Tariftreuegesetze schränken den Wettbewerb in den betroffenen Branchen nämlich ein, weil die Produkte und die Arbeitskosten in diesen Branchen insgesamt teurer werden. Die Arbeitslosigkeit steigt in der Folge und die Kunden der betroffenen Branchen werden benachteiligt; der gesamte Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein würde dadurch nicht gestärkt, sondern würde weiter geschwächt. Das Tariftreuegesetz auf den Personennahverkehr und auf die Forschungsschiffe so, wie Sie das vorschlagen, auszuweiten, ändert grundsätzlich an den Überlegungen, die ich gerade angestellt habe, nichts, Kollege Müller. Wir haben in der letzten Tagung sehr ausführlich über Mindestlöhne diskutiert. Ich sage Ihnen - das wissen Sie genauso gut wie ich -, die Tariftreue ist nichts anderes als eine bürokratische Verkleidung für staatlich festgesetzte Mindestlöhne. Staatliche Mindestpreise - auch das wissen Sie - haben noch nie die Wirtschaft angekurbelt und noch nie Arbeitsplätze geschaffen, ganz im Gegenteil. Weil wir davon überzeugt sind, dass das auch dieses Mal scheitern wird, wie es bereits in anderen Branchen gescheitert ist, lehnen wir eine Ausweitung des Tariftreuegesetzes, dem die FDP-Fraktion übrigens in der vergangenen Legislaturperiode auch nicht zugestimmt hat, ab. Das sage ich hier, das sage ich klar, das würde ich auch im Wirtschaftsausschuss sagen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal möchte ich etwas korrigieren. Herr Arp, Sie haben gesagt, es gebe Klagen gegen unser Gesetz. Das ist nicht der Fall. Es mag in anderen Bundesländern Klagen geben, gegen unser Gesetz wird nicht geklagt. Die einzige Klage, die es gibt, ist die von Branchen, dass sie immer noch nicht von diesem Gesetz erfasst werden. Das ist wohl wahr. Die klagen sehr, die rufen uns ständig an, aber es gibt keine Klage gegen unser Gesetz. Das ist auch logisch, weil man dagegen nicht klagen kann, weil dieses Gesetz gut gemacht ist.
Die bisherigen Debatten über die Tariftreue und auch über die EU-Dienstleistungsrichtlinie haben gezeigt, dass es keinen anderen Weg gibt, als durch Tariftreuebestimmungen die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen zu sichern. Natür
lich wird es immer wieder ideologisch motivierte Gegner solcher Regelungen geben. Das haben wir heute wieder gesehen. Letztlich führt aber kein Weg an Tariftreueregelungen vorbei.
Deshalb hat der SSW, als er in der letzten Legislaturperiode damals unter dem Namen Vergabegesetz das Tariftreuegesetz einbrachte, auch darauf abgezielt, dass das Tariftreuegesetz umfassend gelten soll. Heute liegt uns nun die erste Nachbesserung vor und wir begrüßen natürlich, dass die Grünen hier wieder darauf aufmerksam machen, dass überall Probleme bestehen, weil Dumpingkonkurrenz die ordentliche Arbeit unserer Unternehmen vom Markt verdrängt.
Schleswig-Holstein hat ein modernes Tariftreuegesetz, das auch in anderen Bundesländern positive Beachtung erfährt, denn da sind nach unserer Entscheidung für ein Tariftreuegesetz einige Tariftreuegesetze erst richtig in Gang gekommen. Die EU fordert, dass verbindliche Rechtsgrundlagen für zwingende Anwendung von Tarifen festgeschrieben werden, wenn man EU-konform handeln will, und dass diese Regelungen dann auch entsprechende Sanktionen enthalten. Solche Regelungen sind in unserem Gesetz enthalten und deswegen soll es nun durch den Vorstoß der Grünen auf den Bereich der Seeschifffahrt im öffentlichen Dienst ausgeweitet werden. Dies ist zu begrüßen. Allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, dass gerade im öffentlichen Personennahverkehr erheblicher Bedarf besteht, auch hier die Tariftreue anzuwenden.
Wir können feststellen, dass das Tariftreuegesetz auch auf kommunaler Ebene ein Erfolg ist. In den verschiedensten Kommunen, gleichgültig welche Couleur dort die Mehrheit hat, hat man die Tariftreue eingeführt und ist damit gut gefahren. So haben zum Beispiel die mit absoluter CDU-Mehrheit versehenen Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg die Tariftreue eingeführt. Auch die Stadt Flensburg geht hier mit gutem Beispiel voran. Selbst vor der FDP macht die Vernunft manchmal nicht Halt. In der Gemeinde Langenhorn haben FDP und SSW gemeinsam die Tariftreue durchgesetzt, woran man sehen kann, dass selbst auf kleinster kommunaler Ebene das Tariftreuegesetz begrüßt und sehnlichst erwartet wurde - auch von der FDP.
Alles in allem haben die letzten anderthalb Jahre mit unserem Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein gezeigt, dass nicht nur hiesige Firmen wieder eine Chance im Wettbewerb bekommen haben, sondern dass auch andere Firmen, beispielsweise aus Ostdeutschland, mehr und mehr die Vorteile der Tarif
treue zu schätzen wissen, denn auch sie unterliegen einem Dumpingdruck aus osteuropäischen Ländern und diese osteuropäischen Firmen werden nun durch unser Tariftreuegesetz gezwungen, zu gleichen Bedingungen zu arbeiten wie ihre Mitbewerber. Das gilt auch für die ostdeutschen. Auch die haben bei uns dadurch bessere Chancen. Damit entscheidet nicht Lohndumping über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, sondern es findet ein fairer Wettbewerb zu gleichen Bedingungen und unter Berücksichtigung der Qualität der Leistung und des Personals statt.
Meinen allgemeinen Ausführungen zum Tariftreuegesetz mögen sie entnehmen, dass wir zwar die Initiative der Grünen begrüßen und unterstützen, aber trotzdem der Meinung sind, dass die Tariftreue wesentlich stärker ausgeweitet werden muss. Dieses werden wir sicherlich auch in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes deutlich machen.
Zum vorliegenden Gesetzentwurf stellt sich meines Erachtens nur eine Frage, nämlich ob es notwendig ist, den Heuertarifvertrag namentlich zu nennen oder ob der HTV-See nicht ohnehin schon der vor Ort gültige Tarifvertrag ist. Die Einschränkung auf nur einen namentlich genannten Tarif führt nämlich automatisch dazu, dass ähnliche Tarifverträge ausgeschlossen sind. Die bisherige Praxis war aber immer die, dass im zuständigen Ministerium die vor Ort gültigen Tarifverträge erfasst wurden und auch ähnliche Tarifverträge Geltung in Bezug auf das Tariftreuegesetz hatten. Dies ist so gehandhabt worden, weil man nicht in die Tarifautonomie eingreifen wollte. Die jetzt von den Grünen gewählte Formulierung könnte angreifbar sein, da sie nur einen Tarif festschreibt. Deshalb müssen wir darüber noch einmal reden.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen ist ein direkter Ausfluss der Beratungen des Petitionsausschusses. Dort ist man mit den Fehlentwicklungen in der Ausschreibepraxis konfrontiert worden. Nun haben wir hier im Landtag die Gelegenheit, etwas im Interesse der Betroffenen zu ändern. Das ist ja Sinn und Zweck eines Petitionsausschusses, das möglich zu machen. Diese Gelegenheit sollten wir dann auch nutzen. Wir werden in jedem Fall als SSW den Gesetzentwurf der Grünen positiv begleiten.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten der Koalition, Herr Schröder und Herr Arp, haben deutlich gemacht, wie die rechtliche Lage in Bezug auf den Antrag der Grünen ist. Ich möchte sagen, dass die Landesregierung grundsätzlich dafür eintritt, dass man keinen Arbeitnehmer zu Dumpinglöhnen beschäftigt. Ich halte gleichwohl den Antrag für schlichtweg überflüssig. Man muss überlegen, ob man ihn überhaupt im zuständigen Ausschuss berät, wenn man sich die tatsächliche Situation ansieht.
Wie gesagt, das Anliegen ist in Ordnung, aber in der praktischen Auswirkung ist es wohl überflüssig.
Erstens. Die Regelungen für Arbeitnehmer auf den Forschungsschiffen werden schon bei der Ausschreibung festgeschrieben. Da gibt es klare Qulifikationsanforderungen für die Besatzung. Zudem bedeutet die Einbindung der Reedereien der Forschungsschiffe überhaupt keine Auswirkung im Land. Das Land besitzt kein einziges großes Forschungsschiff. Die Erwähnung des Namens „METEOR“ ändert daran nichts. Das ist ein Bundesschiff. Zum anderen kann das Land über die Bereederung der beiden mittelgroßen Forschungsschiffe „ALKOR“ und „POSEIDON“, die beim IFM-GEOMAR-Institut stationiert sind, nicht allein entscheiden. Das macht die Universität Hamburg als Leitstelle des Forschungspools.
Die Frage ist, ob das in der Praxis überhaupt Sinn machen würde, wenn man das Gesetz ändert. Zurzeit sind sämtliche Besatzungsmitglieder aller mittelgroßen Forschungsschiffe, also auch die, an denen das Land beteiligt ist, deutscher Nationalität. Die Frage, wie ausländische Arbeitnehmer auf Forschungsschiffen behandelt werden sollen, hat damit praktisch keine Relevanz für den Gesetzentwurf.
Frage: Warum wird das Ganze jetzt vorgelegt? - Ich gestatte mir die etwas scherzhafte Anmerkung, Herr Müller, möglicherweise ist diese alte Akte aus dem Jahre 2003 beim Umzug aus dem Ministerium in das Abgeordnetenbüro auf dem Tisch erschienen. Ich will Ihnen gerade einmal den Zeitablauf sagen. Die Bereederungsverträge der beiden mittelgroßen Forschungsschiffe sind im Januar für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen worden, das heißt, bis zum Januar 2010, wenn nicht von der Option der Verlängerung Gebrauch gemacht wird. Zu der Zeit gibt es aber das schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz
(Anke Spoorendonk [SSW]: Es sei denn, man verlängert das! - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie das denn nicht verlängern?)
- Ich beschreibe zunächst den Rechtszustand. Sie hätten dann gleichzeitig einen Antrag stellen müssen, das Tariftreuegesetz zu verlängern. Wie man zum Tariftreuegesetz selbst steht, dazu gab es unterschiedliche Positionen. Ich bin eher der Auffassung, dass es rechtliche Bedenken gegen das Tariftreuegesetz gibt.
Es gibt keine Klage, es gibt aber diese rechtlichen Bedenken auch in anderen Bundesländern. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aufnahme neuer Tatbestände in das Tariftreuegesetz eher sinnlos. Ich bin Ihnen aber sehr dankbar, dass Sie das Tariftreuegesetz wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt haben. Das bestärkt mich in der Forderung, über den Fortbestand dieses Gesetzes insgesamt nachzudenken. Wir machen uns ja, insbesondere durch die große Koalition, immer wieder Gedanken: Was können wir erleichtern, wo können wir Verfahren beschleunigen, Verfahren verändern?
Ich gestatte mir einen weiteren Hinweis, nämlich dass bis heute kein einziger Verstoß gegen das Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein bekannt geworden ist, dass die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist und dass sich für kein einziges Schiff, das in unsere Zuständigkeit fällt, eine andere Situation bis zum Jahr 2009 ergibt. Deswegen schließe ich mich der Auffassung an, dass man heute hier nicht zustimmen kann. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass man den Antrag heute ablehnen könnte. Es gibt sicherlich mehr Initiativen.
Zu einem Dreiminutenbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, es ist schon ein einmaliger Vorgang, dass die Regierung hier einer Frak
Das parlamentarische Verfahren ist so, dass ein Gesetzentwurf in der ersten Lesung an den Ausschuss überwiesen wird, und ich erwarte, dass wir dort wie immer ordnungsgemäß beraten. Ich erwarte, dass sich die Regierung daran beteiligt und dass es dann eine reguläre zweite Lesung gibt. Ich erwarte ferner, dass die große Koalition hier nicht anfängt, parlamentarische Selbstverständlichkeiten infrage zu stellen.
Nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk für den SSW das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das muss wiederholt werden: Gesetzentwürfe werden in erster Lesung an Ausschüsse verwiesen, wo sie weiter beraten werden, und in zweiter Lesung werden sie im Parlament entschieden.
Herr Minister, angesichts Ihrer Vergangenheit als Parlamentarier im Bundestag müssten Sie eigentlich wissen, wie es mit Gesetzentwürfen läuft. Ich finde, das ist ein starkes Stück, dass Sie sich hier hinstellen und sagen,
Noch etwas: Der Sinn von Gesetzen besteht darin, dass sie eingehalten werden. Ich finde, es spricht für das Tariftreuegesetz, dass es keine Verstöße dagegen gegeben hat.
Für die Fraktion der SPD erteile ich nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Lothar Hay, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die große Koalition ist sich darüber im Klaren, dass man bei 59 Abgeordneten, die die Regierung tragen, und zehn Abgeordneten, die die Opposition
stellen, zu einem anderen Umgang miteinander im Parlament kommen muss. Deshalb haben wir miteinander vereinbart, dass es erhebliche Minderheitsrechte gibt, obwohl die Anzahl 10 dafür eigentlich nicht ausreichend ist.
Die SDP-Fraktion denkt überhaupt nicht daran, eine Änderung bei der Behandlung von Gesetzentwürfen, die dem Parlament vorgelegt werden, einzuführen.