Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift dem vor, was möglicherweise von der Europäischen Union in absehbarer Zeit durch Rechtsverordnung umgesetzt wird. Damit kommt auf die Landwirtschaft etwas zu, was in seiner Auswirkung für uns Landwirte höchst problematisch ist.
Die geforderte „Transparenz“ führt nicht zu einer bloßen Kenntnisnahme, sondern zu Neiddiskussionen, die völlig überflüssig sind. Betroffen sind nicht „Heuschrecken“ oder Konzerne, sondern bäuerliche Familienbetriebe hier in Schleswig-Holstein,
Mittel rechtfertigen müssen. Welche Vorteile in dieser Form, mit diesen möglichen Auswirkungen, liegen sollen, bleibt mir völlig verschlossen. Ich habe noch nie gehört, dass etwa die Zuwendungen aus öffentlichen Kassen an Sozialhilfeempfänger „transparent“ gemacht werden sollen. Damit will ich nicht Prämienzahlungen an bäuerliche Familien und Bezüge aus Sozialhilfekassen gleichsetzen. Die Lebenssituation ist völlig anders. Der Vergleich drängt sich dennoch auf. Hier wie dort handelt es sich überwiegend um Familien, die betroffen sind. Die bäuerlichen Familien trifft es wirklich sehr hart. Das, was Brüssel auf den Weg bringt, wird nicht nur in den bäuerlichen Familien, sondern im ländlichen Raum insgesamt viel diskutiert.
Daher stellt sich die Frage, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN veranlasst, bäuerliche Familien so schnell wie möglich öffentlich bloßzustellen und in eine Rechtfertigungssituation zu bringen. Vielleicht, Herr Matthiessen, ist dies gerade gewollt.
Wir haben ein Landesdatenschutzgesetz und damit den Schutz der informationellen Selbstbestimmung. Solange diese Schutzrechte Bestand haben, wird es keine „Transparenz“ im Sinne der Antragsteller geben. Wir werden nicht zulassen, dass bäuerliche Familien von Rechten, die allen anderen Bürgern zustehen, ausgenommen werden.
Anders sieht die Situation aus, wenn die Europäische Union eine Rechtsverordnung erlässt, wofür ich kein Verständnis habe. Vorher werden wir jedoch nicht einen Schritt vom geltenden Recht abrücken. Deshalb lehnen wir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Claus Ehlers. Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Henning Höppner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Forderung nach transparenter Darstellung und Offenlegung von Begünstigten im Rahmen der Verwaltung von EU-Mitteln ist eine bekannte Forderung. Sie wird in den Gremien der Europäischen Union seit Langem diskutiert.
Herr Kollege Matthiessen, ich gehe davon aus, Sie kennen das im Mai 2006 veröffentlichte Grünbuch der Kommission, in dem diese ihre Vorstellungen zu einer Transparenzinitiative darlegt. Diese Transparenzinitiative bezieht sich auf die Interes
senvertretung, also auf die Lobbyisten, also auch auf Detlef Matthiessen, wenn er einer ist, auf deren Registrierung und die Erstellung eines Verhaltenskodex für die Interessenvertretungen. Interessenvertretungen sind - so heißt es in dem Grünbuch - professionelle Berater, die im Auftrag von EU-Organisationen Geld verdienen, Unternehmensverbände, Wirtschaftsverbände und auch die NGO, also auch die Umweltverbände, die durchaus auch zu den Nutznießern der EU-Politik und der EU-Förderung zählen. Schließlich sind noch die Begünstigten von EU-Geldern zu nennen. Dabei geht es um alle Begünstigten von Haushaltsmitteln der EU, also nicht nur die Mittel aus der Agrarpolitik wie die Direktbeihilfen, Maßnahmen oder die ländliche Strukturentwicklung.
Hätten die Grünen das Mitteilungsblatt der Kommission vom 21. März 2007 sorgfältig ausgewertet, dann wäre ihnen im Zusammenhang der notwendigen Änderung der Europäischen Haushaltsordnung aufgefallen, dass ich Folgendes zu berücksichtigen gebe - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -:
„Um die Transparenz bei der Verwendung der Haushaltsmittel zu gewährleisten, müssen innerhalb bestimmter Grenzen, die dem Schutz legitimer öffentlicher und privater Interessen dienen, Informationen über die Empfänger dieser Mittel bereitgestellt werden, wobei die Besonderheit des Rechnungszeitraums im Sinne des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft zu berücksichtigen ist.“
Es gibt - das macht dieses Papier deutlich - hinsichtlich der Nennung und Veröffentlichung der Namen von Begünstigten bislang keine Festlegungen. Dies ist lediglich Gesprächsgegenstand zwischen der Kommission und dem Rat, der letztlich in eine Durchführungsbestimmung übergehen muss. Angesichts des auch von den Grünen immer geforderten sensiblen Umgangs mit personenbezogenen Daten wundere ich mich schon über diese laxe Forderung, Namen und Beträge zu nennen.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Betriebsbezogene Daten! Das sind doch keine personenbezogenen Daten! Es geht um Transferleistungen!)
Meine Damen und Herren, die Gewährung von EUDirektförderung an die bäuerlichen Betriebe ist nicht geheimnisumwittert oder verschleiert, sondern bereits heute für den Normalbürger in jeder Form nachvollziehbar. Insbesondere wenn wir, wie dies der Fall sein wird, in einigen Jahren eine einheitli
che Flächenprämie pro Hektar haben werden, ist es ganz einfach. Die Formel lautet: Die Flächenprämie mal die Größe eines Betriebs macht dessen Direktförderung aus.
Die SPD-Fraktion bekennt sich klar zu einer Veröffentlichung der Begünstigten von EU-Geldern, wobei allerdings die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes einzuhalten sind. Selbstverständlich - das ist unsere Auffassung - muss es dann eine umfassende Transparenz auch der kofinanzierten Vorhaben geben, nämlich auch über die bundes-, landesund kommunalen Zuschüsse, die ebenso dargestellt werden müssen.
Der Antrag der Grünen fordert die Landesregierung auf, die Daten über die Vergabe von Agrarsubventionen öffentlich zugänglich zu machen. In der Begründung zu diesem Antrag wird diese Forderung allerdings de facto wieder infrage gestellt. Sie stellen fest, dass es eine entsprechende Richtlinie der EU-Kommission nicht gibt, dass diese erst diskutiert wird und noch nicht verabschiedet worden ist.
Gleichwohl steht in Ihrer Begründung, dass die EUKommission 2008 im Rahmen von Midterm-Review die EU-Förderungen auf den Prüfstand stellen will. Hierzu muss es allerdings keine Veröffentlichung der Zuschüsse gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des Landes geben, sondern die Landesregierung muss hier gegenüber der Kommission berichten. Dazu ist sie sowieso verpflichtet.
Ich kann den Antrag nicht ganz verstehen, aber ich denke, wir werden im Ausschuss noch einmal darüber diskutieren.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Höppner. Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heute von den Grünen angeregten Debatte um Transparenz bei EU-Agrarsubventionen führen wir die ebenso alte wie emotionale Debatte, wer denn nun wie viel EU-Gelder aus welchen Subventionstöpfen erhält und wer davon was und wie viel offen legen muss, fort. Dabei ist die Zielsetzung sicherlich richtig, dass der Umgang mit öffentlichen Geldern transparent erfolgen muss. Beim Verwaltungshandeln muss Transparenz oberste Maxime
sein, um einen Missbrauch von Steuermitteln zu verhindern und das Vertrauen der Bürger in staatliches Handeln zu stärken. Aber auch die Empfänger finanzieller Zuwendungen sollten in angemessenem Umfang in die Pflicht genommen werden können, um die Verwendung öffentlicher Mittel nachvollziehbar zu machen.
Trotzdem kann ich dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen, denn er geht viel zu wenig sensibel mit der bereits im Innen- und Rechtsausschuss und auch im Europaausschuss diskutierten Problematik um, wie - bei aller Transparenz - ein Ausgleich zwischen Offenlegung und Datenschutz erfolgen kann.
Herr Dr. Weichert hatte dazu vor einem Jahr im Ausschuss schon sehr ausführlich vorgetragen. Ich kann mich deshalb wirklich nur wundern, dass seine Aussagen und Anregungen nicht nur keine Berücksichtigung im Antrag gefunden haben, sondern dass der Antrag im Gegenteil sogar zeitliche Vorschläge für ein Handeln der Landesregierung enthält, die es geradezu ausschließen, dass die Anregungen des Landesdatenschützers überhaupt Berücksichtigung finden können.
Bereits vor über einem Jahr - und auch noch vor den Grünen - hatte sich die FDP im Bundestag dafür stark gemacht, die Europäische Transparenzinitiative mit dem Ziel aktiv zu unterstützen, die Informationen über die nationalen Empfänger von EUGeldern bei Einhaltung bestimmter Bedingungen offenzulegen.
Das zielte selbstverständlich nicht nur auf Agrarsubventionsempfänger. Aber die Mittel für die Strukturfonds und die Mittel der gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik machen nun einmal den ganz überwiegenden Anteil des EU-Haushalts aus. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass etwa 80 % des EU-Haushalts der sogenannten gemeinsamen Verwaltung unterliegen, sprich durch die Mitgliedstaaten selbst verwaltet und an die Empfänger weitergeleitet wird, so wird deutlich, dass es zusätzlicher Maßnahmen der Mitgliedstaaten bedarf, wenn die Transparenzinitiatve der Kommission nicht ins Leere laufen soll.
Welche Möglichkeiten es dabei gibt, machen uns zum Beispiel Dänemark, Großbritannien, die Niederlande oder auch Estland vor, die bereits Informationen über die Empfänger finanzieller Zuwendungen der Europäischen Union veröffentlichen.
In Berlin verhalten sich die regierungstragenden Fraktionen dagegen ablehnend. Selbst die Grünen haben sich unserem Antrag nicht angeschlossen.
Dabei sollte es im Interesse aller liegen, dass durch eine Veröffentlichung der Subventionsempfänger - öffentliche wie private - eine verbesserte Kontrolle der Verwendung von EU-Geldern erreicht wird.
Nur, wer - wie wir - Ja zur Transparenz sagt, darf deshalb selbstverständlich nicht den Datenschutz ausblenden. Die Balance zwischen Interessen der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen muss gewahrt bleiben. Wir werden uns deshalb in den Ausschussberatungen sehr genau darüber informieren müssen, wie sich welche Zahlungen auf welche Art von Betrieben und welche Betriebsgrößen verteilen.
Eines steht aber bereits heute fest: Gerade in Schleswig-Holstein erhalten - darauf hat der Landesdatenschutzbeauftragte bereits nachdrücklich hingewiesen - viele Einpersonenbetriebe aus der Landwirtschaft und der Fischerei Hilfen aus Brüssel, die auf diese existenziell angewiesen sind. Hilfebedürftigkeit darf aber nicht zu Diskriminierungen führen. Wenn wir es mit dem Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I daher ernst meinen, müssen wir EU-Förderungen, mit denen individuelle wohlfahrtsstaatliche Ziele der Existenzsicherung verfolgt werden, von der individuellen Veröffentlichung ausnehmen. Leider enthält der Vorschlag der Grünen dazu kein Wort.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. Das Wort für den SSW im Landtag hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den europäischen Agrarsektor hat Brüssel im letzten Jahr weit über 40 Milliarden € bereitgestellt. Davon entfallen auf Deutschland rund 6 Milliarden € - und alles sind Steuergelder. Mit rund 45 % ist der Agrarhaushalt mit Abstand der größte Topf der gesamten EU-Förderkulisse. Die Verteilung der Mittel erfolgt nach genau festgelegten Regeln. Für Deutschland bedeutete dies in 2005, dass 0,5 % der Betriebe jeweils mehr als
30.000 €, rund 18 % der Gelder bekamen, während 65 % der Betriebe jeweils bis zu 10.000 €, also rund 15 % der Gelder, erhielten. Diese durchaus ungleiche Verteilung der Mittel hat dazu geführt, dass eine Debatte über mehr Transparenz bei Agrarsubventionen in Europa losgetreten wurde, der sich letztendlich die CDU - Entschuldigung, die EU; aber die CDU selbstverständlich auch - nicht verschließen konnte.