Protocol of the Session on December 13, 2007

Ihrer zweiten Forderung kann ich nur bedingt zustimmen. Die Umgangssprache unseres Landes ist die deutsche Sprache. Unser primäres Ziel muss daher sein, Kinder mit Migrationshintergrund in die Lage zu versetzen, sich problemlos in der deutschen Sprache artikulieren zu können, um die Anforderungen in Schule und Beruf zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das hat sie auch nicht abgestritten!)

Muttersprachliche Angebote können daher nur zusätzlich zum allgemeinen Bildungsauftrag gemacht werden. Es geht schließlich darum, auf dem Bildungsweg alle Kinder mitzunehmen, und zwar wie in jedem anderen Land auch - nur in der Landessprache.

Kommen wir nun zu den von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen: Eine Werbung um Fachkräfte mit Migrationshintergrund ergibt sich automatisch aus der Werbung für pädagogische Berufe allgemein. Die Anerkennung ausländischer Ausbildungs- und Studienabschlüsse ist gesetzlich geregelt. Ein stärkerer Einsatz von Fachkräften mit Migrationshintergrund ist eine Frage des Angebots und der Erfüllung von Bewerbungskriterien.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Hentschel, Sie können sich später zu Wort melden. Frau Birk, darüber hinaus liegt die Einstellungsverantwortung bei den Kommunen und - sofern es die Kindergärten betrifft - bei den freien Trägern. Ein landesweiter Fachaustausch ist durch die Nutzung bestehender Netzwerke möglich. Die interkulturelle Bildung ist keine Frage einer verbindlichen Anforderung oder Anordnung, sondern eine Frage der freien Auswahl durch die Studierenden.

Eine wesentliche Maßnahme fehlt mir allerdings in Ihrer Aufzählung, nämlich die Einwerbung finanzieller Mittel für die von Ihnen geforderten zusätzlichen Aktivitäten beim Finanzminister oder die Angabe eines entsprechenden Deckungsvorschlags. Ein weiteres Manko besteht für mich auch darin, dass Sie mit keinem Wort die vielzähligen Angebote erwähnen, die dem Tenor Ihres Antrages entsprechen und schon heute alltägliche Praxis sind. Meine

Damen und Herren von den Grünen, Sie sollten es eigentlich aus eigener Beteiligung noch erinnern: Die damalige Landesregierung hat bereits im Frühjahr 2001 ein ressortübergreifendes Integrationskonzept entwickelt. Ich möchte hier nur einige wenige aktuelle Beispiele nennen.

Deutsch als Zweitsprache, Materialien und Informationen aus dem IQSH; Deutsch als Fremdsprache, Internet-Service für den Unterricht für Lehrer und Lehrerinnen, Materialien, Informationen und Übungsdatenbanken sowie das sogenannte DaFPortal; interkulturelle Bildung - Materialien und Informationen aus dem IQSH, Institut für interkulturelles Training, Beratung und Fortbildung in Zusammenhang mit interkultureller Kompetenz; Geschichten von Nasreddin Hodscha, Hintergrundinformationen über die Herkunftsländer von Migranten in lockerer Form. - Diese und weitere Beispiele sind nachzulesen im Lernnetz Schleswig-Holstein.

Darüber hinaus möchte ich - wieder beispielhaft einige umfassende Projekte und Programme nennen: SPRINT, Sprachintensivmaßnahmen, die bereits im vorschulischen Bereich begonnen werden, um insbesondere auch Kindern mit Migrationshintergrund die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln; Deutsch als Zweitsprache-Zentren, durchgehende Förderung im Bereich des Zweitsprachenerwerbs; FörMig, ein Projekt der Bund-Länder-Kommission zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund; MERCATOR, ein Projekt, um die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verbessern und bessere - beziehungsweise höhere - Bildungsabschlüsse zu ermöglichen; START, Schülerstipendium für begabte Zuwanderer in Schleswig-Holstein, gefördert durch die gemeinnützige Hertie-Stiftung und das Bildungsministerium.

Wir sehen also, es gibt schon heute zahlreiche Angebote auf unterschiedlichsten Ebenen, um das von Ihnen intendierte Ziel zu erreichen. Sie bedürfen nur der Nutzung. Wie aber schon anfangs erwähnt: Verbesserungen sind immer willkommen. Ich freue mich zumindest über den „grünen“ Denkanstoß und ich freue mich auf eine interessante Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

(Wilfried Wengler)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen zielt auf zwei Perspektiven: Menschen mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Muttersprache müssen dazu befähigt werden, in unserer Gesellschaft sozusagen barrierefrei aufzuwachsen. Dazu gehören der Umgang mit der deutschen Sprache und die gute Kenntnis der deutschen Sprache. Die Internationalisierung des Arbeitsmarktes macht es darüber hinaus sehr viel notwendiger, mehrere Sprachen zu beherrschen. Mehrsprachigkeit ist also durchaus ein Vorteil, um auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu bestehen. Weiterhin wollen wir selbstverständlich nicht, dass die Menschen, die zu uns kommen, ihren kulturellen Hintergrund verlieren, das ist ganz klar.

Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren sehr viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die deutsche Sprachkompetenz von Kindern so früh wie möglich festzustellen und im Falle von Defiziten Fördermaßnahmen zu veranlassen. Man kann es aber nicht oft genug sagen: Eine mangelnde Sprachbeherrschung ist leider nicht ausschließlich das Problem von Kindern aus Familien nichtdeutscher Herkunft. Zu einem guten Drittel ist dies auch ein Problem von Kindern, die aus deutschen Familien stammen.

Es ist eine Tatsache, dass Menschen, die aus einem anderen Land kommen und eine andere Kultur haben, besonders hohe Barrieren vorfinden, wenn sie sich in Deutschland orientieren. Insbesondere die Eltern sind ein anders strukturiertes Schulsystem gewöhnt. Deshalb gehen die betroffenen Kinder oft auch nur auf die Hauptschule, weil die Eltern meinen, dies sei die Hauptschule.

Für viele Eltern ist es schwer, sich in deutschen Behörden zurechtzufinden. Den einfachsten Zugang finden sie mit der Hilfe von Menschen, die bereits selbst ähnliche Erfahrungen gemacht und bewältigt haben. Wenn - um ein Beispiel zu nennen - ausländische Eltern einen Brief mit einer Einladung zu einem Gespräch mit dem Klassenlehrer oder zur Teilnahme an einem Elternabend bekommen, dann wird dies häufig als eine Art Vorladung oder Drohung verstanden. In solchen Fällen ist es optimal, wenn an den Schulen Lehrkräfte mit demselben ethnischen Hintergrund und derselben Muttersprache in der Lage sind, diesen Eltern die Ängste zu nehmen.

Der muttersprachliche Unterricht ist eine gute und förderungswürdige Sache, für die in SchleswigHolstein sicher noch viele Ausbaumöglichkeiten bestehen. Eine solche Umsetzung ist in den Stadt

staaten einfacher als in den Flächenländern, das wissen wir. Für uns in Schleswig-Holstein ist diese Umsetzung in den Zentren sicher wichtiger als im ländlichen Raum. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob zweisprachige Angebote für Kinder in den Kindertagesstätten vorrangig dem Ziel des Erhalts der Zweisprachigkeit von Kindern dienen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine gewisse Gefahr darin besteht, dass sich Kinder dann, wenn sie sich auch im Kindergarten in ihrer Muttersprache verständigen, zu Hause auch wieder auf die Sprache zurückziehen, die ihre Eltern sprechen. Das ist sicher ein Problem, über das wir nachdenken müssen.

Im Ansatz ist der Antrag der Grünen richtig. Wir sollten junge Menschen mit Migrationshintergrund für eine Arbeit im Bildungswesen gewinnen, und zwar nicht nur als Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten, sondern auch als Lehrerinnen und Lehrer an unseren allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Für mich ist die Frage noch nicht klar beantwortet, in welcher Form das geschehen kann. Wir müssen berücksichtigen, dass der Arbeitsmarkt für Lehrerinnen und Lehrer demnächst sehr viel enger werden wird.

Problematisch finde ich den Antrag der Grünen aus einem Aspekt: Bei fast jedem wichtigen Thema ist Ihr Ansatz, dass wir ein weiteres, zusätzliches Modul in die obligatorische Lehrerausbildung einbauen müssen, ob es gesunde Ernährung, Psychologie, Konfliktbewältigung oder interkulturelle Bildung ist. Manchmal gerät der eigentliche Zweck des Studiums, die Lehrerbildung, in den Hintergrund.

Ich meine, wir sollten über den Antrag im Bildungsausschuss diskutieren - ausführlich und ohne jeden Zeitdruck. Ich bitte daher um Überweisung an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worin bestehen die Vorteile, wenn in Schulen, in Kindertagesstätten und in der Jugendarbeit auch pädagogische Fachkräfte zur Verfügung stehen, die selbst aus Herkunftsländern außerhalb Deutschlands

stammen? Ich sehe im Wesentlichen zwei große Vorteile.

Der Vorteil Nummer 1 besteht darin, dass diese Fachkräfte als Lehrer oder Erzieher, als Sozialpädagogen zu Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen besonderen Zugang haben. Das ist etwas, was einem beispielsweise in Gesprächen mit Schulleitern immer wieder gesagt wird, wenn es darum geht, die jungen türkischen Kinder und Jugendlichen oder auch die Russlanddeutschen - das sind die beiden großen Gruppen, um die es vielfach geht - in unserem Schul- und Bildungssystem verstärkt zu einem guten Bildungsabschluss zu führen. Da ist es sehr nützlich, wenn man unter den pädagogischen Fachkräften jemanden hat, der aus dem jeweiligen Herkunftsland stammt.

Um ein Beispiel zu nennen: Mir ist einmal in einem Gespräch in einer Schule gesagt worden, dass vor Ort der frühere Schulleiter eines Sportgymnasiums aus Kasachstan - ein Russlanddeutscher - zur Verfügung stünde, der aber in einer Maßnahme der Agentur für Arbeit Fahrräder repariert und nicht die Möglichkeit hat, in der Schule als pädagogische Fachkraft eingesetzt zu werden, weil er nicht die entsprechenden deutschen Lehrerprüfungen mitgebracht hat. Über solche Fragen und Voraussetzungen für die Einstellung geeigneten Fachpersonals muss man sich unterhalten, wobei generell der Standard der deutschen Lehrerausbildung - um im Schulbereich zu bleiben - gelten sollte. Es darf im Einzelfall aber darüber nachgedacht werden, wie man etwas flexiblere Lösungen findet.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der zweite große Vorteil, den ich sehe, liegt in der Vorbildwirkung dieser Personen, über die wir sprechen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie geben nämlich ein Beispiel für erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft. Sie zeigen Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien, dass es sich lohnt, eine gute Bildung und Ausbildung zu erreichen und damit die Grundlage für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg in Deutschland zu erlangen.

Das ist das zentrale Problem, das uns auch die neue PISA-Studie vor Augen geführt hat, nämlich die Problematik, dass wir - jedenfalls zu einem großen Teil - das Potenzial, das junge Menschen aus Einwandererfamilien eigentlich haben, in unserem Bil

dungssystem derzeit nicht aktivieren. Da spielen viele Gründe hinein: die Sprachbarriere und soziale Probleme, weil viele dieser jungen Leute in sozialen Brennpunkten und sozialen Problembereichen wohnen, wo sich natürlich Faktoren, die Bildungserwerb behindern, auch verstärken.

Schließlich ist es in manchen Fällen - das ist auch etwas, was einem im Gespräch mit Lehrern oder Schulleitern begegnet - auch zum Teil die Einstellung zu Bildung, die einem Erwerb höherer Bildungsabschlüsse nicht förderlich ist. Da ist das Vorbild von Lehrern, von Sozialpädagogen, von Erziehern, die aus Herkunftsländern von Einwanderern stammen, sehr wichtig, um solche Hürden zu überwinden.

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass Zweisprachigkeit überhaupt kein Hinderungsgrund ist, sich auch verstärkt um die Vermittlung ausreichender und guter deutscher Sprachkenntnisse zu bemühen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Problem, das wir heute vielfach haben, ist, dass - jedenfalls in manchen Teilen der Bevölkerungsgruppen, um die es hier geht - weder die Sprache des Herkunftslandes noch die deutsche Sprache hinreichend beherrscht werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Hier kann man sehr wohl beides vernünftig miteinander verbinden. Dem Grundanliegen des Antrages - das haben Sie erkannt - stimmt die FDP-Fraktion zu. Was den Maßnahmenkatalog angeht, so teile ich die vorher schon geäußerte Meinung, dass man sich da noch über manches im Ausschuss wird unterhalten müssen. Ich denke aber, dass es wichtig ist, an das Ziel, das hier formuliert ist, in den kommenden Jahren näher heranzukommen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Klaus-Pe- ter Puls [SPD])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Sicht des SSW wäre es wünschenswert gewe

(Dr. Ekkehard Klug)

sen, wenn die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Antrag zweigeteilt hätten. Denn genau das ist er, ein Antrag mit zwei Forderungen: erstens der Forderung nach Erhöhung des Anteils von Lehrkräften aus Einwandererfamilien und zweitens der Forderung nach der Verankerung von interkultureller Bildung an allen Schulen. Beide Forderungen unterstützt der SSW nachdrücklich, beides sollte aber unserer Meinung nach nicht miteinander verkoppelt werden.

Zum ersten Punkt, der statistischen Unterrepräsentanz von Migrantinnen und Migranten als Lehrkräfte in öffentlichen Schulen: Die PISA-Studie hat eindringlich die Nachteile aufgezeigt, die Kinder aus Migrantenfamilien in der Schule haben. Sie stellen überdurchschnittlich viele Schulabbrecher und ihr Anteil an den Abiturienten entspricht bei Weitem nicht ihrem Bevölkerungsanteil. Diese Benachteiligung setzt sich im Studium fort. Nur 3,3 % der Studenten an deutschen Hochschulen sind sogenannte Bildungsinländer, also Menschen, die in Deutschland das Abitur gemacht haben, aber keine deutschen Staatsbürger sind. Noch weniger Bildungsinländer streben das Lehramt an, gerade jeder fünfzigste angehende Lehrer ist laut „Spiegel“ ein Bildungsinländer. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass nur wenige Lehrerinnen und Lehrer auf einen Migrationshintergrund verweisen können. Türkischstämmige Mathelehrer oder eine in Albanien geborene Chemielehrerin sucht man daher mit der Lupe.

Mit anderen Worten: Die Mehrheitsgesellschaft schließt weite Bevölkerungskreise von der Akademisierung aus. Bereits bei der Vorstellung des Ausländerberichts 2005 monierte die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck, dass an Schulen unterdurchschnittlich viele Lehrer mit Migrationshintergrund unterrichten. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Das hat weitreichende Folgen, unter anderem die, dass den Migrantenkindern lebendige Vorbilder fehlen, denen sie tagtäglich begegnen und denen sie nacheifern können - das ist auch schon gesagt worden. Aber tatsächlich ist die Ausgrenzung der Migranten aus der Schule eine Frage der Gerechtigkeit. Man könnte sagen, es geht dabei auch darum, vorgegebene Muster zu durchbrechen, indem man sagt, dass man mehr Lehrkräfte aus Migrantenfamilien braucht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der andere Punkt des Antrages betrifft das interkulturelle Lernen. Diskussionen um kulturelle