe immer Transparenz gefordert, um über die Folgewirkungen dieses Gesundheitsfonds, insbesondere auch für Schleswig-Holstein, informiert zu sein, und werde dies natürlich mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen in diesem Jahr zum Thema machen, da

mit die Voraussetzungen für die Einrichtung dieses Gesundheitsfonds auch tatsächlich gegeben sind.

Ein weiteres Thema ist die schwierige Lösung des Problems der Alterssicherung für die Beschäftigten von Krankenkassen in Verbindung mit der Insolvenzfähigkeit; ein altes Thema, aber ein durch die Gesundheitsreform neu auf den Tisch gekommenes Thema, das gelöst werden muss. Wir haben als Länder in den letzten Wochen gemeinsame Positionen entwickelt und werden Eckpunkte für den Aufbau eines kapitalgedeckten Sondervermögens zwischen Bund und Ländern abstimmen. Das wäre eine Lösung, die ich begrüßen würde, weil sie Sicherheit für die AOK in Schleswig-Holstein bedeuten würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat zu Beginn des Jahres turnusmäßig den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz übernommen. Wie andere Fachministerkonferenzen auch ist die Gesundheitsministerkonferenz ein wichtiges Instrument zur Abstimmung der Länder in - Sie werden es kaum glauben - unglaublich vielen Detailfragen, wenn Sie die Tagesordnungen dieser Gesundheitsministerkonferenz zur Kenntnis nehmen. Sie können sicher sein, Herr Garg, dass diese Aufgabe von meinem Haus und mir professionell wahrgenommen wird. Nachhilfe brauchen wir da nicht. Aber Unterstützung für die schleswigholsteinischen Interessen wird natürlich auch in diesem Jahr immer gern entgegengenommen.

Die Bandbreite der diesjährigen GMK ist enorm. Sie reicht von Ausbildung über Infektionsschutz bis zu Arzneimittel- und EU-Fragen. Aber es gibt zentralere Themen. Das zentrale Thema des letzten Jahres war auch politisch in Schleswig-Holstein die Zukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland. Dies ist naturgemäß auch dieses Jahr ein zentrales Thema für mich als Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz. Deswegen habe ich in der letzten Woche noch einmal mit der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums ein Gespräch dazu geführt, weil ich in meinem Druck nicht nachlasse, dass es zu einer Nachfolgeregelung für das Fallpauschalengesetz kommt.

(Beifall bei der SPD)

Das Bundesgesundheitsministerium hat angekündigt, im ersten Quartal dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Nachfolgeregelung für das Fallpauschalengesetz ab 2009 vorsieht und darüber hinausgehende Themen, die den ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausversorgung betreffen. Dieses Thema werde ich als Vorsitzende

(Minister Lothar Hay)