Protocol of the Session on December 13, 2007

Der andere Punkt des Antrages betrifft das interkulturelle Lernen. Diskussionen um kulturelle

Fremdheit, um Differenz und um Ausländerfeindlichkeit sind - trotz vieler lobenswerter Ansätze, das will ich hervorheben - oftmals nicht im pädagogischen Alltag angekommen, sondern werden nur zu bestimmten Gedenktagen oder nach schlimmen Vorfällen hervorgekramt. Eine Wachsamkeit gegenüber unbeabsichtigter institutioneller Diskriminierung ist noch lange nicht so weit verbreitet, wie wir alle es uns wünschen.

Das kann man der Schule nicht zum Vorwurf machen, denn die Anforderungen, die an die Lehrkräfte gestellt werden, sind bereits abseits der interkulturellen Ansprüche hoch. Dennoch bleibt die Tatsache, dass in den meisten Schulklassen ganz unterschiedliche Lebens- und Kulturentwürfe vertreten sind. Es gehört zur Entwicklung einer stabilen Identität dazu, dass alle Kinder mit ihren jeweiligen kulturellen Spezifika angenommen werden, und zwar ich betone das an dieser Stelle mit allem Nachdruck - von allen Lehrkräften, also deutschen und denjenigen mit Migrationshintergrund.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Interkulturelle Pädagogik ist ebenso wenig mit Spezialunterricht durch Spezialisten abgegolten wie feministische Pädagogik mit speziellen Lehrkräften, die das Thema in wenigen Extrastunden behandeln.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Arbeitsteilung zwischen allgemeiner und interkultureller Pädagogik muss also neu organisiert werden, und zwar schleunigst. In diesem Sinn hoffe ich darauf, dass wir gemeinsam Mittel und Wege finden, um einerseits den Anteil der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund zu erhöhen und andererseits die interkulturelle Pädagogik ins Alltagsgeschäft der Schulen zu integrieren.

Diese Forderung steht nicht im Gegensatz zu der Forderung, dass die Voraussetzung für einen gelungenen Integrationsprozess das Erlernen der deutschen Sprache ist.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Gegenteil. Es ist erwiesen - darüber gibt es mittlerweile Bücher -, dass Zweisprachigkeitspädagogik auch der Stärkung der deutschen Sprache dient. Ich erinnere auch daran, dass Integration nun wirklich nichts mit Assimilation zu tun hat.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für die sachliche Auseinandersetzung mit unserem Antrag. Ich möchte nur wenige Anmerkungen hinzufügen. Die lange Liste der Maßnahmen, die Herr Wengler aufgeführt hat, die in den letzten Jahren dankenswerterweise vom Kultusministerium angeschoben wurden, erinnern wir als Grüne sehr gut. Denn viele dieser Maßnahmen haben wir eindringlich gefordert. Wir haben uns sehr gefreut, dass das Ministerium auf unsere Forderungen eingegangen ist und dass wir auch in der SPD-Fraktion Unterstützung hatten. Es war nicht immer einfach, die Ressourcen dafür loszueisen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben natürlich recht: Das hat mit Geld zu tun. Auch hier hat Rot-Grün an einem Strang gezogen. Da gibt es überhaupt kein Vertun.

Es gibt aber zwei Dinge, die wir immer noch vermissen. Das ist die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse und der Berufserfahrungen. Die Kollegin Spoorendonk hat bereits darauf hingewiesen: Der Nachwuchs, den wir hier in Deutschland an Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund haben, ist immer noch sehr gering. Es gibt aber Fachleute. Sie haben fünf oder zehn Jahre im Ausland unterrichtet, zum Teil Deutsch unterrichtet, sprechen deutsch wie Nachrichtensprecher, es gibt bei ihnen also überhaupt keinen Sprachmangel und sie haben Unterrichtserfahrung hier, aber immer nur in Projekten und als Hilfslehrer, weil gesagt wird: Wir haben leider kein internationales Abkommen mit Ihrem Staat; deshalb können wir leider Ihr Studium und Ihre Berufserfahrung nicht anerkennen, Sie müssen noch einmal neu studieren und ein neues Referendariat machen. - Das sagen sie 45-jährigen Leuten mit 25-jähriger Berufserfahrung beziehungsweise Studium und Berufserfahrung! Das ist absurd.

Andere Länder haben hier unbürokratisch andere Zugangswege geschaffen. Ich weiß, wie schwierig es ist, in der Kultusministerkonferenz zu gemeinsamen Verabredungen zu kommen. Wenn ein Dokument auf dem Tisch liegt, über das Herr Meyer-Hesemann heute offensichtlich mitverhandelt, wie man zusammen mit den Migrationsverbänden zu

mehr Einstellung von Einwanderinnen und Einwanderern kommen kann, indem man versucht, mit den Migrationsverbänden zusammenzuarbeiten und gemeinsam mit ihnen Lösungen zu finden, dann ist das ein gewaltiger Schritt nach vorn, über den wir uns sehr freuen. Deswegen unser Antrag, hier in unserem Land an dieser Stelle voranzugehen und nicht darauf zu warten, was andere tun, sondern selber den nächsten Schritt zu machen.

Das, was Frau Spoorendonk zum Thema interkulturelle Bildung gesagt hat, unterstreiche ich voll. Es ist ein zweiter Punkt. Klar ist, dass nicht nur die Migranten die Verantwortung für interkulturelle Bildung haben, sondern wir alle, und damit auch die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen und Erzieher in unserem Bildungssystem. Das ist völlig klar. Aber eine interkulturelle Bildung unter Ausschluss der Migranten geht eben nicht. Deshalb haben wir diese beiden wichtigen Punkte in einem Antrag verbunden, auch wenn es zwei unterschiedliche Gedanken sind. Manchmal nutzt es, vernetzt zu denken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wollte das Anliegen, den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in allen pädagogischen Berufen zu erhöhen, nicht teilen? Das ist auch in der Debatte hier deutlich geworden.

Für die Integration von Migranten muss es überhaupt selbstverständlich sein, dass sie Zugang zu allen Berufen, auch zu verantwortlichen Positionen in unserer Gesellschaft bekommen.

Es ist schon auf die Stipendiaten hingewiesen worden, insbesondere die letzte Initiative, die vor ein paar Jahren gemeinsam mit der Hertie-Stiftung in Schleswig-Holstein gelungen ist, nämlich besonders begabte junge Menschen mit Migrationshintergrund aufzunehmen, sie besonders zu fördern. Wenn man mit ihnen spricht, hat man manchmal aber das Gefühl, sie möchten eigentlich nicht Vorzeigemigranten sein. Sie wollen ganz selbstverständlich als junge begabte Schülerinnen und Schüler hier in Schleswig-Holstein gefördert werden.

Trotzdem ist ihnen bewusst, dass sie eine Vorbildwirkung haben. Zum Glück ist es auch so, dass Schauspieler, Filmemacher, Unternehmer, Autoren insbesondere türkischer Herkunft derzeit in Deutschland großen Erfolg haben. Es könnten und müssten als Zeichen gelungener Integration und als echte Bereicherung unserer Gesellschaft und Kultur, auch als Vorbilder für Bildungswillen viel mehr sein.

Ich finde, Sie haben absolut zu Recht auf den Bildungswillen bei den Eltern hingewiesen, Herr Dr. Klug, die zum Beispiel wollen müssen, dass etwa die jungen Mädchen weiterführende Schulen besuchen, dass sie Abitur machen, dass sie studieren und das Ziel nicht eine möglichst frühe Heirat ist.

Über den Bildungswillen von Migrantenfamilien da stocke ich ein bisschen - kann man auch nicht pauschal urteilen. Die kulturelle Herkunft ist sehr unterschiedlich. Auch schichtenspezifische Fragen spielen eine große Rolle dabei. Das müssen insbesondere die Lehrer im Blick haben, wenn sie die Eltern beraten und unterstützen.

Pädagogen überhaupt haben eine unglaubliche Vorbildrolle. Es ist fast banal, das zu sagen. Sie haben diese Rolle aber auch in anderer Hinsicht, Anke Spoorendonk, nämlich bei der Frage, Vorbild dafür zu sein, wie unsere Gesellschaft Menschen einbindet. An jede Lehrkraft, unabhängig von ihrer Herkunft - sei es eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund oder eine normale deutsche Lehrkraft -, stelle ich den Anspruch, dass sie in der Lage ist, Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Kulturen angemessen zu fördern, ihre Besonderheiten zu erkennen und sie individuell zu unterrichten.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Heike Franzen [CDU])

Das muss in diesem Beruf selbstverständlich sein.

Wir erwarten schließlich mittelfristig - das muss man sich vergegenwärtigen; die Zahl ist hier noch nicht gefallen - einen Anstieg des Migrantenanteils an unseren Schulen, der bei manchen Einschulungsjahrgängen jetzt schon sichtbar ist. In Neumünster waren es 20 bis 25 % des letzten Einschulungsjahrgangs. Das ist ein Schlaglicht darauf, wie sich die Anteile der Migranten an unseren Schulen entwickeln werden. Mittelfristig wird etwa ein Viertel unserer Schülerinnen und Schüler Migrationshintergrund haben. Das heißt, all die Anstrengungen, von denen hier die Rede gewesen ist, müssen sich deutlich verstärken.

Wir haben ein ganz spezifisches Problem. Ich glaube, das ist ein typisch deutsches Problem. Wir haben nämlich das Phänomen - das wird bei PISA noch einmal berichtet -, dass insbesondere die Kinder aus der zweiten Zuwanderergeneration erhebliche Schwierigkeiten in unserem Bildungssystem haben. Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Es lohnt sich, das entsprechende Kapitel in dem neuesten PISA-Bericht von Herrn Prenzel für Deutschland nachzulesen, nachzulesen, wo die Ursachen liegen, wo man ansetzen muss, welches Problem eigentlich dahintersteckt, dass die zweite Generation oftmals weniger erfolgreich ist als die Erstzuwanderer, die aus Russland oder anderen Ländern zu uns kommen. Das hat nicht nur mit dem Bildungswillen der Eltern zu tun. Das müssen auch andere Ursachen sein.

Wir dürfen also in den Anstrengungen nicht nachlassen und müssen das weiterverfolgen, was wir zum Beispiel im integrativen Sprachförderkonzept bei der Weiterentwicklung der Zentren für Deutsch als Zweitsprache insgesamt mit unseren Beiträgen zum nationalen Integrationsplan in die Wege geleitet haben. Wir tun da schon viel. Ich will das nicht weiter ausführen. Der Herr Abgeordnete Wengler hat auf weitere Beispiele hingewiesen. Das ist alles wichtig und muss weiterentwickelt werden. Wir investieren auch viel Geld dort hinein.

Klar ist, je mehr Schüler mit Migrationshintergrund - das ist überhaupt der Schlüssel zu all dem, was wir hier sagen - die Studierfähigkeit erwerben, das Abitur machen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch als Lehrkräfte eingesetzt werden können. Ob diejenigen, die Abitur machen, in erster Linie Lehrerin und Lehrer werden wollen, muss man nach entsprechenden Befragungen auch bezweifeln. Aber dafür kann man werben. Sie müssen an unseren Schulen aber erst einmal so weit kommen, dass sie überhaupt studieren können.

Die konkreten Forderungen eignen sich eher für die Diskussion im Ausschuss. Ich will nur so viel sagen: Das Merkmal „mit Migrationshintergrund“ bei pädagogischen Fachkräften darf nicht zu Abstrichen bei der Qualifikation führen. Darüber sind wir uns wohl einig. Die Frage der Anerkennung, die uns so lange behindert hat, befindet sich in Bewegung. Ich muss heute hier sein, darf das Thema also hier und nicht bei der KMK diskutieren. Ich werde im Ausschuss darüber berichten, was es Neues gibt. Bei der Frage der Ein-Fach-Problematik und so weiter gibt es jetzt vermutlich endlich Zustimmung von den Ländern, die das bisher nicht wollten. Mehr kann ich bisher nicht sagen.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist ein komplexes Thema. Es gibt eine Reihe von Diskussionsansätzen. Ich hoffe, dass wir nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit zu einer positiven Entwicklung kommen.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Drucksache 16/1761 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Nortorf mit ihren Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schüler der Domschule aus Schleswig ebenfalls mit ihren Lehrkräften. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein - Jugendstrafvollzugsgesetz - (JStVollzG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1454

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 16/1745

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1771

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1773

Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, dem Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Bedeutung des Themas möchte ich nicht nur auf die Vorlage verweisen, sondern mitteilen, dass der Innen- und Rechtsausschuss den ihm durch Plenarbeschluss vom 12. Juli 2007 überwiesenen Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Jugend