Protocol of the Session on June 7, 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen setzen sich für eine Neuregelung des Denkmalschutzrechts in Schleswig-Holstein ein und haben sich der Mühe unterzogen, nicht nur mit einem Eckpunkteantrag die Landesregierung um einen Gesetzentwurf zu bitten, sondern diesen selbst zu erarbeiten. In weiten Teilen hält sich die Mühe in Grenzen, da sie das brandenburgische Denkmalschutzgesetz weitgehend wörtlich übernehmen. Sie gehen allerdings einen anderen Weg als Brandenburg bei der Zuweisung der Verantwortung für den Denkmalschutz. Das brandenburgische Gesetz nimmt so wie das geltende Gesetz in Schleswig-Holstein das Land und die Kreise in die Pflicht. Die Grünen wollen nun die Kreise und kreisfreien Städte aus dieser Verantwortung entlassen und die Zuständigkeit ausschließlich der Landesregierung und den beiden zuständigen Behörden, also dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesamt, zuweisen.

Die Grünen nehmen mit ihrer Initiative Überlegungen der für die Kulturpolitik zuständigen Staatskanzlei vorweg, die ebenfalls eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1996 vorbereitet. Nach dem Gesetzentwurf der Grünen soll die bisherige Sonderregelung entfallen, wonach die Hansestadt Lübeck anstelle der beiden Landesämter die Aufgaben der oberen Denkmalschutzbehörde wahrnimmt. Für eine solche Regelung spricht das unstrittige Bemühen, einfachere und kostengünstigere

Verwaltungsstrukturen zu schaffen. In vielen Bereichen ist dieses sicher möglich und sinnvoll.

Wir als SPD treten aber nicht dafür ein, Aufgaben, die nur vor Ort gelöst werden können, zu zentralisieren und sie der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger zu entziehen, gerade dann, wenn das ehrenamtliche Engagement Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies gilt ganz besonders, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, für den Denkmalschutz. Wir haben die Sondersituation, dass die Hansestadt Lübeck, deren Innenstadt seit 1987 als erstes Stadtensemble in Nordeuropa in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde, einen ganz anderen Abstimmungsbedarf

(Beifall bei SPD und FDP)

zwischen den Interessen des Denkmalschutzes und den Interessen der Wohnraumversorgung und der gewerblichen Wirtschaft zu bewältigen hat. Im Fall der Landeshauptstadt Kiel haben wir beispielsweise solche Dinge nicht zu beachten.

Wir als SPD-Fraktion haben kein Signal aus Lübeck vernommen, auch nicht seitens der dortigen Grünen, dass der Gesetzentwurf, den Sie heute in den Landtag einbringen, dort unterstützt würde, was die Aufhebung der Sonderstellung Lübecks angeht.

Über die Zuständigkeitsfrage hinaus habe ich die Befürchtung, dass wir dem Denkmalschutz einen schlechten Dienst erweisen würden, wenn wir den Gesetzentwurf der Grünen in dieser Form annehmen und die beschleunigte Eintragung in eine Denkmalliste beschließen würden. Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben, dass Denkmalschutz ausschließlich unter seinen positiven Aspekten wahrgenommen wird. Die Kehrseite der Medaille ist, dass viele Menschen den Besitz eines Baudenkmals eher als Fluch denn als Segen wahrnehmen, weil sie befürchten, für die Instandhaltung zur Kasse gebeten zu werden, aber nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, das Gebäude zu verwerten. Wozu das führt, wissen wir alle: Dann werden mit dem Bagger vollendete Tatsachen geschaffen, weil ein Bußgeld für eine vermeintliche Fahrlässigkeit das bessere Geschäft gegenüber einer langfristigen Instandhaltung ist.

Es wäre politisch nicht nur inkonsequent, sondern es würde auch widersprüchliche Signale an die Bürgerinnen und Bürger aussenden, wenn wir die Bautätigkeit mit der neuen Landesbauordnung anregen und erleichtern und sie dann mit einer ver

(Wilfried Wengler)

schärften Denkmalschutzgesetzgebung wieder einschränken würden.

Ich will diese Bedenken in den Raum stellen, ohne dass wir heute schon ein Ja oder Nein zur Initiative der Grünen sagen können oder müssen. Wie jeden Gesetzentwurf werden wir auch diesen im Bildungsausschuss und im mitberatenden Innenausschuss im Rahmen einer Anhörung erörtern, um zu einer Abwägung der betroffenen Interessen zu kommen. In Anbetracht der Planungen der Staatskanzlei sollten wir es den Anzuhörenden aber ersparen, zweimal im Abstand von wenigen Monaten zu demselben Sachverhalt Stellung zu nehmen. Ich schlage daher vor, Ihren Entwurf gemeinsam mit dem von der Staatskanzlei derzeit vorbereiteten Entwurf in die Anhörung zu geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Rodust. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Änderungsanträge der Grünen zum Denkmalschutzgesetz werden von uns in wesentlichen Punkten abgelehnt. Es ist aus Sicht der FDP nicht akzeptabel, dass sich die Eigentümer nach diesem Gesetzentwurf nicht mehr vor Gericht gegen die Eintragung ihrer Immobilien in eine Denkmalliste zur Wehr setzen können.

(Beifall bei der FDP)

Durch das von den Grünen vorgesehene Listenverfahren wird die bei dem bislang üblichen Registrierungsverfahren bestehende Möglichkeit, die eigenen Interessen vor Gericht durchzufechten, praktisch außer Kraft gesetzt. Der in unserem Rechtsstaat für alle Bürger bei sie betreffenden Verwaltungsakten offene Rechtsweg wird damit auf die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme, so heißt es im Gesetzentwurf, reduziert. Ich meine, ohne Rechtsschutz wird Denkmalschutz zu staatlicher Willkür.

(Beifall bei der FDP)

Es geht hier schließlich um erhebliche Eingriffe in berechtigte Belange der betroffenen Eigentümer. Schon die Eintragung in eine Denkmalliste kann dazu führen, dass sich beispielsweise der Wert eines Gebäudes verändert oder auch die Möglichkeit beeinflusst, dieses Gebäude zu veräußern. Das sind

Eingriffe in persönliche Rechte und da muss den Betroffenen der Rechtsweg offenbleiben.

Ihr Gesetzesvorschlag sieht vor, dass eine gerichtliche Klärung erst dann vom Eigentümer herbeigeführt werden kann, wenn er beispielsweise eine bauliche Veränderung vornehmen will und dann die Genehmigung, die dazu erforderlich ist, von der zuständigen Denkmalschutzbehörde versagt wird. Erst dann ist nach Ihrem Gesetzesvorschlag die Möglichkeit zu klagen für den Eigentümer eingetreten. Das halten wir für keinen akzeptablen Weg.

Es kann auch aus unserer Sicht kein Argument sein, dass sich die zuständige Fachbehörde eine solche rechtliche Regelung wünscht. Natürlich ist das, was wir heute haben - auch die Auseinandersetzung mit einer bestimmten Anzahl von Klagen, die es jedes Jahr wieder gibt -, für die zuständige Fachbehörde mit einem Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, der die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Denkmalschutzes belastet und arg beschäftigt. Das ist aber auch bei anderen Behörden so, die sich in ihrem Bereich solchen Aufwand und Ärger durch Beschneidung bürgerlicher Einspruchsrechte gern in ähnlicher Weise von der Hand schaffen möchten. Das kann aber in einer rechtsstaatlichen Ordnung nun einmal kein Kriterium sein für die Frage, wie wir Gesetze formulieren. Eine Politik, die immer nur auf die Wünsche der jeweiligen Fachbehörde eingeht und dann entsprechend die jeweiligen Gesetze so zuschneidet, wie sich die Fachbehörde das wünschte, reduziert sich selbst auf die Rolle des Erfüllungsgehilfen der Verwaltung. Ich denke, eine solche Politik braucht sich dann über ständig schwindende Akzeptanz bei den Bürgern nicht mehr zu wundern, sie ist nämlich selbst schuld an dieser Entwicklung.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen möchte ich noch anfügen, dass es bei den Grünen, wenn man einmal die bundesweite Diskussion zum Thema Denkmalschutz ins Auge fasst, eine erstaunliche Slalomentwicklung zu diesem Thema in den letzten Jahren gegeben hat. Im Jahre 2000 gab es eine öffentlich sehr bemerkenswerte Aktion der damaligen kulturpolitischen Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, die eine Radikalreform des Denkmalschutzes propagiert hat und den öffentlichen Denkmalschutz geradezu auf Bauten in staatlichem Eigentum beschränken wollte.

Private Gebäude sollten dann überhaupt nicht mehr irgendwelchen staatlichen Denkmalschutzauflagen unterliegen. Man könnte das mit schönen Zitaten untermauern, die damals der Ideengeber von Frau

(Ulrike Rodust)

Vollmer geäußert hat, von wegen: Die meisten Denkmalschützer seien Prinzipienreiter, unwissend, rechthaberisch und so weiter. Das war gewissermaßen eine super neoliberale Infektionsphase in der grünen Denkmalschutzpolitik.

Das eine Extrem ist genauso falsch wie das andere Extrem, nämlich das Machtverhältnis einseitig zugunsten einer staatlichen Fachbehörde zu verändern und den Rechtschutz der privaten Eigentümer zu beschränken. Das ist aus meiner Sicht nicht tragbar. Man braucht für den Denkmalschutz einen vernünftigen Mittelweg. Darüber sollten wir uns dann wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegt - Ende des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres unterhalten.

Ich hatte kürzlich als kulturpolitischer Sprecher ein interessantes Gespräch bei Herrn Staatssekretär Maurus. Ich bin mit Herrn Maurus einer Meinung, dass man den Status des Lübecker Denkmalschutzes so wie bisher belassen sollte.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP], Jürgen Feddersen [CDU], Wolfgang Baasch [SPD] und Hans Müller [SPD])

Das ist von Ulrike Rodust gut begründet worden. Dem schließe ich mich voll an. Ich glaube, dass wir hier in Schleswig-Holstein einen vernünftigen Weg gefunden haben, der sachorientiert ist, auch wenn es vielleicht Außenstehenden manchmal etwas ungewöhnlich erscheint, dass eine kreisfreie Stadt landesrechtlich hier einen Sonderstatus hat. Aber der ist - wie gesagt - gut begründet.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist auf die hohe Zahl der Klagen hin, die durch den Verwaltungsakt der Denkmalerfassung jedes Jahr anhängig werden. Schlimmer als die Zahl der Klagen finde ich, dass der Denkmalschutz durch das gewählte Verfahren in Misskredit gerät, weil Denkmalschutz als ein Verhinderungsinstrument wahrgenommen wird, das die persönliche Freiheit beschneidet. Ich denke, gerade andersherum wird ein Schuh daraus. Weil ein Widerspruch gegen die Eintragung und das daraus fol

gende Veränderungsverbot fristgebunden ist, erfolgt fast zwangsläufig ein Einspruch. Streit und jahrelange Verfahren sind die Folge.

Das muss aber nicht sein, wenn Schleswig-Holstein zu einem Verfahren kommt, wie es in den meisten Bundesländern gang und gäbe ist, dem sogenannten Listenverfahren. Alle Denkmale werden erst einmal in eine Liste eingetragen, erst bei einer Veränderung wird der Denkmalschutz tätig. Der SSW stimmt einer Umstellung auf dieses neue Verfahren prinzipiell zu.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vom Genehmigungsvorbehalt im Listenverfahren sollen ausdrücklich behindertengerechte Zugänge, also der Bau von Rollstuhlrampen, eine blindengerechte Bepflasterung und Ähnliches, ausgenommen werden. Auch das begrüße ich nachdrücklich.

Beim Denkmalschutz geht es nicht um die unveränderte Beibehaltung des Erscheinungsbildes für alle Ewigkeit, sondern darum, gerade die Geschichte eines Denkmales zu erhalten, beispielsweise die Aneignung eines Gebäudes durch seine Bewohner und Nutzer in den unterschiedlichsten Zeitläufen. Diese Funktion des Denkmalschutzes kennen aber die Wenigsten, weil sich noch immer das Vorurteil des Denkmalschutzes als Domäne lebensferner Spinner hält, die unsere Gesellschaft am liebsten in die Vergangenheit zurückversetzen wollen. Wegen dieser hartnäckig bestehenden Voreingenommenheit gegenüber den Denkmalschützern ist eine solide Beratung und Aufklärung so wichtig.

Landeskonservator Michael Paarmann weist in der aktuellen Ausgabe der „Zeitschrift für Denkmalpflege“ zu Recht darauf hin, dass - ich zitiere „wohl in keinem Bereich der öffentlichen Verwaltung dem Faktor Beratung eine größere Bedeutung zukommt“ als im Denkmalschutz. Das Werben für den Denkmalschutz gerät aber hoffnungslos ins Hintertreffen, wenn alle Ressourcen nur noch darauf verwendet werden können, die allerschlimmsten Sünden zu verhindern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, ich glaube die Uhr stimmt nicht.

Wir haben Ihnen zwei Minuten dazugegeben, denn wir haben das Einstellen der Uhr auf fünf Minuten nicht hinbekommen, liebe Kollegin Spoorendonk.

(Dr. Ekkehard Klug)

Wunderbar. - Auf Gefahrensituationen reagiert der Denkmalschutz quasi wie in einer Notwehrsituation mit Sofortvollzug. Für Beratung ist dann also keine Zeit mehr, was dem Ansehen des Denkmalschutzes nicht zugute kommt.

Der SSW steht einer Neustrukturierung des Denkmalschutzes offen gegenüber. Das sage ich ganz klar. Dabei geht es aus unserer Sicht nicht darum, unbedingt die unteren Denkmalschutzbehörden einzusparen - wie im vorliegenden Entwurf vorgeschlagen. Das Prinzip in der Verwaltung, zumindest eine Armlänge vom Bürger entfernt zu sein, um sich weder beeinflussen noch korrumpieren zu lassen, heiße ich prinzipiell gut. Doch den direkten Dialog mit Betroffenen kann ein angereister Fachmann aus Kiel nicht in der gleichen Weise leisten wie ein Ansprechpartner vor Ort. Wenn alle Beratungstermine zu Ferngesprächen werden, ist das nicht gerade die beste Voraussetzung für eine enge Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Behörden.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Hans Müller [SPD])

Gerade die Debatte um die Neutra-Siedlung in Quickborn hat gezeigt, dass das Eingreifen einer Landesbehörde von Einzelnen als unerwarteter und hoheitlicher Willkürakt wahrgenommen wird. Diese Missverständnisse kann man durch eine transparente und erklärende Politik vor Ort vermeiden. Genau das leisten die unteren Denkmalschützer auf kommunaler Ebene, zumindest dort, wo sie noch mit genügend Ressourcen ausgestattet und entsprechend ausgebildet sind.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber genau das ist der Punkt!)