Protocol of the Session on May 9, 2007

Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger gerade über diejenigen Dinge mitentscheiden können, die sie vor Ort direkt betreffen. Auf die Gebietsund Verwaltungsreform trifft dies natürlich zu.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Wahl haben: Entweder es bleibt nach dem Wunsch der Volksinitiative und der FDP alles so, wie es ist, oder wir entscheiden uns für stärkere Kommunen und für mehr Verantwortung vor Ort. Gleichzeitig könnten wir Einsparungen durch die Reduzierung von Verwaltungsaufgaben erzielen und in den Bildungshaushalt investieren.

Mehr Verantwortung für die Kommunen heißt, dass Landesaufgaben nach unten abgeben werden. Das geht aber nur, wenn wir die Strukturen grundlegend ändern.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sollten es die Initiatoren schaffen, dass 5 % der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner das Volksbegehren unterzeichnen, wird meine Fraktion daher ihr eigenes Konzept für eine konsequente und tiefgreifende Verwaltungs- und Gebietsreform als Alternative zum Text der Volksinitiative erneut in den Landtag einbringen.

Wir wollen ein bürgernahes Schleswig-Holstein mit Amtsgemeinden und gewählten Bürgermeistern und Vertretungen. Unser grünes Konzept lautet: Nicht die Bürgerinnen und Bürger fahren den weiten Weg zur Kreisstadt, sondern zukünftig können die Menschen vor Ort im „Rathaus der Zukunft“ alles erledigen, vom Bauantrag bis zur Kfz-Zulassung.

Wir sind davon überzeugt, dass nur große Kommunen all diejenigen Aufgaben lösen können, die wir zukünftig in kommunale Verantwortung geben wollen. Diejenigen Aufgaben, die innerhalb einer größeren Region geregelt werden müssen, werden dann von den neuen Großkreisen wahrgenommen, zum Beispiel die Organisation des ÖPNV, die durchaus regional durchdacht und konzipiert werden muss.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger für ein solches Konzept mit mehr Bürgernähe begeistern könnten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit Sicherheit nicht!)

Allerdings wird das nur klappen, wenn die Politik das Konzept selbst trägt, wenn wir es den Bürgerin

nen und Bürgern erklären, wenn wir gemeinsam den Dialog vor Ort führen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Genau das Gegenteil ist aber passiert. CDU und SPD waren von Anfang an planlos und haben die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit ihren Konzepten verwirrt und verschreckt. Erst sollten Dienstleistungscenter geschaffen werden, von denen nicht einmal die Regierung selbst wusste, wie sie funktionieren sollten. Dann sollten Verwaltungsregionen geschaffen werden, eine komplett neue Verwaltungsebene sollte geschaffen werden. Der zusätzlich eingestellte Staatssekretär hat bisher nichts produziert als unbrauchbare Aktenberge. Die Landesregierung hat es nicht geschafft, ein Konzept einer Verwaltungsreform auf den Tisch zu legen, das auf einer brauchbaren Wirtschaftlichkeitsberechnung beruht und damit untermauert ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von Anfang an haben CDU und SPD sich gegenseitig die Schuld für ein misslungenes Reformkonzept zugeschoben. Wie, meine Damen und Herren, wollen Sie damit und so Bürgerinnen und Bürger vor Ort von einer notwendigen Reform überzeugen? Wer soll für eine Reform sein, wenn nicht diejenigen, die sich diese hier in Kiel ausdenken? Wen wundert es da, dass es vor Ort Proteste gibt, dass es Unverständnis gibt.

Trauriges Fazit nach zwei Jahren: CDU und SPD haben die Chance für eine transparente, kostensparende und bürgernahe Verwaltungsstrukturreform komplett versemmelt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Volksinitiative nutzen, um für die Idee der neuen Strukturen in Schleswig-Holstein zu werben: Mehr Geld für Bildung, weniger für Verwaltung. Das ist verständlich und das wollen die Menschen in den Gemeinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie man an der Volksinitiative sieht!)

Meine Fraktion ist gut vorbereitet, um diese Diskussion vor Ort zu führen. Ich lade Sie ein: Machen Sie mit, beginnen wir endlich damit, die Menschen vor Ort von guten Konzepten zu überzeugen, und ihnen zu sagen, es ist möglich, mehr Demokratie vor Ort zu leben, Verwaltung einzusparen und Geld in Bildung zu investieren! Das kann, das muss die Botschaft sein. Unsere ist es und wir würden uns freuen, wenn es unsere gemeinsame Botschaft wäre.

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Landtag erhält Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fest steht also, dass die Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung zulässig ist. So weit, so gut. Interessant ist aber, was jetzt mit dieser Initiative passiert. Der Landtag hat vier Monate Zeit, diesem Gesetzentwurf der Volksinitiative zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Es ist kein Geheimnis, dass der SSW die Volksinitiative aktiv unterstützt hat und wir natürlich auch inhaltlich zu den Vorschlägen stehen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Wir lehnen also weiterhin die vorliegenden Pläne der Landesregierung zur Kreisreform ab und sind auch der Meinung, dass es allenfalls um freiwillige Zusammenschlüsse von Kreisen und kreisfreien Städten gehen kann.

Noch einmal, liebe Kollegin Heinold: Sie wissen sehr genau, dass der SSW eigene Vorstellungen entwickelt hat. Wir sagen, man muss von unten beginnen. Man muss den gesamten kommunalen Bereich letztlich neu ordnen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Aber man kann nicht bei den Kreisen beginnen. Die Kreise haben eine vernünftige, zukunftsfähige Größe. Wir brauchen starke Kommunen und daher sagt der SSW, dort müssen wir beginnen. Ich denke, das ist richtig. Ein Bundesland mit 1.100 Gemeinden ist heute nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall beim SSW)

Das sage ich nicht gegen die Kommunalpolitiker, ich sage es, weil wir wollen, dass die Gemeinden Aufgaben selbst, in eigener Zuständigkeit erledigen. Das wollen wir und daher wollen wir diese Diskussion wieder auf die Füße stellen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Jetzt aber zu den Kreisen und zu der Volksinitiative: Solange nicht endlich klar ist, welche Aufgaben zukünftig von welcher öffentlichen Ebene gelöst werden sollen, macht die Diskussion über Neuschneidungen der Kreise überhaupt keinen Sinn

und ist sogar kontraproduktiv für die kommunale Demokratie vor Ort. Der Widerstand gegen die Kreisreform seitens der CDU-Basis - jetzt aber auch von anderen formuliert, auch von der SPD in Neumünster, habe ich mir sagen lassen - zeigt, dass die Landesregierung weiterhin auf dem Holzweg ist. Eine Umfrage zeigt auch, dass über 60 % der Schleswig-Holsteiner gegen die Kreisreformpläne der Landesregierung sind.

Von daher würde der SSW einen entsprechenden Gesetzentwurf nach den Vorschlägen der Volksinitiative unterstützen. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Große Koalition den Antrag der Volksinitiative ablehnen wird. Ich denke, das ist nicht einmal Kaffeesatzleserei. Dann müssten die Initiatoren für einen Volksentscheid gut 100.000 Unterschriften im ganzen Land sammeln, was sicher nicht unrealistisch ist und was diese auch schon angekündigt haben. Der Antrag zur Durchführung eines Volksbegehrens muss innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des ablehnenden Beschlusses des Landtages erfolgen. Sollte das Volksbegehren erfolgreich und zulässig sein, muss der Landtagspräsident innerhalb von neun Monaten einen Abstimmungstag zur Durchführung des Volksentscheides bestimmen. So steht es in den Bestimmungen. Diesen zeitlichen Ablauf müssen wir uns aber vor Augen halten, weil es ja nicht unwesentlich ist, wann ein möglicher Volksentscheid zu dieser wichtigen Frage durchgeführt werden kann.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit der Kommu- nalwahl!)

- Das war mein Punkt, lieber Kollege Kubicki; darauf komme ich jetzt zu sprechen. Denn aus Sicht des SSW gibt es zwei Aspekte, die es zu bedenken gibt. Zum einen darf ein Volksentscheid natürlich nicht erst so spät angesetzt werden, dass der Landtag womöglich schon per Gesetz über neue Kreisgrenzen entschieden hat. Das wäre für den demokratischen Prozess hier im Land und für das Instrument der Volksbefragung fatal. Zum anderen wäre es aus unserer Sicht äußerst vernünftig, wenn die Wählerinnen und Wähler gleichzeitig mit den Kommunalwahlen im Mai nächsten Jahres die Gelegenheit bekommen würden, auch über diese Volksinitiative abzustimmen. Denn es ist ja schon merkwürdig, dass wir im nächsten Jahr Kommunalund Kreistagswahlen durchführen und gar nicht wissen, wie lange es einige Kreise noch geben wird.

Wir plädieren also dafür, dass der Landtag seinen Spielraum beim zeitlichen Ablauf oder bei dem Verfahren so nutzt, dass wir am 25. Mai 2008 auch

(Monika Heinold)

über einen möglichen Volksentscheid zu dieser Frage abstimmen können.

(Beifall bei SSW und FDP)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Stegner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Debatte mit Interesse zugehört. Manch einer hat gar nicht zum Thema gesprochen. Zum Herrn Oppositionsführer komme ich gleich noch.

Erstens. Die Volksinitiative entspricht den Vorgaben des Art. 41 der Landesverfassung und den Antragsvoraussetzungen des § 6 des Volksabstimmungsgesetzes. Dies hat der Innen- und Rechtsausschuss festgestellt. Ich teile dessen rechtliche Bewertung uneingeschränkt und halte die Volksinitiative für zulässig.

Zweitens. Die Zulässigkeitsentscheidung ist an unabdingbare Voraussetzungen geknüpft. So haben mindestens 20.000 Stimmberechtigte die Volksinitiative unterstützt. Ich hatte Herrn Landtagspräsidenten mit Schreiben vom 21. Februar 2007 mitgeteilt, dass dies der Fall ist; es waren 22.076 Unterschriften.

Lassen Sie mich zum Auszählverfahren sagen, dass die landesweit gesammelten Unterschriftsbögen, die in diesem Fall mehr als 30.000 Unterschriften enthielten, im Ministerium aus Gründen der Verfahrenserleichterung paginiert, kopiert und dann den kommunalen Meldebehörden zugeordnet wurden. Fünf Stundenten haben dies in drei Wochen in Teilzeitarbeit erledigt.

Der Schwerpunkt bei den Unterschriften in Dithmarschen und insbesondere in Heide mit fast 3.900 Unterschriften hat dazu geführt, dass die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen eine ganze Menge Arbeit geleistet haben, für die ich mich bedanken möchte. Dies ist nämlich Teil dessen, dass direkte Demokratie möglich ist und dass die in der Landesverfassung eingeräumten Rechte wahrgenommen werden können.

(Beifall)

Hier fiel teilweise der Begriff „Zwangsfusion“ und es wurde gefordert, man möge sich das als Landtag zu eigen machen. Von daher frage ich mich, welches Verständnis einige Parlamentarier von Landtag haben. Der Landtag ist das oberste Gremium

der Willensbildung in diesem Lande und die Entscheidung des Landtags wird als „Zwangsfusion“ betrachtet. Als Abgeordneter in diesem Hause empfinde ich das als ein sehr befremdliches Verständnis von Landtag. Er ist schließlich das oberste Gremium der Willensbildung in diesem Lande und von daher wäre ich mit solchen Vokabeln vorsichtig.

Nun zu Ihnen, lieber Herr Oppositionsführer! Sie haben im Zusammenhang mit meiner überschlägigen Wirtschaftlichkeitsberechnung von der Wahrhaftigkeit von Konfirmanden gesprochen. Nun, im letzten Jahr ist mein Sohn Fabian konfirmiert worden. Am letzten schönen Wochenende ist mein Sohn Simon konfirmiert worden und nächstes Jahr wird mein Sohn Tilman konfirmiert. Ich weiß zwar nicht, ob Sie in der Kirche sind,