Protocol of the Session on June 6, 2007

Es geht auch darum, unsere Erfahrungen mit der Integration von autochthonen Minderheiten auf die Sprachminderheiten zu übertragen, die sich durch Migration ergeben. Wir müssen auf allen Ebenen zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Integration der hier bei uns lebenden Minderheiten. Integration ist nicht nur ein einseitiger Prozess, sondern beide Seiten müssen ihren Beitrag leisten.

Wir haben das Integrationsproblem im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz hier in Deutschland sehr intensiv diskutiert. Ich glaube, dass die Erfahrungen, die wir zum Beispiel mit dem Minderheitenzentrum machen, uns gute Hinweise darauf geben, wie wir Minderheiten integrieren und ihre Kulturen akzeptieren können.

Sprachminderheiten sind auf den Zugang zu Medien unserer Gesellschaft angewiesen, damit kulturelle Auseinandersetzung und Sprachförderung stattfinden können. Das zweite wichtige Element neben der Unterstützung von kulturellen Vereinigungen muss daher sein, dass wir diesen Gruppen einen Zugang zu den modernen Medien ermöglichen, also zum Fernsehen und - nicht ganz so modern, aber umso wichtiger - auch zum Hörfunk. Staatliche Einrichtungen sollten, wo nötig, die Präsenz von Minderheitensprachen auch im Internet fördern. Kommunen, Landesregierungen und Bundesregierung sollten darauf hinweisen und entsprechende Links in ihren Präsentationen setzen.

Die Minderheiten müssen Gelegenheit haben, sich in unseren Medien darzustellen. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass ihre Kulturen lebendig bleiben und sich immer wieder erneuern können. Dafür sollten wir alle zusammen eintreten.

Wenn nun die Zahlen der Schülerinnen und Schülern so sehr zurückgehen, dass, wie im Falle von Schleswig-Holstein, der Friesischunterricht in den Schulen gefährdet ist, weil die Gruppen zu klein werden, ist das zunächst bedauerlich. Es können sich aber auch neue Chance ergeben. In Westfriesland haben wir das Beispiel - ich sage nicht, dass es ein guter Zustand ist, aber man muss etwas daraus machen, man muss es nicht nur hinnehmen; deshalb weise ich auf das westfriesische Beispiel hin -, dass man Fernunterricht eingeführt hat und die Schüle

rinnen und Schüler per Internet und Webcam mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern und dem Lehrpersonal verbunden sind und parallel zum Friesischen auch noch Medienkompetenz erwerben. Altes und Neues ist auf diese Weise trefflich miteinander verbunden.

Sprache und Schule sind auch in anderer Hinsicht ein wichtiger Aspekt. Das Thema Schülerbeförderung haben wir ja noch hier im Landtag. Ich denke, wir müssten da etwas tun, damit zum Beispiel auch die Schüler der dänischen Minderheit ihre Gleichberechtigung erfahren.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich etwas Plattdeutsch reden:

To’n Sluß much ik mi bi ju bedanken, leve Fruunsun Mannslüüd, för’t Tohöörn hüüt. Spraken bewohrn sik dörch den Gebruuk. Man mutt in’e Naberschop, bi’n Koopmann, in’e Kark de Spraak gebruken, sonst löppt dat Gefohr, dat de Spraak, de nich spraken ward, torüch geiht un utstarvt …

(Beifall)

Das Wort für den SSW erhält die Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Leve Fruunslüüd! Leve Mannslüüd! Liiw följkens! Mine damer og herrer! Hjertlig tak for en god beretning. Tak til ministerpræsidenten, til statskanceliets medarbejdere. Og tak til vores mindretalsombudsmand Caroline Schwarz for det arbejde, hun yder.

Nach knapp vier Jahren wird dem Landtag heute wieder ein Bericht zur Sprachencharta vorgelegt. Wir können feststellen, dass sich in den letzten Jahren wirklich etwas bewegt hat, müssen aber auch klar sagen, dass es immer noch offene Baustellen gibt.

Es ist somit erfreulich, dass es trotz großer Schwierigkeiten doch gelungen ist, das Sinti-Wohnprojekt „Maro Temm“ auf den Weg zu bringen.

In diesem Zusammenhang möchte ich der ehemaligen Minderheitenbeauftragten, Frau Renate Schnack, für ihren Einsatz danken.

Der Ministerpräsident und mit ihm zusammen der Innenminister konnten den Knoten durchschlagen, sodass kürzlich die Grundsteinlegung gefeiert werden konnte. Für die Sinti und Roma in SchleswigHolstein ist die Wohnungsgenossenschaft „Maro

(Detlef Matthiessen)

Temm“ von herausragender Bedeutung, auch im Sinne der Sprachencharta.

(Beifall beim SSW)

Betrachtet man die Situation der dänischen Minderheit, so kann man mit Fug und Recht feststellen, dass die Gleichstellung bei den Schülerkostensätzen für die Schulen von Dansk Skoleforening ein wichtiger Schritt ist, auf den wir als Minderheit schon Jahrzehnte gepocht haben. Das neue Schulgesetz hat das möglich gemacht, auch rein optisch, weil die dänischen Schulen in einem besonderen Abschnitt des Gesetzes verankert sind. Dadurch wird hervorgehoben, dass die Schulen der dänischen Minderheit einen anderen Stellenwert haben als andere Schulen in freier Trägerschaft. Sie sind quasi die öffentliche Schule für den dänischen Bevölkerungsteil.

Dieser Schritt hat dazu geführt, dass eine eigene Regelung für die dänischen Schulen hinsichtlich der Schülerkostensätze jetzt nicht nur besser möglich, sondern inhaltlich auch dringend geboten war. Dass die Landesregierung dieser alten Forderung des SSW jetzt nachgekommen ist, begrüßen wir ausdrücklich; das haben wir auch schon bei den Haushaltsberatungen gesagt. Denn die Schulen sind für uns wichtig. Eine weitere Ungleichbehandlung unserer Schulkinder wäre schwer zu verkraften gewesen.

Bei anderen Baustellen gibt es leider immer noch viel zu tun. So ist die Frage der Schülerbeförderung zu den dänischen Schulen noch ungelöst. Der SSW hat bekanntlich eine Ergänzung zum Schulgesetz in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Damals kamen wir mit unserem Anliegen aber nicht weiter. Wir erhielten jedoch das Signal von den regierungstragenden Fraktionen, dass man gewillt sei, eine Lösung zu finden.

Auch bei der Schülerbeförderung geht es um das Prinzip der Gleichbehandlung. Es geht aber insbesondere darum, dass die Finanzierung der Schülerbeförderung auch für die Schülerinnen und Schüler der dänischen Schulen endlich gesetzlich geregelt wird. Wir nehmen also die Große Koalition beim Wort und sind bereit, Gespräche über eine mögliche gesetzliche Regelung zu führen. Die Lösung muss bald kommen, damit man auch auf kommunaler Ebene weiß, worauf man sich ab 2009 einzustellen hat.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Medienpräsenz, die auch schon von einigen Vorrednern angesprochen worden ist. Die dänische Minderheit hat nicht nur ein Interesse daran, dass dänische Fernseh- und Radioprogramme im Landesteil Schleswig

zu empfangen sind, dieses Angebot stellt für uns vielmehr eine Art Lebensnerv dar. Die Umstellung auf digitalen Fernsehempfang kann aber dazu führen, dass die Minderheit medienmäßig von Dänemark abgekoppelt wird, dass durch die technische Entwicklung praktisch neue Grenzen entstehen. Dies muss man sich einmal durch den Kopf ziehen lassen.

Einerseits reichen die digitalen dänischen DVB-TSignale nicht weit genug über die deutsch-dänische Grenze hinweg, mit dem Ergebnis, dass Angehörige der Minderheit, aber auch andere Interessierte die dänischen Programme nicht mehr empfangen können. Andererseits kann dies dazu führen, dass auch die Kabelgesellschaften keine Verpflichtung mehr haben, die dänischen Programme mit in ihr Angebot aufzunehmen.

Kurzfristig konnten wir mit vereinten Kräften, also auch mit tatkräftiger Unterstützung aller Fraktionen hier im Landtag, im letzten Herbst das Abschalten der dänischen Programme noch verhindern. Ab 2009 wird dieses Problem aber wieder auf uns zukommen.

Deshalb müssen wir jetzt handeln. Wir appellieren an die Landesregierung, hier grenzüberschreitend tätig zu werden. Denn auch der Empfang deutscher Fernseh- und Rundfunksender nördlich der Grenze ist ein Thema für politische Gespräche.

Durch das Friesischgesetz, das 2004 im Landtag beschlossen wurde, hat sich für die Friesen in Schleswig-Holstein sehr viel geändert. Die Zweisprachigkeit, die verstärkte Anwendung von Friesisch im öffentlichen Raum ist in der Region Nordfriesland ein viel wichtigeres Thema geworden, als so manch einer im Vorwege dachte. Wer genau hinschaut, sieht nun aufgrund zweisprachiger Behördenschilder oder zweisprachiger Stationsnamen auf Bahnhöfen, dass man sich in einer besonderen Region befindet.

Hinzu kommt, dass wesentlich mehr Menschen nunmehr auch ihre Anliegen bei Behördengängen auf Friesisch vortragen. In einer Reihe von Gemeinden hat das Gesetz dazu geführt, dass man die etwas eingeschlafene Diskussion über deutschfriesische Ortsschilder wieder führt. Das heißt, das Gesetz hat nicht nur zum Selbstwertgefühl der friesischen Minderheit beigetragen, es dient auch der konkreten Sprachenarbeit.

Trotz der guten Nachrichten, die mit dem Friesischgesetz verbunden sind, gilt es weiterhin, das Fundament für das Erlernen der friesischen Sprache zu stärken. Hier steht der Bereich Schule natürlich im Vordergrund. Und wiederum hat der SSW eine Er

(Anke Spoorendonk)

gänzung des neuen Schulgesetzes in die parlamentarische Beratung eingebracht. Dabei ging es uns hauptsächlich um die Absicherung des Friesischunterrichts und um die Festschreibung der Bestimmung, dass sowohl Eltern ihre Kinder zum Friesischunterricht anmelden können als auch dass Schulen die Möglichkeit erhalten sollen, den Friesischunterricht selbstständig anzubieten. Dies ließ sich bei der Novellierung des Schulgesetzes aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen. Aber wiederum wurde uns vonseiten der Großen Koalition signalisiert, dass eine Lösung gefunden werden soll. Wir haben dankenswerterweise auch von der Kollegin Herold gehört, dass wir weiterhin im Gespräch sind. Herzlichen Dank für diese Aussage!

Wir können uns sowohl eine Verordnung als auch einen Erlass vorstellen, der das regelt, was wir seinerzeit in unserem Antrag vorgeschlagen haben.

Ein zweiter großer Bereich ist auch hier der Medienbereich. Friesisch findet im öffentlichen Fernsehen so gut wie nicht statt. Der NDR sendet nur zwei bis drei Minuten Friesisch wöchentlich zu einem Zeitpunkt, zu dem man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass niemand mehr zuhört.

Trotz der Bemühungen der Friisk Foriining, für Friesisch das Heft selbst in die Hand zu nehmen und einmal wöchentlich ein zweistündiges Programm im Internet oder im Offenen Kanal Westküste zu senden, bleibt die Verpflichtung des NDR, hier für längere und häufigere Sendungen zu einem guten Sendezeitpunkt zu sorgen. Solange man im digitalen Satellitenfernsehen in Nordfriesland sorbische, bretonische, westfriesische, baskische Sendungen und Sendungen vieler anderer Minderheitensprachen sehen kann, darf der NDR eigentlich nicht ruhen, bis er endlich ein qualitativ gleichwertiges Angebot für Nordfriesisch einspeisen kann.

In politischer Hinsicht fordern wir die Landesregierung auf, schon jetzt in Verhandlung mit den anderen norddeutschen Sendern zu treten, um für die nächste Änderung des NDR-Staatsvertrags gewappnet zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Bericht ist mehr als nur eine Bestandsaufnahme dessen, was in den letzten vier Jahren geschehen ist. Er ist nicht zuletzt eine Handreichung und damit ein Stück Werkzeug für die weitere politische Arbeit mit der Umsetzung der Europäischen Sprachencharta. Dazu gehört ganz aktuell, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag eine Kompetenzanalyse in Auftrag gegeben hat zum Thema „Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen

Grenzland“. Dahinter steckt die These, dass die Minderheiten ein Alleinstellungsmerkmal der Grenzregion sind und somit auch einen sprachlichen und kulturellen Mehrwert für die Region ausmachen.

Im Mittelpunkt einer solchen Analyse steht mit anderen Worten die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen der Minderheiten. So eine Frage zu stellen ist aus meiner Sicht nicht nur interessant, sondern auch legitim. Sie kann dazu führen, dass die Bedeutung der Minderheitensprachen viel differenzierter betrachtet wird als vorher.

Das begrüßt der SSW ausdrücklich, weil dadurch auch deutlich wird, wie wichtig Dänisch und Deutsch als Minderheitensprachen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind.

Aber auch das Friesische gehört in diesen Kontext. Denn wer die Nordseekooperation ausbauen will, kommt um die friesische Sprache nicht herum.

Minderheitenpolitisch betrachtet geht es aber aus der Sicht des SSW darum, daran festzuhalten, dass die Minderheitensprachen Dänisch und Friesisch einen anderen Stellenwert haben. Für die Minderheiten sind sie von existenzieller Bedeutung. Genau dies ist der Grund dafür, dass ich mich in meinem Redebeitrag auf die Bereiche Schule und Medien konzentriert habe.

Als Bürger dieses Landes wollen wir unsere sprachliche und kulturelle Kompetenz gern dem Land und der Grenzregion zugute kommen lassen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass in den viel besungenen Bonn/Kopenhagener Erklärungen immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Minderheiten- und Menschenrechte sozusagen zwei Seiten derselben Medaille sind.

Es geht also um nicht mehr und nicht weniger als um gelebte Demokratie. Und es geht - so ist es im Bericht nachzulesen; ich zitiere es - um „das unveräußerliche Recht der Menschen, sich im privaten und öffentlichen Leben ihrer eigenen Regionaloder Minderheitensprache zu bedienen“.

Die Zeit ist mir jetzt wieder einmal davongelaufen. Wie gesagt, gebe ich die deutsche Übersetzung nachher heraus. Den dänischen Spruch liefere ich das nächste Mal.

(Beifall beim SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

(Anke Spoorendonk)

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Bericht Drucksache 16/1400 federführend dem Europaausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Dann ist das so geschehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: