Auch der Übergang von der Schule in den Beruf wird in der nächsten Zeit eine Herausforderung darstellen, der wir uns stellen müssen. Wir haben schon einmal darüber diskutiert, wie es unter anderem mit unseren Jugendaufbauwerken hier in Schleswig-Holstein weitergehen soll. Wir werden uns auch dieses Themas annehmen müssen.
Im Hinblick auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben spielt die Barrierefreiheit eine entscheidende Rolle. Barrierefreiheit bezieht sich dabei aber nicht nur auf den rollstuhlgerechten Zugang zu allen öffentlichen Gebäuden, sondern erstreckt sich auf viele Bereiche mehr, beispielsweise auf die kommunale Infrastruktur, den Personennah- und -fernverkehr, den Tourismus - auch Menschen mit Behinderung fahren gern in den Urlaub - oder auch auf das Internet, dessen barrierefreie Nutzung möglich sein muss.
Eine besondere Rolle spielen immer noch Mädchen und Frauen mit Behinderung. Der Bericht spricht in diesem Zusammenhang von einer doppelten Diskriminierung. Besonders betroffen sind Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung, für die der Übergang von der Schule in den Beruf erschwert ist. Im Vergleich zu ihrem Anteil in Integrations- oder Sonderschulklassen ist ihr Anteil in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung erheblich niedriger. Das hängt zum großen Teil damit zusammen, dass sie in der Regel länger in ihren Herkunftsfamilien bleiben oder sich auf eine Partnerschaft fixieren, sich damit oft den Zugang zu Erwerbseinkünften verbauen und dadurch auch keinen Zugang zum Nachteilsausgleich oder zu den Steuererleichterungen haben. Diesem Bereich werden wir uns noch einmal etwas genauer widmen müssen, um zu sehen, wie wir diese Barrieren für die Frauen und Mädchen ein bisschen aufbrechen können.
Da Behinderungen sehr individuell sind, können auch die entsprechenden Hilfen nur individuelle Hilfen sein. Unsere politische Zielsetzung muss es daher sein, den Anspruch auf selbst bestimmte Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft so weit wie möglich umzusetzen. Wir müssen mit allen Beteiligten zusammen ein Gesamtkonzept entwickeln und abstimmen. Die knappen zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen wir dabei so effektiv wie möglich nutzen.
Behinderungen betreffen in der Regel alle Lebensbereiche und deshalb finde ich es auch richtig, dass wir den Bericht des Behindertenbeauftragten nicht nur im Sozialausschuss beraten, sondern diesen Bericht - und da bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, das auch ernsthaft zu betreiben - in allen Ausschüssen behandeln. Behinderungen betreffen alle Lebens- und Politikbereiche in unserer Gesellschaft und ich glaube, dass wir uns auf einem guten Weg befinden, wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Ich danke der Abgeordneten Franzen. - Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.
„Die Menschen in Schleswig-Holstein sollen sich weiterhin an unabhängige Beauftragte wenden können. Die Aufgaben der Bürgerbeauftragten und des Beauftragten für Menschen mit Behinderung bleiben in der gegenwärtigen Form erhalten.“
Dieses Zitat stammt aus dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD und macht deutlich, dass die Menschen in diesem Land auch weiter Unterstützung und Hilfe bekommen, wenn sie von Behörden allein gelassen werden, wenn sie keine Unterstützung und Hilfe bei Problemen finden, wenn die Barrieren, die ihnen im alltäglichen Leben in den Weg gelegt werden, unüberwindbar scheinen.
Hier brauchen wir Menschen, Beauftragte, die den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zur Seite stehen. Dass dies auch in Zukunft dringend notwendig ist, beweist der Bericht des Beauftragten für Menschen mit Behinderung sehr eindringlich. Dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Ulrich Hase, dir, lieber Uli, und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein großes Dankeschön für diesen umfassenden und - wie ich finde - auch schonungslos
die Probleme aufzeigenden Bericht. Nach der Aussage der Ministerin freue ich mich auf unsere weitere Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.
Der Bericht ist durch den immer wiederkehrenden Hinweis darauf gekennzeichnet, dass Barrierefreiheit die Voraussetzung zur umfassenden Integration und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ist. Die Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen brauchen dafür aber ein Beratungsangebot. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, es muss aber noch intensiver gefördert werden. Menschen mit Behinderung müssen sich nicht nur um ihre individuellen Probleme kümmern, sondern auch Gelegenheit haben, im politischen wie im öffentlichen Raum wahrgenommen zu werden. Hierfür sind die Stichworte politische Teilhabe und Partizipation.
In den letzten Jahren haben wir in Schleswig-Holstein eine Politik gestaltet, die von der allumfassenden Fürsorge weg- und hin zu einer Politik gekommen ist, die mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gefördert und die Möglichkeiten geschaffen hat, dass Menschen mit Behinderung besser in unsere Gesellschaft integriert werden. Um diese Ziele nachhaltig zu erreichen, müssen wir die Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, Barrieren aus dem Weg zu räumen. Wir müssen es ihnen ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten.
Diese Reformpolitik muss und wird in SchleswigHolstein fortgesetzt werden und es bleibt eine ständige Aufgabe von uns allen, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass diese Ziele erreicht werden.
Ich will ganz kurz einige Punkte aus dem Bericht des Beauftragten für Menschen mit Behinderung im Detail aufgreifen, zunächst aus dem Bereich Arbeit. Arbeit für Menschen mit Behinderung: Arbeitslosigkeit betrifft Menschen mit Behinderung überproportional, insbesondere ältere Menschen mit Behinderung. Und sehr ernst zu nehmen ist die im Bericht geäußerte Sorge des Landesbeauftragten, dass die Umstrukturierung in den Arbeitsagenturen dazu führen könnte, arbeitslose schwerbehinderte Menschen als eine besondere Zielgruppe der Arbeitsagenturen aus den Augen zu verlieren. Im Bericht wird hier auf die intensive Zusammenarbeit mit den Integrationsfachdiensten hingewiesen. Dass Betriebe ohne Erfahrung mit schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich weniger Menschen mit Behinderung einstellen und ihnen mit deutlich mehr Vorbehalten begegnen als Betriebe, die bereits schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen, zeigt der Bericht auf. Deshalb muss es unsere Aufgabe sein, diese Hemmnisse
zu beseitigen. Probebeschäftigungen, aber auch intensive Beratung durch die Integrationsfachdienste sind hier erste Ansätze, die vertieft werden sollten. Wir sollten aber auch unsere Arbeitsmarktförderung und unsere Arbeitsmarktprogramme darauf ausrichten, dass wir in der Lage sind, gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen eine intensive Förderung von behinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erreichen.
Integrationsfachdienste, die einzelnen Menschen mit Behinderung bei der Jobsuche und der Integration in den Arbeitsmarkt helfen, ergänzen in SchleswigHolstein mittlerweile 15 Integrationsunternehmen. Mit rund 15,4 Millionen € Fördermitteln aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe beim Integrationsamt wurden insgesamt 324 Arbeitsplätze geschaffen, davon 195 für Menschen mit Behinderung.
Sowohl hinsichtlich der Vielfältigkeit der Projekte in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen als auch hinsichtlich der erfreulichen Anzahl von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung, die in den Integrationsunternehmen geschaffen werden konnten, bleibt festzuhalten: Die Integrationsunternehmen in Schleswig-Holstein sind ein Erfolgsmodell. Dieser Aussage gilt es noch hinzufügen, dass wir uns dafür einsetzen sollten, dieses Erfolgsmodell auszubauen, um für noch mehr Menschen mit Behinderung Arbeit, Arbeitsplätze, zu schaffen.
Zusammenfassend geht es darum, dass wir daran arbeiten wollen, dass Unternehmen und Personalverantwortliche die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung sehen und wahrnehmen und den Menschen eine Chance geben, sich entsprechend ihren Fähigkeiten in die Arbeitswelt einzubringen.
Barrierefreiheit schaffen ist der zentrale Ansatz der Arbeit des Landesbeauftragten und seines vorliegenden Berichtes. Wir Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker haben deshalb fraktionsübergreifend vorgeschlagen, dass sich alle Parlamentsausschüsse des Landtages diesem Anliegen widmen müssen und sollen. Ich betone das Wort „müssen“, denn sie sollen das nicht einfach nur einmal machen, sondern sie müssen sich ernsthaft und zielgerichtet mit diesem Anliegen auseinander setzen.
Denn Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur abgesenkte Bordsteinkanten oder Rampen für Rollstuhlfahrer. Barrierefreiheit geht deutlich über den Baubereich hinaus und umfasst auch die Bereiche Verkehr und den Bereich Informations- und Kommuni
kationsanlagen, das barrierefreie Internet sowie Produkte und Konsumgüter. Der Landesbeauftragte hält in seinem Bericht ausdrücklich fest:
„Verwirklichte Barrierefreiheit stellt somit eine deutliche Verbesserung für alle Menschen dar und ist keine ausschließliche Notwendigkeit für behinderte Menschen.“
Ich glaube, das macht deutlich, wer eine behindertengerechte Welt schafft, schafft damit eine Welt, die für viele Menschen in unserer Gesellschaft, eigentlich für uns alle, lebenswerter ist.
Der Bericht macht sehr deutlich, dass unter dem Stichwort Bauen, Schaffung von Barrierefreiheit, ein großes Arbeitsfeld für den Beauftragten vorgelegen hat und vorliegt. Er geht jedoch auch weiter auf die Punkte Mobilität im öffentlichen Personennahverkehr und auf die Möglichkeiten der Organisation der Barrierefreiheit in einem Urlaubsland wie SchleswigHolstein näher ein - was dem Tourismus sehr dienlich ist.
Ich glaube, der Bericht macht deutlich, dass es genug Ansatzpunkte für viele, viele Diskussionen, aber auch für konkretes Handeln hier in unserem Haus gibt.
Dass Mädchen und Frauen mit Behinderung eine doppelte beziehungsweise mehrfache Diskriminierung erleben, zeigt der Bericht ebenfalls sehr deutlich auf. Die gute und zielorientierte Zusammenarbeit des Beauftragten mit dem Verein Mixed Pickles e.V. wird im Bericht hervorgehoben. Unter dem Stichwort Mixed Pickles ist die Ausbildung von Mädchen mit Lernschwierigkeiten zu Jugendgruppenleiterinnen hervorzuheben. Diese Initiative des Vereins Mixed Pickles gemeinsam mit dem Landesjugendring hat nicht nur nationale Beachtung gefunden, sondern mittlerweile den Mädchen und den Initiatorinnen Anerkennung und Preise für ihr Engagement auch auf europäischer Ebene eingebracht.
Das ist eine Initiative, die die Mädchen uns hier im Landtag vorgestellt haben. Ich erinnere nur an die schönen Stopp-Schilder mit der Aufschrift: „Halt, bitte leichte Sprache!“, einer Aufforderung, der wir uns als Politiker und Politikerinnen auch immer wieder stellen sollten, denn auch dies ist ein Beitrag zur Barrierefreiheit.
Die Arbeit von Mixed Pickles zu stärken wäre durch eine Jugendbildungsreferentin möglich und ein entsprechendes Anliegen sollte von uns intensiv beraten und unterstützt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend will ich noch die im Bericht erwähnte Veranstaltung „Dialog im Dunkeln“ ansprechen. „Dialog im Dunkeln“ ist eine Ausstellung im Zentrum der Stadt Rendsburg, die auch mir als Besucher sozusagen als Selbsterfahrung aufgezeigt hat, wie sich die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung, in diesem Fall von Menschen mit einer starken Sehbehinderung oder Erblindung, darstellt. Dies ist eine Aktion, die Nachahmung und Fortsetzung braucht. Es war ein sehr spannendes Erlebnis, aber auch sehr zwiespältig, zu erfahren, wie man sich selbstständig bewegen wollte und ganz intensiv auf Hilfe angewiesen war. Man musste Vertrauen in Helferinnen und Helfer haben und sich zwingen, dieses Vertrauen blindlings, in diesem Fall im Dunkeln, zu akzeptieren und hatte doch das Gefühl: Was passiert, wenn die helfenden Hände nicht mehr da sind und wenn man sich nicht mehr so zurechtfindet und vielleicht in dem Parcours das eine oder andere Missgeschick erleidet. Wenn man diese Erfahrung hat, dann wünscht man sich eigentlich, dass keiner, der auf Hilfe angewiesen ist, diese helfenden Hände und das Vertrauen, dass die helfenden Hände da sind, nicht mehr hat. Von daher war es eine hervorragende Veranstaltung, die Nachahmung verdient und deutlich macht, wie man auch mit einfachen Mitteln darauf hinweisen kann, dass man Unterstützung und Hilfe in jeder Lebenslage in dieser Gesellschaft braucht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der vorliegende Bericht und die Arbeit des Beauftragten für Menschen mit Behinderung dazu beitragen kann, die Chancengleichheit, die Selbstbestimmung und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in unserem Bundesland zu fördern und zu stärken und in den Mittelpunkt zu rücken. Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit den Interessenververtretungen der Behindertenverbände und der Organisation von Menschen mit Behinderung. Hier gilt ein großes Dankeschön an all die, die sich ehrenamtlich in ihren Organisationen beziehungsweise für Menschen mit Behinderung und mit Menschen mit Behinderung engagieren. Ohne das Wirken von kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderung oder die massive Interessenvertretung von Vereinen wie der Lebenshilfe oder dem Sozialverband Deutschland, die hier nur stellvertretend genannt sind, würde unsere Gesellschaft und das Zusammenleben in unserer Gesellschaft ärmer sein.
Sie alle wirken daran mit, dass Chancengleichheit, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung schrittweise im Alltag Realität wird. Dies sollte auch bei unseren politischen Entscheidungen immer die Richtschnur sein.
Ich danke dem Abgeordneten Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Uli Hase, ein ganz herzliches Dankeschön nicht nur für den Bericht, sondern auch für die stete Bereitschaft, dass wir, immer wenn wir Fragen haben, zu Ihnen kommen dürfen und Sie uns diese Fragen beantworten. Herzlichen Dank an Sie und Ihr ganzes Team.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, oft sind es nur Kleinigkeiten, die fehlen, dass sich Menschen mit Behinderung genauso bewegen können wie andere Menschen auch. Deshalb müssen wir uns daran gewöhnen, dass es Menschen gibt, die aufgrund ihres Handicaps dazu gezwungen sind, ihren Alltag etwas anders zu organisieren, als wir das gewohnt sind. Aber unabhängig davon, ob es Kleinigkeiten sind oder ob größere Probleme aus der Welt zu schaffen sind, muss nach der Lektüre dieses Berichts für uns alle klar sein, dass der Leitfaden des Handelns lauten muss: Nicht der Mensch hat sich seinem Umfeld anzupassen, sondern das Umfeld hat sich dem Menschen anzupassen. Wir müssen begreifen, dass Menschen mit einem Handicap mehr können, als wir wahrnehmen. Dann müssen wir sie in die Lage versetzen, dass sie ihre Fähigkeiten entfalten können, damit sie selbstbestimmt leben können.
Der vorliegende Bericht enthält mehr als ein paar Anregungen an Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, um die Situation von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Es ist ein ganz klarer Auftrag an die Politik, zu handeln. Das ist nicht nur wichtig, das ist richtig. Lieber Uli Hase, machen Sie weiter so! Geben Sie uns weiter Aufträge, was zu tun ist! Kontrollieren Sie uns und kritisieren Sie uns, wenn wir das nicht einhalten, was wir versprochen haben!