Protocol of the Session on November 22, 2007

Eine letzte Anmerkung zum Kollegen Hentschel. In der Tat hat sich seit 36 Jahren, seit der Zeit mit der Mathe-Erfahrung des Kollegen Hentschel, einiges getan. Denken Sie an den fantastischen Einsatz, den die Informatiker der Kieler Universität für die Lehrerausbildung im Fach Informatik leisten. Ich weiß, dass sogar Mitarbeiter des Instituts, die Mitglieder der Grünen sind, vergeblich versucht haben, die grüne Landtagsfraktion hier zu einem bestimmten Lernergebnis und zur Einsicht zu bringen. Die FDP Fraktion hat vor der Sommerpause gewisse Initiativen gestartet. Der rot-grüne AStA der Kieler Universität - das können Sie heute in einem Artikel der „KN“ nachlesen - setzt sich sehr dafür ein, die Konzepte zur Lehrerausbildung im Fach Informatik, die am dortigen Institut entwickelt worden sind, voranzutreiben. Sie sehen: Es gibt auch sehr positive Beispiele, wie Lehrerausbildung von Universitäten heute ernst genommen wird.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordne- ten Lothar Hay [SPD])

Für die Gruppe des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen eine stärkere und frühere Verzahnung von Theorie und Praxis in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Das ist inzwischen allgemeiner Konsens. Nur über den Weg dorthin gibt es bekannterweise eine Diskussion. Dabei dürfen wir nicht den Blick davor verschließen, dass die Lehrerbildung insgesamt zu reformieren und den neuen Gegebenheiten des Schulgesetzes anzupassen ist. Aus diesem Grund begrüßt der SSW den vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen.

(Dr. Ekkehard Klug)

Dass die Grünen in Sachen Lehrerbildung sozusagen am Ball bleiben wollten, kündigte der Kollege Hentschel ja schon im März dieses Jahres an, wo es um den vom SSW mitgetragenen Antrag der Grünen „Neues Schulgesetz erfordert neue Lehrerbildung" ging. Dieser Antrag wurde von den regierungstragenden Fraktionen bekanntlich abgelehnt. Dabei ist es dringend geboten und notwendig, die angehenden Lehrkräfte, die angehenden Pädagogen, gezielt für die Anforderungen der neuen Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen auszubilden und auf sie vorzubereiten. Die zukünftigen Lehrer sollten am besten ab sofort auf neue Unterrichtsformen wie die individuelle Förderung von Schülern in Lerngruppen mit größeren Leistungsunterschieden oder das fächerübergreifende Unterrichten vorbereitet werden. Nur so würde das neue Schulgesetz mit Leben erfüllt.

Man kommt nicht umhin, sich von der Lehrerausbildung des gegliederten Schulsystems zu verabschieden. Wenn einem das Wort „Stufenlehrer“ nicht gefällt, kann man ja ein neues Wort erfinden, ein englisches zum Beispiel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, derzeit werden landauf und landab die Räumlichkeiten der angehenden Regional- und Gemeinschaftsschulen umgebaut, die Eltern zu umfangreichen Informationsabenden gebeten, aber bei den Lehramtsstudiengängen tut sich noch zu wenig aus Sicht des SSW.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immer noch sind viele Fragen offen, zum Beispiel die Frage nach der Verzahnung von Bachelor- und Masterstudiengängen unter Einbeziehung einer Praxisphase - mag sie nun Referendariat oder „Assistant Teacher" heißen. Auch die Frage nach der ausbildungsführenden Institution für diese Phase ist noch offen, weil sich hoheitliche Aufgaben nicht so einfach auf das IQSH verschieben lassen, ohne mit den Grundsätzen der Verfassung zu kollidieren.

Nach meinem Geschmack sind das zu viele offene Fragen. Wir müssten eigentlich schon weiter sein. Ich vermisse einerseits den nötigen Durchsetzungsgeist bei der Landesregierung, weiß andererseits aber auch um die Zögerlichkeit der Kultusministerkonferenz, die uns einfach hängen lässt. Vielleicht ist das das größte Problem.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave: Das ist gar nicht so einfach!)

- Liebe Frau Ministerin, Sie kommen gleich dran.

Die Probleme mit der Kultusministerkonferenz hängen sicherlich auch von den großen Unterschieden innerhalb Deutschlands ab: Während in Niedersachsen und Berlin künftige Lehrer bereits auf Bachelor und Master studieren, hat Bayern beschlossen, beim Staatsexamen zu bleiben. In Thüringen entscheiden die einzelnen Universitäten über die Umstellung. Das führt den Bologna-Prozess, der gerade die europaweite Mobilität fördern möchte, fast ad absurdum.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wahrscheinlich ist es leichter, ein anerkanntes Auslandssemester zu machen, als im Lehramtsstudium von einem Bundesland zum nächsten zu wechseln. Aber auch das ist ja eine alte Erfahrung.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kultusministerkonferenz torpediert damit auch alle Bemühungen um eine zügige Umstellung der Lehrerbildung. Angesichts der grassierenden Unsicherheit halte ich es für befremdlich, dass die Kultusministerkonferenz erst im Sommer 2008 zu einer Expertenanhörung über die künftigen ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken einladen wird. Es ist damit zu rechnen - die KMK sagt es selbst -, dass frühestens in einem Jahr das Gesamtpaket für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken vorgelegt werden kann.

Kurz und gut: Das vorgelegte Lehrerbildungsgesetz ist für uns eine wichtige Entscheidungshilfe. Wir können Einzelheiten im Ausschuss miteinander diskutieren. Es bleibt unter dem Strich so, dass die neuen Gegebenheiten, die durch das Schulgesetz entstehen, mit diesem Gesetz ihren Niederschlag auch bei der Lehrerbildung finden und finden müssen. Je schneller, desto besser für alle: für Lehrer, Studierende und Schüler.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf einige Argumente, die gefallen

(Anke Spoorendonk)

sind, will ich hier kurz eingehen. Ich vernehme mehrfach das Mantra, in dieser Legislaturperiode sei keine Änderung der Lehrerbildung geplant. Schauen wir mal; die Legislaturperiode wird ja vielleicht nicht mehr so lange dauern.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben durchaus zur Kenntnis genommen, dass die SPD als Regierungsfraktion mit einem gewissen Wohlwollen auf unsere Überlegungen blickt. Insofern möchte ich nicht zu sehr auf die linke Seite des Parlaments eingehen, sondern mich mehr mit den Gegenargumenten auseinandersetzen.

Zum einen ist es ja so, dass einige Bundesländer durchaus in Richtung Stufenlehramt weitermarschiert sind. So ganz einsam sind wir also nicht, wenn wir hier voranmarschieren und endlich die Orientierung der Lehrerbildung an den Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen forcieren, anstatt sie weiterhin laufbahnorientiert zu gestalten.

Zum anderen - es ist ganz wichtig, dass Sie unseren Entwurf verstehen, Herr Dr. Klug - haben wir die Praxis auch schon im Bachelor-Grundstudium verankert. Je nachdem, für welche Altersgruppe der Bachelor ausgeformt ist, hat mehr das Fachwissenschaftliche des zukünftigen Unterrichtsfaches oder das Pädagogische eine Rolle zu spielen. Auf jeden Fall müssen Theorie und Praxis mit längeren Praktika, die gut ausgewertet werden, verbunden werden.

An dieser Stelle sage ich etwas zur Schulforschung. Unsere Schul- und Unterrichtsforschung findet zum Teil an herausragenden wissenschaftlichen Institutionen statt, aber ist noch viel zu wenig mit der Lehre, dem Studium und der tatsächlichen Praxis verzahnt, wie beispielsweise die Bielefelder Laborschule mit einer Universität zusammenarbeitet und ihre neuen Unterrichtsformen begleiten und auswerten lässt, um Fehler zukünftig zu vermeiden und sich ständig zu optimieren. So soll es nach unseren Vorstellungen auch in SchleswigHolstein eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und Hochschulen geben. Es gibt sie punktuell, aber sie soll System werden und nicht ein zufälliges Einzelereignis bleiben. Deswegen fordern wir eine Verzahnung von Anfang an.

Über die Assistant-Teacher-Zeit müssten wir im Detail sicher noch sprechen, sie soll aber auf jeden Fall ein gleichwertiger Ersatz für ein Referendarsjahr sein. Dann haben wir eine sechsjährige Ausbildung. Das erste Unterrichtsjahr ist tatsächlich ein vollwertiges Unterrichtsjahr, in dem allerdings

die Unterrichtsverpflichtung zurückgefahren ist und Unterstützungsmaßnahmen vorhanden sind, wie wir es als Trainee in vielen anderen Berufen kennen. Insofern verlängert sich die Ausbildung nicht, Wenn Sie die realen Ausbildungszeiten anschauen, die wir im Augenblick haben, sind sechs Jahre sehr ambitioniert. Vielfach studieren unsere jungen Leute - wenn man das Referendariat und die Wartezeit hinzunimmt - bis zu zehn Jahre. Das ist entschieden zu lange. Da gibt es die Verpflichtung des Staates, für die Fortbildung zu sorgen, sodass es möglich ist, dass Leute vom Lehramt in der Grundschule in das der Sekundarstufe I aufsteigen, ohne ein ganz neues Studium zu absolvieren.

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Ich komme zum letzten Satz.

Auch hier ein neues Element: Die Fortbildung wird verpflichtend, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Land. Hier müssen mehr Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Dietrich Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen haben ihren Gesetzentwurf mit einer Presseerklärung angekündigt, in der es heißt: Die Lehrerbildung in Schleswig-Holstein ist nicht zukunftsfähig, die Lehrer werden ausschließlich in der Fachwissenschaft ausgebildet, wir brauchen eine Lehrerbildung, die vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Ich finde diese Feststellung desavouiert mindestens 20.000 Lehrer in Schleswig-Holstein,

(Beifall bei CDU und SPD)

weil damit der Eindruck erweckt wird, dass das, was an pädagogischen, an unterrichtsmäßigen Voraussetzungen zu erbringen ist, nicht erbracht wird. Das wäre falsch. Schüler aus Schleswig-Holstein egal, welche Schule sie verlassen - können sich mit Schülern aus anderen Bundesländern durchaus messen und sind mindestens auf dem gleichen Ni

(Angelika Birk)

veau. Insbesondere, wenn man das Niveau in Mathe hier mit dem in Süddeutschland - meine Erfahrung der letzten Jahre - vergleicht, kann man das guten Gewissens sagen.

Die zweite Anmerkung, die ich machen möchte: Sie ignorieren in Ihrem Gesetzentwurf und in Ihrer Pressemeldung, dass in der Tat in der letzten Zeit einiges passiert ist. Ich will das gleich erwähnen. Die Frage ist aber, ob das, was Sie gerne möchten ich unterstelle einmal, dass Sie eine gute Absicht dabei haben -, durch ein neues Gesetz besser geregelt werden kann, das sich vor allem Strukturfragen widmet, aber nicht dem eigentlichen Thema, das Sie in den Vordergrund stellen wollen, nämlich einer zielgerichteten Pädagogik. An der Stelle muss ich sagen, dass es vielleicht gut gemeint ist, aber dass wir kein neues Lehrerbildungsgesetz brauchen.

Zurzeit gibt es nur in fünf Ländern überhaupt Lehrerausbildungsgesetze, welche sich wiederum nur auf die Lehrerausbildung mit Staatsexamen beziehen. Diese Gesetze regeln also in etwa das, was bei uns in der Prüfungsordnung für Lehrkräfte geregelt ist.

Hier in Schleswig-Holstein haben wir bereits viel mehr für die Weiterentwicklung der Lehrerbildung getan. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass in der Tat in den letzten Jahren etwas passiert ist. Ab dem Wintersemester 2007/2008 wird die Ausbildung der Lehrkräfte für den allgemeinbildenden Bereich komplett auf Bachelor und Master umgestellt, und zwar durch die Hochschulen selbst. Denn die Ausgestaltung dieser Studiengänge ist Aufgabe der Hochschulen, sie ist Teil der gestärkten Hochschulautonomie. Ich halte dies auch für den richtigen Weg. Dadurch ist gewährleistet, dass wissenschaftliche Erkenntnisse - auch Erkenntnisse über die richtige Pädagogik - zeitgerecht und schneller in die Ausbildung einfließen. Zugleich ermöglicht dies eine flexiblere Studiengestaltung, Herr Kollege Wadephul.

Ich sehe in der bestehenden Regelung eine große Chance zur Verbesserung der Lehrerausbildung, zumal durch Akkreditierung der Studiengänge Qualitätssicherung und Evaluation gewährleistet ist. Auch dafür legen wir die Voraussetzungen, die besser erfüllt werden. Die Schulseite hat im neuen Akkreditierungssystem ein Vetorecht und das gibt die Möglichkeit, bei allen Studiengängen notfalls da einzugreifen, wo etwas nicht funktioniert. Das ist eine sinnvolle Regelung, weil die Schulen letztlich die Abnehmer für diejenigen sind, die die Hochschulen für das Lehramt ausbilden.

Wir haben an den Hochschulen in Kiel und Flensburg jetzt Bachelor-Studiengänge. Die haben eine Reihe der Anforderungen, die Sie als fehlend darstellen, bereits realisiert. Das ist insbesondere die Ausweitung der schulischen Praktika - ein wichtiger Punkt, auf den auch die Kollegin Erdsiek-Rave Wert gelegt hat. Das ist die Frage der Stärkung der Fachdidaktik und Pädagogik - in neuen Studiengängen ein wichtiger Bestandteil. Auch dies ist zwischen uns abgestimmt und im Kabinett so durchgesetzt. Die Verbesserung von Berufsorientierung durch das Kennenlernen anderer Berufsfelder: Auch dies ist realisiert worden. Den Eindruck zu vermitteln, wir hätten hier ein statisches System, das seit 20 Jahren unverändert ist, ist falsch. Im Übrigen muss ich sagen, wenn Sie das gegenwärtige System kritisieren: Sie waren eine Zeit lang daran beteiligt und müssen sich auch an die eigene Brust schlagen.

(Beifall bei der CDU)

Ebenfalls umgesetzt ist die Forderung nach einem Bachelor-Studium für Erzieherinnen und Erzieher. In diesem Wintersemester ist der BachelorStudiengang „Bildung und Erziehung im Kindesalter“ an der Fachhochschule Kiel bereits erfolgreich mit neuen Studenten gestartet. Auch die Verpflichtung zur Lehrerfortbildung gibt es schon. Ich gebe Ihnen allerdings Recht, dass Fort- und Weiterbildung in den Köpfen noch selbstverständlicher werden muss. Mit dem Weiterbildungsmaster für Schul-Management und Qualitätsentwicklung an der Christian-Albrechts-Universität ist ein erster Schritt getan und weitere müssen sicherlich folgen.

Es bleibt dann noch die Frage nach der Struktur der Lehrämter und der von den Grünen und - wie ich heute gesehen habe - auch vom SSW unterstützten Forderung nach einem sogenannten Stufenlehrer. Wir vertreten in unserer Koalitionsvereinbarung dazu eine klare Position. Daran wird sich nichts ändern. Ich denke das auch deshalb, weil es noch länger Haupt- und Realschulen im Land geben wird und weil es in nächster Zeit auch weiterhin noch das Volumen des zu vermittelnden Lernstoffs in den Fachwissenschaften geben wird, das je nach Leistungsniveau der Schüler unterschiedlich hoch ist. Was die Vermittlung von Stoff angeht - egal, ob es Mathematik oder ein anderer Stoff ist -, wird sich da nicht viel ändern. Deshalb halten wir es für unangebracht, das Ganze durch einen neuen Lehrertyp zu verändern.

Ich gebe Ihnen recht, dass die künftigen Lehrer noch stärker befähigt werden müssen, Schüler im Unterricht individuell zu fördern. Das ist sicher ei