Die Probleme im Zusammenhang mit Migration entstehen nicht aus der doppelten Staatsbürgerschaft heraus. Sie entstehen aus ganz anderen Gründen heraus, nämlich aus dem Bildungsgefälle zwischen Einheimischen und Migranten, aus dem Mangel an Berufsausbildung und aus dem Rückzug in eine Parallelgesellschaft. Diese Tendenzen sind problematisch. Darin sind wir uns einig. Sie werden durch das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft für Migrantinnen und Migranten nicht behoben. Im Gegenteil, sie werden eher verstärkt. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, initiativ zu werden, um dies zu korrigieren. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung der heutigen Debatte zu dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts habe ich mich schon etwas gewundert. Als ich dann im Rahmen der Quellensuche für meinen Redebeitrag noch einmal sehr intensiv die intensive öffentliche Diskussion des Jahres 1999 nachvollzogen habe, ist diese Verwunderung eher noch größer geworden. Die Grünen beantragen heute die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts insbesondere im Bereich des sogenannten Optionsmodells. Dieses hat im Jahr 1999 Einzug in den Gesetzentwurf der rotgrünen Bundesregierung gefunden, nachdem das Bundesverfassungsgericht bezüglich des Zustandekommens des ursprünglich von Rot-Grün geplanten Staatsangehörigkeitsrechts ein Urteil gesprochen hatte.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte zu scharfen öffentlichen Auseinandersetzungen geführt. Einer der ganz wesentlichen Punkte, an denen sich die Diskussion damals entzündete, war, dass in dem ursprünglichen Entwurf der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit faktisch aufgegeben wurde. Dies führte nicht nur bei CDU und CSU, sondern vor allem auch in breiten Teilen der Bevölkerung zu erheblichem Widerstand. Unumstritten war dabei stets, dass es zwingend einer umfassenden Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts bedurfte. Dabei hat die CDU immer deutlich gemacht, dass unser Ziel die Förderung von und die Forderung nach Integration der hier lebenden Migrantinnen und Migranten ist. Am Ende einer erfolgreichen Integration soll dabei der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft stehen können. Dieses Grundprinzip einer Einbürgerung erst nach erfolgreicher Integration konnte nach Entscheidungen unseres Verfassungsgerichts schließlich auf breiter parlamentarischer Basis beschlossen werden. Eine Öffnung wurde lediglich für die hier geborenen Kinder von Migrantinnen und Migranten zugelassen. Für sie wurde das sogenannte Optionsmodell geschaffen. Es bedeutet eine ausdrückliche Option auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.
Nach der derzeit gültigen Regelung werden die in Deutschland geborenen Kinder von ausländischen Eltern mit der Geburt automatisch deutsche Staatsbürger, wenn ein Elternteil sich bei der Geburt seit mindestens acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat. Für diese Kinder wird zunächst eine Doppelstaatlichkeit zugelassen, damit sie die Möglichkeit haben, als Erwachsene eine abgewogene und eigenverantwortliche Entscheidung darüber zu treffen, welche Staatsangehörigkeit sie behalten wollen. Für diese Entscheidung wird ein angemessener Zeitraum bis zum 23. Lebensjahr eingeräumt. Diese Regelung soll nach dem Willen des Bundesgesetzgebers dazu dienen, keine regelmäßige Mehrstaatlichkeit zuzulassen. Eine solche Mehrstaatlichkeit fördert nach unserer Ansicht nicht die Integration der Betroffenen in unseren Staat, sondern behindert sie eher. Deshalb ist es im Sinne einer erfolgreichen Integration erforderlich, dass sich die Betroffenen für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Diese Entscheidung mag zwar nicht immer einfach sein, sie ist aber im Interesse einer dauerhaften Integration notwendig.
Ich kann deshalb auch nicht nachvollziehen, dass ein lange abgewogener und aufgrund einer breiten gesellschaftlichen Debatte gefundener Konsens nun infrage gestellt werden soll. Ich halte dies auch bei den gemeinsamen Bemühungen einer wirksamen
Integrationspolitik für wenig hilfreich. Die Fragen der Zuwanderung, der Staatsangehörigkeit und der besseren Integration sind in der öffentlichen Wahrnehmung eng miteinander verbunden und sollten immer mit der entsprechenden Sensibilität diskutiert werden. Er wäre außerordentlich bedauerlich, wenn wir wieder auf längst überwunden geglaubte Positionen zurückfallen würden. Gerade jetzt sind wir durch gemeinsame Initiativen wie den von unserer Bundeskanzlerin Angelika Merkel durchgeführten Integrationsgipfel auf einem guten Weg. Dabei werden in den nächsten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um insgesamt rund 400 Selbstverpflichtungen aus dem nationalen Integrationsplan zu erfüllen.
Es gilt, diesen Prozess positiv zu begleiten, um den betroffenen Menschen ein faires Angebot zu machen. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ist und bleibt der krönende Abschluss eines erfolgreichen Integrationsprozesses und darf in dieser wichtigen Funktion auch nicht entwertet werden. Lassen Sie uns gemeinsam die Integration aller Integrationswilligen voranbringen, statt schon längst überwunden geglaubte ideologische Debatte zu führen, die niemandem wirklich helfen, am wenigsten den persönlich Betroffenen. Ich beantrage die Ausschussüberweisung an den Innen- und Rechtsausschuss.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lehnert. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lehnert, in diesem Fall bedauere ich, dass Oppositionsanträge, die von den Regierungsfraktionen inhaltlich unterschiedlich bewertet werden, bis 2010 leider keine Chance auf eine parlamentarische Mehrheit haben. Das haben wir in der vorangegangenen Debatte miteinander besprochen.
Text und Begründung des Antrages der Grünen beschreiben nämlich exakt die Grundpositionen der SPD-Landtagsfraktion. Auch wir kritisieren seit Jahren, dass das derzeitige deutsche Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeiten nur in Ausnahmefällen vorsieht und dass Kinder ausländischer Eltern, die durch Geburt in Deutschland auch die deutsche Staatsbürger
schaft erworben haben, sich nach Vollendung des 18. Lebensjahres entweder für die deutsche oder für die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden müssen. Wir teilen die Auffassung, dass dieses sogenannte Optionsmodell mit der Verpflichtung zur ausschließlich einseitigen Orientierung bei Erreichen der Volljährigkeit nicht der Lebenswirklichkeit entspricht. So steht es in der Begründung Ihres Antrags, Herr Kollege Hentschel.
Ich selbst kenne viele Menschen mit Migrationshintergrund persönlich, die sich in der Tat sowohl als Bürger unseres Staates sehen, in dem sie seit ihrer Geburt leben, die sich aber auch und gleichermaßen als Teil der Herkunftsgesellschaft ihrer Eltern und Großeltern fühlen. Als SPD setzen wir uns auch auf Bundesebene für eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ohne ideologische Vorbehalte ein. Im Bremer Entwurf unseres neuen Grundsatzprogramms, das im November in Hamburg verabschiedet werden soll, plädieren wir für die grundsätzliche Möglichkeit der Mehrstaatlichkeit. Hierzu gibt es drei Kernsätze: Erstens. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Einwanderinnen und Einwanderer haben unser Land wirtschaftlich und kulturell bereichert. Zweitens. Einwanderung verlangt Integration. Wer sich dauerhaft ansiedelt, muss die gleichen Chancen und Beteiligungsmöglichkeiten am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben erhalten. Drittens. Als Einwanderungsland streben wir die Einbürgerung der zu uns kommenden Menschen an. Die politische Partizipation von Einwanderinnen und Einwandern muss ausgebaut werden. Wir wissen, Einbürgerung und politische Teilhabe sind nicht das Ende der Integration, aber sie sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Es ist in der Tat kein Geheimnis - das ist auch durch den Beitrag von Herrn Lehnert deutlich geworden -, dass es in den Regierungsfraktionen von CDU und SPD nicht nur auf Bundesebene, sondern auch hier in Schleswig-Holstein gerade in der Frage der Ausländerpolitik nicht immer komplett deckungsgleiche Grundpositionen gibt. Wir schlagen trotzdem mit Herrn Lehnert vor, den Antrag zur weiteren Beratung an den zuständigen Fachausschuss zu überweisen, weil wir uns auch auf einen prominenten Befürworter im Lager der Union, nämlich auf unseren ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker berufen können, wenn wir es für richtig und notwendig halten, die in den vergangenen Jahren in der Tat ausgiebig geführte Diskussion zum Thema der doppelten Staatsbürgerschaft erneut aufzunehmen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. Bevor ich weiter das Wort erteile, bitte ich um einen Moment Geduld, Herr Kubicki. Begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne Mitglieder der Senioren-Union aus Henstedt-Ulzburg. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Das ist gut so und spiegelt die tatsächliche Lebenssituation in unserem Land wider. Deutschland ist bereits seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Seit wenigen Jahren entwickelt es sich immer mehr zu einem Einbürgerungsland. Ich kann mir zumindest nicht mehr vorstellen, dass man wie seinerzeit in Hessen, Herr Kollege Lehnert, noch erfolgreich Wahlkampf gegen eine Ausweitung der doppelten Staatsbürgerschaft führen kann. Der Gesetzgeber hat sich zumindest auch Ende der 90er-Jahre nicht von den hessischen Vorkommnissen beeindrucken lassen und die mehrfache Staatsbürgerschaft in Form des damals von der FDP entwickelten Kompromissmodells dahin gehend eingeführt, dass Minderjährige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Mehrstaatler sein können, sich aber mit der Volljährigkeit gegen die weitere Staatsbürgerschaft eines anderen Landes entscheiden müssen, wenn sie Deutsche bleiben wollen.
Wie das Leben nun einmal so spielt, bestehen verfassungsrechtliche Zweifel an bestimmten Normen des Optionsmodells. Das muss ich einräumen. Ich hoffe, Herr Kollege Puls, dass wir diese Rechtsfrage im Ausschuss wirklich erörtern können. Ich bin sicher, dass die Kraft unserer Argumente auch den Kollegen Lehnert noch überzeugen wird. § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes belastet eine Gruppe von Staatsbürgern unter anderem mit dem Zwang, sich von den nicht deutschen Staatsbürgerschaften zu lösen, wenn sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren wollen.
Nach Artikel 16 des Grundgesetzes darf die deutsche Staatsangehörigkeit jedoch nicht entzogen werden. Entzug ist der Verlust der Staatsangehö
rigkeit anhand von Tatbeständen, die außerhalb des voluntativen Einflussbereichs des Bürgers liegen, Herr Kollege Lehnert. § 29 StAG ist am Maßstab dieser Grundsätze noch nicht geprüft worden. Es gibt gewichtige Stimmen in der Rechtswissenschaft wie die von Roman Herzog oder vom Präsidenten des Verfassungsgerichtes, Papier, die diese Norm für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar halten. Dabei lauten die wesentlichen verfassungsrechtlichen Argumente wie folgt: Das Entzugsverbot sei absolut, denn ein Gesetzesvorbehalt oder andere Schranken seien im Grundgesetz nicht normiert. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung sei auch aus anderen Gründen - etwa aufgrund immanenter Schranken - nicht ersichtlich. Es möge ein öffentliches Interesse daran geben, Mehrfachstaatsbürgerschaften zu vermeiden. Dieses öffentliche Interesse habe aber keinen Verfassungsrang und könne eine Grundrechtseinschränkung nicht rechtfertigen.
Beim Erwerb der Staatsangehörigkeit handele der Staatsbürger in den tatbestandlichen Fällen des § 29 StAG nicht willentlich. Genau genommen handelt er gar nicht; er wird geboren - das ist ein Realakt. Auch später gestalte er das Staatsbürgerschaftsverhältnis nicht, sodass das Aufbürden eines Erklärungszwangs, sei es auch erst im geschäftsfähigen Alter, nur als Grundrechtseingriff zu werten sei. Dagegen wirke der Status negativus als Abwehrrecht.
§ 29 StAG verstoße möglicherweise auf internationaler Ebene gegen das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip und Artikel 25 GG. Denn ein Staat dürfe auf nationaler Ebene die Staatsbürgerschaft nicht so ausgestalten, dass er in die Staatsbürgerschaftsverhältnisse anderer Staaten hineinwirke. Es gebe keine stärkere oder schwächere Staatsbürgerschaft im Völkerrecht und in diesem Sinne auch keine interdependente Staatsbürgerschaft. Ich empfehle wirklich die Lektüre des Aufsatzes von Herzog, den ich gern allen zur Verfügung stelle.
§ 29 StAG verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz - Artikel 3 GG -, da hier bei unfreiwilligen Mehrstaatlern - diese sind ja hier geboren worden - ohne rechtfertigendes Differenzierungskriterium unterschieden werde, und zwar mit der Gruppe nach dem Ius-sanguinis-Prinzip, das heißt nach Abstammung, und der Gruppe nach dem Ius-soli-Prinzip, das heißt nach dem Ort der Geburt.
Die Problematik lässt sich so zusammenfassen: Die Staatsbürgerschaft ist dauerhaft. Die Verfassung erlaubt nicht ein Geben unter Vorbehalt. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten europäischen Haftbefehl hat diese Problematik aufgegriffen.
Es gibt aber auch eine gesellschaftspolitische Komponente. Gerade für 18-Jährige, die in Deutschland geboren sind, die Deutschland als ihre Heimat betrachten, die aber aufgrund der Herkunft der Familie auch Wurzeln in anderen Ländern haben, sollte die zweite Identität nicht abgeschnitten werden. Als ein Abschneiden wird es oftmals empfunden. Man ist mit doppeltem kulturellen Hintergrund aufgewachsen und muss sich mit 18 nun entscheiden, welche Heimat man quasi der anderen vorzieht. Welchen wirklich sachlichen Grund es für die Beibehaltung dieses Modells gibt, erschließt sich mir bisher nicht. Wie bereits gesagt, die momentane Rechtslage war ein Kompromiss, um Ende der 90er-Jahre wenigstens für Minderjährige die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.
Mittlerweile sollten wir in der Diskussion weiter sein. Wir sollten erkennen, dass die Möglichkeit des Erhalts der doppelten Staatsbürgerschaft auch nach dem 18. Lebensjahr eine Chance für die Integration darstellt. Integration heißt Brücken bauen. Man sollte daher hier aufgewachsene junge Deutsche nicht zwingen, die eigenen Brücken der Herkunft ihrer Familie einzureißen.
Herr Kollege Lehnert, ich hatte einmal einen wissenschaftlichen Mitarbeiter namens Mehmet Daimagüler, dessen Eltern Türken sind, dessen Großeltern Türken sind und der deutscher Staatsbürger ist. Er hat mich gefragt: Warum zwingt mich mein Staat, mein Land dazu, dass die Mitglieder meiner Familie mir gegenüber zu Fremden werden? - Genau das ist das Problem, vor dem wir hier stehen. Wir sollten über diese Problematik im Ausschuss weiter diskutieren.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist die Staatsangehörigkeit etwas Exklusives, ein Merkmal, das jeder Mensch nur einmal haben kann, wie das Geschlecht? Oder ist sie doch eine Kategorie, die es auch doppelt geben kann, so wie „Single“ und „geschieden“? Das ist die Frage, vor der wir stehen.
der deutschen Staatsangehörigkeit pocht, sieht die Wirklichkeit der Menschen wesentlich bunter aus. Davon kann nicht zuletzt der SSW ein Lied singen. Wenn Sie junge Menschen in den Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland nach ihrer Zugehörigkeit fragen, dann fällt die Antwort häufig klar aus: Ich habe zwar den einen oder den anderen Pass, aber eigentlich bin ich eine Mischung aus beidem. Wenn Angehörige der dänischen Minderheit im südlichen Deutschland leben, dann betonen sie die dänische Seite ihrer Identität. Wenn sie nach Dänemark ziehen, dann entdecken sie die Prägung der deutschen Gesellschaft. Ähnliches gilt natürlich für Kinder von Eltern verschiedener Nationalitäten. Die Identität und die Gefühle lassen sich nicht auf Schwarz oder Weiß reduzieren.
Es gibt aber natürlich nicht nur den emotionalen Aspekt des Staatsangehörigkeitsrechts, obwohl es, nebenbei bemerkt, häufig dieser ist, der die Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft prägt, bei Befürwortern wie bei Gegnern. Die Staatsangehörigkeit hat sehr konkrete Konsequenzen. Sie entscheidet über die staatliche Unterstützung in persönlichen Problemlagen - und das sogar weltweit. Die Staatsbürgerschaft bestimmt Aufenthaltsrechte, begründet fundamentale Bürgerrechte wie das Wahlrecht und sie kann auch handfeste erbrechtliche Konsequenzen haben, um nur einige Aspekte zu nennen.
Wer 18-Jährige zwingt, sich zu entscheiden, bringt sie damit aber in eine Situation, die sie kaum überblicken können. Heute müssen Jugendliche mit zwei Staatsangehörigkeiten sich spätestens zur Volljährigkeit entscheiden, wohin sie gehören. Diese Entscheidung wird in der Regel aus der aktuellen Lebenssituation und mit Blick auf aktuelle Lebensziele getroffen. Wir erleben aber immer wieder, dass Menschen erst später entdecken, was die Entscheidung über eine Staatsangehörigkeit bedeutet. Sie entdecken dies nämlich erst dann, wenn sie auf einmal unangenehme sozialrechtliche, erbrechtliche, aufenthaltsrechtliche und andere Konsequenzen zu spüren bekommen. Dies sind ja auch die Gründe dafür, dass die konsularischen Vertretungen zum Beispiel der Türkei immer wieder vor einem Wechsel zum deutschen Pass gewarnt haben. Im Übrigen werden auch deutsche Auswanderer immer wieder davor gewarnt, im neuen Wohnland leichtfertig ihren Pass einzutauschen.
Hier geht es wohlgemerkt um erwachsene Menschen, die sich für ein Leben in einem anderen Land entschieden haben. Wer mit 18 Jahren an der
Stufe zum Erwachsenenleben steht, weiß aber häufig noch gar nicht, wohin ihn das Leben führen soll und wohin ihn das Leben bringt. Trotzdem muss er oder sie eine Entscheidung treffen, die ihre zukünftigen Möglichkeiten und ihre Zugehörigkeit zu zwei Kulturen stark beeinflusst.
Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist immer ziemlich exklusiv gewesen, im Gegensatz zu dem Staatsangehörigkeitsrecht in klassischen Einwanderungsländern wie den USA oder Australien. Erst in den letzten Jahrzehnten hat es sich zumindest ein bisschen von seiner klassischen Prägung durch das Recht des Blutes verabschiedet und sich auch für Menschen geöffnet, die aus dem Ausland zugewandert sind. Wir haben in Deutschland aber einige Jahrgänge aus den 60er-Jahren, die sich nie entscheiden mussten. Anhand dieser Menschen lässt sich ganz gut beobachten, welche Konsequenzen der Vorschlag der Grünen hätte. Dabei wird eines deutlich: Die Loyalität zu Deutschland leidet nicht unter dem anderen Pass. Nur wenn man von dem veralteten Bild ausgeht, dass Nationalität etwas Einzigartiges ist und dass jede andere Nationalität im Gegensatz zur deutschen Nationalität steht, kann man die doppelte Staatsangehörigkeit so verteufeln, wie es manche konservativen Politiker tun.
Der Antrag der Grünen beinhaltet einen behutsamen Vorschlag, die Exklusivität der deutschen Staatsangehörigkeit der heutigen Wirklichkeit anzupassen.
Es geht nicht um Einwanderer, die die deutsche Staatsangehörigkeit anstreben. Es geht ausschließlich um Jugendliche, die von Geburt an zwei Pässe haben, weil einer ihrer Eltern Ausländer ist. Es geht darum, diesen jungen Menschen zu ersparen, sich für das eine und damit gegen das andere Land entscheiden zu müssen.
Der SSW sieht durchaus Argumente, die für eine solche Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes sprechen. Deshalb gehen wir offen in die weiteren Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss rein.