Protocol of the Session on October 11, 2007

Zu Ihnen, Herr Dr. Klug: Sie kennen doch die Konstruktion des Klinikums. Da gibt es entsprechende Organe einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit einem Vorstand und einem Aufsichtsrat. Im Aufsichtsrat gibt es verschiedene Mitglieder. Dieser Aufsichtsrat hat die Aufsichtsfunktion. Ich gehöre dem Aufsichtsrat nicht an, aber selbstverständlich habe ich die Fachaufsicht und Rechtsaufsicht über das Klinikum qua Ministerium.

Erst wenn sich diese Fragen stellen, schalte ich mich ein. Aber wenn Sie wirklich aufmerksam die Presse verfolgt haben, hätten Sie an mancher Stelle gelesen, dass Herr Staatssekretär de Jager in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender nach Rücksprache mit Minister Austermann dieses und jenes entschieden hat.

Es gibt also überhaupt keine Veranlassung anzunehmen, ich würde mich an irgendeiner Stelle, wo ich Verantwortung trage, aus der Verantwortung ziehen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Deswegen können Sie davon ausgehen, dass wir in absehbarer Zeit ein Sanierungskonzept vorschlagen, das wirklich eine bessere Zukunft für das Klinikum bedeutet.

(Beifall bei der CDU und vereinzelter bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1642 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Geschäftsleitend will ich darauf hinweisen, dass die Fraktionen sich geeinigt haben, die Tagesordnungspunkte 35 und 27 - RAPEX beziehungsweise Bündnis gegen Essstörungen - auf die November-Tagung zu verschieben.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 24 auf:

Kein Kind ohne Mahlzeit

Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1645

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1656

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Weltkindertag ist die Politik meist besonders großzügig mit warmen Worten und so war es auch diesmal. Nur fünf Tage nachdem die SPD-Abgeordnete Frau Trauernicht im Landtag unseren Antrag für gesunde Ernährung in Kita und Schule, der auch einen Sozialfonds beinhaltete, abgelehnt hat, pries Sozialministerin Trauernicht genau solch einen Sozialfonds als ihre nächste sozialpolitische Tat an. Ein Sozialfonds - so die Ministerin - solle sicherstellen, dass mit Hilfe der Landesregierung kein Kind ohne Mahlzeit bleibt. Verwundert rieben wir uns die Augen, um uns dann zu freuen, dass die

Landesregierung derart schnell unsere Forderungen aufgreift und sogar umsetzen will.

Nun nehmen wir die Ministerin beim Wort. Die drei Oppositionsfraktionen fordern die Landesregierung auf, ihr Versprechen vom Weltkindertag einzulösen und zügig ein Konzept für die Umsetzung vorzulegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der Handlungsbedarf ist bei 80.000 betroffenen Kindern in Schleswig-Holstein, die in Armut leben, offensichtlich. Armut - so neue Studien - wirkt sich auch deutlich auf den Gesundheitszustand der Kinder aus, insbesondere dann, wenn Armut kein Übergangsphänomen ist, sondern wenn sie dauerhaft ist.

Meine Damen und Herren, von warmen Worten am Weltkindertag werden unsere Kinder nicht satt. Bei einer Kinderarmut in Schleswig-Holstein von 17,4 % stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir handeln, sondern nur noch die Frage, wie wir handeln. Wir sollten möglichst schnell und effektiv handeln.

Meine Überzeugung ist, dass wir Maßnahmen brauchen, die schnell und vor allem direkt bei den Kindern ankommen. Deshalb schlagen wir den Sozialfonds vor. Er soll sicherstellen, dass kein Kind aus Kostengründen von einer warmen Mahlzeit in Kita oder Schule ausgeschlossen wird. Kinder aus armen Familien würden dann nur 1 € pro Mahlzeit zahlen.

Warum das so wichtig ist, zeigt ein Beispiel aus der Praxis. In der Gemeinde Trappenkamp zahlen Hartz-IV-Empfänger für einen Halbtagsplatz 18 €, für einen Ganztagsplatz 22 €. Es ist nicht der Unterschied von 4 €, der Eltern davon abhält, ihren Kindern einen Ganztagsplatz zu ermöglichen, sondern es sind die 52 € Essensgeld, welche bei einem Ganztagsplatz zwangsläufig dazukommen.

Hierbei geht es nicht um die Frage, ob Eltern mit Geld umgehen können oder nicht. Bei 2,57 € Tagesverpflegungssatz pro Kind kann eine Familie schlicht nicht 2,30 € oder mehr für eine Mittagsmahlzeit ausgeben. Das funktioniert schon rein rechnerisch nicht. Dieses Beispiel macht deutlich, dass gerade Kinder von Hartz-IV-Familien von der Mittagsmahlzeit und von einem ganztätigen Lernund Spielangebot regelrecht ausgegrenzt werden.

So nehmen wir den Kindern die Bildungschancen, die sie dringend brauchen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es auch anders geht, zeigt die Landeshauptstadt Kiel. Hier zahlt kein Kind aus einer einkom

(Minister Dietrich Austermann)

mensschwachen Familie mehr als 28 € für Essen und Betreuung. Das ist ein Positivbeispiel.

Ich begrüße die Diskussionen und öffentlichen Statements, die es auch auf Bundesebene gibt, wo viele kostenlose Mittagsmahlzeiten in Kita und Schule fordern. Aber ich sage auch: In Berlin nur wohlfeile Forderungen aufzustellen, um dann mit dem Finger auf die Länder und die Kommunen zu zeigen und sie allein zu lassen, hilft uns nicht weiter. Ich befürchte, dass es noch lange dauern wird, bevor aus Berlin finanzielle Unterstützung kommt.

Deshalb müssen wir in Schleswig-Holstein handeln. Einen Sozialfonds finanziell auszustatten und ihn so zu gestalten, dass er unbürokratisch und ein praktikables Instrument ist, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. Ein Bundesland, das hier einen ersten Schritt gemacht hat - zumindest bei der Schulverpflegung -, ist Rheinland-Pfalz. Hier können die Kommunen Landeszuschüsse erhalten, wenn sie sicherstellen, dass für Kinder von Hartz-IV-Familien oder von Geringverdienern die Mittagsmahlzeit nicht mehr als 1 € kostet.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich gehe davon aus, dass er ein Selbstgänger ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie einen Antrag ablehnen, mit dem das, was die Landesregierung versprochen hat, umgesetzt werden soll. Er hätte eigentlich Ihr Antrag sein müssen. Insofern hoffe ich auf eine breite Mehrheit. Noch bin ich etwas durch Ihren Berichtsantrag verwirrt. Aber dazu werden Sie sich ja gleich mit Sicherheit erklären.

Zwischen den Fraktionen ist abgesprochen, dass beide Anträge als eigenständige Anträge zu betrachten sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich der Frau Abgeordneten Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns bereits in der letzten Sitzung des Landtags mit diesem wichtigen Thema befasst und fraktionsübergreifend festgestellt, dass es bei der Ernährung der Kinder einen Handlungsbedarf gibt. Die regierungstragenden Fraktionen haben für die Dezembertagung einen Berichtsantrag gestellt, der hier von allen Fraktionen einstimmig angenommen wurde. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

der von Frau Heinold gerade schon erwähnt wurde und der heute vorliegt, hatte bereits den Sozialfonds als Inhalt. Der Antrag der Grünen ist hier von allen Fraktionen - mit Ausnahme der Grünen - abgelehnt worden. Jetzt wollen Sie im November, also vor der Berichterstattung im Dezember, ein Konzept zur Umsetzung eines Sozialfonds machen. Gut, nehmen wir diesen Sinneswandel von FDP und SSW zur Kenntnis. So etwas kann ja mal passieren. Wir wollen einen Schritt nach dem anderen machen. Darum wollen wir den Bericht für die Dezembersitzung erweitern und auf dessen Grundlage und auf der Grundlage des finanziell Machbaren entscheiden, was gegebenenfalls zu tun sein wird.

Was uns aber auf keinen Fall passieren sollte, ist, dieses sensible Thema für populistische Zwecke zu missbrauchen.

Es gibt in Schleswig-Holstein viele gute Beispiele, wie Kindertagesstätten und Schulen mit der Mittagsversorgung umgehen, wie sie Kinder spielerisch an die Zubereitung frischer Mahlzeiten heranführen und wie Schülerinnen und Schüler für ihre Mitschüler in Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern Kantinen in Schulen betreiben.

So nehmen beispielsweise in den 30 ADS-Kindertagesstätten rund 600 Kinder - das entspricht ungefähr einem Drittel aller betreuten Kinder - am Mittagstisch teil. In fast allen Einrichtungen wird frisch gekocht. Der Beitrag für ein Essen liegt zwischen 1,60 und maximal 2 €. Im Bedarfsfall ist es auch einmal möglich, das Essen kostenlos zu bekommen oder es über den ADS-Hilfsfonds zu finanzieren. Ähnliches gilt im Übrigen auch für andere Träger von Kindertagesstätten.

Daher ist es nach unserer Überzeugung nicht zu tolerieren, wenn, wie in der letzten Sitzung vorgekommen und auch einigen Pressemitteilungen zu entnehmen war, hier ein Bild dieser Einrichtungen, zum Beispiel von Schulen, als süßigkeiten- und colaverkaufenden Pommesbuden aufgebaut wird. Meine Damen und Herren, das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Ebenso ist die Darstellung zu hinterfragen, dass Kinder, die von ihren Eltern aus Geldmangel von der Mittagsverpflegung abgemeldet wurden, nun hungrig neben ihren Freunden sitzen und ihnen beim Essen zugucken müssen. Ich will einmal ganz deutlich sagen: Sollte es tatsächlich solche Fälle geben, in denen Eltern ihre Kinder den ganzen Tag ohne Verpflegung lassen, ob es dabei um eine zu bezahlende Mahlzeit in der Kindertagesstätte oder um etwas von zu Hause Mitgebrachtes geht, dann ist das eine Frage der Fürsorgepflicht, und das

(Monika Heinold)

grenzt nach meiner Auffassung an Vernachlässigung.

Ich bitte also darum, sich mit der Frage der gesunden Ernährung von Kindern sachorientiert zu befassen.

Die Ergebnisse des kürzlich vorgestellten Kinderbarometers machen dazu ein paar sehr interessante Aussagen. Es lässt sich zum Beispiel ein relativ hohes Ernährungsbewusstsein feststellen. 68 % der befragten Kinder geben an, oft Obst zu essen. Lediglich bei 7 % ist Obst seltener auf dem Speiseplan. Allerdings - das ist besorgniserregend - rangiert Fastfood ganz oben auf der Beliebtheitsskala. 22 % greifen nach eigenen Aussagen oft bis sehr oft zu Pizza, Pommes und Co.

Hier gilt es für uns zunächst einmal zu klären, warum das so ist. Werden wir dieses Verhalten allein durch eine angebotene Mahlzeit in den Kindertagesstätten und Schulen ändern können? Müssen wir nicht vielmehr Eltern und ihre Kinder motivieren, sich mit einer ausgewogenen Ernährung zu beschäftigen, statt ihnen diese Aufgabe mit einem subventionierten, vermeintlich gesunden Mittagessen abzunehmen?

Ich habe in der letzten Landtagssitzung gesagt und sage es auch heute sehr deutlich: Die Verantwortung für Erziehung und auch für die Ernährung von Kindern liegt nicht beim Staat, sondern immer noch bei den Eltern. Wir sind nach wie vor nicht bereit, die Eltern aus dieser Verantwortung für ihre Kinder zu entlassen.

Ich bin überzeugt, dass wir verschiedene Anstrengungen unternehmen müssen, von der Aufklärung der Eltern bis hin zu einem Mittagsangebot für Kinder. Ich bin aber nicht davon überzeugt, dass wir allein mit einem subventionierten Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen das Essverhalten unserer Kinder umsteuern werden.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wachsende Kinderarmut in unserer Gesellschaft ist ein großer Skandal. Kinder in Armut leiden unter der Arbeitslosigkeit der Eltern. Kinder in Armut haben schlechtere Bildungs- und Gesundheitschancen. Insgesamt sind ihre Perspektiven für die Zukunft belastet.

Der Abbau von Arbeitslosigkeit, die existenzsichernde Erwerbsarbeit der Eltern und die Einführung von Mindestlöhnen sind auch in dieser Debatte ein wichtiger Hinweis zur Bekämpfung der Kinderarmut.

Natürlich gehören auch die Weiterentwicklung des Kinderzuschlags sowie der notwendige Ausbau von Ganztagsbetreuungseinrichtungen als Aufgabenstellung in diese Diskussion. Die Regelsätze für Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Geringverdiener sind mit dem Ziel zu überprüfen, Kinder besserzustellen und wirksam zu unterstützen.