Protocol of the Session on June 6, 2007

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Lokale Bündnisse für Familien in SchleswigHolstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1408

Ich erteile das Wort der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunehmend mehr Menschen engagieren sich in Schleswig-Holstein für die Belange von Familien und zunehmend spielen die Bündnisse für Familien eine wichtige Rolle in diesem Engagement. Nach dem Motto „Ein Bündnis für Familien ist immer auch ein Bündnis für die Zukunft“ sind inzwischen 15 lokale Bündnisse in Schleswig-Holstein entstanden. Ganz aktuell ist die Stadt Brunsbüttel hinzugekommen. Für Segeberg ist ein Bündnis für den Herbst geplant und mit Sicherheit wird es nicht das letzte Bündnis in Schleswig-Holstein sein.

Die drängenden Probleme von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Anspruch auf kinder- und familienfreundliche Umwelt, die Notwendigkeit, entlastende und unterstützende Infrastrukturen für Familien zu haben, der notwendige Einfluss auf die Arbeitswelt, dies und noch viel mehr sind Anknüpfungspunkte und Ausgangspunkte für vielerlei Aktivitäten der verschiedenen Bündnisse in Schleswig-Holstein.

Der vorgelegte Bericht zeigt die Vielfalt der Bündnisaktivitäten, er zeigt die breite Beteiligung der gesellschaftlichen Gruppen und Akteure vor Ort, und er zeigt, dass es unterschiedliche Profile der Bündnisse in Schleswig-Holstein gibt. Alle aber brauchen einen langen Atem. Sie brauchen Durchsetzungskraft, sie brauchen eine gute Vernetzung, auch hin zur Verwaltung und den politischen Mandatsträgern. Das alles brauchen sie, um Erfolg zu haben, und nichts bringt mehr Dynamik als Erfolg in die Bündnisse für Familien.

Wir können uns deshalb stellvertretend für viele Bündnisse mit dem Bündnis in der Region Flensburg freuen. Dieses Bündnis ist beispielsweise im Januar von der zentralen Stelle in Berlin als erfolgreiches Bündnis des Monats ausgewählt gewesen. Gewürdigt wurde insbesondere ein Pilotprojekt Känguru, das auf individuelle Kindertagesbetreuungsprobleme Rücksicht nimmt, das Notfallbetreuung organisiert und vieles andere mehr.

Bei einem meiner zahlreichen Besuche bei Bündnissen für Familien habe ich kürzlich in Elmshorn auch von anderen erfreulichen Erfolgen gehört. Dort wurden 18 Parkplätze für Familien in der Innenstadt eingerichtet, um ihnen das Leben zu erleichtern. Dort hat man sich erfolgreich eingesetzt für ein verkehrsberuhigtes Wohngebiet. Auch dort ist eine Kurzfrist-Kita-Betreuung in Planung, um Arztbesuche und Angelegenheiten der Familien miteinander kombinieren zu können, und dort wird ein Tag der offenen Sporthalle für Kinder eingerichtet, die in keinem Sportverein sind.

Die Arbeit all dieser Bündnisse zeigt: Ohne den Willen und die Offenheit vor Ort geht aber auch gar nichts. Die Akzeptanz und die Unterstützung tun Not. Deshalb ist es erfreulich, dass die Servicestelle auf Bundesebene seit Jahren erfolgreich und professionell die Bündnisse für Familien überall in Deutschland unterstützt und dieses auch mit Nachdruck in Schleswig-Holstein tut. Um ein Signal auf Landesebene zu setzen, haben wir ebenfalls eine Servicestelle im Ministerium eingerichtet, um die Aktivitäten zwischen der Bundesservicestelle und unseren eigenen lokalen Bündnissen zu verzahnen. Es ist eine kleine Stelle, aber gemeinsam können wir wirkungsvoll sein.

Was sind die Aufgaben dieser beiden Servicestellen? Es geht um Gründungsunterstützung, es geht auch um Werbung für neue Gründungen, es geht um gemeinsame Veranstaltungen, es gibt die Möglichkeit individueller Beratung, auch Hinweise auf Förderungsmöglichkeiten, im Einzelfall auch in kleinerem Umfang konkrete finanzielle Förderungen für eigene Aktivitäten. Es ist vom Ministerium eine Broschüre erstellt worden, in der sich alle lokalen Bündnisse für Familien präsentieren können. Für mich als Familienministerin ist es selbstverständlich, dass ich so oft wie nur möglich bei der Eröffnung von lokalen Bündnissen für Familien präsent bin, um ein deutliches Signal zu setzen, wie wichtig diese Bündnisse sind.

Nun kann man dies beschwören, aber es gibt zum Glück auch Unternehmen, die dieses belegt haben. Im Auftrag der bundesweiten Servicestelle hat die Prognos AG eine Studie gemacht und kommt zu

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

dem Ergebnis: Lokale Bündnisse rechnen sich. Sie rechnen sich, weil die Schlagkraft der beteiligten Partner durch die Vernetzung in einem lokalen Bündnis verbessert wird, die Durchsetzungskraft größer wird und damit die Rahmenbedingungen für Familien insbesondere in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der von den Fraktionen der SPD und CDU vorgelegte und beschlossene Antrag auf Bericht und die heutige Debatte sind ein nicht zu unterschätzender Teil der Anerkennung und der politischen Akzeptanz für die Arbeit von lokalen Bündnissen. Ich denke, von der heutigen Debatte sollte das Signal ausgehen: Machen Sie weiter so vor Ort, Sie haben den Rückenwind vom Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin und eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Frauke Tengler.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sozialministerium für die Erstellung des Berichts und die Beantwortung der im Antrag gestellten Fragen. 2003 wurden die lokalen Bündnisse für Familien vom Bund initiiert, sie hatten und haben die Zielsetzung, ganz allgemein familienfreundlichere Verhältnisse zu schaffen. Am 1. September 2006, so in der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zur Familienpolitik nachzulesen, gab es in Schleswig-Holstein zwölf lokale Bündnisse für Familien. Laut Bericht der Landesregierung und des Berichts der Frau Ministerin sind es jetzt 15, exklusive des Modellprojektes „ChefSache Familie“, also 15 Bündnisse im Lande.

Die CDU-Fraktion freut sich besonders darüber, wie breit die lokalen Bündnisse angelegt, wie groß und vielfältig die Beteiligung der Bündnispartner ist. Erfreulich ist auch die enge Vernetzung und Zusammenarbeit der lokalen Bündnisse mit der örtlichen Jugendhilfe. Alle Bündnisse wollen familienunterstützend arbeiten und positive Lebensbedingungen für Familien schaffen. Das hört sich zunächst gut an, ist auch richtig, aber es ist wenig konkret. So haben es auch einige Bündnispartner empfunden, und sie haben in Fragebogenaktionen die Familien vor Ort gefragt, wie denn die Lebensräume familienfreundlicher werden könnten, was sich die Eltern konkret wünschen, und zwar in den

Bereichen unter anderem Betreuung der Kinder nach der Schule und während der Ferien, notwendige Betreuungszeiten in der aktuellen Lebenssituation, welche Hauptprobleme in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesehen werden wie auch im Bereich Pflege in der Familie und in der Infrastruktur der Region, zum Beispiel Angebote für Jugendliche. So will zum Beispiel das lokale Bündnis in der Region Schleswig-Flensburg sein Arbeitsprogramm an den Auswertungsergebnissen dieses Fragebogens ausrichten. Hier noch einmal mein Dank an die Frau Ministerin, die diese Fragebogenaktion auch finanziell unterstützt hat.

(Beifall bei CDU und SPD)

Auffallend an dem vorgelegten Bericht ist, dass die existierenden lokalen Bündnisse unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die Ministerin hat es schon dargestellt. Der Schwerpunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird allerdings von allen Bündnissen benannt. Wir stellen fest, unsere lokalen Bündnisse sind noch am Anfang, sie arbeiten aber mit großem Engagement, sie tun es ehrenamtlich, sie tun es für die Familien in den jeweiligen Regionen. Sie wissen, der Standortfaktor ihrer Region wird durch das Prädikat „familienfreundlich“ positiv beeinflusst.

Die lokalen Bündnisse - ich sagte es schon - stehen noch ganz am Anfang ihrer Arbeit. Das hervorragende Modellprojekt „ChefSache Familie“ dagegen ist fast beendet. Minister Austermann sagte in einer der letzten Plenartagungen, es würde weiterlaufen. Die Sicherheit, Herr Minister, ist noch nicht bei allen Partnern – zum Beispiel nicht bei den IHKs – angekommen. Dort wird befürchtet, dass das ursprüngliche Konzept nicht fortgeführt wird. Das wäre bedauerlich, denn alle beteiligten Betriebe – es waren noch nicht so furchtbar viele – haben das Konzept als außerordentlich hilfreich bezeichnet und würden sich wünschen, dass es weitergeführt wird.

Die CDU-Fraktion begrüßt die Einrichtung der Servicestelle im Ministerium als „Overhead“ und hofft auch insofern auf eine gute Entwicklung. Wir verfolgen die Arbeit der lokalen Bündnisse mit großem Interesse und hoffen auf eine substantielle Weiterentwicklung. Wir unterstützen und erkennen die Arbeit der lokalen Bündnisse an.

Aus der Region Flensburg weiß ich, welche Hürden noch genommen werden müssen. Bei allem Engagement und der Bereitschaft, ehrenamtlich zu arbeiten, ist - im Ausschuss müssen wir überlegen, wie wir das machen können - doch auch über eine gewisse finanzielle Ausstattung nachzudenken. So

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

sagte mir eine hochmotivierte Initiatoren des Bündnisses in der Region Flensburg: Wir haben ja noch nicht einmal Briefmarken.

Meine Damen und Herren, arbeiten wir weiterhin mit dem und für die lokalen Bündnisse!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Frauke Tengler. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Ulrike Rodust.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein Politikfeld hat in der Prioritätenliste jemals innerhalb so kurzer Zeit einen solchen Sprung nach oben gemacht, wie es derzeit die Familienpolitik tut. In der Vergangenheit lief sie meistens unter dem Sammelbegriff „Gedöns“ als weniger wichtiges Sondergebiet im großen Aufgabenbereich der Sozialpolitik. Die Notwendigkeit eines eigenen Bundesfamilienministeriums, unabhängig vom Sozialministerium, wurde oft in Zweifel gezogen. Das hat sich Gott sei Dank geändert. Familienpolitik ist heute eine der großen Querschnittsaufgaben. Sie ist die Schnittstelle der Sozialpolitik, der Wirtschaftspolitik, des Bildungssystems, der Gleichstellung, der Jugendförderung und der Zukunftssicherung. Familien - das heißt für uns: alle Haushalte, in denen ein oder mehrere Kinder leben - brauchen die Unterstützung der gesamten Gesellschaft, manche mehr, manche weniger.

Massenarbeitslosigkeit betrifft überwiegend Frauen. Wer dafür eintritt, dass Frauen und Männer den gleichen ungehinderten Zugang zur Berufstätigkeit haben, muss die Möglichkeit schaffen, dass Berufstätigkeit und Kindererziehung miteinander vereinbar werden.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für Alleinerziehende ebenso wie für in Partnerschaft Lebende.

Das Problem ist nicht, dass die öffentlichen Hände zu wenig Geld für die Förderung der Familien aufwenden würden. Nach sehr zurückhaltenden Berechnungen werden in Deutschland jährlich deutlich über 100 Milliarden € für Familien ausgegeben. Die mit diesem Geld verbundenen Leistungen sind aber unzureichend vernetzt und erreichen ihre Adressaten nicht immer. Bei der Verwaltung der Transferleistungen sollen die Familienbüros es den Eltern ersparen, von Pontius zu Pilatus zu laufen,

um sich das Geld abzuholen, das ihnen aus den verschiedenen Töpfen zusteht.

Aber Familienpolitik muss mehr sein als das Ausleeren des finanziellen Füllhorns. Sie muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, an der Bund, Länder, Gemeinden, öffentliche Einrichtungen, Wirtschaft, private Einrichtungen, gesellschaftliche Verbände und Einzelpersonen beteiligt sind. Kurzund langfristige Betreuungsangebote, Frühförderung, Vermittlung von Sprach- und Sozialkompetenz, familienkompatible Arbeitszeiten und Verkehrswege, aber auch der respektvolle und verantwortungsbewusste Umgang mit Senioren und Seniorinnen – all das lässt sich vernetzt besser organisieren. Daher ist die Initiative der früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, bundesweit die Gründung von lokalen Bündnissen für Familien angeregt zu haben, von denen es nach dem aktuellen Stand der Dinge bereits 405 gibt, nicht hoch genug einzuschätzen.

Wir haben vor wenigen Wochen unser Familienministerium gebeten, uns über den aktuellen Stand in Schleswig-Holstein Bericht zu erstatten. Ich danke der Frau Ministerin und ihren zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den jetzt vorgelegten Bericht, der Auskunft gibt über 13 Bündnisse, die in den ersten Kreisen aktiv sind. Inzwischen sind es ja, wie wir gerade vernommen haben, 15 Bündnisse. Dazu kommt in den Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen das Projekt „ChefSache Familie“. Dieses ist übrigens von den Gleichstellungsbeauftragten initiiert worden. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang einmal bitten, darüber nachzudenken, ob es nicht in Zukunft überhaupt eine Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten sein kann, Bündnisse für Familie aktiv zu begleiten.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich habe in den vergangenen Monaten nahezu alle Bündnisse besucht und Informationsgespräche geführt. Die Strukturen der Bündnisse sind unterschiedlich; die Zeit die ihnen zum Sammeln von Erfahrungen zur Verfügung stand, ist ebenfalls nicht bei allen identisch. Auch wenn die Ausstattung und damit die Arbeitsintensität nicht überall vergleichbar ist, denke ich, dass an jedem Standort wichtige Maßnahmen zur Familienförderung ergriffen werden konnten. Beispielhaft seien die Bündnisse in Flensburg und in Schleswig-Flensburg, aber auch in Kiel genannt. Ganz wichtig dabei ist die Einrichtung der Servicestelle für die lokalen Bündnisse im Familienministerium, die mit dem bundesweiten Servicebüro eng zusammenarbeitet.

(Frauke Tengler)

(Beifall bei der SPD)

Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir auch in den Regionen, in denen die Strukturen noch etwas mager sind, zur Einrichtung von lokalen Bündnissen gelangen könnten. Ich schlage vor, dass wir den Bericht der Landesregierung an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung überweisen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ulrike Rodust. Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die letzte französische Sozial- und Familienministerin hat einmal auf die Frage, warum die Familienpolitik in Frankreich in den letzten Jahren so viel Erfolg hat, geantwortet: Das Rezept ist ganz einfach. Überall dort, wo es normal ist, Kinder zu haben, kommen auch noch welche hinzu.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage das, weil ich mich an dieser Stelle zunächst einmal im Namen der FDP-Fraktion ganz herzlich bei all denjenigen Beteiligten bedanken möchte, die die Familienbündnisse in SchleswigHolstein unterstützen. Das sind engagierte Bürgerinnen und Bürger. Genauso stellt man sich nämlich bürgerschaftliches Engagement vor. Das findet dort vor Ort ganz konkret statt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Familie ist die soziale Mitte unserer Gesellschaft. Wenn die Politik zu Recht erwartet, dass Menschen in ganz unterschiedlicher Konstellation füreinander einstehen und Verantwortung füreinander übernehmen, dann muss die Politik natürlich auch dafür sorgen, dass die Menschen genau das auch können, was wir von ihnen verlangen. Das bezieht sich sowohl auf die Verantwortungsgemeinschaften, in denen Kinder sind, bezieht sich aber auch – Frau Tengler, Sie haben das angesprochen – auf Verantwortungsgemeinschaften, in denen beispielsweise pflegebedürftige Angehörige betreut werden.

Ob sich Familien wohlfühlen, entscheidet sich dort, wo sie leben und arbeiten. Es hängt davon ab, welches Umfeld sie vorfinden. Das Wohnumfeld beispielsweise gestalten die Kommunen. Sie stellen Betreuungsangebote, Kultur- und Freizeiteinrich