Protocol of the Session on June 16, 2005

Frau Abgeordnete!

- ich komme zum Schluss -, während man in den skandinavischen Ländern immer von der Wohlfahrtsgesellschaft spricht. Ich möchte darum bitten, sich diesen Unterschied durch den Kopf gehen zu lassen. Ich glaube, es würde uns weiterhelfen, wenn wir nicht vom Staat und den Aufgaben des Staates sprächen, sondern von uns als Gesellschaft und davon, wie wir uns unsere gemeinsame Zukunft vorstellen.

(Beifall beim SSW)

Liebe Frau Spoorendonk, selbst wenn die dänische Karte stechen sollte: Sie macht aus drei nicht vier Minuten.

(Heiterkeit)

Bevor ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort erteile, begrüße ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Hermann-Tast-Schule aus Husum mit ihren Lehrkräften. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Herr Dr. Garg, Sie haben das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Spoorendonk, ich mag zwar Gespenstergeschichten, aber keine Gespensterdebatten. Ich sage übrigens auch meiner Bundespartei ganz deutlich: Was jetzt am Anfang stehen muss, ist eine intensive Debatte über eine Vereinfachung des Steuerrechts. Sie muss vor einer Debatte über weitere Steuersenkungen stehen. Wir werden nämlich von den vielen schönen Steuersenkungen gar nichts haben, wenn wir es nicht endlich schaffen, unser deutsches Steuerrecht international wettbewerbsfähig zu machen, sodass endlich Schlupflöcher geschlossen werden, damit diejenigen, die Steuern zahlen sollten und im Moment noch keine Steuern zahlen, auch endlich zur Steuerzahlung herangezogen werden.

(Beifall bei FDP und SSW)

Der Kollege Hentschel hat sich zu dem von mir zugegebenermaßen nur sehr kurz skizzierten Modell geäußert. Ich bedauere, dass er das nicht selber hören kann. Wir haben uns auf Veranstaltungen, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigten, schon einmal intensiver unterhalten. Ich glaube deswegen, er hat mich nicht missverstanden, sondern es bewusst so dargestellt. Es ist falsch, dass ich ein Sys

(Dr. Heiner Garg)

tem vorgeschlagen habe, an dem sich wieder nicht alle beteiligen sollen. Gerade in dem System, das ich skizziert habe, sollen sich alle beteiligen, auch die Gruppe der Höchst- und Bestverdienenden, die er angesprochen hat. Gerade sie in ein solches neues System hineinzubringen, ist die Leistung des prämienfinanzierten Systems, das ich vorgestellt habe. Ich habe gesagt: Alle, ausnahmslos alle, sollen sich an einem solch neu strukturierten System beteiligen. Das schließt sämtliche Bevölkerungsgruppen ein, unabhängig davon, wie viel sie verdienen.

Dass sich an einem solchen Transfersystem alle beteiligen, merken Sie schon daran, dass ich von steuerfinanzierten Ausgleichen für diejenigen gesprochen habe, die sich eine solche individuell, risikoäquivalent kalkulierte Prämie nicht leisten können. Das werden viele sein. Da müssen wir uns gar nichts vormachen.

Der Grundgedanke des Systems ist: keine staatlich organisierte Zwangsversicherung für 90 % der Bevölkerung, wie wir das heute faktisch haben, sondern eine Versicherungspflicht für alle - ich sage das noch einmal -, für die, die wenig bis gar nichts verdienen, bis hin zu denjenigen, die ganz viel verdienen.

Wenn wir in diesem Zusammenhang ehrlich miteinander diskutierten, könnte man die Differenzen offen darlegen. Die einen wollen ein staatlich organisiertes Gesundheitssystem haben. Ich sage, ein staatlich organisiertes Gesundheitssystem nach Art der Bürgerversicherung - oder wie immer man das auch nennen mag - führt neben vielerlei Fehlanreizen, die ich vorhin dargestellt habe, vor allem dazu, dass wir dem Gesundheitsmarkt als Wachstumsmarkt nicht die Chancen geben, die er eigentlich haben könnte. Wenn wir ein Gesundheitssystem bekommen, das tatsächlich wettbewerbliche Wurzeln hat, und gleichzeitig einen steuerfinanzierten sozialen Ausgleich für alle hinbekommen, die in diesem System sonst hinunterfielen, hätten wir eine Herkulesaufgabe bewältigt, die vor uns steht. Diese alberne Debatte, ob wir uns an der Debatte mit weiteren Steuersenkungsforderungen beteiligen -

Herr Abgeordneter Dr. Garg.

- mein letzter Satz, Herr Präsident! -, ist in der Tat eine Gespensterdebatte. Das habe ich heute Morgen hier nicht getan. Sie wissen das auch ganz genau, Frau Kollegin Spoorendonk.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Nach dieser ausführlichen Debatte im hohen Haus, die zum Schluss nicht mehr überall ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, schlage ich vor, dass wir in der Sache abstimmen. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. -

(Minister Dr. Ralf Stegner verlässt den Sit- zungssaal - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht den Raum verlas- sen! Das ist unfair! - Heiterkeit - Minister Dr. Ralf Stegner: Nicht deshalb!)

Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Abgeordneten der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion abgelehnt.

(Minister Rainer Wiegard verlässt den Sit- zungssaal - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Wettlauf mit dem Innenminister! - Heiterkeit)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 und 12 zur gemeinsamen Beratung auf - -

Frau Abgeordnete Schwalm, zur Geschäftsordnung, bitte.

Herr Präsident! Die Tagesordnungspunkte 6 und 12 haben einen Beratungsbedarf von 60 Minuten. Wir haben das Problem, dass wir um 12 Uhr die Debatte über den Bericht des Behindertenbeauftragten wahrnehmen wollen. Um 12 Uhr kommen bestimmte Besuchergruppen und der Gebärdendolmetscher wird dann anwesend sein. Deswegen bitte ich darum - das ist mit den Anwesenden abgesprochen -, Tagesordnungspunkt 4 vorzuziehen und die Tagesordnungspunkte 6 und 12 im Anschluss an den gesetzten Punkt heute Nachmittag zu beraten.

Selbstverständlich, sehr gern. Ein kleiner Hinweis hätte uns in die Lage versetzt, das sofort zu tun.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 4 auf:

(Präsident Martin Kayenburg)

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Tariftreuegesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/115

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile für die antragstellende Fraktion dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir greifen mit dieser Gesetzesinitiative eine Diskussion aus dem Petitionsausschuss auf. Worum ging es?

Im Jahr 2002 sind die Bereederungsverträge der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe im Paket durch die Universität Hamburg als Leitstelle des deutschen Forschungsschiffspools neu ausgeschrieben worden. Dies geschah auf Anregung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Der Auftrag wurde 2003 nicht an die bislang beauftragte Reederei mit ihrem zu deutschen Arbeitsbedingungen beschäftigten Personal vergeben, sondern an eine andere Reederei. Das ist nicht verkehrt. Das Problem ist, dass diese Reederei Personal beschäftigt, das außerhalb der EU seinen Lebensmittelpunkt hat. Die Vergabekammer der Hamburger Finanzbehörde hatte am 18. August 2003 entschieden, dass der Auftrag an den wirtschaftlichsten Bieter zu vergeben ist.

Damit sind wir mitten in einer Diskussion. Ich ahne, wo nachher die Kritik ansetzen wird. Wir müssen uns entscheiden, welches der ordnungspolitische Rahmen für bestimmte Tätigkeiten ist, die wir haben.

Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat sich mit einer Petition des Kapitäns Jakobi nebst Besatzung der FS „METEOR“ zu dem oben genannten Vorgang befasst. Die Petition wendet sich gegen eine Auftragsvergabe an eine Reederei mit Dumpinglöhnen und nicht ausreichend qualifiziertem Personal. Die bislang beauftragte Reederei habe dagegen hochqualifiziertes und motiviertes Personal zu den hier herrschenden Arbeitbedingungen vorzuweisen.

Um zukünftige Fehlentwicklungen, die eben nicht in einem vernünftigen ordnungspolitischen Rahmen stattfinden, bei einer staatlichen Auftragsvergabe zu verhindern, sind die Regelungen des schleswigholsteinischen Tariftreuegesetzes aus dem Jahr 2003 auf Seedienstleistungen auf Forschungsschiffen im

öffentlichen Dienst auszudehnen. Bislang unterliegen dem Tariftreuegesetz des Landes nur Aufträge öffentlicher Auftraggeber bei Baumaßnahmen, im Schienenpersonennahverkehr und in der Abfallentsorgungswirtschaft.

Das Beste wäre natürlich, wenn alle Küstenländer ähnliche Regelungen beschließen würden. Dann hätten wir Schlupflöcher in diesem Bereich geschlossen. Aber einer muss den ersten Schritt machen. Einer muss damit anfangen. Wir in Schleswig-Holstein sollten das sein.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Natürlich könnte man jetzt einwenden: Warum erweitert man das Gesetz nur um diese eine Branche? Das ist ein legitimer Hinweis. Ich glaube, dass man sicherlich auch darüber diskutieren kann, ob nicht weitere Branchen in dieses Gesetz aufgenommen werden müssten. Wir sind im weiteren Gesetzgebungsverfahren offen. Das will ich gleich deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ziel des Gesetzes war es, Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz von Niedriglöhnen entgegenzuwirken und die sozialen Sicherungssysteme zu entlasten. Insofern knüpft das gut an an die Debatte, die wir eben geführt haben. Was wir bisher diskutiert haben, ist ein Bereich; weitere Bausteine gehören zweifelsohne dazu.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir wollen sicherstellen, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen. Das gilt dann auch für die nachgelagerten Unternehmen. Das Tariftreuegesetz schützt nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Deswegen ist es gerade im Interesse der mittelständischen Wirtschaft, die nicht in der Lage ist, mit allen anderen weltweit agierenden Unternehmen zu vollkommen anderen Bedingungen zu konkurrieren. Dies ist ein Gesetz, das sowohl arbeitnehmerfreundlich wie wirtschaftsfreundlich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Bei dem Fall der Bereederung des Forschungsschiffes hätte die Tariftreueverpflichtung dazu geführt, dass nicht der günstigste Bieter genommen worden